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Inneres Programm
Inneres Programm
(ursprünglich ohne Titel)
Plötzlich höre ich Schritte. Erschrocken werfe ich mich zu Boden und observiere die Gegend. Da kommt einer von ihnen angerannt. Mein linker Zeigefinger zuckt kurz und schon liegt ein weiterer Feind regungslos am Boden. Hastig schnelle ich an die Wand und gehe in Deckung. Mit geübter Fingerfertigkeit lade ich nach, während ich kurz den Körper meines toten Gegenübers betrachte. Mir fällt auf, wie gut die Wunden sichtbar sind. Wirklich gut dargestellt.
Langsam lehne ich mich zur Seite, um vorsichtig einen Blick in den nächsten Raum werfen zu können, die Waffe immer nach vorne gerichtet. Mein Blick durchstreift entlang des Gewehrlaufs die Umgebung, aber niemand ist zu entdecken. Wo sind nur die restlichen Feiglinge? Vorsichtig schleiche ich in leicht gebückter Haltung weiter. Ich versuche, so leise wie möglich zu sein. Die Lichtverhältnisse erschweren die visuelle Ortung der Gegner, weshalb ich mich auf akustische Signale konzentriere.
Wie versteinert halte ich inne – ich höre Schritte. Jemand ist in der Nähe. Wo kommen die Geräusche her? Ich blicke mich um, doch noch ist niemand zu sehen. Mit einem weiten Satz begebe ich mich hinter einen Stapel herumstehender Kisten und knie nieder. Jetzt können sie ruhig kommen. Nun bin ich optimal positioniert. Ich höre, wie der Angreifer sich nähert. Soll er nur versuchen, hier einzutreten. Mein AK-US40-Gewehr ist geladen und abschussbereit. Schweißperlen sammeln sich auf meiner Stirn, als der noch ahnungslose Soldat an meinem Versteck vorbeischlendert. Mit äußerster Präzision bringe ich das Fadenkreuz genau an seine Schläfe. Jetzt strecke ich dich nieder. Har.
„Jochen. Essen ist fertig.“
Oh Mann, doch nicht jetzt. „Gleich, Mama. Einen Moment noch.“ Wieso muss die immer falschen Augenblick stören. Oh verdammt, der Feind ist entwischt. Jetzt ist es auch egal. Ich beende das Spiel und lasse den Computer herunterfahren. „Jochen, kommst du?“ Glaubt die eigentlich, so ein PC lässt sich einfach per Fingerschnipp ausschalten? „Ja, Mama. Ich komm` ja schon.“ Ich drücke den Power-Knopf und haste in die Küche. Mutter empfängt mich mit tadelndem Blick. „Da bist du ja endlich. Setz dich. Dein Vater und ich müssen heute noch weg, deine Großmutter besuchen.“ Ist ja gut, ist ja gut. Ich beeil mich ja. Ich muss dann sowieso noch die Mission beenden, um in den nächsten Level zu kommen.
„Jochen?“ Was will er denn nun? „Ja, Vater ?“ „Jochen, du müsstest nach dem Essen mal kurz zu den Obermeiers gehen und mein Fischmesser für mich abholen. Herr Obermeier hatte es sich für seinen Angelurlaub ausgeliehen.“ Zum Teufel. Warum geht der denn nicht selbst? Er muss wohl unbedingt Teleshopping schauen oder die weibliche Jogginggruppe begaffen. Aber dass ich einen Auftrag höchster Priorität zu erfüllen habe, daran verschwendet er keinen Gedanken.
„Ich hole das Messer gleich ab. Ich habe eh keinen großen Hunger.“ Murrend stehe ich auf und mache mich auf den Weg. „Nimm deinen Schlüssel mit. Wir werden dann bald losfahren.“
Auf dem Weg zu Herrn Obermeier gehe ich meine Taktik für die nächste Mission durch. Sie ist besonders verzwickt, da sich besonders viele Gegner am Zielort tummeln. Ich werde erst am äußeren Schutzwall entlang huschen, dann unterhalb des Geschützturms in die Airbase eindringen. Ich darf auf keinen Fall den Granatenwerfer vergessen.
„Hallo, Jochen. Dein Vater hatte Bescheid gesagt, dass du herkommst, um sein Meser abzuholen.“ Schieb einfach das Messer rüber und lass mich gehen. Naiver Zivilist.
„Tschüss, Jochen. Und sag deinem Vater einen schönen Gruß von mir.“ Die Optik des Messers erinnert mich an die Jagdklinge, die ich auf meiner letzten Mission benutzt habe. Nur liegt es fast noch besser in der Hand. Das könnte ich auch gut gebrauchen, wenn ich die Airbase stürme. In dem verstrickten Gebäudekomplex ist Nahkampf nicht auszuschließen. Aber ich werde mich durchkämpfen und so rasch wie möglich in das Forschungszentrum eindringen.
Plötzlich höre ich Schritte. Ich bleibe stehen und lausche aufmerksam dem Geräusch. Die Schritt kommen näher. Eine Tür fällt liese zu. Der Feind muss nahe sein, direkt hinter der nächsten Ecke. Gekonnt presse ich mich an die Wand und schleiche an der Wand entlang. Ruckartig springe ich hervor. Mein linker Arm schnellt kurz nach vorne und das Messer reißt eine tiefe Fleischwunde in den Torso des Gegners. Blutend liegt das Schwein am Boden. Eine gerechte Strafe.
Grelle Schreie dringen an mein Ohr. Kriegsgeschrei. Eine vollkommen hysterische Frau läuft mich zu. Sie erinnert mich an meine Mutter.
„Jochen! Jochen, was hast du getan?!“
„Bleiben Sie stehen. Treten Sie nicht näher. Der Feind ist eliminiert. Ich werde Sie in Sicherheit bringen.“