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In ihr, die Hölle
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Ich sitze einsam und verlassen in meinem kleinen Büro und starre die Uhr an, wie sie drohend und alles überragend an der Wand hängt. Ihr beständiges Ticken bringt mich schon den gesamten Tag um den Verstand. Der Minutenzeiger kriecht unaufhaltsam auf die Zwölf zu. Gleich ist es soweit: Gleich haben wir 15Uhr und damit ist das Ende dieses Arbeitstages für mich erreicht. Normalerweise bin ich stets glücklich darüber, und normalerweise vergeht die Zeit sehr langsam so kurz vor dem Ende. Normalerweise! Aber heute nicht. Den heute ist Freitag, und an Freitagen habe ich Pflichten zu erfüllen.
Meine Finger klammern sich an meinem Schreibtisch fest. Ich zwinge mich dazu, den Blick von der Uhr abzuwenden und ihn statt dessen auf den Bildschirm zu richten, der vor mir bläulich flimmert. Seit einer halben Stunde habe ich die Computer-Tastatur vor mir nicht mehr berührt. Ich konnte einfach nicht. Meine Gedanken sind nicht bei der Finanz-Kalkulation, für die mich mein Chef bezahlt, sondern bei meiner Frau. Mit Schrecken denke ich an sie und an das, was sie von mir verlangen wird.
Meine Augen richten sich wieder auf die Uhr. 14:52 - nur noch acht Minuten.
Ich überlege kurz, ob ich nicht zu Hause bei meiner Frau anrufen soll, um ihr zu sagen, dass ich länger arbeiten muss und erst spät am Abend komme. Doch was würde das bringen? Nicht mehr, als einen kleinen Aufschub. Ich lockere meine Krawatte, weil ich schwitze wie ein Schwein.
Vor einer Stunde hat meine Sekretärin dieses Zimmer betreten (obwohl ich nur ein kleiner Fisch in der Immobilien-Firma bin, habe ich eine eigene). Sie ist ein junges Ding, noch nicht mal dreißig. Ihre Vorzüge trägt sie stets zur Schau - auch heute ließ sie mich einen tiefen Blick in ihren Ausschnitt werfen, während sie sich über meinen Schreibtisch beugte. Sie hat große Brüste, die im Stande wären, jeden Priester zu bekehren. Schon viele Male zeigte mir sie ihre intimsten Stellen. Im Sommer, wenn sie kurze Röcke trug und sich nach vorne beugte, um etwas vom Boden aufzuheben, konnte ich ihren Slip sehen. Ein enges rotes Ding war das, das kaum alles in ihrem Schritt verdecken konnte. Damals - im Sommer diesen Jahres - war ein solcher Anblick in der Lage, mir den Tag zu erhellen. Vor einer Stunde war mir egal, dass sie mir ihre Brüste entgegenstreckte. Vor mir aus hätte sie sich auch ganz entkleiden und mir ihre rasierte Muschi präsentieren können (ich bin sicher, dass Kathrin unten rum rasiert ist), mir wäre es gleichgültig gewesen. Mein kleiner Freund hätte sich nicht geregt. Überhaupt glaube ich, dass sich mein kleiner Freund vielleicht nie wieder erregen lässt - außer, wenn meine Frau anwesend ist. Und das ist vielleicht das größte Übel.
Ich bin sicher, Kathrin - meine Sekretärin - würde alles mit sich machen lassen. Ich würde sie nur fragen müssen. Es ist nicht so, dass ich besonders anziehend bin, immerhin bin ich schon Mitte fünfzig, doch dieses kleine Luder wird von Geld angezogen. Und das habe ich, auch wenn ich nicht annähernd so reich bin, wie die Besitzer dieser Firma. Ich verdiene gut, und das weiß die kleine Schlampe.
Vor ein paar Monaten habe ich mir noch den Kopf darüber zerbrochen, was ich alles mit ihr machen könnte. In Pausen zerbrach ich mir den Kopf darüber, ob sie nicht meine Vorliebe für Sado-Maso teilt. Mit einem verschmitzten Lächeln saß ich dann in der Kantine und starrte auf die Ärsche junger Frauen, die an meinem Tisch vorbeiliefen. Oh Gott, wie sich die Zeiten geändert haben.
Der Minutenzeiger der Uhr steht jetzt auf der Elf, wie ich mit Entsetzen feststellen muss. Mein Finger geht zu dem Aus-Knopf des PCs. Er zittert so stark, dass ich mehrere Versuche brauche, um ihn zu betätigen. Der Bildschirm wird vor meinen Augen schwarz.
Ruf deine Frau an und sag ihr, dass du länger in der Firma bleiben musst! Sag ihr am Besten, dass du heute gar nicht mehr nach Hause kommst, und sie nicht auf dich warten soll, wenn sie schlafen will!
Doch nein, das kann ich nicht. Erstens missfällt es mir, meine Frau zu belügen. Irgendwie liebe ich sie immer noch, wenn auch nicht mehr so sehr, wie es am Tag unserer Hochzeit vor nun mehr 26 Jahren der Fall gewesen war. Es hätte mir vor einiger Zeit nichts ausgemacht, sie mit meiner Sekretärin zu betrügen, aber ich zweifle nicht daran, dass ich ihr selbst das irgendwann gestanden hätte. Ich bin ein verdammt schlechter Lügner und mein Gewissen ist ausgeprägter als das, eines Priesters.
Der zweite Grund ist nocht einfacher: Es würde nichts nützen, wenn ich heute nicht nach Hause kommen würde. Dann würde es halt Morgen passieren. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wie es so schön heißt. Und an diesem Sprichwort ist viel Wahres dran.
Noch vier Minuten. Ich packe alle Unterlagen, die ich benötige, um zu Hause weiter arbeiten zu können, in meine Aktentasche. Ich stehe von meinem Platz auf und gehe zum Kleiderständer, an dem mein Jackett hängt. Achtlos werfe ich es über meine Schulter. Als ich zurück zu meinem Schreibtisch laufe, um meine Aktentasche zu holen, entscheide ich mich gegen die Jackett-lässig-über-die-Schulter-Nummer und ziehe es stattdessen an. Mein weißes Hemd weißt große Schweißflecken auf. Besonders unter meinen Achselhöhlen zeichnen sich fast tellergroße Kreise ab. Ich ziehe das Jackett über, um keinen unangenehmen Eindruck zu machen. Das rede ich mir zumindest ein. Die Wahrheit ist, ich will nicht, dass jemand mitbekommen könnte, dass mit mir etwas nicht stimmt.
15:00 Uhr - Ich verlasse mein Büro. In meinem Magen macht sich ein Gefühl des starken Unwohlseins breit. Oh Scheiße, denke ich und gehe den schmalen Gang entlang, der vorbei an anderen Büros zum Aufzug führt. Es ist still auf dieser Etage - die meisten müssen an Freitagen weitaus länger arbeiten als ich (eine Tatsache, die ich früher äußerst zu schätzen wusste) und hocken in ihren stickigen kleinen Zimmern vor ihrem PC. Vermutlich freuen sie sich auf zu Hause, auf ihre Kinder und... und auf ihre Frauen. Ich drücke den Knopf, der den Fahrstuhl herbei ruft. Während ich warte, sehe ich das Bild meiner Frau in meinem Kopf. Sie ist zehn Jahre jünger als ich und sehr attraktiv. Ich glaube, dass ist auch der Grund, warum ich mich vor ein paar Jahren nicht von ihr scheiden ließ, als es in unserer Ehe einen großen Krach gab. Den Liebe ist es nicht, das mich so lange an sie band. Den davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Ja, ich blieb damals nur mit ihr zusammen, weil sie so verdammt sexy ist und mich der Sex mit ihr in den Wahnsinn zu trieben schien. Damals wusste ich noch nicht, wie richtig ich mit dieser Aussage lag. Er trieb mich wirklich in den Wahnsinn.
Die metallerne Fahrstuhltür öffnet sich vor mir. Ich muss feststellen, dass ich nicht der einzige Gast dieser Fahrt ins Untergeschoss sein werde. Joshua macht lächelnd Platz, als ich eintrete. Wir kennen uns schon seit vielen Jahren, haben zeitgleich in der Firma angefangen. Früher konnte ich ihn ganz gut leiden, doch mit der Zeit hat sein Hochmut immer höhere Spähren erreicht.
Auch er schwitzt, doch liegt das wohl an seinem Gewicht von fast dreihundert Pfund. Das ist das einzige Feld, auf dem er wirklich verwundbar ist. Ansonsten hat er alles, was einen Erfolgs-Menschen ausmacht: Eine hohe Position in der Firma (er steht weit über mir), eine junge, hübsche Frau, ein Eigenheim, in dem zwei süße Töchter und ein Sohn, der bald seine Volljährigkeit erreicht, Abends auf ihn warten und natürlich einen Porsche. Irgendein neues Modell mit einem Wert von 120.000 Euro.
"Hallo, mein Freund", begrüßt er mich, als sich die Türen hinter mir schließen. "Auch schon aus?"
Ich nickte nur und setzte ein Lächeln auf, dass so unecht wirkte, dass es ein Schauspieler aus "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" besser hinbekommen hätte.
"Wir sind zwei wirkliche Glückspilze, nicht wahr?" Auf mich trifft diese Äußerung keineswegs zu, aber ich nicke erneut. Ich stelle meine schwarze Aktentasche auf den Boden und verschrenke meine Arme vor der Brust. Meine Hände verstecke ich unter meinen Oberarmen - Joshua soll nicht sehen, dass sein alter Freund Anton zittert, wie ein kleine Junge, dem der Zahnarzt sagt, er solle seinen Mund ganz weit öffnen.
Ich scheine doch noch etwas Stolz zu besitzen. Aber das tröstet mich im Moment auch nicht.
Der Aufzug stoppt und ich bin unendlich dankbar dafür, dass wir so wenig Zeit zum Reden hatten. Als die Türen aufgehen, stürme ich heraus und lasse meinen alten Kollegen hinter mir zurück. Er ruft mir noch etwas nach, dass sich anhört, wie: "Warte mal!" Aber ich hebe nur meine Hand und sage, dass ich schnell nach Hause müsse. Meine Aktentasche schwingt in meiner Hand wild hin und her, als ich die Eingangshalle passiere und kurz darauf hinaus auf den Parkplatz trete.
2
Gerade habe ich das Ortsschild von Darmstadt hinter mir gelassen und nähere mich nun dem kleinen Vorort Wernsbach, wo ich - zusammen mit meiner Ehefrau - ein Eigenheim bewohne. Eine Landschaft, die Tolkien hätte erfinden können, zieht an mir vorbei, und ich würdige ihr kaum einen Gedanken. Was war ich noch vor ein paar Jahren froh, wenn ich dieses übbige Grün links und rechts um mich herum sah, nach den Betonglötzen, die mich in Frankfurt den ganzen Tag über in ihre eigene, dunkle und dreckige Welt zogen. Doch seit drei Monaten ist das anders - alles ist anders geworden, einfach alles.
Vor drei Monaten habe ich das erste Mal die Hölle betreten.
Ich schalte das Radio ein, und irgendeine Pop-Sängerin empfängt mich, mit einer weichen Stimme. Es ist das Einheits-Gedudel, und frage mich, was ich auch anderes erwartet habe. Ich schalte das Radio wieder aus und schiebe stattdessen die Truckstop Kasette ein. Ich liebe diese verklärte Country-Melancholie vom einsamen Mann, der leidet, um seine Familie ernähren zu können. Das gibt mir etwas, hilft mir meinen Schmerz über diese verkommene und unfaire Welt Ausdruck zu verleihen.
Ich biege auf eine Landstraße ab, die mich an weiteren Vororten vorbeiführen wird. Städte und Dörfer, die nur für die Menschen wichtig sind, die dort ihr Leben fristen, sonst aber uninteressant sind. Von solchen Orten gibt es in Deutschland tausende. Ich war noch nie in einer von ihnen. Jeden Tag fahre ich an ihnen vorbei oder durch sie hindurch, und manchmal frage ich mich dabei, wie die Menschen dort wohl sind. Ob sie fühlen wie ich und die Menschen, die ich kenne, oder, ob sie ganz anders empfinden. An solchen Tagen scheint jeder dieser Orte ein Geheimnis zu verbergen.
Als sich meine Augen nach rechts richten, um einen kurzen Blick aus dem Fenster zu werfen, sehe ich etwas äußerst Verlockendes in meinem Handschuhfach. Bis jetzt gerade war mir gar nicht bewusst gewesen, dass es geöffnet ist - so nervös bin ich -, und nun offentbart mir es das Einzige, was im Stande ist, meinen zittrigen Hände, mit denen ich fest das Lenkrad umklammere, als ob ich das erste Mal mit einem Auto fahren würde, zu beruhigen: Eine kleine rot-weiße Schachtel. Nicht mehr, und doch...
Doch eine verdammte Wohltat. Es fällt mir schwer, eine Hand vom Lenkrad zu lösen, um nach der Marlboro-Schachtel zu greifen. Ich habe Angst, es könnte etwas passieren, wenn ich dies tue.
Deine Frau hat dich immer angeschrieen, wenn du nicht mehr, als fünf Finger am Steuer hattest, meldet sich eine Stimme in meinem Kopf. Und sie ist schließlich auch der Ausschlag dafür, dass ich es endlich fertig bringe, mir die Zigaretten zu krallen. Denn sie erinnert mich wieder daran, was mich zu Hause erwarten wird... dagegen ist die Gefahr eines Autounfalls auf der Landstraße eine verdammte Lächerlichkeit.
Ich stecke mir eine Zigarette in den Mund und plötzlich bricht eine Welt für mich zusammen: Ich habe kein verdammtes Feuerzeug. Noch nicht mal Streichhölzer, um das Ding anzustecken. Vor einem halben Jahr habe ich mir das Rauchen abgewöhnt. Auf Wunsch meiner Frau. Sie drängte mich schon seit Jahren, endlich mit dem Scheiß aufzuhören. Eine ganze Zeitlang war es mir gelungen, sie zu vertrösten. Doch dann hatte ihre Veränderung angefangen und ihre ganze Persönlichkeit war eine andere geworden. Sie war zu einem rechthaberischen Biest geworden, und schließlich war ich nicht mehr im Stande gewesen, ihrer Forderung bezüglich des Rauchens zu widersprechen. Seit dieser Zeit besitze ich keine Feuerzeuge mehr. Jedes, das sie gefunden hatte, war sofort in den Müll gewandert.
Ich fühle, wie sich Resignation in mir breit macht. Ich will nur noch eines, und das ist, den Rauch in meine Lunge zu ziehen. Im Rückspiegel sehe ich, wie ein Mercedes gerade nach links zieht, um mich zu überholen. Du verschissener Drecksack, denke ich und überlege, ob ich das Gaspedal weiter runter drücken soll. Doch was soll das bringen?
Ich lasse den Mercedes an mir vorbeifahren. Noch immer mit der Kippe im Mundwinkel sehe ich ihm nach, bis er abbiegt und aus meiner Sicht verschwindet. Soll er mich doch überholen, soll er mir doch seine verdammte Überlegenheit zeigen, am Tag des Sterbens sehen wir alle gleich aus!
Vielleicht ist dieser Tag für mich mit dem heutigen Morgen angebrochen, denke ich und dann fällt mein Blick auf den Zigarettenanzünder unter dem Radio. Natürlich! Scheinbar die Lösung für meine derzeitige Situation. Ein Lächeln huscht über meine Lippen. Wie oft habe ich den Zigarettenanzünder benützt? Auf diese Frage fällt mir keine Antwort ein - wie ich so viele Antworten nicht kenne. Stets verließ ich mit mindestens zwei Feuerzeugen bewaffnet das Haus. Auch, wenn ich mit dem Auto unterwegs war. Ich nehme den Anzünder in meine Hand (welch Wunder, sie zittert kaum) und halte ihn an das Ende meiner Zigarette. Ich inhalhiere den Rauch in mich ein, und das Lächeln in meinem Gesicht vergrößert sich. Bis es schließlich völlig erstarrt und zu einer Grimasse des Wahnsinns wird. Ein weiterer Blick nach rechts zeigt mir ein Holzkreuz am Straßenrand. Nichts Ungewöhnliches, an einer einigermaßen stark befahrenen Landstraße. Doch der Name auf dem Holzkreuz ist nicht der eines 19 - oder 20jährigen Fahranfängers, der von einer Heimfahrt aus der Disco nie wieder seine Mutter in die Arme schloss, sondern meiner. Und das Datum verweist auf den heutigen Tag - dem 6. November 2003.
Wie gebannt starre ich auf das Kreuz, das wie ein Omen meinen nahenden Tod verkündet, und noch weiter reiße ich meine Augen auf, als sich ein schwarzer Raabe mit riesigen Schwingen auf der Spitze des Kreuzes niederlässt - schreckliche, schwarze Augen besitzt er! Der Raabe ist mir als einzige Figur aus E. A. Poes Geschichten in Erinnerung geblieben. Doch nicht erst seit Poe weiß ich, dass der Raabe das Geschöpf ist, das die Lebenden in das Reich der Toten hinübergeleitet. Vielleicht vergeht weniger als eine Sekunde, bis das Symbol des Todes aus meiner Sicht verschwindet, doch mein Verstand altert in dieser Zeit um Jahre, und genauso lange kommt es mir auch vor.
Ein lauter Hupton reißt mich aus meinen Gedanken. Ich blicke in den Rückspiegel und... und das Kreuz, das mir einen Schrecken fürs Leben eingejagt hat, ist verschwunden. An der Stelle, an der es in den Boden gerammt war, stehen nur noch Büschel voller verkommenem Unkraut. Auch sehe ich den Fahrer, der die Hupe betätigt hat. Er ist ein fettes Schwein in einem Anzug. Er sitzt in einem teuren Mercedes und die Ader an seiner erhöhten Stirn pocht vor Wut.
Ein Blick auf meinen Tacho lässt mich seinen Zorn verstehen. Ich fahre nicht mehr als 30 km/h. Ich hebe die Hand und hoffe, dass mein Hintermann es als Geste der Entschuldigung wahrnimmt.
3
"Hi, Schatz", rufe ich und versuche dabei freudig zu klingen. Es wird von einem Mann erwartet, dass er sich freut, wenn er nach einem harten Arbeitstag endlich die Stimme seiner Frau hören kann (in der unterschwellig die Aufforderung zum hemmungslosen Geschlechtsverkehr mitschwingt); besonders bei mir, der sich seit etlichen Jahren über seinen Job beglagt.
Und da steht sie auch schon im Türrahmen. Ein Lächeln zieht sich über ihre geschwollenen Lippen. Der Zeigefinger ihrer rechten Hand spielt kindlich mit einer roten Locke, die ihr in der Stirn hängt. Zu meiner Beruhigung stelle ich fest, dass sie nicht etwa ein kurzes Nachthemd trägt, sondern eine einfache Bluse und eine Jeans ihre Rundungen verdecken. Auf den letzten Metern zur Haustür, hatte ich sie mir anders vorgestellt.
"Hat alles geklappt?", fragt sie. Es ist eine ihrer Standart-Fragen, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Und ich gebe wie jedesmal die dazu passende Standart-Antwort: "Nein, es war schrecklich!"
An manchen Tagen sage ich auch: Nein, es lief alles schief. Oder: Nein, es hat nichts geklappt. Meine Antworten auf diese Frage gehen immer in die selbe Richtung. Und wie jedesmal, wenn ich eine dieser Antworten gegeben habe, nickt sie nur, als hätte ich gesagt: Ja, alles war wie immer, und mir gehts gut!
Ich warte darauf, dass sie irgendetwas erwidert.
"Soll ich dir etwas in der Mikrowelle warm machen?", kommt ihre Frage. Ihre Stimme klingt normal. Kein Hauch von Erotik ist darin zu erkennen, und das bewirkt, dass ich einmal tief durch atme, bevor ich ihre Frage verneine.
"Ich werde Brot essen", sage ich. "Heute Abend kann mir nichts besser schmecken, als frisches Brot mit Wurst und etwas Butter."
"Na gut", sagt sie und verlässt die Küche. Langsam werde ich misstrauisch. Eigentlich hätte ich schon nach dem ersten Wort, das dem Mund meiner Frau entwichen war, misstrauisch werden müssen. Irgendetwas läuft hier schief. Irgendetwas stimmt nicht, denn so hat sie mich in den letzten Monaten an keinem Freitag empfangen. Ich weiß nicht, ob es mich noch mehr beunruhigen, oder ich besser Luftsprünge vollführen soll. Ich entscheide mich für den Mittelweg; wie so oft in meinem Leben, erscheint er mir als die beste Lösung.
Während ich ein langes Küchenmesser aus einer Schublade nehme, schellen in meinem Verstand sämtliche Alarmsirenen: Sie wirkte aufgeregt! Irgendetwas brannte ihr unter den Fingernägeln - etwas, das sie am liebsten sofort heraus gelassen hätte. Aber aus irgendwelchen Gründen hat sie entschieden, dass es besser war damit zu warten.
4
Ich betrete das Schlafzimmer und mich erwartet ein Blick auf ihre intimste Stelle. Sie liegt so auf dem Bett, dass sie mir ihren rasierten Genetalbereich präsentiert. Ich habe gehofft, dass es ein Ende hat. In den letzten Stunden, die ich in aller Ruhe vor dem Fernseher verbringen durfte, wo ich mir eine Wiederholung von den Simpsons angesehen habe, war in mir die Hoffnung gewachsen, letzte Woche wäre das letzte Mal gewesen, an dem ich der Hölle einen Besuch abstattete. Nun ist es wieder soweit, denke ich, und merke, wie sie etwas in meiner Hose regt; der Teil, auf den ich in Jugendjahren, auf Grund der Größe, recht stolz gewesen bin. Jedes andere weibliche Wesen auf diesem Planeten vermag es nicht mehr, eine solche Reaktion bei mir auszulösen. Frau Feldbusch persönlich könnte sich nackt auf meinem Schreibtisch rekeln. Jedes andere weibliche Wesen... doch dieses Weibsstück schafft es. Ich weiß, was mich erwarten wird, wenn ich es mit ihr treibe, mein Schwanz weiß es anscheinend nicht.
Für einen Moment bleibe ich wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Ich versuche zu widerstehen, versuche einen Satz rauszubekommen, der ungefähr so lauten könnte: Nein, tut mir leid, Schatz, aber ich dringe nicht mehr in deine Öffnung ein, weil ich dort das Schlimmste vorfinden werde, was einen Menschen überhaupt erwarten kann.
Natürlich sage ich nichts dergleichen. Ich bringe überhaupt kein Wort heraus. Ich bin viel zu geil, um ihrer Aufforderung zum animalischen Sex zu widerstehen. Verdammte Hure, du hast es wieder einmal geschaft...
Meine Frau spreizt ihre Beine noch etwas mehr, und obwohl ich weiß, dass es mich meinen Verstand kosten wird (das sollte guter Sex meiner Ansicht nach zwar, aber ich meine einen anderen Wahnsinn), komme ich auf sie zu. Sie quittiert dies mit einem Lächeln.
"Gefalle ich dir so?", fragt sie, als ich direkt vor ihren gespreizten Schenkeln zum Stehen komme. Ich bringe ein gesappertes Ja zustande.
Sie ist vollkommen nackt, und ich kann die ganze Schönheit eines weiblichen Körpers betrachten. Sie ist nicht mehr die Jüngste, meine liebe Ehefrau. Ihre Haut ist nicht mehr so straff, wie am Tage unseres ersten Kusses und ich kann nicht abstreiten, dass sich an ihrem Bauch kleine Speckröllchen befinden - aber das ist mir scheißegal. Gespannt warte ich darauf, dass etwas passiert. Ich wage nicht, von mir aus in die Offensive zu gehen. Sie ist viel zu dominant, mir weit überlegen. Ich bin es nicht Wert, über der Schönheit ihres Körpers zu verfügen.
"Küss mich da unten!", fordert sie mich sanft auf. Niemand muss mir erklären, was sie mit da unten meint. Ich gehe in die Knie und vollführe mein Werk. Oberschenkel pressen sich gegen die Seiten meines Kopfs. Ich spüre, wie das Blut in ihn ströhmt. Meine Zunge tanzt, und sie schenkt mir dafür ihr Stöhnen, das jede Pornoqueen vor Neid erblassen lassen würde. Wie glücklich ich mich schätzen kann...
Einen Dreck kannst du, verdammter Idiot, schreit eine Stimme in mir plötzlich. Du bist wie ein beschissener Junkie, der sich einen Druck setzt. Er weiß, dass es auf kurz oder lang sein Ende bedeuten wird, und du weißt es auch!
Doch es ist zu spät. Ich beuge mich meinem Schicksal. Und wenn ich ein weiteres Mal in der Hölle schmoren werde... das ist es mir wert! Jeder Widerstand bricht in mir. Ich bestehe nur noch aus Lust, aus verschissener purer Geilheit!
Es dauert lange, unser kleines Vorspiel, das so himmlisch ist, dass ich fünf Mal komme. So etwas durfte ich noch nicht erleben... und das Beste kommt erst noch! Vielleicht ist eine Stunde vergangen, vielleicht zehn Minuten oder zwei Tage. Das interessiert nicht. Mein, mittlerweile ebenfalls nackter, Körper ist bedeckt mit Schweißperlen. Ich muss stinken wie ein Schwein, aber auch das ist mir egal - meiner Frau anscheinend auch.
Endlich ist es soweit, der große Showdown kann beginnen. Meine Frau legt sich auf den Rücken und zieht ihre Knie in Richtung Brust an. In dieser Stellung haben wir es in letzter Zeit immer getrieben. Ich lächle sie verspitzt an - es wirkt, als sei ich lebensmüde. Und wenn ich genauer darüber nachdenke, bin ich es auch. Ich würde meinen Schwanz in sie stecken, wenn die 40cm Klinge eines Messers aus ihrer Vagina hervorluken würde.
Als sie mein Lächeln erwidert, sehe ich das Blitzen in ihren Augen. Wie, um mir zu sagen, dass es nun endlich soweit ist, bildet sich eine Menge Flüssigkeit auf ihren Lippen. Ich steige aufs Bett, nehme meinen Schwanz in die Hand und führe ihn an das Objekt der männlichen Begierde. Ein Grunzen entweicht mir. Bestialisch klingt es, doch meiner Frau scheint es zu gefallen.
"Steck ihn rein!", flüstert sie mir zu. "Steck ihn rein, und mach dir tolle Gefühle!"
Die Spitze meiner Eichel gleitet in ihre Scheide. Der Gedanke, der mir dabei durch den Kopf schießt, ist der Refrain eines Liedes der Doors: This is the end my only friend...
5
Meine Augen sind geschlossen. Ich kneife sie so fest zusammen, dass es schmerzt. Doch das ist das kleinere Übel. Das, was mir wirklich Sorgen macht, ist die Hitze, die ich glaube zu verspüren. Aber, dass ich nur glaube, sie zu verspüren ist ein gutes Zeichen. Denn die anderen Male zuvor wusste ich, dass da Hitze war. Vielleicht hat es ein Ende, vielleicht war es nur eine vorübergehende Geistesgestörtheit, die von mir Besitz ergriffen hat.
Wenn das so ist, öffne die Augen!
Die Stimme, die das zu mir sagt, klingt hämisch, und sie hat allen Grund dazu, denn sie weiß, dass ich nicht die Augen öffnen werde. Zu gewaltig sind die Bilder in meinem Kopf - meine Erinnerungen, an das, was ich sah, nachdem ich in meine Frau eingedrungen bin.
Ich höre meinen Atem, spüre ihn auf meiner nackten Brust. Spüre den Puls und höre mein Herz schlagen. Alles zusammen ergibt ein schreckliches Folterinstrument.
Ich lausche. Ich erwarte Schreie zu hören. Schreckliche Schreie, die mich schon um mehrere ruhige Nächte gebracht haben. Schreie des Schmerzes. Eines abartigen, endlosen Schmerzes.
Oh Gott, steh mir bei!
In meiner Erinnerung seh ich sie vor mir: All die gepeinigten, menschlichen Körper, wie sie leiden und um Hilfe schreien im endlosen Feuer der Hölle. Dämonen, ihr Äußeres schrecklicher, als es jeder Schriftsteller in seinen Werken beschrieben hat. Ihr barbarisches Lachen...
Doch da ist nichts. Ich höre weder Schreie noch Gelächter, nur... nur das Stöhnen meiner Frau.
Tatsächlich! Unter einer Milliarden Frauen würde ich sie heraushören. Das kann nicht sein, oder doch? Ist es wirklich vorbei? Die vergangenen Male nur ein verdammter Traum?
Öffne die Augen...
Eine Stimme. Ich kann sie nicht verstehen, denn noch immer lausche ich angestrengt nach Schreien.
Fick mich härter!
Zuerst weiß ich nichts mit diesen Worten anzufangen. Ihre Bedeutung ist mir fremd. Bis sich mein Geist etwas entspannt hat.
"Fick mich härter!" Es ist tatsächlich meine Frau. Die Bedrücktheit fällt von meinem Herzen. Licht verdrängt die dunklen Schatten und Ängste.
Öffne die Augen...
Und plötzlich spüre ich sie. Ihre Schenkel, wie sie um mich geschlungen sind. Ihre Füße, wie sie gegen mein Gesäß drücken. Ja, sie ist es! Meine geliebte Frau.
Beinahe schreie ich vor Erleichterung. Doch das Geräusch bleibt mir im Halse stecken. Es würde mich verängstigen. Mein eigener Schrei könnte mir jetzt den Verstand rauben.
Öffne die Augen...
Ja, das werde ich tun. Ich spüre ihren heißen Atem, wie er gegen mein Gesicht schlägt. Warme Tropfen ihres Speichels beflecken meine Wangen. Die Wärme, die meinen Schwanz umgibt...
Ich öffne die Augen...
Mein Herz hört auf zu schlagen. Tod. Leid. Verzweiflung. Flammen, die mich umschließen. Aufgespießte Körper, die auf mich zu schweben. Augen, die aus ihren Höhlen quellen. Schreie, so grässliche Schreie.
Ich liege auf dem Körper meiner Frau... seine Gliedmaßen fehlen, die Haut schwarz, verbrannt und zäh wie Leder. Ihr Kopf ragt in die Höhe. Aus ihren Nasenlöchern fließt Blut... so viel Blut. Ihre Zunge ist ein schwarzes Vieh, ähnlich einer Schlange.
Fick mich härter! Ihre Worte nehmen alles um mich herum ein. Mein Trommelfell platzt. So viel Schmerz. So viel Leid. Ich öffne den Mund, ein Schrei entweicht mir....