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In der U-Bahn

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25.01.2002
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In der U-Bahn

U-Bahn-Station Baker Street. Hier hatte Robert sie zum letzten Mal gesehen. Hatte mit ihr gesprochen. Nur kurz, nur wenige Sätze. Aber das hatte ausgereicht, um ihm wieder ein neues Lebensgefühl zu geben. Nun liegt dieses schon wieder vier Wochen zurück – seitdem ist sie wie vom Erdboden verschwunden. Dabei hatte er sie früher sehr oft gesehen, manchmal mehrmals die Woche. Doch traute er sich nie, sie anzusprechen.

Doch dann am Thanksgiving-Day nahm Robert all seinen Mut zusammen und ging auf sie zu. Hier an der Baker Street stand sie und wartete auf die Bahn. Bis zum Schluss noch hätte er die Möglichkeit gehabt, wieder an ihr vorbeizugehen, wie so oft schon. Aber diesmal sprach er sie an und schenkte ihr ein Bild, das er extra für sie gemalt hatte. Vielleicht war es nicht besonders schön und originell, aber es war etwas Persönliches, nur für sie.

Hinterher fühlte er sich sehr gut, so als hätte er eine Mutprobe bestanden. Und nun wusste er, dass sich die Tür ein kleines Stück geöffnet hatte, dass er nun keine Angst mehr haben müsste, sie anzusprechen. Natürlich war sie erstaunt, hier an der Haltestelle etwas geschenkt zu bekommen von einem Fremden, aber sie hatte das Bild gerne angenommen.

Seitdem wartete Robert fast jeden Tag hier an der Haltestelle. Sah die Fahrgäste ein- und aussteigen. Viele bekannte Gesichter, einige Leute, die er noch nie gesehen hatte. Vielleicht würde sie ja auch an der Kerner Road einsteigen; dann müsste sie in der einfahrenden Bahn sitzen. Jedes Mal, wenn eine Bahn hier einfuhr, schlug sein Puls schneller: sie könnte ja darin sitzen, so wie einige Wochen zuvor– aber das war noch, bevor er sie angesprochen hatte.

Dabei wußte er kaum etwas über sie. Weder wie sie hieß, noch wo sie genau wohnte und was sie machte. Er war sich nicht einmal sicher, ob er sich überhaupt in sie verliebt hatte. Doch als er sie einige Monate zuvor zum erstenmal in der U-Bahn sah, war er so von ihr fasziniert, dass er nur noch an sie denken musste.

Dabei war sie nicht einmal besonders auffällig. Sie machte eher einen unscheinbaren, etwas schüchternen Eindruck. Aber genau das war es, was ihn so beeindruckt hatte. Jeder andere Mann würde diese Frau wohl gar nicht beachten. Doch nun, nachdem er sich ein Herz gefasst und sie angesprochen hatte, war sie verschwunden. War es ihr unangenehm, beachtet zu werden? Nahm sie jetzt die Linie 6 von der Waterloo Station, die ebenfalls in die City führt? Aber das wäre ein zu weiter Fußweg. Und man konnte doch niemandem auf Dauer aus dem Weg gehen. Das konnte es nicht sein. Sie war doch recht freundlich zu ihm gewesen, als er ihr das Bild geschenkt hatte, hatte ihn angelächelt, hatte mit ihm gesprochen. Vielleicht war sie in eine andere Stadt gezogen. Dann würde er sie niemals mehr wiedersehen. Nein – daran mochte er gar nicht denken!

Eigentlich wollte er jetzt schon in der City sein, noch einige Besorgungen erledigen. Aber vielleicht würde er sie dann gerade verpassen. Wieder fuhr eine Bahn ein. Würde sie darin sitzen? Auch diesmal konnte er sie nicht erblicken. Und selbst, wenn er sie wiedersehen würde. Was sollte er ihr sagen? Würde sie sich überhaupt noch an ihn erinnern? Zu lange war es nun schon her, dass er mit ihr gesprochen hatte. Und dabei war er damals doch so zuversichtlich gewesen, nun jedes Mal mit ihr zu sprechen, wenn er sie sehen würde. Jede Mal sich ein Stück näher zu kommen. Sie zum Essen einzuladen. Zusammen ins Kino gehen.

Warum nur blieb sie verschwunden? Hatte er nicht lange genug gewartet? War er zur falschen Haltestelle gegangen? Bisher hatte er sie immer rein zufällig getroffen. Jedes Mal tauchte sie plötzlich auf. Mal an der Station Broad Street, mal am Central Park. Und jedes Mal musste er tagelang an sie denken, wenn er sie gesehen hatte. Ihr niedlicher Blick, ihre ruhige Art, das alles ließ ihn nicht los. Dabei sah sie manchmal etwas traurig aus, so als fühlte sie sich einsam, genauso wie er. Wie schön wäre es dann doch, mit ihr zusammen zu sein! Doch dazu müsste er sie erst einmal wiederfinden, und er hat sich fest vorgenommen, sie dann wieder anzusprechen , denn sie war doch nun keine Fremde mehr für ihn.


Wieder einmal stand Robert an der U-Bahn-Station Baker Street. Nun waren es schon fast zwei lange Monate her, dass er s i e angesprochen und ihr das Bild geschenkt hatte. Er konnte sie einfach nicht vergessen, musste jeden Tag an sie denken. Warum hatte er sie seitdem nicht mehr gesehen? Unglücklicher Zufall? War sie in Urlaub gefahren oder krank oder etwa weggezogen aus dieser Gegend?

Wieder fuhr eine U-Bahn ein. Robert stieg ein und wollte sich gerade auf einen freien Platz an der Tür setzen, da.... ja, da erblickte er SIE. Am Ende des Waggons saß sie, in ein Buch vertieft.

Sein Herz begann zu rasen. Was sollte er machen? Auf sie zugehen, sie ansprechen? Wäre das nicht unhöflich, sie beim Lesen zu stören? Würde sie sich überhaupt noch an ihn erinnern?
Er hatte ihr damals das Bild in die Hand gedrückt, nur wenige Worte mit ihr gewechselt. Bestimmt hatte sie ihn wieder vergessen, und sein Bild irgendwo in der hintersten Ecke versenkt.

Nein, Robert setzte sich erst mal hin, ließ sie aber nicht aus den Augen. Wo würde sie aussteigen? Was wäre, wenn sie jetzt aus ihrem Buch aufblickte? Was sollte er dann machen??? - Nein, das beste wäre, er spräche sie beim Aussteigen an. Es müsste aussehen, wie ein Zufall, wenn man sich wieder begegnet.

Als die Station Donalds Bridge aufgerufen wurde, legte sie ihr Buch nieder. Würde sie hier aussteigen? Robert hörte sein Herz laut pochen. Sein Atem ging schwer. Gleich würde es passieren: Ein zweiter Kontakt mit ihr. Jetzt nur keinen Fehler machen! Die nächsten Minuten könnten die Entscheidendsten seines Lebens werden!!!

Sie stand auf und ging zur Tür. Er ging zur anderen Tür. Da hatte er eine bessere Chance, sie dann draußen zu erwischen. Es musste alles wie rein zufällig aussehen. Die Türen sprangen auf. Auf dem Bahnsteig Donalds Bridge sprach er sie an, etwas zögerlich zwar, aber klar und deutlich: „Oh, hallo, du hast dich ja ganz schön lange versteckt gehalten. Musst du heute zur Arbeit gehen?“ – „Nein“, lächelte sie ihn an, „ich wollte nur eine Kleinigkeit essen“ - „Das trifft sich gut“, sagte Robert, jetzt schon etwas ruhiger geworden, „ich hab nämlich auch noch nicht zu Mittag gegessen. Darf ich dich einladen“ Sie lächelte ihn an, ein bisschen verschämt zwar, zögerte noch, doch dann sagte sie: „Ja, wenn du das möchtest, warum eigentlich nicht“.

Robert fühlte sich unheimlich glücklich in diesem Augenblick. Wie lange hatte auf diesen Moment gewartet! Jedes Mal, wenn er sie früher gesehen hatte, hatte er den großen Wunsch, dass diese Frau ihn überhaupt nur beachten würde, wahrnehmen würde, dass es ihn überhaupt gibt. Und jetzt nahm sie sich sogar die Zeit, mit ihm Essen zu gehen!!!

Während des Gesprächs beim Essen entdeckten sie viele Gemeinsamkeiten. Ja, er war Cerise (so hieß sie) auch schon aufgefallen, und sie hatte es auch lieb gefunden, dass er sie damals angesprochen und ihr etwas geschenkt hatte – nein, sie hätte das von sich aus nie getan – mit Männern hatte sie keinerlei Erfahrung – sie hatte sich stets nur auf ihr Studium konzentriert.

Sie hatte auch nichts weiter vor an diesem Sonntag, und so gingen Robert und Cerise noch die Mense entlang. Sie erzählte von ihrem Studium, von ihrem Praktikum im Kindergarten und von ihrer Liebe zur Musik. Ihre Eltern und Geschwister wohnten in Southcottage (etwa 300 Meilen entfernt), und sie wäre hier ganz allein.

Schließlich nahm Robert ihre Hand – Hand in Hand gingen sie weiter die Mense entlang.
Dann blieben sie stehen. Mit seiner rechten Hand strich er Cerise über die Wange, nahm sie dann zärtlich in den Arm, dann folgte ein langer Kuß.

Dieses war der Beginn einer wunderschönen Liebe...

 

Hallo Ralph,

Die Geschichte ist nicht unbedingt schlecht, aber für meinen Geschmack war sie etwas zu kitschig.
Ansonsten solltest Du besser recherchieren. Bis auf Baker Street existieren nämlich keine der U-Bahn Stationen in Deiner Geschichte wirklich in London, und es gibt auch keine Linie 6.
Das mag vielen Lesern vielleicht nicht auffallen, aber Du musst auch damit rechnen, dass welche wie ich dabei sind, die einmal in London gelebt haben.

 

Es ist eine Phantasiegeschichte. Das mit London hast du erfunden.

Oder ist dieser Ort jemals in der Geschichte erwähnt??

 

Du hast natürlich vollkommen Recht, London wird nie in der Geschichte erwähnt. Trotzdem war ich wegen der "Baker Street" am Anfang darauf eingestellt, dass die Handlung dort spielt, und konnte mich daraufhin gar nicht gescheit auf die Geschichte einlassen, weil ich ständig dachte, dass die Begebenheiten in ihr nicht stimmen. Wäre also vielleicht besser keine so bekannten Namen wie "Baker Street" oder "Central Park" zu verwenden, um solche Missverständnisse beim Leser zu vermeiden.

 

Ja danke, es war wohl ungeschickt von mir. Ich hätte wohl besser die Namen der Haltestellen verwenden sollen, wo die Geschichte "wirklich" spielt (d.h. in meiner Phantasie spielt). Aber ich glaube, dann würden die meisten Leser das auch nicht zuordnen können, es sei denn sie kommen zufällig aus der Region.

 

Hallo rabi!

Welch schöne Geschichte. Man liest und wartet mit Robert und das Herz fängt hoffnungsvoll an zu pochen... aber wo war Cerise die vielen Wochen? Irgendwie hätte ich gerne mehr erfahren.
Was du geschrieben hast, las sich flüssig, ohne Schnörkel, die Sätze in der richtigen Länge, nur eben: warum erzählst du nicht, wo Cerise war? Robert scheint es egal zu sein, aber mir nun mal nicht. ( Dafür ist mir das mit dem Namen der U-bahn Station egal)
Hoffe auf Antwort.... delphi

 

Danke delphi,
diesen Fehler hatte ich bisher gar nicht so bemerkt. Es handelte sich nämlich ursprünglich um zwei separate Geschichten, die ich zu einer verknüpft habe.

Die erste beinhaltet das Warten und Hoffen, Cerise wiederzusehen, und die zweite dann das eigentliche Treffen.

Die ursprünglich erste Geschichte endete nämlich "in der Luft". Es blieb völlig unklar, ob sie überhaupt noch in der Gegend wohnt. Deswegen hatte ich dann die zweite Geschichte drangehängt.

Die Lösung liegt wohl darin, dass man sich immer "zufällig" verfehlt hat. Nicht gerade originell, oder so ist es nun mal.

 

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