In Paris
Seien Sie gegrüßt Freund hoher Literatur, darf ich mich kurz vorstellen? Ich darf, den schließlich bin ich der Autor der in Kürze beginnenden Geschichte. Wie schon zu bemerken ist, bin ich ein Anhänger des großen Hildegunst von Mythenmetz und seinen literarischen Werken, insbesondere der von ihm erfundenen Mythenmetzschen Abschweifung, die dem Autor erlaubt Kommentare und leitende Worte anzubringen - wir werden also noch von einander hören -. Doch jetzt soll erst einmal die Geschichte beginnen.
Es war einmal –wie sollte ein Märchen auch sonst beginnen? - ein kleines rothaariges Mädchen, das zu seinem zwölften Geburtstag einen kleinen struppigen Hund bekommen hatte. Die Eltern des Mädchens, das übrigens Christine hieß, dachten, dass ihr Kind dadurch einen Sinn für Verantwortung bekäme, dem war bisher leider nicht so.
Christine war wie immer stur und trotzig und wenn ihre Eltern sie baten mit Paule, das war der Name des kleinen Terriers, spazieren zu gehen, verzog Christine den Mund und schüttelte den Kopf so heftig, dass ihr die Zöpfe ins Gesicht schlugen. Doch eines Tages ließen sich die Eltern nicht erweichen und sie war gezwungen selbst mit Paule durch den Wald zu marschieren. Grimmig schlich sie um die Pfützen herum. „Ausgerechnet an diesem verregneten Freitagnachmittag, was wohl Luise, Natascha und der Rest der Clique macht? Mmh, die laufen garantiert nicht durch einen schlammigen Wald mit einem an der Leine ziehenden Struppel..“ , schimpfte sie leise aber voller Wut.
Paule war etwas anderer Meinung, er genoss jeden einzelnen Regentropfen, der auf seinen dichten Pelz fiel, denn dies verursachte ein angenehmes Schaudern auf seinem kleinen drahtigen Körper. „Wie gerne würde ich mit meinem Näschen im nassen Laub wühlen und wenn ich nur an diese hinterhältigen kleinen Tiere mit dem viel zu buschigen Schwanz denke, die immer im letzten Moment einfach verschwinden. Ich wüsste zu gerne wohin..“, grübelte Paule und ärgerte sich darüber, dass er an der Leine war.
Diese Gedanken schien Christine gespürt zu haben, es ist allerdings eher wahrscheinlich, dass ihr das Zerren des Hundes zu anstrengend wurde, wie dem auch sei, sie ließ Paule von der Leine. Paule sprang nun von Freude erfüllt von der rechten Seite des Weges zur linken und wieder zurück, schnüffelte hier und dort und konnte seine Freiheit kaum begreifen. Christine schenkte ihm keine besondere Beachtung und es war auch nicht ihre Art sich besonders zu freuen, von etwas begeistert zu sein schien ihr gar absurd. Sie stapfte, den Blick auf den Boden gesenkt, durch den Wald und versuchte verzweifelt ihre roten Lackschuhe vor Schmutz zu schützen, das war jedoch ganz und gar unmöglich. Paule hingegen liebte es sich in Schlammpfützen zu suhlen und als er dem gerade nachkommen wollte, erblickte er Es. Eine dieser feigen Kreaturen, die sich im letzten Augenblick in Luft auflösten, doch nun endlich war Paule gewillt diesem Geheimnis auf die Schliche zu kommen. Ganz vorsichtig und langsam schlich er sich an das buschige Tier heran, das noch nichts zu ahnen schien. Paule fühlte sich überlegen und sehr forsch, die rechte Vorderpfote in der Luft wartete er ab.
Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass Paule zu einer besonderen Art Hund zählt, die für ihren Mut und ihre Neugier bekannt ist.. Ich selbst hatte jahrelang einen solchen Hund und kann sagen, dass es schon einmal etwas anstrengend mit ihm war, in alles steckte er seine Nase, den ganzen langen Tag war er agil, sogar mein Mittagsschläfchen fiel während dieser Zeit aus. Es waren wohl die aktivsten Jahre meines Lebens, ich muss jedoch zugeben, dass es nicht die schlechtesten waren. Man glaubt kaum, wen man alles kennenlernt, wenn man einen Hund hat, die interessantesten Menschen befinden sich tatsächlich auf Spaziergängen im Wald.. Ich spare mir Einzelheiten diverser Bekanntschaften, ich denke das ist in ihrem Interesse. Obwohl... Nein, ich möchte Sie nicht unnötig lange auf die Folter spannen und die Geschichte soll weitergehen.
Schließlich schlich er dicht über de Boden weiter, er robbte vorwärts und dann rutschte Paule auf einer unter dem Laub liegenden Eichel aus – diese Hunde sind zwar sehr kühn aber auch etwas tolpatschig -. Das kleine buschige Wesen bemerkte den strauchelnden Hund und ergriff die Flucht, Paule rannte natürlich hinterher und Christine hatte keine Ahnung von diesem Abenteuer, sie war damit beschäftigt zu denken, wie schlecht es ihr gerade ging. Paule schenkte Christine auch keinerlei Beachtung mehr, sondern war voll und ganz darauf bedacht das Tier mit dem buschigen Schwanz zu jagen. Doch .. schwups, da war es auch schon weg. Wie immer einfach in Luft aufgelöst, Paule nahm die Spur mit seiner Nase auf, diese führte direkt zu einem Baum und endete genau dort. Paule schaute verdutzt umher und kläffte enttäuscht, es war fast schon ein Jaulen, doch das hätte er nie zugegeben, er einer der mutigsten Vierbeiner. Auch XY horchte kurz auf als sie sein Gebell wahrnahm, pfiff jedoch nur kurz und ging weiter. Ich möchte nicht anmaßend klingen doch meiner Meinung nach ist das Verhalten dieses jungen Mädchens unentschuldbar und ihr einen solch wunderbaren Hund anzuvertrauen war ein großer Fehler. Doch wir werden sehen. Paule kläffte noch ein wenig, hielt dann inne, denn er bemerkte ein Loch im Baumstamm und wenn er Anlauf nehmen würde, könnte es ihm gelingen hinein zu springen. Die Spur des seltsamen Tieres schien innen weiterzugehen. Tatsächlich er sprang galant durch das Loch. „Wauuuujjuuuuh“ war zu hören und dieser Laut durchfuhr sogar Christine, die schon ein gutes Stück weit weg war, und brachte sie dazu umzukehren um zu sehen was dem Struppel widerfahren war. Sie folgte Paules Spuren und kam zu dem Baum in den er hinein gesprungen war, ging einmal um ihn herum und sah auch das große Loch im Baumstamm. Christine streckte ihre Hand hinein und tastete den Stamm von innen ab, sie bemerkte, dass der Hohlraum nach unten hin ziemlich tief in den Baum hinein ragte und sie vermutete, dass Paule am Ende dieses Hohlraumes hockte. Christine blieb nichts anderes übrig als selbst in den Stamm zu klettern, doch eines war sicher, Paule würde mächtig viel Ärger bekommen, Christines Kleidung wurde dreckig und ihre Schuhe zerkratzten. Sie stellte sich auch nicht allzu geschickt an beim Klettern, doch es fehlte nur noch ein winziges Stück und sie würde sich im Inneren befinden. Sie kochte vor Wut über die Umstände, die der Hund ihr bereitete – dabei war es doch sie, die ihn von der Leine gelassen hatte -, sie stieß sich ab um nun ganz im Stamm zu sein und schwups.. befand sie sich im freien Fall nach unten, das Fallen schien kein Ende zu nehmen. Es war dunkel und roch modrig, sie musste jetzt schon weit unterhalb der Wurzeln angelangt sein, es schien ein gut angelegter Kanal zu sein, doch daran dachte die sonst so besserwisserische Christine nicht, sie verspürte Angst.
Noch bevor sie sich besinnen konnte fiel sie mit einem lauten Plumps unsanft auf einen warmen Lehmboden. Die Angst begann schwächer zu werden, sie war nun wieder empört über die Unannehmlichkeiten, doch dieses Gefühl dauerte nicht sehr lange. Sie hörte Schritte, Schritte, die keinesfalls von Paule stammen konnten, den dieser trippelte immer sehr leichtfüßig auf seinen Pfoten. Diese Schritte jedoch gingen von einer schweren Person aus und sie hallten durch die ganze Höhle. Langsam näherte sich auch ein Licht, wahrscheinlich eine von der Person getragene Laterne, doch das Denken war Christine versagt, sie zitterte wie Espenlaub – ein herrliches Märchenwort -. Dann, endlich tauchte vor ihr ein kleiner Gnom auf, der kaum größer als sie selbst war, sein Gesicht wurde durch eine enorme Kapuze bedeckt. Als er zu sprechen begann, erschien der Gnom viel furchteinflößender und mächtiger als sein Erscheinungsbild. Seine sonore Stimme donnerte durch die dunklen Gänge und hallte bis in die letzte Höhle hinein. Christine hatte Mühe ihn zu verstehen, denn er hatte einen französischen Akzent. „Wenn dü willst haben kleine Hünd, dü müsst erst tüen güte Tat, dü müsst gehen nach Pari und elfen eine arme Mann. Dü wirst ihn finden ünterrr eine Brück et dü sollst geben ihm Arbeit ünd Essen, eine Zühäuse et une famille. Dann, aberr erst dann wirst dü bekommen kleine Hünd zürück.“ Christine kam es in den Sinn, dass der kleine Hund sie sowieso nur störte und sie sehr froh wäre, ihn auf diese Art und Weise loszuwerden, dann jedoch verspürte die sonst so entschlossene Christine Zweifel, sie dachte an ihre Eltern, die ihr eine Freude mit Paule bereiten wollten. Und dann, dann dachte sie an Paule selbst, diesen lustigen Rabauken mit dem frechen Gesichtchen und sie bemerkte, dass Paule sich ganz still und heimlich in ihr Herz geschlichen hatte. Sie zögerte noch ein wenig, beschloss dann jedoch den Anweisungen des Gnomes zu folgen, auch wenn es ihr unmöglich schien so viele Wunder zu vollbringen. „In Ordnung, ich werde versuchen einem armen alten Mann in Paris zu helfen“, flüsterte Christine vor lauter Respekt, „doch wie werde ich dorthin kommen?“ Der Gnom nickte und bevor sie sich versah, befand sie sich in einer Metrostation in Paris, um sie herum liefen hektische Menschenmassen. Christine wurde sich wieder bewusst wie schwer, ja wie unmöglich es war die Forderungen des Gnomes zu erfüllen, Paris hatte Dutzende Brücken, Hunderte von hilfsbedürftigen Menschen. Es kam ihr jedoch feige vor, aufzugeben ohne auch nur einen einzigen Schritt getan zu haben, sie verließ die Metrostation und war froh schon einmal hier gewesen zu sein, denn sonst würde sie sich kaum zurechtfinden. Christine hatte sich vorgenommen zur Seine zu spazieren, denn logischerweise gibt es dort einige Brücken unter denen Obdachlose Schutz suchten. „Wer weiß, wo sich der aufhält den ich gerade suche? Einer unter Hunderten...“, überlegte sie. Plötzlich sah sie eine Frau, die Kleidung und Lebensmittel an bettelnde Männer und Frauen verteilte, die Christine bisher noch nicht bemerkt hatte und da wusste sie, dass es nicht darauf ankommt einem bestimmten Menschen zu helfen, sondern egal wem einen Gefallen zu tun, eine Hilfe zu sein. Sie lief noch ein wenig umher bis sie einen Jungen entdeckte, der besonders hilfsbedürftig aussah. Ach ja, bei manchen Menschen dauert es eben ein wenig länger bis sie etwas begreifen, ich hoffe doch sehr, dass das bei Ihnen, sehr verehrter Leser, nicht der Fall ist und werde mich nun verabschieden. Wie? Sie wundern sich wo das Ende bleibt? Nein, das braucht es nicht und ich denke Sie haben verstanden. Warum sollte ich noch detailgenau beschreiben wie unsere kleine Christine den Jungen in eine nette Familie bringt, ihn bei einer Schule anmeldet und sein Zimmer mit ihm gestaltet. Es war doch von vorne herein ein Märchen und was sagt uns das? Mmh? Ende gut alles gut. Christine wurde durch dieses Erlebnis etwas reifer, Paule durchlebte eine spannende Zeit unter der Erde und einem kleinen Jungen wurde geholfen.