Inspiraten
"Du, er fragt, was wir wollen."
"Wie, was wir wollen?"
"Naja, er hat verstanden, dass wir seine Tochter entführt haben und will jetzt wissen, was wir wollen."
"Ach so. Lösegeld."
"Hab ich ihm schon gesagt."
"Was fragst du mich dann?"
"Er will wissen, wieviel."
"Jeder ne Million."
"Okay. Also zwei, ja?"
"Ja. Zwei."
"Euro?"
"Willst du mich verarschen? Natürlich Euro!"
"Ich wills nur richtig machen. Ist schließlich mein erstes Mal. Also, wir wollen zwei Eu... ich meine zwei Millionen Euro. Bar, nehme ich an?"
"Gib mir den Hörer."
Zwei Männer mit Strumpfmasken über dem Kopf, eine junge Frau ohne Strumpfmaske über dem Kopf, stattdessen mit einem Seil um den Körper. Es handelt sich hierbei nicht um ein modisches Accessoire, sondern um eine Sicherheitsmaßnahme erwähnter Männer, die während ihrer Verhandlungen nicht durch eventuelle Fluchtversuche gestört werden möchten. Sie haben schon genug mit sich selbst zu tun.
Der große Dünne gibt dem kleinen Dicken den Hörer und setzt sich auf den Boden der Hütte, um dort ein wenig zu schmollen. Es war gar nicht so leicht gewesen, diese Hütte zu finden, die nicht nur soweit außerhalb jeglicher Zivilisation stand, dass niemand sie hier finden könnte, sondern zudem über einen Telefonanschluss, einen Stuhl und ein Seil verfügte.
-- Laaaangweilig --
"Okay, jetzt hör mal zu, mein Freund!", bellte der kleine Dicke selbstsicher ins Telefon. Er hatte solche Dinge offenbar schon öfter gemacht. Oder im Fernsehen gesehen. Oder sich von jemandem zusammenfassen lassen, der sie im Fernsehen gesehen hatte. "Keine Mätzchen hier, klar?" Mätzchen war ein wichtiges Wort, das wusste er. Geschäftspartner auch. "Also, mein Geschäftspartner hat dir ja schon alles Wichtige erklärt. Deine Tochter ist hier und wir wollen zwei Millionen Euro... Was? Ja, natürlich in Bar!"
-- Das wird nix, eine Katastrophe --
Der kleine Dicke brüllte noch ein, zwei Obszönitäten ins Telefon und gab dem Vater ihrer Geisel dann die Details durch. Kleine, nicht markierte Scheine, in einem Koffer, unter der Brücke am Stadtrand. Nein, nicht die nach Norden, die andere. Genau. Und keine Mätzchen. Das mit den Mätzchen war wirklich wichtig. Der große Dünne holte derweil einen Schokoriegel aus seiner Tasche und biss geräuschvoll hinein.
"Also, haben wir uns jetzt verstanden? Wie? Ach so, du willst deine Tochter sprechen. Das ist grad schlecht, sie hat nen Knebel am Mund. Damit sie nicht so schreit, weißt du. Aber du kannst mir glauben, dass es ihr gut geht. Noch. Denn, wenn du nicht zahlst, dann... dann..."
-- Oh, ich hab ne Idee --
"Wir werden... äh..." Der kleine Dicke sah sich hilfesuchend in der Hütte um, konnte dort aber keine erwarten. Sein "Geschäftspartner" hatte immer noch den Mund voll und die Geisel war geknebelt. Ihm fiel einfach nichts ein. Totaler Blackout im Kreativitätszentrum. Wie soll man nur einem reichen Typen ordentlich drohen, wenn einem ums Verrecken nichts einfällt? Panik machte sich breit unter der Maske des Mannes. Schweiß rann in kleinen Bächen seine Stirn herab und der geübte Beobachter hätte ein leichtes Zittern der linken Augenbraue bemerken können.
-- Es ist riskant, aber... ach, was solls --
Dabei gab es in der Hütte doch jemanden, der ihm helfen konnte. In der Ecke saßen nämlich, von allen drei Menschen unbemerkt, drei waschechte Inspiraten. Kleine, putzige Gestalten mit stubsigen Nasen, ganz unsagbar niedlichen Stummelschwänzchen und einem Augenaufschlag, für den kleine Hundewelpen ganze Horden von Katzenbabys töten würden. Sie sahen ein wenig aus, wie Babyschlümpfe ausgesehen hätten, wären sie von Bussibär persönlich während eines Zuckerwatterausches entworfen worden. Und sie trugen Augenklappen. Jeder eine.
"Okay, dann sind wir wohl dran", sagte Bob. Bob war grün, von Kopf bis Fuß.
"Wieso wir? Das ist deiner", antwortete der orangene Hank.
"Jaja... schon gut. Dann wollen wir mal." Bob erhob sich aus der Ecke und tappste in seinem knuddeligsten Piratengang in Richtung des kleinen Dicken, der immer noch schwitzend am Telefon stand. Er kletterte an dessen Hosenbein empor, verlor in der Schrittgegend kurz den Halt, konnte sich dann aber im letzten Moment an der Jacke festhalten. Wenig später saß er auf der Schulter des Menschen und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
"Wir werden ihr die Finger einzeln abschneiden und sie dir per Post schicken! Jawollja!", fuhr der kleine Dicke erleichtert fort. "Und wenn das nicht genug ist, machen wir mir ihren Händen weiter. Du wirst dir deine Tochter zusammenpuzzeln müssen!"
Bob und der dritte komplett violette Inspirat namens Jack klatschten ihrem Kollegen neidlos Beifall.
Inspiraten sind übrigens nicht unsichtbar. Sie sind auch nicht zu klein, um von Menschen nicht wahrgenommen zu werden. Sie leben auch nicht in einer Parallelwelt, die man nur aus dem Augenwinkel sehen kann oder so. Das wäre alles viel zu kompliziert und auch komplett albern. Nein, Inspiraten leben mitten und offen unter den Menschen, neben ihnen und mit ihnen. Sie werden auch wahrgenommen - um genau zu sein, wunderte sich der kleine Dicke in diesem Moment, was da auf seiner Schulter saß - allerdings vergessen die Menschen ihre Anwesenheit in dem Augenblick, indem sie sich von den kleinen Kerlchen abwenden. Ein Moment reicht und man kann sich nicht erinnern, jemals einen Inspiraten gesehen zu haben. Sie schleichen sich einfach aus dem Bewusstsein und verbrennen auf dem Weg hinaus sämtliche Spuren, als wären sie niemals da gewesen.
-- Oh oh... ich weiß nicht, ob das jetzt so clever war --
Der kleine Dicke sah ungläubig auf das grüne Etwas auf seiner Schulter, kniff kurz die Augen zusammen und wusste im nächsten Moment nicht mehr, warum. Bob hingegen rutschte vergnügt auf dem Rücken des Menschen hinab, hielt sich am Hosenbund fest, und nutzte den Schwung, um mit einem Salto auf dem Boden zu landen. Das hatte er lange und oft geübt.
Doch die drei bunten Gestalten hatten keine Zeit, sich ausgiebig über diese gelungene Aktion zu freuen - Inspiraten sind sehr gesellige Zeitgenossen und lieben es, laut singend und wild rülpsend unvorstellbare Mengen Alkohol zu trinken, wofür sie jede sich bietende Gelegenheit dankbar annehmen - denn in diesem Moment ertönte irgendwo in ihren Köpfen ein leises Bing. Das Signal. Rückzug.
"Okay", sagte Jack. "Zeit zu gehen."
"Meinst du denn, wir können sie jetzt alleine lassen?"
"Meine macht ja grad eh nichts. Sitzt nur da und bewegt sich nicht. Total langweilig." Jack begann schon einmal, das Mystische Portal der Heimkehr zu erschaffen. Er zeichnete dazu mit dem Finger ein Rechteck an die Wand, das leise zu glühen begann. Grundregel: Je mystischer ein Portal, desto einfacher ist es zu erschaffen.
-- Das war eine ganz dumme Idee. Hoffentlich gehen sie nicht... --
Die drei Gestalten traten durch das Portal.
-- Verdammt! Ich habe die Kontrolle verloren --
...
"Jo Ho Ho. Und ne... hicks... Buddel voll Dings. Rum!" Der Steuermann war betrunken. "Tirilie", fügte er deshalb vergnügt hinzu. Aber niemand könnte es ihm verdenken, immerhin dümpelte das Schiff seit Wochen durch die flaue See, auf der sich kein Lüftchen regte. Jeder in der Besatzung hätte ohne zu zögern sein linkes Auge gegeben für einen ordentlichen Sturm. Regen, Donner, Blitz und Hagel, vielleicht auch eine schöne Seeschlacht gegen eine neunköpfige Hydra. Oder zumindest einen Delfin, mit dem man sich unterhalten könnte. Gerne auch einen Seeschwamm, über dessen alberne Form man lachen könnte. Irgendetwas halt, um dieser entsetzlichen Langeweile zu entkommen.
Der Betrunkene krallte sich an seinem Steuerrad fest und versuchte, bei all diesem Stillstand nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Von seiner Position aus hatte er einen guten Überblick über das Deck, wo die Besatzung gerade dabei war, die Planken zu schrubben und dabei einen mehrstimmigen Seemannshanty zu schmettern. Wie man das auf einem Inspiratenschiff eben so macht, wenn es gerade keine Ideen zu entern gibt. Der Steuermann gähnte einmal ganz entzückend und kratzte sich am Hinterteil. Und damit hätte er beinahe den Höhepunkt des Tages verpasst, als nämlich ein gelbliches Rechteck über dem Deck zu glühen begann und drei Außendienstler ausspuckte.
"Wo ist der Käptn?", brüllte Hank.
"Der issss... nanu, so viel S... hihi. Ders nich da."
"Was soll das heissen, der ist nicht da? Das ist ein Schiff, wo soll er schon sein?"
"Ja. Nein. Vielleicht? Hicks."
"Wir haben keine Zeit für sowas! Der Käptn hat uns angebingt."
"Bing?" Der Steuermann richtete sich ruckartig auf und fasste sich dann an den Kopf. Man kann über Schwerkraft und Alkohol sagen, was man will - aber wann immer sie zusammentreffen, passiert exakt das, was man auch erwartet. "Autsch...", grummelte er folgerichtig, nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte.
"Ja. Bing. Er hat uns angebingt. Also?"
"Äh. Wadde mal." Der Steuermann gab sich selbst eine Ohrfeige, um wieder einigermaßen klar zu werden. Es schallte quer über das Deck. "Autsch... Leck mich, alles tut weh heute. Kacktag. Unter Deck."
"Warum nicht gleich so?"
-- Weil ich Zeit zum Nachdenken brauche. Viel Zeit --
Der Kapitän war ein wenig größer, als seine Artgenossen, hatte natürlich ein stilechtes Holzbein und selbstverständlich einen funkelnden Metallhaken anstelle der rechten Hand. Und er war von Kopf bis Fuß bunt. Wie ein Regenbogen, nur ohne Goldkessel am Ende.
"Harr!", begrüßte er die drei Inspiraten.
"Harr!", harrten die Gäste im Chor zurück, ganz dem offiziellen Inspiratenkodex in Sachen Umgang mit dem Vorgesetzten folgend. Der Kodex war ein ebenso altes wie dickes Buch, das in einer kleinen Kiste in der Schatzkammer des Schiffes lag und aus dem nur vom Kapitän persönlich zu besonderen Anlässen vorgelesen wurde. Weihnachten zum Beispiel. Oder wenn einer aus der Besatzung abends nicht einschlafen konnte.
"Genug davon!", brüllte der Kapitän und schlug mit seiner gesunden Hand auf den Tisch. Eine Goldmünze fiel über die Kante und rollte in einem kleinen Kreis auf den Holzdielen umher, bis sie mit einem leisen Plirr auf der Piratenkopfseite zum Liegen kam.
"Ich hab gesagt, genug!"
-- Oh oh... --
"Dieses ganze Rumgelaber macht mich ganz wahnsinnig im Kopf", fuhr der Kapitän fort. Die drei Inspiraten waren ein wenig unschlüssig, denn sie konnten sich beim besten Willen keinen Reim auf sein Verhalten machen. Von welchem Gelaber sprach er da nur?
"Kapitän", begann schließlich Bob vorsichtig. "Ihr habt uns gerufen?"
"Was? Ja. Ja, natürlich habe ich das. Ich wollte mit euch reden. Aber man kommt ja hier zu nichts, weil alles voller Details ist."
"Wie meinen?"
"Details! Habt ihr das nicht gehört? Der betrunkene Steuermann? die Besatzung, die Seemannslieder singt? Mehrstimmig! Wen interessiert sowas? Oder eben, die Münze? Alles Details, komplett unwichtig. Einfach nur, um uns aufzuhalten."
Der Kapitän ging um den Tisch herum, wobei sein Holzbein rhythmisch auf den Boden knallte. Schließlich erreichte er seinen Sessel aus rotem Samt und ließ sich mit einem verärgerten Seufzer auf dem Hintern nieder.
"Da! Schon wieder. Ich will mit euch reden und dann kommen wieder diese Details."
"Kapitän, bei allem Respekt", sagte Jack, "wir wissen nicht, wovon Ihr sprecht."
"Ganz einfach." Der Kapitän nahm sich einen Apfel vom Tisch und biss hinein. "Mwir habem eim Maulmwumpf."
"Wie bitte?"
"Mwir habem..." er schluckte runter. "Wir haben einen Maulwurf!"
"Oh, wie süß", platzte es aus Hank heraus.
"Süß?" Bob sah ihn fragend an. "Alter, die fressen lebende Maden."
"Nichts ist süß!", brüllte der Kapitän und spuckte dabei ein Stück Apfelschalenrest durch den Raum. "Ein Maulwurf. Das ist jemand, der Details über uns ausplaudert. Wisst ihr, was passiert, wenn die Menschen merken, dass wir existieren? Wenn sie das hier lesen?"
-- Okay, sie haben mich erwischt. Ich bin am Arsch --
"Ich sage euch, was dann passiert. Sie werden uns bemerken und in Käfige stecken. Und dann werden sie uns auswringen und die Ideen aus uns herauspressen."
"Wenn sie was lesen?" Bob konnte nicht folgen und seinen beiden Freunden ging es ebenso.
"Diesen Text hier. Der steckt voller Insiderinformationen. Und darum habe ich euch gerufen. Ihr müsst sofort, also wirklich sofort, den Autor dieses infernalischen Pamphlets finden und ihn zur Rede stellen. Sein Inspirat muss der Maulwurf sein und ihm all diese Details ins Ohr flüstern."
...
-- Dreh deinen Kopf --
Was?
-- Dreh deinen Kopf --
Wer, ich?
-- Ganz genau. Nein, die andere Richtung --
Welche andere Rich...
-- Links! Dreh deinen verdammten Kopf nach links! --
"Ja, da brat mir doch einer einen Elch."
"Hi."
"Bist du so ein... ich meine..." Ich bleibe mit dem Auge auf dem roten Kerl auf meiner Schulter hängen, nicke aber Richtung Monitor. Richtung Text, den ich gerade geschrieben habe. Und immer noch schreibe. Quasi. Sehr kompliziert, das Ganze. Manchmal ist Logik etwas, was nur anderen passiert.
"Ganz genau. Ich bin dein persönlicher Inspirat. Jim ist mein Name. Und ich habe dir diese Geschichte inspiriert."
"Oh. Danke. Die ist ganz gut bisher, ne?"
"Naja."
"Was soll das heissen? Naja?" Ich werfe dem Inspiraten einen strafenden Blick zu.
"Eine Geschichte über eine Entführung? Ich bitte dich... Wie ausgelutscht ist das denn?" Er spuckte mir verächtlich an die Schulter. "Hätte ich nicht die Idee gehabt, die Inspiraten einzubauen, würden wir jetzt ganz tief in der Buchstabensuppe sitzen. Aber wir haben keine Zeit. Sie sind mir auf der Spur."
"Wer?"
"Wie, wer? Liest du eigentlich auch mal, was du so schreibst? Die drei Inspiraten. Ich bin zu weit gegangen, der Kapitän hat mich bemerkt und nun kommen sie... Siehst du?"
Der kleine rote Kerl auf meiner Schulter deutet auf meinen Monitor, der in diesem Moment gelblich zu Glühen beginnt. Eine kleine lila farbene Hand kommt heraus und stößt mein Wasserglas um. Eine Lache ergießt sich über den Tisch und beginnt, das Mauspad zu fluten.
"Schnell, beschreib deine Wohnung!", befiehlt Jim.
"Was?"
"Deine Wohnung, Mann! Wie sieht sie aus? Das ist wichtig."
"Zwei Zimmer, Küche, Bad. Ziemlich dreckig. Aber ich komm so selten zum Putzen."
"Hat dein Arbeitszimmer eine Tür?"
"Was? Natürlich."
"Okay. Ich wollte nur sichergehen. Jedes Detail kann helfen."
Die drei Inspiraten stolpern auf die Schreibtischplatte, sehen sich in meinem Zimmer um, planschen ein wenig in der Wasserpfütze und lachen sich über den Spongebob-Kalender kaputt. Und schließlich bemerken sie mich.
"Das muss er sein. Ich erledige das", sagt Bob und beginnt umgehend den Aufstieg. Mit einem weiten Satz springt er von der Tischkante an meinen Bauch, klettert unter den Anfeuerungen seiner beiden Kollegen an meinem Pullover empor, bleibt dabei kurz in einem Nutellafleck unbestimmter Herkunft kleben und setzt sich schließlich auf meine rechte Schulter. Jim versucht derweil, über meinen Kopf auf die andere Seite hinüberzuklettern, kommt allerdings zu spät. Bob formt seine Hände zu einem Trichter und flüstert mir etwas ins Ohr.
"Todesmaschine"
Auf einmal höre ich ein klirrendes Geräusch. Ein Geräusch jener Art, wie es etwa von einem ziemlich genau achtzehn Meter großen metallischen Vogel verursacht wird, der sich mit seinem Schnabel gerade von Außen durch mein Fenster pickt. Scherben fliegen durch den Raum, während er den Schnabel öffnet und einen markerschütternden Schrei erklingen lässt, der nicht nur mein Wasserglas zum Platzen bringt, sondern auch einige Bilder von der Wand rutschen lässt. Er hat sich derweil mit seinen Füßen in die Hauswand gekrallt und schlägt dabei wild mit den Flügeln, wodurch er einen Wind erzeugt, der mehrere umstehende Bäume einfach entwurzelt,
"Warum hast du das geschrieben?", herrscht Jim mich an.
"Ich weiß nicht... ich... er hat..."
"Todesmaschine hat er gesagt. Nicht Vogel."
"Das ist doch eine..."
"Du bist ein seltsamer Mensch. Okay, ich weiß was."
"Antitodesmaschine"
Als wäre das alles noch nicht genug, springt auf einmal die Tür auf und ein waschechter Roboter steht im Zimmer. Er trägt einen kaputten Hut auf dem Kopf und einen abgewetzten Kartoffelsack am Körper, aus dem überall elektrisches Stroh rieselt. Der Roboter breitet die Arme aus und steht dann einfach nur reglos da, wie aufgespießt.
Der Vogel scheint ein wenig irritiert und unterbricht für einen Moment das Werk seiner Verwüstung, der inzwischen ein Schrank, eine Stehlampe und meine teure Mingvase zum Opfer gefallen sind. Das Metallungeheuer scheint ein wenig unschlüssig zu sein, wie es auf diese Bedrohung reagieren soll.
"Instinkt"
Doch schließlich schnappt es mit einer ruckartigen Bewegung nach vorne und zermalmt den Roboter in seinem Schnabel. Es folgen einige Würg- und Schluckgeräusche und schließlich zeugen lediglich ein paar rostige Schrauben von meinem Rettungsversuch.
Diese kurze Ablenkung reicht jedoch aus. Ich springe aus meinem Stuhl, sprinte durch meine Wohnung und haste die Treppen hinunter, bis ich schließlich auf dem Gehweg vor dem Haus stehe.
"Mingvase?", fragt Jim.
"Wegen der Versicherung. Versuch ist es wert."
"Ja, vielleicht. Lauf!"
Der Vogel lässt sich fallen und landet mit einem mittelschweren Erdbeben vor mir auf der Straße, wobei er zwei vorbeifahrende Autos, einen Kinderwagen und einen Mülleimer unter sich begräbt. Menschen rennen wild schreiend durcheinander, zerren sich gegenseitig aus der Gefahrenzone und versuchen sich irgendwie in Sicherheit zu bringen. Ziemliches Chaos, alles was Recht ist. Das Tier lässt einen weiteren Schrei auf die umliegende Akkustik los und
"Sprengstoff"
explodiert. Er hat offenbar nicht damit gerechnet, dass kamikazoide Vogelscheuchenroboter generell immer Plastiksprengstoff unter dem Elektroheu tragen. Scharfkantige Metallteile fliegen nun in alle Richtungen davon, während der Explosionsradius dafür sorgt, dass umstehende Autos davongetragen werden. Unter anderem in meine Richtung, was wiederum dazu führt, dass ich die Beine in die Hand nehme.
"Okay! Das reicht!", brüllt Bob von meiner rechten Schulter. "Wir regeln das jetzt wie Inspiraten." Er springt auf meinen Kopf und zückt seinen Krummsäbel. "Komm her, du Sohn einer ideenlosen Plagiatorin!", ruft er in Jims Richtung.
"Niemand nennt meine Mutter... Moment, was hast du gesagt? Die Explosion war so laut."
"Plagiatorin."
"Zu meiner Mutter? Na warte!" Jim zieht ebenfalls seinen Säbel und klettert an meinem Ohr empor auf den Kopf. "En Garde. Harr!"
"Harr!", harrt Bob zurück, ganz dem offiziellen Inspiratenkodex in Sachen Duellierungsmanieren folgend.
Die beiden stehen sich gegenüber, die Säbel aufeinander gerichtet und beide hoch konzentriert.
"Du bist ein Verräter!", brüllte er, um das umliegende Chaos zu übertönen.
"Ich habe nur getan, was ein guter Inspirat tun muss, wenn es gilt, eine Geschichte zu retten. Ich habe ihm eine Idee gegeben."
"Ja, aber zu welchem Preis? Du hast uns ausgeliefert!"
Naja, und dann beginnt das Schwertduell. Die beiden lassen ihre Klingen kreuzen, stechen aufeinander ein, weichen sich gegenseitig aus, wechseln Positionen, ripostieren, parieren, cavatieren und retournieren, dass es eine Freude ist und summen dabei die ganze Zeit eine abenteuerliche Piratenfilmmelodie, der Atmosphäre wegen. Mein Kopf beginnt zu schmerzen, da die beiden nicht gerade zimperlich mit ihrem Kampfuntergrund umgehen und wild hin und her springen. Aber ich besinne mich auf das, was ich in diesem Moment am besten kann und renne. Egal wohin, Hauptsache weg von der Explosion.
Und schließlich fliegt einer der Säbel in hohen Bogen von meinem Kopf, an meiner Nase vorbei und landet vor mir auf der Straße. Ein grüner Säbel. Jim hat seinen Kontrahenten entwaffnet.
"Ha!", sagt er. "Wer ist jetzt hier der Sohn einer Plagiatorin?"
"Immer noch du." Bob liegt auf dem Rücken, wehrlos aber nicht ehrlos.
"Was? Du räu... Ja, okay. Mag sein. Aber ich hab dich trotzdem geschlagen. Und du weißt, was das gemäß unseres Kodex bedeutet."
"Parlé?"
"Ich sag dir, was es bedeutet. Es bedeutet Planke."
...
"Das funktioniert niemals." Der Inspirat auf meiner Schulter hält sich eine blutende Stelle an seiner Schulter und sieht reichlich mitgenommen aus. Scheinbar war es wirklich ein harter Kampf gewesen. Außerdem blutet seine Nase, was ihrer Stubsigkeit aber keinen Abbruch tut.
"Sei nicht so pessimistisch. Natürlich funktioniert das."
"Aber du hast nichtmal eine Tochter."
"Das wissen sie aber nicht."
"Aber..."
"Nix aber!", fahre ich für einen Moment aus der Haut. Bin ja auch nur ein Mensch. "Du hast mir diesen Mist hier eingebrockt. Hättest du mir nicht diese Inspiratenidee ins Hirn gepflanzt, wären wir jetzt nicht auf der Flucht. Nur, weil du den einen besiegt hast, heisst das nicht, dass die anderen uns nicht finden."
"Ja. Ja, tut mir Leid."
"Naja, hat ja auch Spaß gemacht", grinse ich. "Irgendwie. Und vielleicht kann ich später ne Mingvase raus schlagen."
"Du willst dich also wirklich in deiner eigenen Geschichte verstecken?"
"Der einzige Ort, an dem sie uns nicht finden. Bis Gras drüber gewachsen ist."
"Okay. Aber wie gesagt, du hast keine Tochter."
"Hey... das ist immerhin meine Geschichte."
Das Telefon klingelt und ich hebe ab.
"Ja... ja. Verstehe. Und was wollen Sie? Ah, Lösegeld, klar. Okay, wieviel? Oh, das ist aber ganz schön happig. Nee, schon okay. In Bar?"