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Ins Grüne
Die Sonne brennt stark, sattgrün die Wiesen, coelinblauer Himmel. Holunder, Ginster und Schlehe ans Feld geduckt, Spitzwegerich, Taubnessel und Löwenzahn entlang des Weges wuchernd. Drei junge Männer, zwei groß, der eine blond, der andere dunkelbraun, der dritte von gedrungener Gestalt mit schwarzen Haaren, trotten durch die Landschaft. Ihre Sprache roh, die Blicke stumpf, plump die Schritte unter der Last der Muskeln.
„Ficki, ficki, ficki, Alter, siehst du hier irgendwo ne Muschi, du Schwanzlutscher?“ Keuchend stößt der schwer aussehende Mann die Worte in den heißen Wind.
„Halt die Fresse, Hurensohn. Wer hatte denn diese verfickte Scheißidee, diese bepisste Kackidee hier in diese Drecksnatur zu fahren? Das ist Urlaub für dich? Soll ich dir sagen, was das ist? Das ist Kacke, ganz große Kacke. Von so einen Hurensohn wie dich kann nur so ein bepisster Dreck kommen. Jerome, was sagst du zu der Scheiße hier? Tu nich so, als würd dir das nich auf die Eier gehen, dieses Scheißgrün, das Gestrüpp, die Viecher und keine verfickte Muschi weit und breit.“
„Chill deine Fresse, Alter, lass Mert in Ruhe, siehst du nich, dass die fette Sau gleich umkippt, guck ma wie das Schwein schwitzt. Dahinten an den Bäumen legen wir uns schön in den Schatten und ziehen einen durch.“
„Hast du Hallus, du Spasti, ich sehe hier keine Bäume, ich sehe nur verfickten Staub und Sonne, scheiß Sonne, Alter.“
„Jetzt reg dich ma ab, du Spacko, dahinten auf den Hügel.“
„Dahinten! Dahinten! Dahinten! Sag das doch gleich fünf Kilometer, du kranker Idiot!“
In einiger Entfernung ein Laubwäldchen. Buchen, Eichen, Erlen dort auf der Kuppe harmonisch zu einem Ganzen vereint. Einige Büsche am Saum, darum herum Felder, Weiden und Wiesen. Ein Bussard kreist, stößt immer wieder seinen zuerst hohen, dann langsam tiefer werdenden Schrei in den Himmel, wo ihn der heiße Wind fortträgt. Hinter dem Hügel, eine Frau um die dreißig, groß, schlank, sportlich, die langen blonden Haare zusammengebunden, zielstrebig Schritt auf Schritt hinauf Richtung Wäldchen setzend.
Für sie ist’s der Inbegriff von Geborgenheit, so ihr Gedanke, wie es so daliegt in der Farbe Grün changierend, je nach Stärke des Windes, der die Blätter und Äste in Bewegung setzt. Ein lebendiges Grün in der flirrenden Hitze des Sommertages, das sie mit sanfter Kühle aufnähme. Herab sähe sie von dort in die Landschaft, die mal ihr Zuhause war, in ihre Vergangenheit würde sie schauen und vielleicht eine Idee bekommen, wer sie jetzt ist, so hofft sie. Letzter Tag ihres Urlaubs, bevor es zurückgeht in die Großstadt, ins Büro in den Zustand einer allgemeinen Verstellung, der nicht mehr viel mit ihr zu tun hat, so wie sie eigentlich ist, wie sie meint, in dieser Landschaft einmal gewesen zu sein. So denkt sie, als sie in den Schatten der Bäume tritt. Es enttäuscht sie, wie heiß es dort immer noch ist, außerdem fehlt der Wind, der auf dem Feld den Schweiß getrocknet und dabei die Haut gekühlt hat. Müde lässt sie sich auf die Bank fallen, auf der sie so oft mit ihrem Vater als Kind gesessen hat. Ein junger Feldahorn, ein Weißdorn- und ein Haselstrauch verstellen den Blick ins Tal. Sie lässt ihren Körper auf die Sitzfläche gleiten, hört das in Böen auch schon mal aufbrausende Rauschen der Blätter in den Baumkronen und dämmert weg.
„Dieses Geschrei geht mir sowas von auf den Piss, das glaubst du gar nich. Ich knall das Scheißviech ab, ich hab echt die Schnauze voll.“
„Alter, pack die Kanone weg, bist du bescheuert, du krankes Hirn? Hab dir gesagt, ich will hier kein Ärger, du Vollspacko.“
„Reg dich ab Bro, ist doch nur ne Taube, die ist tot, sowas von tot, Alter, schreit die hier so rum, blöde Fotze.“
„Das ist keine Taube, du Hackfresse.“
„Haltet doch endlich mal die Schnauze, ihr Penner. Es ist verdammt heiß, mir hängt der Magen durch und ihr nervt mit eurer bekackten Laberei. Ich halt’s echt nicht mehr aus, ganze Zeit diese Raviolikacke. Heute geht’s noch zum King, scheiß auf eure Kommentare. Ich fahr zum King. Double Whopper, extra Cheese, extra Bacon, extra große Pommes, doppelte Chilli Cheese Nuggets und den Vanille Shake, wisst ihr, der ist richtig geil cremig, da geht einfach nichts drüber, das ist der beste Shake überhaupt.“
„Der ist richtig geil cremig, da geht einfach nichts drüber. Du bist echt ne Pussi. Bester Shake, geschissen Alter, der verfickt beste Shake ist der Erdbeer-Shake von Meckes, der Vanille-Shake vom King ist reine Pisse dagegen.“
Auf dem Hügel angekommen, nehmen die drei gestikulierenden Gestalten den Weg in das Wäldchen, das sie schnell verschluckt.
Über dem Feld stößt der Bussard herab, ergreift eine Maus. Aufgespießt von seinen Krallen strampelt sie nur noch zaghaft und verschwindet schließlich mit dem Vogel im Blau des Himmels. Schwarz glänzt das Gefieder der Saatkrähe auf dem staubigen Weg. Der aufgesperrte Schnabel hackt in einen verendeten Igel und zieht die Eingeweide in langen rosaroten Fäden aus dem geöffneten Leib. Eine Fähe lauert versteckt im Hasel, einem jungen Fasan, der über die Weide schreitet, mit dem Blick folgend.
Sie träumt sich ans Meer. Rhythmisch schlagen die Wellen an die Kaimauer. Azurblaues Wasser, glitzernde Unruhe auf seiner Oberfläche. Über dem Horizont türmen sich dunkle Wolken. Tanja, ihre Chefin, steht plötzlich neben ihr, redet ununterbrochen mit ausholenden Gesten auf sie ein. Sie hört die Worte gar nicht, beobachtet ein Boot. Es kommt auf sie zu, auf sie allein. Eine weiß gekleidete Gestalt steht darauf. Sie meint, ihren Bruder darin zu erkennen, aber immer, wenn sie das Gesicht ansehen will, dreht sich die Gestalt weg. Das Schlagen der Wellen wird lauter, nimmt sie mit hinüber aus dem Schlaf zu dem Mann, der neben ihr mit dem Lauf eines Revolvers auf die Planken der Bank schlägt.
„Hallöchen, ja wen haben wir denn da? Ich glaube, du hast gerade den Hauptgewinn gezogen, Lady. Wenn du Zicken machst, bist du tot, Fotze.“