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In ein paar Trägern

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In ein paar Trägern

In ein paar Trägern

Kennen sie Alice im Wunderland? Die Stelle, in der sie fällt und fällt? Neben ihr eine Menge Gegenstände, aus ihrer Sicht in der Luft verharrend. In der gleichen Situation befinde ich mich gerade. Ich falle einen langen Schacht hinunter. Ich kann die Stahlträger an mir vorbeirauschen sehen. Hier ist es ziemlich düster. Was ja gleichzeitig heisst, dass Licht da ist. Ich bin nicht sicher wie ich hier hineingeraten bin, wann das Fallen angefangen hat. Ich habe es vergessen. Wenn ich mir aber die Dinge anschaue, die ich bei mir trage, dann sieht das nicht so aus, als ob ich vorgehabt hätte in einen Schacht zu springen:

Einen Aktenkoffer (gefüllt mit Akten), einen Organizer, ein Funktelefon, eine Brieftasche mit 125 Dollar und 40 Cents, eine Packung Halsbonbons.

Trage ich Armani? Ich bin nicht sicher.

Der Luftwiderstand ist ziemlich gering hier, dabei bewege ich mich doch so schnell nach unten. Die Physik macht wohl gerade Mittagspause.

Ob ich Angst habe? Nun, nicht mehr als sonst. Ich falle eben. Die Regeln haben sich einfach geändert. Zugegeben, mir ist ziemlich langweilig. Was auch der Grund dafür ist, dass ich das hier jetzt aufschreibe. Wer weiss? Vielleicht komme ich ja irgendwann, irgendwo an. Vielleicht liest das ja dann irgendwer.

Zeit und Raum. Raum und Zeit. Wie schnell ich falle? Nun, mit ziemlicher Genauigkeit 120 Trägerabstände pro Minute. Ach ja, ich kann etwa 360 Träger weit sehen.

Kommen sie nicht auf die Idee mich zu bemitleiden! Wenn mir hier was nicht passt, so kann das alles sofort beenden. Ich muss nur meine Arme ausbreiten, und mit ein bisschen Rumprobiererei wird mich der Luftwiderstand nahe genug zu einem der Träger bringen. Ich bin hier niemanden Rechenschaft schuldig. Gott? Ich sagte doch schon, die Regeln haben sich geändert.

Einsamkeit. Zugegeben, das ist ein Problem. Hm. Aber am Ende ist doch sowieso jeder alleine. Wie ist das denn mit den Realitäten? Wie weit geht sie, die Kommunikation? Darüber werde ich in ein paar hunderttausend Trägern nochmal nachdenken...

Ich falle doch nicht. Ich sitze in meinem Büro. Exel wartet auf Eingabe.

Ich falle doch.

 

Anmerkung: ein Text von mir, der irgendwie 'verloren' gegangen ist (eben erst wieder auf der eigenen Festplatte entdeckt). Eigentlich ein Seltsam-Kandidat, gleichwohl er philosophische Elemente in sich trägt - und ich habe hier ja noch nie gepostet *gg*

 

Hallo Batch Bota,

das ungewöhnlich `coole´ Verhalten Deines Protagonisten gibt der Geschichte einen besonderen Reiz. Man kann sich schon fragen, wie wichtig sind materielle Dinge (Armani- Anzug, Geld) in diesem Zustand, aufgrund welcher Prinzipien ändert der P. seine Situation?
Eine kleine Änderung möchte ich vorschlagen: ... ziemlich gering, gemessen an der Geschwindigkeit, mit der ich mich nach unten bewege ... – man fragt sich sonst: „Warum soll in dem Schacht der Luftwiderstand geringer sein?“

Tschüß... Woltochinon

 

Eine kleine Änderung möchte ich vorschlagen: ... ziemlich gering, gemessen an der Geschwindigkeit, mit der ich mich nach unten bewege ... – man fragt sich sonst: „Warum soll in dem Schacht der Luftwiderstand geringer sein?“

Aber da steht doch schon: "dabei bewege ich mich doch so schnell nach unten." Damit schaffe ich doch einen Bezug zwischen Geschwindigkeit und Stärke des Lusftwiderstandes.

Kannst du das näher erklären?

Ich danke für die Kritik.

Gruß,

Batch

 

Hallo Batch,

irgendwie erinnert mich der Inhalt deiner Geschichte an einen Text, den ich in Alltag geschrieben habe, für den ich jetzt aber hier keine Werbung machen möchte.

Ein smarter Typ, dein Protagonist. Er wird in einen freien Fall gebracht. Es wird nicht klar, weshalb das so ist, ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass er selbst es nicht verursacht hat.
Er paßt sich diesen Gegebenheiten mit einer Coolness an, dass ich sofort an all die Geschäftsleute denken mußte, die so prototypmäßig als die knallharten Männer dargestellt werden. Er bleibt lässig, fast schon zu lässig, ein wenig überheblich und man fragt sich, wie lange diese Fassade noch halten wird.
Dein Protagonist arrangiert sich mit seiner neuen Situation. Selbst die Physik, die wohl gerade Mittagspause macht (eine geniale Formulierung übrigens) wirft ihn nicht um, macht ihn noch nicht einmal nervös. Also ein Mann mit Nerven die Drahtseile.

Irgendwie die überzeichnete Version des heutigen Geschäftsmannes. Laß dir keine Schwächen anmerken, leugne Unsicherheiten, bleib gelassen in jeder Situation.
Irgendwie gefällt mir deine Geschichte, weil sie nicht nur meine Deutung zuläßt.
Bin gespannt, was andere daraus lesen werden.

Übrigens, dass nach meiner Deutung deine drei letzten Sätze natürlich nicht so gut in die Geschichte passen, versteht sich von selbst. Da mir die Coolness deines Protagonisten fehlt, hab ich's nicht lassen können, es zu erwähnen.

Lieben Gruß
Lakita

 

Hallo Batch Bota,

die Sache ist für die Geschichte nicht entscheidend. Mir kam das nur so vor, als ob die Luft da unabhängig von dem Fallenden schon `dünn´ ist. Sie ist es aber nur relativ zu dem, was man eigentlich erwarten sollte. Das „dabei“ war mir nicht stark genug, ist aber doch OK.
Entschuldige, wenn ich Dich da unnötig aufgescheucht habe.

Tschüß... Woltochinon

 

Servus Batch Bota!

Ich erinnere mich an ein Bild von Margritte (glaub ich), Männer die langsam mit Schirm, Charme und Melone zur Erde gleiten.

Dein Mann gleitet förmlich durch einen Schacht. Er scheint mir trotz deiner eindeutigen Hinweise nicht tatsächlich zu fallen. Alles ist durch sein Denken und Beobachten, Bemessen der Situation einer relativen Beschaulichkeit verfallen. Selbst wenn die Träger vorbeisausen ist seine innere Bewegung verlangsamt. Irgendwie ist nichts mehr wichtig, aber es droht auch nicht die Gefahr aufzuprallen, er braucht ja nur ....

Die Darstellung gefällt mir sehr gut. Was mich ein wenig aus dem gemütlichen Betrachten rausholt ist der Schluß, der Rückschritt in die Realtät. Ich hätte das nicht gebraucht, aber dir war es sichtlich wichtig und ist daher natürlich ok.

Lieben Gruß schnee.eule

 

Hallo Woltochinon,

"Entschuldige, wenn ich Dich da unnötig aufgescheucht habe."

Hehe. Kein Problem. Ich vertrag das. ;)


@Lakita

Danke für deine Kritik. Ich denke übrigens nicht, dass die letzten Sätze deine Deutung (so, wie ich sie verstanden habe) 'zunichte' macht.

@schnee.eule

Der "Rückschritt in die Realität" wie du das nennst ist möglicherweise etwas aufdringlich. Nach dem Motto: wenn du nicht selbst denkst hau ich dich.

Mal sehen, schreibe ich vielleicht um.

Danke für die Kritiken!


P.S.: Batch reicht :)

 

hallo batch, dein prot ist ziemlich locker drauf. Zuerst machte ich die Reise mit, aber dann war ich doch ein wenig enttäuscht, dass er nur im Büro sitzt. Wenn dort noch eine Botschaft drin steckt, ist sie bei mir verloren gegangen. Eine Geschichte von der ich sage:"Ja, hübsche Vorstellung"

Ich habe das tiefsinnige, weil ich doch hier mal wieder im "Philosophischen" bin, vermisst. Oder aber:
Zurück in Alltag mit Dir Arche, hat kein Zweck.

Liebe grüsse Stefan

 

Hi BB, (auch recht? :D)

auch mir gefällt deine KG super. Das ungewollte, natürliche Cool-Sein des Protagonisten kommt sehr echt rüber. Ebenso das Gefühl des freien Falls - ähnlich wie in einem Traum.

Der vorletzte Satz stellt die Situation so dar, dass dein Protagonist gerade, an der Tastatur sitzend, dabei ist, in einen gesunden Büroschlaf ab zu drifften. Die indifferente Einstellung während des freien Falls, spiegelt seine Einstellung zur Arbeit wieder.
Der Satz, "ich falle doch" bedeutet für mich, dass er nicht länger gegen den Schlaf ankämpft, sondern doch einschläft. Aber natürlich sind noch viele andere Aspekte in deiner Geschichte enthalten, über die es nach zu denken lohnt; sie wurden zum Teil bereits angesprochen.
Gut, dass du deine Festplatte mal genauer unter die Lupe genommen hast.

Gruß vom querkopp

 

@qk

Freut mich, dass dir meine Geschichte gefällt :)


@Pal

Die Geschichte ist nicht durchkonstruiert. Ich habe mal wieder Vieles gemischt, was mal wieder dafür sorgt, dass meine Intention nicht so einfach zu entschlüsseln ist (ähnlich wie bei "Schluck Absolut").

Ich bin kein Fan davon meine eigenen Sachen zu interpretieren, deshalb nur in Stichworten: Relativität, "ins Leben geworfen werden", (unbewusste?) Flucht in andere Realitäten.

Deine Interpretation ist somit durchaus legitim. Ist eben alles ein ziemlich dichter Brei (ich könnte noch weiter aufzählen), kann sein, dass er dadurch nach gar nichts schmeckt. Naja.

Ich danke für das Interesse

:)

Batch

 

Hi,

ich finde auch die Schlusssätze passend. Sie relativieren das eine wie das andere Geschehen und verwischen die Grenzen zwischen Realität und Scheinwelt. Auch ich finde allerdings, dass die Idee ausbaufähig ist. Aber sie funktioniert auch so. In der Kürze liegt die... ihr wisst schon ;)

Endlich mal wieder eine inspirierende Geschichte die nicht vordenkt, sondern nachdenken bejaht.

Ab in den Empfehlungsthread!

Uwe

 

Danke für die Kommentare :)

Ja, die Story sollte ich mir mal wieder angucken, hatte sie totaaaaal vergessen.

Hm, in den Empfehlungsthread? Bin sehr geschmeichelt, finde aber selbst (grade jedenfalls) die Geschichte nicht so toll.

Muss leider schnell weg, morgen haben gleich zwei Leute Geburtstag und ich habe für beide kein Geschenk :D

 

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