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In der Straßenbahn 1
Frau B: "Entschuldigung, ist hier noch frei?"
Herr A: "Ja natürlich, bitte setzen Sie sich."
Frau B setzt sich, ihre ausladende Handtasche auf den Oberschenkeln.
Herr A: "Sie sehen mich an ... da wird mir gleich ganz warm ums Herz."
Frau B lächelt. Sie sind ja auch ein Hingucker, aber das brauche ich Ihnen sicher nicht zu sagen."
Herr A streicht sich geschmeichelt durchs Haar. "Sicher meinen Sie meine Nase."
Frau B: "Ja, das ist wirklich ein Prachtexemplar! Ich glaube, so einen Zinken habe ich noch nie gesehen. Diese Größe und dann
dieses, dieses ..."
Herr A: "Sie meinen die blumenkohlartigen Auswüchse?"
Frau B: "Genau. Die sind außerordentlich imposant."
Herr A: "Ich werde sehr oft darauf angesprochen. Na ja, manche gucken auch nur, die meisten eigentlich. Gefällt Ihnen meine Nase?"
Frau B: "Sehr. Sie gefällt mir ausgesprochen gut."
Herr A: "Schwindeln Sie auch nicht?" Er zupft sich kokett ein Haar vom Hemd. "Sie hätten wohl auch gern eine solche Nase, was?"
Frau B schüttelt den Kopf. "Nein. Um ehrlich zu sein, möchte ich die nicht in meinem Gesicht haben, aber ich bin schließlich auch eine Frau."
Herr A: "Das ist mir gleich positiv aufgefallen. Und Sie haben natürlich Recht. Ihnen würde sie nicht stehen. Kennen Sie noch diesen alten Werbespruch aus den Siebzigern oder Achzigern? 'Alles, was einen Mann attraktiv macht, lässt eine Frau alt erscheinen.' Oder umgekehrt, aber doch ähnlich."
Frau B: "Ich erinnere mich. Das war eine Werbung für Hautcreme, glaube ich."
Herr A nickt glücklich.
Frau B: "Aber jetzt verraten Sie mir, wie man zu solchen Gesichtsauswüchsen kommt. Ist das eine hart antrainierte Säufernase?"
Herr A schüttelt den Kopf. "Nein. In meinem Fall zumindest nicht. Ich habe sie praktisch geschenkt bekommen, es ist nämlich etwas Genetisches."
Frau B: "Ach, das ist interessant. Dann ließe sich das auch vererben?"
Herr A: "Ich bin sicher. Allerdings entwickelt sie sich erst im Alter. Kleine Kinder haben sie noch nicht."
Frau B: "Schade eigentlich, oder?"
Herr A: "Ach wissen Sie, früher habe ich sie nicht vermisst. Man muss da auch erst einmal hineinwachsen. Für ein Kind wäre sie wohl auch zu schwer."
Frau B nickt. "Davon kenne ich was."
Herr A: "Das dachte ich mir schon." Er blickt lächelnd auf Frau Bs Oberschenkel.
Jetzt ist es an Frau B, ihm kokett ein Haar vom Hemd zu zupfen.
Herr A: "Die sind aber auch gewaltig, richtige Fleischberge! Nicht weniger ein Hingucker als meine Nase."
Frau B kichert. "Ich weiß." Sie nimmt ihre Handtasche und stellt sie neben sich auf den Boden. "X-Beine habe ich auch."
Herr A: "Das ist mir sofort aufgefallen, als Sie eingestiegen sind. Eine tolle Kombination, ehrlich!"
Frau B: "Danke schön." Sie errötet.
Herr A: "Sind Sie genauso stolz darauf wie ich, etwas Besonderes zu sein?" Er dreht sich nach den anderen Fahrgästen um.
Frau B: "Natürlich! Ich liebe es geradezu und habe oft einen Adrenalinschub nach dem anderen, zum Beispiel, wenn ich im Sommer an einem vollbesetzten Straßencafé vorbeischlendere."
Herr A: "Meinen Sie, wir seien zu arrogant?"
Frau B: "Ein wenig vielleicht, aber ich lasse es normalerweise niemanden spüren."
Herr A nickt und greift nach Frau Bs Hand. "Was meinen Sie, wollen wir an der nächsten Haltestelle einfach aussteigen und einen Kaffee zusammen trinken?"
Frau B: "Sehr gern. Mit einem wie Ihnen kann man sich sehen lassen."