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Invasion, dumm gelaufen
Invasion, dumm gelaufen
„Dieses Konzept ist uns fremd. Wir haben dem nichts entgegenzusetzen. Wir müssen uns schnell anpassen, sonst haben wir in kurzer Zeit unabsehbare Schwierigkeiten.“ Der javaanische Oberst der Invasionstruppen wirkte plötzlich auf eine seltsame Art menschlich. Der Gefangene, der vor ihm mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Boden lag, starrte ihn ungläubig an. Der Oberst beugte sich zu dem Bündel Mensch hinunter. „Verrate mir, wie ihr das macht. Was ist euer Geheimnis?“ Der Mensch brachte so etwas wie ein Lächeln zustande, was für den Außerirdischen keine Bedeutung hatte. Er schnappte rasselnd nach Luft und keuchte: „Ihr habt keine Chance. Ihr habt einen so weiten Weg hinter euch. Für was? Für die totale Niederlage, hehe.“ Der Gefangene fing an, hysterisch zu lachen. Das heisere Glucksen ging wieder in ein Husten über. Der Javaanische Oberst zeigte keine Regung. Auch dieses Konzept war ihm fremd. Mit einer seiner vorderen Extremitäten berührte er ein Panel auf dem Gebilde, das vor ihm aus dem Boden gewachsen war. Der Gefangene fing an zu stöhnen. Mit zusammengebissenen Zähnen zischte er: „Ihr habt ja überhaupt keine Ahnung, was noch auf eure Truppen wartet - Fremdenlegion, Gurkhas, Seals, KSK, MI5 Mossad, SAS... Alle, alle werden hinter euch her sein. Ihr habt absolut keine Chance.“ Der Oberst wartete ein wenig, bevor er leise aber bestimmt entgegnete: „Unsere Waffen sind effektiv. Wir werden die Menschen vernichten. Wie schon viele Rassen zuvor.“ Der Gefangene hatte das nicht gehört oder er ließ sich nicht beeindrucken. „Haben sie schon die Taktischen Daten analysiert? Ich verwette eine Kiste Chardonnay, dass ihr damit nichts anfangen könnt!“ Der Fremde überlegte kurz, bevor er eine Information auf dem Panel abrief. Sein „Gesicht“ blieb unbewegt. Er wandte seinen massigen Körper wieder dem Gefangenen zu. „Wie macht ihr das?“ Der Mensch wusste nicht genau, ob er die Frage richtig verstanden hatte. „Was? Was hast du gerade genuschelt? Ach Scheiße, red lauter, ich bin müde.“ Er nickte fast ein. Als er merkte, dass der Javaaner immer noch vor ihm stand, erwachte seine Stimme wieder: „Keine Chance. Keine. Wir Menschen sind keine normalen Gegner, oh nein. Und das sind keine normalen Menschen, wie sie ihr kennt. Das sind die besten Soldaten dieses Planeten. Die kennen nur eine einzige Aufgabe - jeden Gegner auszuschalten. Und das äußerst effektiv, oh Mann. Es gibt nichts, was sie aufhalten könnte. Seit abertausenden von Jahren tun wir nichts anderes, als uns gegenseitig abzumurksen. Was denkst du wohl, was passiert, wenn sich die Menschen mal zusammentun? Ihr habt keine Chance. Keine.“ Die heisere Stimme des Menschen erstarb. Der Gefangene verlor das Bewusstsein. Der javaanische Oberst wartete noch ein paar Sekunden, dann berührte er wieder ein Panel. Vor ihm materialisierte sich das Bild eines javaanischen Soldaten. „Oberst?’“ „Soldat, wie lauten die Prognosen?“
Sein Gegenüber klang irgendwie kleinlaut: „Die vom Gefangenen extrahierten Informationen haben einen hohen Wahrscheinlichkeitswert. Die Simulation sagt eine katastrophale Niederlage voraus. Die Aussagen wurden mit den Informationen anderer Gefangener ergänzt. Der kalkulierte militärische Widerstand übertrifft alle unsere bisherigen Erfahrungen und unser derzeitiges Potential um ein Vielfaches. Dieser Planet ist, wie ein Gefangener äußerte, bis an die Kchhach’ bewaffnet. Eine unverhältnismäßig hohes Quantum ihrer Ressourcen wird von den Menschen für militärische Zwecke benutzt. Diese Rasse ist unglaublich aggressiv. Seit Anfang ihrer Existenz scheinen nur zwei Ziele ihr Dasein zu bestimmen: Eroberung und Verteidigung von Ressourcen und Territorium…“ Der Oberst unterbrach den Redefluss: „Was sagt die Simulation über den Expansionsfaktor?“ Der Soldat überlegte. „Die Simulation ist noch nicht beendet.“ Jetzt wirkte der Oberst ungeduldig: „Informieren sie mich sofort über das Ergebnis, sobald es vorliegt!“ Er schaltete ab und drehte sich wieder dem Gefangenen zu, der seine müden Augen rieb. „Was ist dieses Baron?“ Der Gefangene blinzelte die 3 Meter- Pflanze an. Er zögerte mit der Antwort: „Hm, das macht euch wohl zu schaffen?“ Keine Reaktion. „Baron von Richthofen, genannt der Rote Baron, hochdekorierter Pilot, viele Abschüsse. Ein echter Haudegen. Sehr effektiv. Sehr effektiv.“ Immer noch keine Reaktion. „Ich habe doch schon gesagt. Ihr habt keine Chance. Der Baron holt euch alle vom Himmel. Ihr könnt euch nicht verstecken!“ Das reichte für eine Reaktion. „Dieser – „Baron“ gehört zum Planetenverteidigungssystem, nicht wahr?“ Der grob implantierte Übersetzungschip im rechten Schläfenbein des Menschen brauchte eine Sekunde länger für diesen Satz. Doch daran war sein Träger gewöhnt. „Gut erkannt. Jeder Pilot muss sich früher oder später einer Übermacht ergeben“, faselte er in die Höhe, dort wo er die Ohren der Pflanze vermutete. „Ihr könnt ja mal versuchen, ihn abzuschießen, hehe!“ Der Oberst antwortete nicht. Der Mensch setzt nach: „Aha, das habt ihr wohl schon versucht. Darf ich raten - hat wohl nicht geklappt. Ich gebe euch einen guten Rat. Das wird auch nicht klappen. Niemand kann den abschießen!“
Der Oberst zögerte mit seiner nächsten Frage, was der Gefangene sofort merkte: „Das habt Ihr euch auch schon gedacht, nicht wahr? Und jetzt willst du von mir wissen, warum. Oh Mann, wenn ihr das bis jetzt noch nicht begriffen habt, seid ihr bereits verloren!“ Der Oberst verharrte für eine Sekunde, dann widmete er sich wieder dem Panel. Ein anderer Soldat erschien auf dem Schirm. und zögerte mit der Begrüßung: „Oberst? Kann ich ihnen dienen?“ „Zeigen sie mir die Analyse der letzten Aufklärungsflüge.“ Er musterte die Datenwellen, die über den Schirm huschen. Der Soldat erschien wieder: „Oberst, wie sie sehen, haben wir alle Aufklärungsschiffe verloren. Sie wurden von der Erdverteidigung noch vor dem Eintritt in den Orbit vernichtet. Bemerkenswert dabei ist, dass keine Fernwaffen zum Einsatz kamen, sondern Abfangjäger.“ „Wie viele?“ „Maximal fünf pro Angriffswelle!“ „Wie effektiv sind die Abwehrschirme der Aufklärungsschiffe?“ „Nicht effektiv genug. Die Abwehrjäger sind wesentlich schneller, wendiger und wesentlich besser auf die atmosphärischen Bedingungen angepasst und außerdem...“ Der Soldat zögerte deutlich. Der Oberst ergänzt:“ Die menschlichen Piloten sind wesentlich effektiver als unsere, richtig?“ „Das sagen jedenfalls die Daten. Alle Kalkulationen sagen ein negatives Etappen-Ergebnis voraus!“ Der Oberst warf seinen massigen Körper zu dem Gefangenen herum. „Wer ist dieser „Baron? Wieso trägt dieser Pilot einen Titel, den es in ihrem Sozialgefüge nicht mehr gibt? Was hat die optische Wellenlänge „rot“ zu bedeuten?“ Der Gefangene kratzte sich den Kopf. „Eigentlich kann ich es ihnen verraten. Es ist sowieso bald vorbei, ihre Zeit läuft ab. Sie können diesen Piloten nicht töten. Er ist bereits tot.“ Der Oberst schwieg. Er verstand nicht. Der Gefangene hörte sich langsam etwas überheblich an, selbst nach der Übersetzung: „Er ist schon lange tot. Viele Jahrhunderte. Und die Abwehrjäger sind alle tiefenraumtauglich. Der Baron kommt demnächst, um euch vom Himmel zu pusten. Und er bringt alle seine Freunde mit!“ ominöst er in Richtung Pflanze. „Freunde? Was hat die soziale Bindung mit der Kampfkraft zu tun?“ „Ganz einfach. Alle seine Freunde waren einmal seine Feinde. Aber das ist Ewigkeiten her. Jetzt reißen sie euch euren, na ja, was auch immer, auf, hähä!“ Der Gefangene fiel lachend um. Die wandelnde Gurke wirkte jetzt etwas lebendiger. „Wie kann dieser Pilot Jahrhunderte euerer Zeitrechnung überstehen und gleichzeitig tot sein? Das macht keinen Sinn. Das ist Zeitverschwendung, Mensch!“ Der Gefangene richtete sich langsam wieder auf „Der Baron ist tot, weil er ein Mensch war. Der Baron ist euch überlegen, WEIL er ein Mensch war. Der Baron und seine Freunde sind unsterblich, weil sie keine Menschen sind. Na - da reim’ dir jetzt mal was zusammen, hehe.“ Der Oberst verdrehte sich wieder zu dem Panel. „Analyse! - Roter Baron! Frage: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um eine Simulation handelt?“
Die Antwort kam sofort. „Wahrscheinlichkeit bei 87,7 Prozent.“ Der Oberst bellte: „Ein Programm? Ein verdammtes Programm?“ Er drehte sich wie in Zeitlupe dem Gefangenen zu. „Programme kann man deaktivieren. Wie können wir dieses Baron-Programm deaktivieren?“ Ein Tentakel peitschte auf das Panel. Der Gefangene bäumte sich unter dem plötzlichen Stromschlag auf. „Autsch! Das tut weh, du Arsch! Ich dachte, das hätten wir bereits hinter uns! Ihr könnt diese Programme nicht stoppen, löschen, deaktivieren oder sonst irgendwie vernichten. Sie sind autark, mit fast unbegrenzten Energiereserven ausgestattet. Und wenn sie einmal losgelassen sind, holt sie keiner mehr vom Himmel. Absolut unmöglich.“ Der General zuckte nicht einmal mit den Barthaaren. „Es muss eine Möglichkeit geben.“ Der Gefangene winkte müde ab. „Das wird jetzt echt langweilig mit euch. Wenn ihr versuchen wollt, den Jägern eine Falle zu stellen, vergesst es, Das ist Zeitverschwendung. Die Programme haben die Fähigkeit, sich zusammenzurotten und alles in ihrem Weg auszurotten. Blitzschnell und endgültig!“ Der General machte eine kleine Bewegung auf den Gefangenen zu. „Unsere Scanner zeigen keine Energiemuster von Abwehrschirmen. Wie geht das?“ „Die brauchen keine, weil sie in der Zeitphase verschoben sind. Das nenne ich einen unzerstörbaren Abwehrschirm. Dagegen habt Ihr nichts aufzubieten.“ „Jedes System hat eine Lücke. Über kurz oder lang werden wir sie entdecken.“ „Falsch gedacht! Und hier kommt der letzte kostenlose Tipp: Euch läuft die Zeit ab. Nachdem der Planet bereinigt ist, wenden sich die Jäger dem Sonnensystem zu und bereinigen es von Eindringlingen.“ „Wann wird das eintreten?“ Der Gefangene sinniert demonstrativ vor sich hin. Der General wird ungeduldig: “Was ist? Wann ist es soweit?“ Der Gefangene setzt sich gerade hin und verkündet mit einem breiten Grinsen und überaus feierlich: “Ihr habt echt Pech. Jetzt!“ wütend peitschte der General mit einem Tentakel auf das Panel. Die Gestalt des Gefangenen fing an zu modulieren und löste sich mit einem leichten Zischen in Luft auf. Ein Alarm dröhnte los. Der General stutzte erst und warf sich dann zu seinem Panel herum, auf dem fünf rote Punkte aufleuchten und sich schnell dem Mittelpunkt nähern.
©1993