Was ist neu

Indien

Mitglied
Beitritt
08.08.2002
Beiträge
888
Zuletzt bearbeitet:

Indien

Es war immer sein Traumland. Die Einfachheit der Menschen, ihre Art das Leben nicht nach außen zu tragen, sondern in geistiger Annäherung im Innen zu bewahren. Das hat ihn fasziniert. Reisen und das Erfahren fremder Kulturen ist ihm ein Ventil gewesen, wenn die Welt zu Hause zu eng wurde. Die Ohnmacht in seiner Beziehung ihn zu erdrücken drohte. Dann fuhr fort. Lebte diese Sehnsucht, die unstillbar in ihm verborgen war.

Indien. Dorthin hat er es nie geschafft. Aber jetzt, nach so vielen Jahren. Da ist auch der Mann, den er immer vor sich sah. Der Mann der die Asche in den Ganges schüttet. Ganz behutsam, in einer inneren Einkehr. Selbstvergessen in dieser lauten Welt. Und er sieht das junge Mädchen das dem Bild seiner Frau in jungen Jahren so ähnlich ist. Sie bewegt sich ruhig und wäscht ihr Gesicht mit dem heiligen Wasser. Es ist keine Waschung der Haut, sondern die fast zärtlich anmutende Geste einer Seelenreinigung. Die Gebäude am Rande des Flusses deren Ränder sich schemenhaft im Orange der untergehenden Sonne zu verlieren scheinen, ergänzen den Anblick von spürbarer Wärme und Geborgenheit.

Er fühlt die Atmosphäre des langsameren Atmens dieser Menschen, in all der Hektik die auch hier, wie überall auf der Welt, vorhanden ist. Es ist still in diesem Chaos. Stiller als die Schweigsamkeit in seinem Alltag. Weil es eine Stille ist, welche ihm die Sprache seiner Seele endlich hörbar macht.

Die Gewürze, Safran, Curry dringen in seine Nase. Sie sind verwurzelt mit diesem Land. Der Reis in den Jutesäcken. Er greift hinein und lässt ihn durch seine Finger gleiten. Manchmal, wenn er müde wird, bettet er sein Haupt auf die wunderschön bestickten Polster, die mit kleinen Glasperlen versehen sind und denkt an die begleitenden Worte aus dem Buch in dem gerade liest. Die Geschichte einer Frau die mit ihrer Katze alleine drei Jahre durch Indien reiste.

Er ist zufrieden. Er hat das Flugzeug nicht mehr besteigen können. Denn er ist alt geworden, seine Krankheit ließ nicht mehr zu, hinzufahren in das Land seiner Sehnsucht. Aber seine Tochter wusste um die Liebe die er dort zu finden suchte, in diesem Land. Also hat sie ihm zum Geburtstag ein Buch geschenkt. Das Buch dieser Frau auf Reisen. Sie brachte ihm auch Gewürze mit, in hübschen, mit indischen Ornamenten, verzierten Gläsern. Sie schenkte ihm indischen Reis um den Geschmack des Landes in sich aufnehmen zu können. Und sie malte ein Bild vom Ganges. Dem Mann mit der Asche und dem sanften Mädchen. Sie malte ihm Indien. Sein Indien, sie hat es ihm nach Hause gebracht.


 

hallo schnee.eule - und wieder ein kompliment an dich und an deine fähigkeit, wunderschöne bilder zu malen, gefühle zu transportieren und träume entstehen zu lassen. die tochter erinnert mich sehr an meine frau, die es immer wieder schafft, geschenke zu machen, die nicht einfach irgendwo "gekauft" sind, sondern die durchdacht sind und liebevoll ausgesucht sind. solche geschenke müssen nicht teuer sein, um trotzdem weit besser anzukommen, als andere. liebe grüße. ernst

 

Lieber Ernst !

Danke schön, ich freu mich, wenn du von Bildern sprichst, von Träumen. Dann weiß ich, dass du mir abgetaucht bist in die Gegenden in denen die Gefühle zu Hause sind.

Einen schönen Tag für dich und deine Frau - Eva

 

sanft, leise, berührend, melancholisch ohne traurig zu sein...in inhalt und sprache..lässt einen innehalten im alltag..

danke für die schöne geschichte..schnee.eule..

 

Servus Streicher !

Wenn es mir gelang den Moment des Innehaltens in deinem Alltag zu ermöglichen, dann hat dich die Stille, der langsamere Atem der Geschichte berührt.

Danke dir, lieben Gruß - schnee.eule

 

Einen wunderschönen guten Tag Eva,

Das Fernweh kann also auch in der Heimat gestillt werden. Schöne hoffnungsvolle Bilder, die du da zeichnest.

Das Indien, von dem du da sprichst, das eine Stille im Chaos in sich birgt, kann aber nicht Neu Dehli sein. Ein Freund von mir, der dort gewesen ist, sagt, es wäre ein Alptraum. Keine Spur von ruhiger Romantik.

Liebe Grüße

Jan

 

Hallo schnee.eule,

eine Aneinanderreihung wunderschöner Bilder in sensiblen, zum Träumen verleitenden Sätzen. Kurz und sehr schön ist das Konglomerat aus gelungener Wortwahl und bildhafter Sprache.

Die Stille im Chaos wirst du in Indien nicht finden, da muss ich PeterPan beipflichten. Ich hab in Benares Frauen und Kinder gesehen, die sich am Ufer des Ganges neben vorbeitreibenden Tier- und auch Menschenkadavern die Zähne mit den Fingern geputzt haben. Ich habe die Geburt eines Kindes im Müll unterhalb einer halbfertigen Autobahnbrücke in Kalkutta miterlebt. Ich habe in Bombay das verfaulte Aas verendeter Tiere in jeder Strasse gerochen. Ich sah bis auf das Skelett abgemagerte Jungen, die vor Kraft strotzende Rinderherden durch eine schmale Furt über den Ganges trieben. Ich sah die Bettler auf den Bahnhöfen in diesem Land, viele verkrüppelt oder von der Lepra befallen. Ich sah eine Umwelt, die schon damals tot war und mittendrin die herrschende Kaste in ihren klimatisierten Limousinen. Und darüber und dazwischen nichts als Lärm und Chaos.
Vielleicht bringt einem die richtige Lehre dort zur eigenen Stille, nicht aber das Land und sein Gestank.
Nicht umsonst sieht der Hinduismus das irdische Leben als Vorstufe zu Größerem.

Doch deine Geschichte ist sehr schön, kein Zweifel daran.

Liebe Grüße - Aqua

 

Hallo schnee.eule,

wieder ein schöner Text von Dir, jemand versucht den Lebenstraum eines Anderen zu erfüllen. (Auch wenn dieser Traum unrealistisch sein mag, siehe Aqualung).
Vielleicht willst Du abändern in: „war für ihn ein Ventil“,
„Wenn die Ohnmacht“
„Dorthin hatte er“.

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Peter Pan!

Ja, das ist es auch was Reisen im Kopf so schön macht, es holt einen die Realität nicht gleich ein dabei. Denn in der Erinnerung hat der verwirklichte Traum dann oft keinen Bestand mehr. Deshalb gibt es ja die zerplatzten Träume, die ausgeträumten und die aus denen man erwacht ist.

Lieben Gruß - schnee.eule

Servus Aqualung !

Das freut mich, dass dir diese Geschichte in Wortwahl und Sprache gefallen hat, auch den Traum dahinter erkannt hast.

Die Dinge die du erlebt und gesehen hast in diesem Land sind als tatsächliches Erleben sicher noch weit einprägsamer, als das was man an sich ja weiß. Schmutz, Elend, Verehrung dessen was einen einerseits nähren könnte, andererseits tötet. Die Kastengesellschaft, die Engheit aufgrund der Bevölkerungsdichte, das Nebeneinander von zerstörter Umwelt und wissenschaftlichem Höhenflug.

Aber in all dem existiert der indische Mensch in seiner Purheit auch noch. Und in ihm verwurzelt ist die Geschichte, die Kultur und das vergeistigte Denken seiner Vorfahren.

Lieben Gruß - schnee.eule

Hallo Woltochinon!

Danke für deine Tipps.

Realitsch sind Träume meist nicht, das macht sie ja aus. Wachträume dienen vor allem aus der Realität zu flüchten, eigene Welten zu basteln. Natürlich weiß ein Mensch der sich Zeit seines Lebens für ein Land interessiert, sich wünscht es zu bereisen um die Zustände da, hat sich ausführlich informiert. Und doch spürt er auch den Geist dahinter, die Möglichkeit der anderen Betrachtungsweise.

Lieben Gruß - schnee.eule

 

Schnee.eule na du!

Tja...elegant, elegant!

Während ich die Leute reinlege, lässt du den Leser sanft aus einem Traum erwachen. Manchmal, so wie eben bei mir auch, mit einem traurigen "Achso". Dann denke ich dann für 2 Sekunden, "Irgendwie aber auch makaber", um dann aber weiter zu denken. "Nein, nicht makaber, denn der alte Mann fühlt sich wohl" Schon wird mir wieder fröhlich zumute. Ja, traurigs-schön, ist wohl richtig. Märchencharakter hat es auch.

bis dann lieben gruss Stefan

P.s Ich sehe dich immer an einem Schreibtisch sitzen, langsam bedächtige Bewegungen, zwischendurch in Gedanken versinken, kurz träumen, die Story vor Augen, durchlesend und zu sich selber sagen:

"Jaaa so ist (klingt) es schön!"

 

Lieber Archetyp !

Muss mich mal umsehen ob da nicht vielleicht eine Kamera installiert ist. Deine einfühlsame Vorstellung trifft es ganz gut. Und wenn ich meine, es ist mir was wirklich gelungen, dann sage ich schon mal: ach ist das schöööön. Damit meine ich dann aber das Gefühl das meine Worte in mir auslösen. Denn meine Geschichten erzählen mir auch selbst was und finden ein Echo.

Das Echo in dir ist, Enttäuschung, das Sehen von Makabarem, dann Erkennen von Freude und schon ist auch ein bisschen Märchen drin. Du scheinst sehr vielschichtig zu sein.

Danke für dein Dabeisein - lieben Gruß Eva

 

Guten Abend schnee.eule!

Ich war in Indien, stand am Ganges, konnte die Gewürze riechen und strich mit meiner Hand über die Glasperlen - nicht wirklich - aber in deiner Geschichte. Nein, das ist nicht Indien, aber ein sehr schöner Traum davon und das hat mir gefallen.

Lieber Gruß
Déjà-vu

 

hallo schnee.eule.
ja was soll ich sagen, alle meine Gedanken sind schon von meinen Vorgängern beschrieben worden. Du hast eine wunderschöne Gabe das Wort zum Bild werden zu lassen. Und wenn du eine Stimmung ausdrücken willst, dann verfällt man ihr auch. wie oben gesagt ich schließe mich vollends meinen vorrednern an.
Ich hoffe ich bekomme noch mehr davon zu lesen.

Gruß

Toxine

 

Servus Deja-vu!

Du bist auf Reisen gegangen, hast mich begleitet durch den Traum über ein Land, das so vielleicht nicht existiert, aber so empfunden werden kann. Danke für deine innere Bereitschaft mitzureisen.

Lieben Gruß schnee.eule


Hallo Toxinchen !

Auch dir Dank für deine lieben Worte. Du hast Bilder gesehen und sie haben dir in Begleitung meiner Worte eine Stimmung vermittelt? Mehr kann ich mir nicht wünschen.

Lieben Gruß schnee.eule

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom