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In der Welt der Regentropfen

Beitritt
08.10.2016
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In der Welt der Regentropfen

Ein Bewusstsein entwickelt ein Regentropfen erst, wenn er anfängt zu fallen. Reichlich wenig Zeit, um sich über die grundlegenden Dinge des Lebens klar zu werden. Trotzdem stellen sich die meisten Regentropfen fast unausweichlich immer wieder die gleichen großen Fragen. Wer bin ich? Was ist der Sinn meiner Existenz? Wohin geht meine Reise?

Objektiv würde ein Unbeteiligter wohl antworten, "Nach unten.". So aber denkt kein Regentropfen. Frühe Generationen hatten daran geglaubt, dass nicht sie, sondern sich die Erde auf sie zubewegt. Mittlerweile ist dies als grober Unfug abgetan. Dennoch würde ein Regentropfen seinen freien Fall nicht als einen solchen definieren. Für einen Regentropfen geht's voran!

Sie sind sich bewusst, dass sie nass sind und dass die Erde dort trocken ist, wo es kein Wasser gibt. Deshalb artet jeder Regenfall zu einer Art Wettbewerb aus. Schließlich ist eines Regentropfens größter Wunsch einen trockenen Flecken Erde nass zu machen. Danach streben fast alle. Der Zustand des Nass-Seins ist, und darüber gibt es keinen Zweifel, der Idealzustand. Ein achtbarer Dienst ist dort erwiesen, wo aus trocken nass gemacht wurde.

Die Kultur der Regentropfen vereint viele Zweige der Wissenschaft. Das Gros dieser beschäftigt sich mit der Frage, wie man am ehesten sicherstellen kann, wirklich auf einen trockenen Flecken Erde zu fallen auf den vorher auch noch kein anderer Regentropfen gefallen ist. Es geht dabei um die richtige Geschwindigkeit, um Zufälle und Variablen und um Winkel und deren Änderungen. Da aber jedem Tropfen nur wenig Zeit bleibt, lebt die Wissenschaft von guter Kommunikation. Ein jeder setzt den Gedanken des anderen fort. Jedoch, wen wundert's, werden häufig unlautere Mittel verwendet in diesem Wettbewerb. Manch großer Regentropfen versucht die Masse an Wasser eines kleinen Tropfens für sich zu vereinnahmen, sodass er schneller fällt und letztendlich eine größere Auswahlmöglichkeit hat. Freilich bedeutet das den Tod des kleinen Regentropfens.

Interessant bei dieser Betrachtung ist, dass das Bewusstsein über das Nass-Sein den Lebenswunsch bestimmt. Bei diesem derart einfachen kausalen Zusammenhang, bleibt eine hinreichende Beantwortung der großen Fragen zu oft aus. Nun könnte man meinen, die Regentropfen seien eher von der wenig klugen Sorte. Doch das wäre nicht gerecht. Dumm sind Regentropfen nicht, sie haben nur leider viel zu wenig Zeit. Aus diesem Grunde kann man ihnen eigentlich keinen Vorwurf machen.

Es gibt auch einige unter ihnen, und das muss man unbedingt noch dazu sagen, die sich weniger Gedanken in diese Richtung machen. Sie stellen sich höchstens die Frage, warum sie sich diese Fragen überhaupt stellen und was man davon hat Trockenheit zu verwandeln. Die Meisten verziehen über solche Fragen nur die Schnute. Es gehe nun mal darum ein Ziel zu erreichen, sonst hätte ihre Existenz doch gar keinen Sinn.

"Ach," denkt sich der geächtete Regentropfen, "wo ich am Ende lande, liegt ohnehin nicht in meiner Hand."

Und so ist es erstaunlich, dass in der Welt der Regentropfen scheinbare Naivität häufig ein Zeichen unkonventioneller Weisheit ist. Allzu häufig nämlich, liegt die allgegenwärtige Antwort auf die großen Fragen in der Frage selbst schon versteckt. Es reicht ein einziges Leben, um das Notwendigste zu verstehen.

 

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Herzlich willkommen bei den Wortkriegern, Mit leiser Stimme

 

Hej Mit leiser Stimme,

den Beginn fand ich noch interessant. Da ist das Bild des Fallens stimmig und kann mühelos auf die Situation des Menschen übertragen werden, ohne dass da etwas gebogen oder überstrapaziert wird.

Ab hier

Sie sind sich bewusst, dass sie nass sind und dass die Erde dort trocken ist, wo es kein Wasser gibt.
wird es in mehrfacher Hinsicht schief. Dass Trockenheit das Gegenteil von Nässe bedeutet, erklärt sich mMn auch diesen Regentropfen von allein. ;)

Davon ab sehe ich nicht, warum es bei den Wassermassen, die die Erde bedecken wichtig sein sollte, einen trockenen Flecken nass zu machen. Zumal

Der Zustand des Nass-Seins
davon in keiner Weise beeinträchtigt wird.

Wenn es sich bei dem Text um eine Art Parabel handelt, dann scheitert der irgendwie auch daran, dass der Aufprall den Tod des Regentropfens darstellt und der Tod unter Menschen zumindest in unserer Gesellschaft kaum als ausgemachtes Ziel des Lebens angesehen wird.
Stimmiger wären Regentropfen, die während des Falls sinnlos zappeln um den Aufprall so lange wie möglich hinaus zu zögern.

Der Mittelteil ist in meinen Augen etwas verschwurbelt, ungenau, ich hab den Eindruck, dass Dir hier die Puste ausgeht und das hier

wo ich am Ende lande, liegt ohnehin nicht in meiner Hand."
finde ich einerseits passend, es hat mich aber auch sofort an ein paar dicke Amis aus einer Doku erinnert (Fat Sick and Nearly Dead), die vor überhäuften Tellern mit Fastfood sitzen und sinngemäß sagen: Nö, sie würden ihre Ernährung nicht umstellen, es läge in Gottes Hand, wann man stirbt und irgendwann sowieso. Gleiche Argumentation.

Eine Geschichte konnte ich in dem Text nicht finden.

Und so ist es erstaunlich, dass in der Welt

Gruß
Ane

 

Tolle Idee!

Der Text, vor allem die ersten beiden Absätze, erinnert mich an ein Setting bei Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis. Der Teil, mit dem Blumentopf und dem Wal. Letzterer macht sich beim Fallen auf den „Grund“ (so nennt er selber die Erde, auf die er zu fallen droht) Gedanken über seine Existenz und fragt sich, wer er denn sei und was das Leben an sich sei (frei formuliert).

Mir fehlt die Einsicht, warum ein Regentropfen tot sein soll, wenn er auf den Boden fällt oder wenn er sich mit einem anderen verbindet. Warum gibt es bei diesen Regentropfen keine Gemeinschaften? Pfützen, Bäche, Ozeane könnten entstehen. Ich sehe eher eine Transformation, als den Tod. Ein Wassertropfen hat keinen Körper der unwiederbringlich zerbrechen könnte. Seine Materie ist dafür geschaffen, sich zu verbinden. Die Tropfen müssten ihr bekanntes Ich, welches sie kurze Zeit spüren würden, zwar aufgeben, könnten sich dann aber anderen Tropfen vereinen. Eine Metapher der ICH-Bildung und -Erhaltung?

Die Wettkampfsituation ist mir nicht schlüssig, da ich keinen Vorteil sehe, als einziger Tropfen, einen trockenen Fleck, nass machen zu wollen, wenn ich auf der anderen Seite, gar nicht bestimmen kann, wo ich hinfalle (wie in Absatz 7 formuliert) oder ist das einfach nur Ausdruck, der Wunsch, metaphorisch, etwas individuell Einzigartiges zu erschaffen?

Zitat:

„Interessant bei dieser Betrachtung ist, dass das Bewusstsein über das Nass-Sein den Lebenswunsch bestimmt. Bei diesem derart einfachen kausalen Zusammenhang, bleibt eine hinreichende Beantwortung der großen Fragen zu oft aus. Nun könnte man meinen, die Regentropfen seien eher von der wenig klugen Sorte. Doch das wäre nicht gerecht. Dumm sind Regentropfen nicht, sie haben nur leider viel zu wenig Zeit. Aus diesem Grunde kann man ihnen eigentlich keinen Vorwurf machen.“

Wenn das Nass-Sein den Lebenswunsch bestimmt, würde dann nicht das Steigern des Nass-Seins der universalen Erfüllung nahe kommen? Individualistische Regentropfen sollten dann in die Wüste, als morgendlicher Tau, der ist dort rar und beim Verdampfen in der Sonne, komme ich dem Bild des Todes eines Wassertropfens schon besser auf die Spur. Doch dann, wären es keine Regentropfen mehr.

Danke für Deinen Text.

Strand.

 

Hallo Autor mit der leisen Stimme

Vor allem hast du deinem Erzähler eine Stimme gegeben, die wie im Film aus dem Off redet. Natürlich fragt man sich irgendwann, so noch der zehnten Zeile etwa, ob das immer in dieser Art weiter geht, oder, ob da irgendwann noch eine Szene kommt, die das Ganze zu einer Geschichte macht.

"Ach," denkt sich der geächtete Regentropfen, "wo ich am Ende lande, liegt ohnehin nicht in meiner Hand."

Ja, mehr braucht es wirklich nicht. Gut gemacht.

Was die Aussage der Geschichte betrifft, erwarte ich so oder so nicht, dass irgendein Autor die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet, und zwar abschließend, für jeden gültig und alles miteinschließend. Man kann deine Geschichte aber als Anlass nehmen, ein wenig über das Leben nachzudenken.

Gruß teoma

 

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