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Indische Nacht

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24.02.2005
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Indische Nacht

Ich wagte mich vor die Tür, obwohl ich unter Durchfall litt. Ließ mich treiben und strandete vor der Philharmonie. Dort begeisterten sich ein paar Affen in Abendgarderobe an ihrer Kulturbeflissenheit. Eine „Indische Nacht“ stand auf dem Programm. Erst kürzlich hatte ich davon geträumt, wie ich am Ganges saß und all den Jungfern winkte, die an mir vorbei trieben. Den Lebenden wohlgemerkt.
Ich pflügte durch die Menschenmenge, wurde angerempelt, und fuhr meine Ellenbogen noch weiter aus. Ich setzte mit meiner Stehplatzkarte in die vierte Reihe, weil dort noch Plätze frei waren.
Während ich auf dem Polster herumrutschte, entwich mir ein schwefeliges Windchen. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass meine greise Nachbarin die Nase rümpfte. Ich starrte sie nieder, bis das kalte Versagen ihres ausgelutschten Lebens dunkle Pfützen um ihre Mundwinkel bildete. Danach wandte ich mich meinem rechten Sitznachbar zu. Es handelte sich zu meiner Überraschung um einen Indianer - um einen echten, soweit ich das beurteilen konnte. Er hatte ein ovales Gesicht, das energische Züge verriet, die er jedoch bestens unter Kontrolle hatte. Gelassen schaute er auf die Bühne, auf der drei Sitzkissen auf ihre Inder warteten. Seine pechschwarzen Haare waren zu einem Zopf gebunden. Winzige Öhrchen hatten sich am Kopf des roten Mannes festgesaugt.
Die drei Inder schritten unbeschwert auf die Bühne. Kaum hatten sie es sich im Schneidersitz bequem gemacht, fingen sie an, zu spielen. Ich war wohl der Einzige, der sofort begriff, dass es für sie kein Konzert war, sondern eine Demonstration spiritueller Überlegenheit. Die spielten nicht; die sprudelten. Die saßen an den Quellen des Seins und sahen keinen Grund, ihren Platz zu räumen.
Es gab Zwischenapplaus und Bravo-Rufe, wenn sich das Publikum nicht gerade in ungläubigem Staunen überbot. Nur der Indianer verzog keine Miene. Immer wenn ich zu ihm hinüber sah, klappten seine Augenlider langsam auf und nieder. Er schien es nicht nötig zu haben, von Zeit zu Zeit seine Sitzposition zu ändern, so wie jeder andere normale Mensch. Die klobigen Lederhände ruhten gefaltet in seinem Schoß, während ihr Gewicht in meinem zu lasten schien.
Nach drei Stunden wandte sich die Alte zu mir um und fragte mich, ob es denn keine Pause gäbe. Zum Glück entschärfte ein Kräuterbonbon ihren Atem. "Keine Ahnung ", bedeutete ich ihr mit den Schultern.
Sollte sie es doch aussitzen. Sie litt schließlich nicht unter chronischem Durchfall. Es gluckerte schon wieder unheilvoll in meinem Magen. Doch ich war nicht der Typ, der seine Sitzreihe aus zweitrangigen Motiven zum Aufstehen zwang. Die drei Inder saßen es ja auch aus. Ich wartete jeden Moment darauf, dass sie endlich mal ins Publikum schauten. Doch das Publikum interessierte sie gar nicht.
Nach etwa drei Stunden verließen die Ersten den Saal, da sie dem historischen Dimensionen dieses Konzerts nicht gewachsen waren. Um Mitternacht hatte sich etwa die Hälfte der Zuschauer getrollt; auch die alte Vogelscheuche verkroch sich endlich. Um zwei Uhr vierundvierzig notierte ich den letzten Zwischenapplaus. Es waren noch ca. 30 Zuschauer zugegen, einige von ihnen standen und wiegten wie hypnotisiert von einer Seite zur anderen. Meine Blase stach mir bis in die Taille. Lava brodelte hinter meinem zugekniffenen Schließmuskel. Irgendwann würde der Indianer aufstehen müssen. Ich hätte ihn ansprechen können, aber meine dürstende Zunge war ein Stück Schmiergelpapier, an dem ich zu ersticken drohte.
Um drei Uhr legten die Empfangsmädchen ihre Blumensträuße vor den Indern nieder und machten Feierabend. Um drei Uhr vierundfünfzig waren wir schließlich unter uns. Die letzte Gruppe junger Leute hatte unter johlendem Applaus den Saal verlassen. Einer von ihnen rief dreimal "Om shanti! ", doch konnte selbst damit nicht die Aufmerksamkeit der Inder erhaschen. Die saßen seit acht Stunden im Schneidersitz und gingen nun wieder in langsamere verträumtere Passagen über. Ich schwitzte vor Schmerzen.
Da geschah etwas Unerwartetes. Der Indianer glitt in einer flüssigen Bewegung aus dem Polster, tastete die Gesäßtaschen nach seinem Porte-Monnaie ab und verabschiedete sich mit flacher Hand von den Indern. Diese legten wie auf Befehl die Instrumente nieder. Dann zogen sie sich gegenseitig an den Zeigefingern und pupsten sich lautstark in den Stand.
Ich klatschte dreimal. Sie beachteten mich nicht. Womöglich aus gutem Grund. Schließlich war ich der Einzige, den sie nicht in die Kapitulation gespielt hatten. Ich stand feierlich auf, drückte die Knie durch und streckte mich meinem Triumph entgegen. Ein Spritzer. Ganz ohne Vorwarnung.
Vorsichtig dirigierte ich mich zu den Toiletten. Als ich befürchtete, dass sie schon abgeschlossen wären, kam ich aus dem Rhythmus und stolperte über eine Treppenstufe. Schon während ich fiel, fand die Jauche ihren Weg ins Freie. Ich landete auf dem Bauch und spreizte die Beine, damit sie besser abfließen konnte. Es war selbst für meine Verhältnisse ein peinlicher Moment. Noch immer tropfte die Pest aus meinen Jeans. Auf dem Parkett hatte sich eine übelriechende Lache gebildet. Der Hausmeister kam fünf Stufen über mir zum Stehen. Ich hatte das Klirren seines Schlüsselbundes gar nicht gehört.
"Was machen Sie da?! "
fragte er, als ob die Antwort nicht vor ihm läge.
Mir entwich ein Kichern, das schwer wieder in den Griff zu bekommen war.
"Da-, das..Denken Sie doch mal an die Putzfrau!"
Ich dachte an die Putzfrau, als ich den kürzesten Weg durch die Empfangshalle wählte. Durch eine Nebentür gelangte ich ins Freie. Die Nachtluft war angenehm: Kalt, trocken und geruchlos.
Die drei Inder fuhren auf ihren Fahrrädern singend an mir vorbei. Jemand beobachtete mich aus der Kneipe gegenüber. Ich trat ein paar Schritte näher und sah, dass es der Indianer war. Seine Öhrchen lagen noch enger an. Sein Blick wühlte gemütlich in meinen Eingeweiden, so als wäre da etwas dabei, dass er gebrauchen konnte. Ich ließ mich noch eine Weile von ihm durchleuchten, obwohl mir klar war, dass ich dadurch die letzte Bahn verpassen würde.

 

Hallo Nicolaijewitsch.

Ich wagte mich in die Außenwelt, obwohl ich Durchfall hatte.
Warum sollte jemand damit zu Hause bleiben?

Unter den zum Zopf gebundenen pechschwarzen Haaren hatten sich winzige Öhrchen am Kopf des roten Mannes festgesaugt.
Du hast eine lustige Art, Dinge zu beschreiben. xD (Das ist gut so.)

Nach etwa drei und halb Stunden
'dreieinhalb' oder 'drei und einer halben'

um ihre Ich sah Pennälerbläschen zu erleichtern
Hier ist irgendetwas falsch. Nur kann ich es nicht genau sagen, weil ich nicht weiß, was du sagen willst.

Jetzt habe ich zu Ende gelesen. Vergiss bitte meine Frage vom Anfang. ^^ Ieh!

Ich fragte mich, wer dieser Nacht nun noch einen tieferen Sinn verleihen konnte. Der Indianer natürlich. Es war vier Uhr vierzig. Ich hatte eh schon die letzte Bahn verpasst. Gab ihm also noch vier Minuten.
Ich verstehe nicht, was für ein Sinn das sein soll. Kennen sich die beiden und haben eine Wette abgeschlossen, wer am längsten sitzen bleiben kann?

Ich finde die Geschichte interessant, aber ich verstehe nicht, was das alles soll.


Grüße von Jellyfish

 

Hallo!

Also das muss jetzt mal gesagt werden:
Ich hab diese Geschichte vor ein paar Wochen gelesen, und damals nicht wirklich gewusst, was drauf zu antoworten.
Aber immer wenn ich jetzt manchmal durch irgendwas auf diese Geschichte komme, und dran denke, muss ich so lachen! Ich weiß immer noch nicht, was ich als konstruktive Kritik bringen soll, aber irgendwie bringt's mich zum Lachen.
Okay.
Timo

 

Hallo Nicolaijewitsch!

Bin leider zu beschränkt, um in deiner Geschichte einen tieferen Sinn zu entdecken und zudem nicht humorvoll genug, um wenigstens wie TimoKatze darüber lachen zu können.

Einige Ungereimtheiten im Charakter deines Prots zerstören zudem ein einheitliches Bild. Vllt kannst du ja mal auflösen.

Gruß

 

Hallo an Alle,
danke für Eure Anmerkungen und sorry für die etwas verzögerte Antwort. Ich bin noch mal drüber gegangen und hoffe, dass man jetzt mehr versteht...

 

Nicolaijewitsch schrieb:
Hallo an Alle,
danke für Eure Anmerkungen und sorry für die etwas verzögerte Antwort.

Jellyfish, TimoKatze und Adem werden sich vor Freude schier in die Hose machen, nachdem sie nun sieben Jahre lang fingernägelkauend vor ihren Bildschirmen ausgeharrt und deiner Antwort entgegengefiebert haben.
Bin ich mir sicher, Nicolaijewitsch.

 

Och Ernst,

nomen est omen, was? Für dich hätte ich die "etwas verzögerte Antwort" wohl in Anführungszeichen setzen sollen. Abgesehen davon, was ist schon Zeit? Ich war halt ein paar Jährchen absent und dachte mir, besser spät als nie!

Damit es wenigstens so ein bisschen um die Sprache geht, um die es hier ja gehen soll: Vor Freude macht man sich nicht in die Hose. Vor Lachen vielleicht.

In deinem Falle auch mal grußlos
N.

 
Zuletzt bearbeitet:

Och Nicolaijewitsch,

hättest du - anstatt mir unangemessenen Ernst zu unterstellen - in die Profile der drei von dir Bedankten geschaut, hättest du dort möglicherweise gesehen, dass alle drei seit gut fünf Jahren nicht mehr aktiv sind im Forum, und dann hättest du möglicherweise auch den Witz in meinem Beitrag erkannt. Möglicherweise.

Mit explizitem (ausnahmsweisem) Gruß

offshore

PS

Damit es wenigstens so ein bisschen um die Sprache geht, um die es hier ja gehen soll: Vor Freude macht man sich nicht in die Hose. Vor Lachen vielleicht.

Du warst offenbar noch nie in Wien. :D

 

"Ausnahmsweise" lässt der Moderator die vorgängigen Offtopic-Beiträge stehen, aber ab jetzt sollten sich neue Beiträge mehr um die Geschichte, und weniger um Befindlichkeiten kümmern.

Jeder weitere OT wird kommentarlos gelöscht.
Danke fürs Verständnis.

 

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