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Interview
Am 23. Juli des Jahres 1999 erhält der Fernsehsender ‚TSO’ die Zusage des inhaftierten ‚Teufelsmörder’ für ein Interview.
Der ‚Teufelsmörder’ hat vier Menschen auf eine menschenverachtende, bestialische Weise umgebracht. Einen Taxifahrer, dem er das Herz bei lebendigem Leibe herausschnitt, eine Prostituierte, der er die Augen herausstach, sie in ihren Mund packte und ihre Lippen zusammennähte und ein Zwillingspaar, das er dazu brachte, sich gegenseitig umzubringen mit einem Messerkampf. Seinen Opfern ritzte er immer einen Drudenfuß in die Stirn, daher auch der Name Teufelsmörder. Sein richtiger Name ist Lukas Grassow, er ist zwanzig Jahre alt, 1,83m groß. Er hat schwarzgefärbtes Haar, das er zurückkämmt, ein selbsteingeritzten Drudenfuß auf der Brust und eine selbstbeigefügte Narbe, die über den Mund verläuft.
Als Datum für das Interview hatte man den 1. August festgelegt.
* * *
Das Interview findet im Besucherraum der Justizvollzugsanstalt Rogensberg statt. Das Fernsehteam hat sämtliche Kameras bereits aufgestellt und auch die Interviewerin Katharina Lieseman, frisch geschminkt, geht ihre Fragen im Kopf noch einmal durch.
Dann ist es soweit. Mit Hand- und Fußfesseln wird Lukas hereingeführt. Er geht zwischen zwei großen, muskulösen und bewaffneten Wachen, so dass er richtig kümmerlich wirkt. Mit einem überheblichen Grinsen nickt er allen Anwesenden zu und nimmt schließlich seinen Platz ein. Das Interview beginnt:
Katharina: Herr Grassow, erst einmal danke, dass sie sich bereit erklärt haben, uns ein Interview zu geben.
Lukas: Sie dürfen ruhig Lukas zu mir sagen. Ja, ich brauchte mal wieder ein bisschen Kontakt zur Außenwelt, wenn sie verstehen...
Katharina: Gut, Lukas, du darfst im übrigen auch Katharina zu mir sagen. Dann will ich mal anfangen. Lukas, wie kamst du zum Satanismus?
Lukas: Ich kam nicht zum Satanismus, der Satanismus kam zu mir! Ich hatte dieses ganze Kirchengetue satt und da wurde ich heimgesucht.
Katharina: Vom Teufel?
Lukas: Nein. Von dieser Macht, die von ihm ausgeht, ich spürte die Energie, dieses Böse, das gefiel mir sehr.
Katharina: Wie haben wir uns das vorzustellen? Energie?
Lukas: Als ob ein Blitz in mich gefahren sei, so kam es mir vor. Ich bin regelrecht zusammengezuckt, als es mich traf.
Katharina: Und von diesem Tage an warst du böse...
Lukas: Ich nicht, ich war nur eine Hülle für das Böse, ein Instrument.
Katharina: Aha. Wir wollen auch gar nicht lange um den heißen Brei herumreden, warum hast du diese Menschen getötet, was ging da in dir vor?
Lukas: Es war einfach wunderschön. Alle trugen sie ein Kreuz um den Hals, sogar die Hure. Es wollte ihnen einfach wehtun, sie quälen und foltern. Ihre Schreie haben ihm so gut getan.
Katharina: Sie reden da von ‚es’ und ‚ihm’, fühlen sie sich eigentlich schuldig?
Lukas: Nein! Das kann nicht... ich...aber....
Katharina: Entschuldigung?
Lukas: Verschwindet!
Katharina: Hey, macht mal kurz die Kamera aus! Lukas, ich kann dir nicht folgen, was ist denn auf einmal?
Lukas: Red nicht dazwischen, Katharina. Ich sagte, ihr sollt verschwinden!!
Katharina: Wir haben hier eine von dir unterzeichnete Zusage für dieses Interview. Für einen Rückzieher ist es jetzt zu spät, beantworte einfach nur meine Fragen, verdammt!
Lukas: Verpisst euch!! Haut ab!
Katharina: Lukas, schau mich an, was starrst du denn so in die Ecke da hinten? Schau mich an! Wenn wir das hier jetzt abbrechen müssten, wären das für uns enorme Kosten, ist dir das klar?
Lukas: Verschwindet! Ihr seid...tot!!
Katharina: Macht sofort die Kamera wieder an!!! Lukas, hörst du mich? Was siehst du? Lukas!!
Lukas: Ich habe euch umgebracht! Alle vier! Seht euch an, ihr seid tot!
Katharina: Lukas, sieh mich an! Schau mich an, Lukas!! Was siehst du?
Lukas: Sie sind alle da, die Nutte, der Taxifahrer, die Zwillinge, sie sind alle da!! Was wollt ihr? Lasst mich in Ruhe!!
Katharina: Reden sie mit ihnen? Was sagen sie? Lukas, antworte!
Lukas: Ich habe Angst, ich habe solche Angst, helfen sie mir doch!!
Katharina: Will ich ja, aber ich sehe hier niemanden, was tun sie?
Lukas: Sie...sie lachen. Über mich. Sie laben sich an meiner Angst. Hört auf, verschwindet!!
* * *
Das war Lukas letzter Satz, bevor er ohnmächtig zusammenbrach. Die Wachen hielten das ganze für einen Trick und sperrten Lukas wieder in seine Zelle ein. Nun ertönen Abend für Abend angsterfüllte Schreie aus seiner Einzelzelle. Die übrigen Häftlinge belächeln nun den jungen Mann, der sich einst als ‚das Böse’ ausgab.
* * *
Der Psychologe Dr. Frederik Ricktoz hat sich die Bilder angesehen, die die Kamera des Fernsehteams aufzeichnete. Er vermutet, dass Lukas „mit höchster Wahrscheinlichkeit“ an paranoider Schizophrenie leide und nun Halluzinationen habe. Merkwürdig ist nur, dass Lukas bei der routinemäßigen Untersuchung seiner Schuldfähigkeit vor dem Gerichtsverfahren keinerlei Anzeichen einer Psychose zeigte. Seine Aussagen, dass er das Böse sei, seien lediglich simuliert gewesen, hieß es, um einer Haftstrafe zu entgehen.
* * *
Ebenfalls angesehen hat sich die Bilder auch der Parapsychologe Dr. Martin Schuster, der noch am selben Tage mit seinen Messgeräten im Gefängnis eintrifft, um eine Untersuchung zu starten. Insbesondere der Besucherraum und Lukas Zelle weisen eigenartig starke Energien auf. Energien, deren Ausmaße selbst Dr. Schuster beunruhigen.