Inselliebe
Spielerisch fuhr mir der Wind durch das Haar, schob mir neckisch eine Strähne in die Augen und verschwand wieder, um sich ein neues Opfer zu suchen. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht, fuhr mit der Zunge über meine Lippen und genoss die salzige Feuchtigkeit, die sich auf ihnen niedergeschlagen hatte. Man sagt, es sei hier besonders schön bei Sonnenschein, doch ich war schon immer davon überzeugt, dass Poel erst durch Wind und salzigen Nieselregen wirklich reizvoll wird.
Neben mir ertönte das Geräusch von brechendem Schilf. Hier, am Ostufer der Insel, gab es keinen Strand, sondern nur einen schmalen Streifen mit Uferbewuchs, der direkt an die Landstrasse von Kirchdorf nach Fährdorf grenzte, auf der ich ging.
Das Geräusch, das ich hörte, wurde verursacht von einem landenden Entenpärchen, das nun leise turtelnd davonschwamm, ohne von mir Notiz zu nehmen.
Ich wandte den Blick wieder nach vorn. Bald würde es in Sicht kommen, das Haus, das mein Ziel war.
Es war eines der ersten Häuser auf dieser Seite des Dorfes Malchow. In ihm wohnte Sandra mit ihrer ganzen Familie, einem Hund und etlichen anderen Tieren.
Sandra ...
Sie war mir aufgefallen, als ich in dem Restaurant in Gollwitz sass, in dem sie als Kellnerin aushalf. Ich war beeindruckt von der Ruhe und der Kraft, die in ihrem Blick lagen. Ihre Augen faszinierten mich vom ersten Moment an.
In ihr erkannte ich das typische Bild der Inselbewohner. Sie war fleissig, belastbar und doch auf eine sonderbare Art zart und zerbrechlich.
Mehr als einmal nahm ich mir an jenem Tag vor, sie anzusprechen, ihr zu sagen, wie sehr sie mich in ihren Bann zog; jedesmal verliess mich im entscheidenden Augenblick der Mut. Erst am nächsten Tag - sie hatte frei - traute ich mich, den Wirt der Gaststätte nach ihr zu fragen.
So war ich nun hier, wanderte durch die nahezu unberührte Natur und dachte an sie. Mein Herz klopfte laut und schnell, als ihr Haus in Sichtweite war, und ich musste meinen Beinen streng befehlen, die Richtung beizubehalten. Schliesslich stand ich vor der Tür und drückte mit schweissnassen, zitternden Fingern auf den Klingelknopf.
Als sie die Tür öffnete und vor mir stand, musste ich unwillkürlich lächeln. So, mit offenem Haar und in Freizeitkleidung, war sie noch schöner als ich sie in Erinnerung hatte. Sie schaute mich an, in ihrem Blick lag deutliche Überraschung, Verwunderung, aber auch Freude. Ich wollte zu Erklärungen ansetzen, wollte mich für die Störung entschuldigen, doch sie legte mir nur zärtlich einen Finger auf die Lippen und legte dann ihre Arme um mich. Nach einer Sekunde des Zögerns versanken wir in einen schüchternen, doch unendlich schönen Kuss.