In der Tiefgarage
In der Tiefgarage
Mit einem Schluck spülte sie den restlichen Kaffee runter und schaute gehetzt auf ihre Uhr. „Scheiße, ich muss mich beeilen!“, schoss es ihr durch den Kopf und prompt stand sie auf und machte sich auf den Weg.
Als sie überlegte was sie nun alles zu erledigen hatte, fiel ihr ein, dass er das Auto gestern nicht Draußen auf dem Hof, sondern in der Tiefgarage stehen ließ.
„Auch das noch!“, dachte Serena genervt und sperrte die Wohnungstür zu.
„Er denkt wirklich an nichts! Alles muss man ihm zweimal sagen!“
Schon so früh am morgen genervt zu sein, tat ihr nicht gut. Aber ihr war das im Moment egal.
Ihre größte Sorge war, wie sie ohne Schweißausbrüche und Angstzustände zu ihrem Auto in der Tiefgarage gelangen sollte. Ja für Manche mag das komisch klingen, dass eine erwachsene, auf die Dreißig zugehende Frau, Angst von einer Tiefgarage in einer dicht bewohnten Wohnanlage hatte.
Aber seit diesem... wie soll man es am besten nennen... Unfall, hatte Serena eine Abneigung gegen ruhigen, kühlen, nach Benzin und Reifen stinkenden Tiefgaragen. Das löste in ihr die Erinnerungen an damals, vor 4 Jahren...
***
Sie fuhr damals nach Dienstschluss von ihrem Büro aus dem siebzehnten Stock mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage. Sie stieg aus dem Fahrstuhl und ging in Richtung ihres Wagens. Dann bemerkte sie einen Schatten der sich hin und her bewegte und ohne Zweifel in ihrem Wagen saß!
Plötzlich bekam sie Angst. Sie spürte wie ihr Herz wie wild anfing zu klopfen und ihr Puls erhöhte sich. Sie dachte sofort an den Fernsehbericht den sie vor Kurzem gesehen hatte, über einen brutalen Vergewaltiger, der seinen Opfern in der Tiefgarage auflauerte. Jetzt war ihr Herzklopfen so laut, dass sie fast nichts mehr anderes hören konnte. Sie richtete Ihre Augen auf die dunkle Gestalt in ihrem Auto und ihre Finger verkrampften sich um den Schlüsselbund. „Was soll ich jetzt tun?“ ging es durch ihren Kopf. „Soll ich weglaufen? Mich einfach umdrehen und laufen?“ Aber sie war steif vor Angst. Nur ihre Knie zitterten. Außerdem hatte sie Angst sie würde so auf sich aufmerksam machen und der Mann, wenn das einer war, holt sie ein. Vielleicht hat er sie bereits bemerkt? „Er wartet sicherlich auf mich. Er will mich vergewaltigen!“ Serena konnte nicht mehr klar denken. So verkrampft stand sie einige Minuten da und versuchte sich zu sammeln.
Sie entschloss sich trotz ihrer Angst ein bisschen näher zu kommen. „Vielleicht ist es ja nur eine Einbildung. Nach so einem Arbeitstag kann das ja passieren.“ ermutigte sie sich.
Dann fiel ihr ein Holzbrett auf, das jemand, wahrscheinlich in der Eile, neben seinem Auto vergessen hat. Sie machte vorsichtig ein Paar Schritte, schnappte sich das Brett und richtete ihren Blick wieder auf den Wagen. Es war etwas dunkel, sie traute sich nicht, das Licht anzumachen.
Ganz langsam näherte sie sich ihrem Wagen. Es war jetzt keine Angst mehr das sie empfand. Es war ein Gemisch aus Aufregung, Spannung, Herzrasen, Mulmigkeit und Vorfreude. Ja, sie freute sich darauf diesem Mistkerl der in ihrem Wagen saß und auf sie wartete, zu zeigen, dass sie stärker ist und sich nicht vergewaltigen lassen wird!
Ihre Augen waren die ganze Zeit auf seinem Hinterkopf fixiert. Er saß schief auf dem Fahrersitz und bewegte leicht seinen Kopf und die Hand die auf dem Lenkrad lag. Er hatte sie nicht bemerkt.
Serena erschreckte sich als sie ihr eigenes Gesicht in der Fensterscheibe sah. Die Augen weit geöffnet, die farblosen Lippen ganz aneinander gepresst und die bleichen Finger die das Brett verkrampft umklammerten. Sie war extrem konzentriert und hatte nur ein Gedanke - schneller als ihr „Angreifer“ zu sein und sich zu retten. Das war ihre einzige Chance.
Mit einer Hand öffnete sie die Autotür, dann umfasste sie das Brett wieder mit beiden Händen fest und schlug sofort auf den Mann ein. Er war so überrascht, dass er sich nicht einmal wehren konnte. Und sie schlug immer wieder auf seinen Kopf mit dem harten Holzbrett ein. Das Blut spritze. Sie schmeckte es auf ihren Lippen. Doch sie fühlte kein Ekel. Sie fühle im Moment nur eine enorme Wut und hörte nicht auf den Mann mit dem Holzbrett zu treffen.
Sie hörte auch nicht wie eine Frau mit entblößten Brüsten und zerwühltem Haar auf dem Beifahrersitz lautstark schrie und versuchte sich aufzurichten. In ihrer Panik konnte die arme Frau den Arm und das rechte Bein des mittlerweile toten Mannes, nicht von sich lösen.
Serena hörte plötzlich auf und jetzt erst sah sie die schreiende Frau, die eigentlich noch ein junges Mädchen zu sein schien. Sie ließ das Brett fallen. Das Mädchen hörte auf zu schreien. Jetzt wimmerte es nur und hielt sich die Hände vor dem Gesicht.
Serena hatte begriffen was sie getan hat. Nachdem sie die offene Hose des Mannes gesehen hat, seinen Glied der herausschaut, erneut das Mädchen anblickte, wurde ihr alles klar. Sie fühlte aber keine Trauer, keine Reue. Fühlte sich nicht schuldig. Erstaunt dachte sie nur daran wie gut es ihr getan hat, mit dem Brett auf den hilflosen Mann einzuschlagen. Dann wurde sie ohnmächtig.
Als sie aufwachte,wurde ihr gesagt, dass das gar nicht ihr Wagen war. Sie hatte sich in der Etage geirrt.
***
Das ist jetzt 4 Jahre her, es scheint alles vergessen zu sein. Nur Serena weiß, dass sie dieses Gefühl, als sie den Mann tötete, nie wieder loslassen wird.
Sie meidet deshalb Tiefgaragen. Will nicht erinnert werden. An dieses Gefühl.
Doch jetzt muss sie wieder in die Tiefgarage zu Ihrem Auto.
Hoffentlich ist niemand dort..