Insomnia
03.00 zeigt der kleine Wecker neben meinem Bett. Drei Uhr morgens...warum kann mein Kopf nicht aufhören zu denken?? Warum...warum denke ich jetzt überhaupt? Gedanken fliegen wie Motten durch das dunkle Zimmer. Gedanken an das Leben jetzt, an gestern und überhaupt an alles was am Tage so unwichtig erscheint. Eigentlich sieht mein Leben im Schein der Nacht auch nicht anders aus, als am Tage...Oder doch? Lebe ich überhaupt, oder laufe ich nur einem Traum hinterher, einem Traum von einer Existenz wie alle anderen ihn immer wieder zu erleben glauben? Allein. Das mächtigste Wort in meiner Existenz. Allein war ich immer. Niemand konnte die Schale durchbrechen die mich umgibt. Nie haben meine Eltern begriffen was ich überhaupt denke oder fühle. Nie haben meine Gefährten (das Wort FREUND scheue ich zu benutzen, bin ich es nicht Wert so etwas wie Freunde zu besitzen) verstanden was mich antreibt, oder noch viel öfters stoppt. Am Tage bin ich allein, am Abend auch, und doch, am Abend scheine ich zu leben. Am Abend denke ich darüber was ich am Tage alles machen könnte, sagen würde und in was ich alles Versagen könnte. Versagen, noch ein Wort dass mein Leben beschreibt und auch diktiert. In der Nacht denke ich daran, was ich alles schaffen könnte, am Tage weiß ich dann immer wieder was ich alles vermasseln kann.
Ich lebe zwei Leben. Eines in der Nacht, mein Leben wie ich es gerne hätte, und am Tage lebe ich ein Leben gegen dass ich mich zu wehren nicht im Stande bin. Ein Leben dass ich nicht lenken kann, dass mich lenkt, dass mich vernichtet.
05.00 Verdammt. In drei Stunden muss ich zurückkehren in das Leben, dass ich so nie gewollt habe, und doch verdient habe. Ich bin zu schwach es zu ändern und noch viel schwächer es zu beenden. Selbstmord, ein Gedanke wie er mir nicht vertrauter sein könnte. Und doch fehlt mir der Mut, diese Qual was sich mein Leben schimpft zu beenden. Bin ich nur zu schwach zu leben oder bin ich zu schwach zu sterben? Bin ich auf ewig dazu verdammt, auf dieser traurigen und einsamen Welt ewig umherzustreifen? Als einziger (so kommt es mir jedenfalls vor) zu verstehen dass diese Welt keine Existenzberechtigung besitzt, dass diese Welt nur noch ein gestorbener Traum ist, erdacht von Menschen mit Idealen und Hoffnungen. Doch diese Ideale sind schon lange farblos geworden. Diese Welt ist meine Bestrafung für meine Schwäche. Ich habe sie verdient, ja es kommt mir so vor, als ob ich diese Welt selbst erschaffen habe durch meine Unfähigkeit.
08.00, Tag!
Ich mag ihn nicht. Und er mag mich noch viel weniger, und dass merke ich auch. Am Tage sieht man all die Grausamkeiten die einem die Welt bereit hält nur all zu deutlich.
Warum kann ich nicht wie jeder andere sein, jemand der die Welt nur oberflächlich betrachtet und sie für gut befindet. Nein, ich muss ja alles tiefer betrachten, alles eingehender Untersuchen. Ich kann nichts so hinnehmen wie es ist. Das ist meine Gabe, mein Untergang. Sehe ich einen Menschen, dann fällt mir nicht nur sein Äußeres auf, nein ich sehe in sein Inneres und bin meist (oder sogar immer?) abgeschreckt durch die Leere und die Zufriedenheit die in seinem Inneren herrscht. Ich bin neidisch auf diese Menschen.
Man erwartet von mir das ich mich einordne, der Gesellschaft unterordne. Aber wie kann ich das? Wie kann ich mich einer Gesellschaft unterordnen die noch kranker ist als ich selbst? Oder bin nur ich krank und die Welt um mich herum ist Gesund? Bin ich einfach verrückt? Vielleicht.
22.00 Und wieder habe ich einen Tag überstanden. Überlebt trifft es auch ganz gut. Ich weiß nicht ob außer mir noch jemand das Gefühl kennt, nur einschlafen zu können, mit der Hoffnung auf den Tod. Die Hoffnung im Schlaf zu sterben. Ich betrinke mich jetzt am besten. Das einzige Mittel das meine Stimmen im Kopf zu schweigen bringen kann. Stimmen die mir erzählen, mir beichten, wie mein Leben in Wirklichkeit ist. Ich will sie nicht hören, ich will wenigstens in der Nacht meinen Frieden.
24.00 Manchmal, aber nur sehr selten träume ich von einem Engel. Einem Engel der gnädig seine Schwingen über mich ausbreitet, mir Schutz und Geborgenheit gibt. Ein Engel der mir die Liebe schenkt. Mir erklärt dass die Welt mich braucht, dass sie mich braucht. Sie erzählt mir dann in einem warmen sanften Ton, dass die Liebe die Welt lebenswert macht. Warum habe ich sie noch nie erfahren? War mein Leben vom Hass bestimmt? Lächelnd küsst sie meine Lippen und bringt mich zum verstummen, bringt die Stimmen in meinem Kopf zu verstummen die schon wieder versuchen alles ins negative Licht zu tauchen.
Gibt es Engel?
Gibt es Liebe?
Ich weiß es nicht, ich habe beides noch nie gesehen oder zu spüren bekommen.
06.00 Mit Salz verklebten Augen wache ich auf. Ich habe geweint. Allerdings ob ich im Schlaf geweint habe oder im Traum weiß ich nicht mehr. Es fällt mir immer schwerer Fantasie und Realität zu trennen.
??.?? Ich habe beschlossen mein Leben von nun an nicht mehr nach der Zeit zu richten. Es hat keinen Sinn sich das Leben von einer Einheit diktieren zu lassen, die sich ein paar Sadisten vor langer Zeit ausgedacht haben.
Ich schaue mich zum ersten Mal bewusst wieder um. Ich erkenne lachende Gesichter, ich höre schallendes Lachen. Ich muss selber anfangen zu lachen, aus keinem ersichtlichen Grund. Ich mag es wenn Menschen um mich herum lachen. Es ist so unschuldig und es verzaubert mich einfach, lässt mich in eine Vision von Freude und Glückseligkeit eintauchen. Gibt es etwas ehrlicheres als Lachen?
Und wieder bin ich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden. Ich kenne noch nicht einmal die wahre Ursache, aber ich bin wieder in der Realität. Aufgewacht aus meinem Traum. Wie es wohl ist, tot zu sein? Würde jemand auch nur eine ehrliche Träne um mich vergießen? Ich fühle mich als ob ich an meiner eigenen Begräbniszeremonie teilnehmen würde. Es sind viele Menschen da, doch keiner der Anwesenden kannte mich. Jeder hat eine andere Person im Kopf. Bei einer Menschen war ich der Aufgeweckte, bei einem anderen der Lustige, wieder bei einem anderen war ich der Nachdenkliche... Wer war ich? Wer bin ich??????
Viel würde ich darum geben herauszubekommen wer ich wirklich bin, oder wann ich mich selbst verloren habe.
Ja wann.....manchmal glaube ich,dass ich, seit ich meine Welt um mich herum mitbekommen habe, einfach verschlossen habe um mein Selbst zu schützen. Zu schützen vor Beleidigungen, Verletzungen, Schmerzen und Rückschlägen. Aber warum tut es dann immer noch so weh?
Vielleicht habe ich keine echte Persönlichkeit, sonder ich existiere nur aus Facetten, die jeder Mensch unterschiedlich wahr nimmt. Für jeden Mensch nur das Beste, bis nichts mehr für mich selbst übrig blieb.
Hab ich deswegen noch nie Liebe erfahren? Wage ich einfach nicht, dass jemand meinen Schutz durchbricht und das wahre Ich sieht? Würde sie enttäuscht sein? Oder sogar Verletzt wenn sie sieht, dass die Person im Inneren völlig unterschiedlich ist von der Person die sie glaubte zu kennen? Oder ist es unmöglich diese Hülle zu durchbrechen?
Mir kommt es langsam so vor.
Ich fühle mich einsam. Niemand der neben mir liegt wenn ich schlafe, niemand der mit einem glücklichen Gesicht darauf wartet dass ich aufwache. Niemand ist hier, niemand noch nicht einmal ich, denn mein Ich ist niemals an nur einem Ort. Es ist überall und doch nirgends. Es flüstert mir Fragmente zu, doch niemals eine Geschichte. Ich liebe Geschichten. Sie lassen mir von einer anderen Welt träumen. Einer anderen Person in die ich verwandelt werde.
Ich spüre den Drang mich selbst zu verletzten. Den Schmerz als Merkmal zu nehmen, dass ich noch lebe.
Ich wandere auf einer einsamen Strasse, eine Strasse die mit Schmerz gepflastert und von Tränen gehärtet wurde. Wo fängt sie an, wo hört sie auf?
Ich muss an meine erste Liebe denken. Und daran wie ich enttäuscht wurde. Oder an meine „zweite“ Liebe – Enttäuschung. Wenn Einsamkeit der rote Faden in meinem Leben ist, dann ist die Enttäuschung der Ort an dem dieser aufgespannt ist.
Ich lache, und doch fühle ich mich dabei als ob ich mich selbst verraten würde. Darf ich lachen, nach all dem was mein Leben ist?
Ich habe zwei Seiten an mir. Ein lachendes und ein weinendes Auge. Mein Körper ist durch das lachende Auge gekennzeichnet. Mein weinendes Auge ich meine Seele. Und nur ganz selten besiegt das lachende Auge das Weinende. Dann bin glücklich. Doch nur für einen ganz kurzen Moment hält dieser Zustand an. Dann bricht die Melancholie über mich herein wie eine Sinnflut und spült alles weg was „Gut“ ist. Ich bin nicht „gut“ aber auch nicht „schlecht“. Ich bin NICHTS in einem Ozean der Leere.
03.00 Ich habe den Wecker wieder angeschalten. Wissend dass nichts die Zeit aufhalten kann. Neben mir liegen 23 Schlaftabletten und flüstern mir in einem sanften Ton ins Ohr, dass sie das Heilmittel sind, das Mittel das mich an einen anderen Ort bringen wird.
Ein wohltuende Ruhe breitet sich in mir aus, und durchdingt meinen Körper. Die Stimmen verstummen und ich fühle mich Zufrieden und Glücklich. Und langsam, ganz langsam beginne ich in einen traumlosen Schlaf hinübergleiten. Ich beginne in eine Welt einzutauchen in der Engel leben, in der die Liebe noch rein und unverdorben existiert, frei von jedem Zwang den ihr die Realität aufzudrängen versucht. Ein Ort an dem gelacht wird.
Ich bin nicht mehr allein. Ich bin glücklich!