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In der Halle des Berglöwen
Eine leere Flasche Jack Daniels klirrte, als sie von meinem Bett auf den Boden fiel und dort mit meinem fast komplett aufgebrauchtem Parfüm zusammenstieß. Es war meine dritte Flasche Whiskey in den vergangenen zwei Wochen. Ich schwitzte, die Sonne schien durch meine Dachfenster auf mein Bett, wo ich neben einem Paket Kaffee, meinem Laptop und bis gerade eben auch noch, einer leeren Flasche Whiskey lag. Ich war vor einiger Zeit auf Whiskey umgestiegen, ich hatte nie zu schätzen gewusst, wie viel besser Whiskey war. Er schmeckte nicht nur deutlich besser als der Rest, er sah auch deutlich cooler aus, wenn man ihn trank. Es gab zwar Stimmen, die sagen würden, dass niemand cool aussah, wenn man Alkohol in größeren Mengen konsumierte, doch ich war auf einer Mission. Ich musste jede Erinnerung auslöschen und im Keim ersticken. Jedes Gefühl, das aufkam, wenn ich an das eine Mädchen dachte, dass mich mehr verletzt hatte, als jeder zuvor. Ich sagte mir zwar, dass sie eine dämliche Fotze war, doch war das gelogen und eine oberflächliche Ablenkung von der bitteren Wahrheit, dass die einzige Konstante in all meinen gescheiterten Beziehungen ich gewesen war. Es konnte ja nicht immer an den Anderen liegen. Ich war untreu. Immer gewesen. Ich hatte von meinen Freundinnen etwa achtzig Prozent betrogen, ein Fakt, der mir wie ein Stachel in meinem Kopf saß und sich nicht herausziehen lassen wollte, egal wie fest man daran zog.
Scheiße, ich hätte nicht kiffen sollen, jedes Mal, wenn ich das tat wurde ich zu einer verdammten Heulpussy, besonders wenn ich dann auf die Idee kam meine Gefühle niederzuschreiben. Um ehrlich zu sein hatte ich keine Ahnung, was ich hier tat, ich wollte eigentlich eine Art Selbsthilfe-Roman schreiben, doch heute hatte ich keinen Zugang gefunden. Ja so etwas gab es, zumindest in Leons Welt. Wieso diese Geschichte „In der Halle des Berglöwen hieß“? Nun, mir gefiel der Name und das Spiel mit Griegs und Lasts Komposition. Ferner bedeute mein Name Löwe und ich wohnte in einem Haus auf einem Berg. Gut, das letzte war gelogen, es war nur ein kleiner Hügel, aber alles andere stimmte. Ich hatte einen Fabel für klassische Musik, doch wenn ich mich auf eine Musikrichtung festlegen müsste, wäre diese ganz klar der Rock and Roll. Keine Frage.
Ich war gerade dabei zu beschreiben wie unglaublich abgefuckt ich war und mich in Selbstmitleid zu ertränken. Jeder brauchte ein Ventil und das hier war eben das meine. Ich war leider nicht betrunken, am besten war ich mit dem Scheiß hier, wenn ich trank. Jedenfalls kam mir das so vor, das lag jedoch wahrscheinlich auch daran, dass mir der Müll, den ich zu Papier brachte, weniger peinlich und prätentiös fand. Weniger prollig und angeberisch. Aber scheiße, ich wollte nicht damit angeben, dass ich ein leichtes Alkohol- und Drogenproblem hatte. Ich trank, rauchte, schnupfte und kiffte zu viel, doch wie gesagt, ich wollte meinen Kopf betäuben, nicht mehr denken müssen, in meinem Kopf ratterte es und ich musste diese ewig mahlenden Mühlen des Selbstzweifels und Selbsthasses zum Schweigen bringen. Meine Gedanken drehten sich in der letzten Zeit hauptsächlich um den Schmerz, den mir das eine Mädchen zugefügt hate, dem ich verfallen war. Ich hatte viele Mädchen gehabt, keine Verbrecherkartei, aber dennoch genug um zu wissen, was ich wollte und was nicht. Ich hatte niemanden vorher geliebt, für niemanden so gefühlt wie für sie. Das war nichts, was ich jemanden hätte wissen lassen können, doch für ein imaginäres Publikum wie dieses reichte es. Selbst wenn ich den Scheiß hier veröffentlichen sollte, täte ich das unter einem verschissenen Alias, sodass keiner von euch Wichsern wissen würde, wer den Scheiß hier schrieb. Zugegebenermaßen hatte mich diese Trennung echt geschockt und mitgenommen, zumal sie es via einer beschissenen Textnachricht getan hatte. Allerdings versuchte ich in meinen wenigen klaren Momenten mich darauf zu fokussieren, was für eine beschissene Fotze sie mir gegenüber gewesen war. Ich hatte mich furchtbar gefühlt, allerdings nur so lange, bis ich, keine vierundzwanzig Stunden später, einer weit weniger besondere Dame meinen Speichel aufzwang. Doch seitdem musste ich jeden Gedanken und jedes Gefühl unterdrücken, sie kontrollieren und nie wieder frei zu lassen. Das hatte bisher immer funktioniert und das würde es auch diese Mal. So war zumindest meine Hoffnung. Doch dieser Tage, in einem sehr heißen Juni, ganz am Rande der westlichen Zivilisation fühlte ich mich so allein wie nie zuvor in meinem Leben. Ich wollte damit umgehen lernen, ich war nie wirklich allein gewesen, ich hatte immer eine Frau gegen eine andere ausgetauscht, doch dieses eine Mal war es anders. Ich wurde verlassen und, so behindert das auch klingen mochte, mir wurde mein krankes Herz gebrochen. Doch das war eigentlich nur gerecht. Ich hatte nie an Karma, das Universum oder gar irgendeinen verfickten Gott geglaubt, jeder war seines eigenen Glückes Schmied, doch es musste doch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit geben. Ewas, dass dafür sorgte, dass dumme Arschlöcher wie ich, genauso litten wie diejenigen, die sie verletzt hatten. Das waren bei mir eine ganze Menge gewesen und ich hatte jedes Mal Angst gehabt, dass dieses Mal das eine Mal sein würde, da ich die Arschkarte ziehen würde, doch bisher hatte immer jemand Anderes das zweifelhafte Glück gehabt, diese zu Ziehen.
Ich stand auf und lief zu meinem Schreibtisch. Zwischen Kaugummis, einem alten Zirkel und meinem Notizbuch kramte ich eine Pille hervor, von der ich mir fast sicher war, dass sie eine Koffeintablette war. Ich hatte zu wenig geschlafen, es war abends noch lange zu heiß gewesen um vernünftig zu Schlafen. Ich tapste in die Küche und goss mir frisch gepressten Orangensaft in ein Glas ein und füllte den Rest mit Vodka auf, den ich im Eisfach aufbewahrt hatte. In meinem Flachmann war noch ein Überrest des nun verschiedenen Whiskeys. Den goss ich in meine Tasse Kaffee. Ich briet mir zwei Eier an, eigentlich waren es nur die Eiweiße, den Dotter hatte ich weggeworfen, zu viel Fett und zu wenig Proteine. So setzte ich mich auf meinen Balkon und betrachtete in Unterhose die aufgehende Sonne über den Dächern meiner Kleinstadt. Der Himmel färbte sich langsam rot. Ich musste an ein Zitat Legolas´ aus dem Herrn der Ringe denken. Eine rote Sonne bedeutete, dass am Abend zuvor Blut vergossen worden war. Dementsprechend war es wohl bisher ein sehr blutiger Sommer gewesen. Heiß und blutig. Es hatte sicher bereits drei Wochen nicht mehr geregnet, die Luft stand und kein Windchen wehte, selbst hier auf der meinem Balkon im Dachgeschoss eines Hauses auf einem winzigen Hügel regte sich kein Wind. Ich trank meinen nicht-irischen-Kaffee und meinen angeblich frisch gepressten Orangensaft aus und aß meine mittlerweile kalten und leicht verbrannten Eiweiße auf. Meine Beine schmerzten vom gestrigen Beintraining und ich streckte mich im Sitzen. Ich griff nach meinem Handy und ließ die Foo Fighters aus meinen Boxen ertönen. Ich hatte in der letzten Zeit viel von den Foos gehört, weit mehr als sonst, ich hatte sie durchaus unterschätzt. Ich sprang unter die Dusche. Kalt. Sonst war ich eigentlich schon immer ein Warmduscher gewesen, doch ich konnte kaum noch einen Atemzug tun, ohne zu schwitzen, so tat mir die Erfrischung verdammt gut. Ich versuchte genau in den Abfluss zu pissen, doch war das ganze Wasser zu viel für den Abfluss und die Duschtasse füllte sich langsam mit einem Wasser-Pisse-Gemisch. Fuck, dachte ich und wich immer weiter nach hinten aus, um nicht meine Füße in meinem eigenen Urin zu baden. Ich war fertig damit, meine eigene Dusche voll zu urinieren und schaltete das Wasser ab. Es war knapp gewesen, fast wäre das Pisswasser in der Duschtasse an meine Zehen gekommen, doch ich hatte das Schlimmste vermeiden können. Ich drehte das Wasser wieder auf, putzte mir die Zähne und duschte zu Ende. Ich liebte es beim Duschen die Zähne zu putzen, es sparte Zeit, was als Besitzer eines, quasi von allein laufenden Ladens, natürlich sehr praktisch war, da ich davon so gut wie keine hatte. Ich war mittlerweile fertig mit der Dusche und zog mir eine Sporthose und ein schwarzes T-Shirt an. Ich suchte nach meinen Schlüsseln, doch ich hatte sie irgendwo verlegt, also suchte ich nach meinem Zweitschlüsselbund, der immer griffbereit neben der Tür liegen sollte. Doch dummerweise war auch dieses kleine Stück Scheiße nicht an seinem Platz. „Dieses kleine Stück Scheiße“ murmelte ich in meinen voluminösen Drei-Tage-Bart, der eigentlich ein fünf-Tage-Bart war doch mein Haarwuchs im Gesicht war leider noch sehr licht, was mich sehr ärgerte, da ich ansonsten überall am ganzen Körper Haare hatte. Am Arsch, im Nacken, am Rücken, überall wo man keine Haare haben wollte, hatte ich welche, doch eine Freundin von mir besaß ein Waxing-Studio und sie gab mir oft einen kleinen Rabatt. Den Freunde-und-Familien-Rabatt. Daher sah ich meistens aus wie ein frisch geborenes Baby.
Ich hatte endlich meine Schlüssel gefunden, sie hatten unter dem Sofa gelegen, und lief die Treppen hinab zu meinem Auto. Es war ein kleines schwarzes Cabrio, das zweite Auto, dass ich mir je gekauft hatte. Ein alter Porsche 964. Es war mein Traumauto gewesen, seitdem ich mit sechzehn Jahren das erste Mal Californication gesehen hatte. Ich hatte ihn sogar, extra wie Hank Moody, lange nicht gewaschen. Ich startete den Motor und fühlte das tiefe Grummeln der acht Zylinder in meinem Magen. Ich drückte aufs Gas und fuhr los. Es war unfassbar befreiend früh morgens auf den leeren Straßen mit Vollgas entlang zu fliegen. Man fühlte sich dem so nahe, dass angeblich jeder suchte. Freiheit. Ein absurdes Konzept, wenn man darüber nachdachte, strebte doch jeder Mensch, mich nicht ausgeschlossen, danach ebenjene Freiheit freiwillig aufzugeben. Ob für einen anderen Menschen, einen Beruf oder Religion.
Ich war an meinem Ziel angekommen, einem kleinen Laden, etwa eine halbe Stunde von meinem Wohnort entfernt. Ich hatte ihn vor etwa fünf Jahren mit meiner mittlerweile verstorbenen Mutter erworben, es war ein Textilladen. Ich hatte in dem Laden nicht viel zu tun, ich war lediglich für den ganzen wirtschaftlichen Scheiß verantwortlich. Ich schloss die Tür auf, noch war niemand da. Die Treppe in die kleine Wohnung nach oben lag voll mit alter Post, Mahnungen, Angebote und Anlagemöglichkeiten für das Geld, das dieser kleine beschissene Laden abwarf. Es war weit mehr als man hätte denken können, er lief so scheiße gut, dass ich mit etwa zehn Stunden Arbeit in der Woche mir einen verdammt entspannten Lebensstil leisten konnte. Ich war fünfundzwanzig und lebte in einer Topgegend in einer geilen Wohnung, fuhr mein Traumauto und musste mir keine Sorgen um meine Quattloos machen. Ich saß im Büro in der Wohnung über dem Laden den ich mit meiner Mutter zusammen übernommen und auf Vordermann gebracht hatte. Die scheiße nochmal beste Entscheidung meines Lebens. Ich zweifelte kaum eine ihrer Entscheidungen an, sie hatte oft den richtigen Riecher gehabt. Ich hörte Amelie unten den Laden betreten. „Moinsen Amelie!“ rief ich hinunter. Sie kam die Treppe hinauf, ihre Absätze klackerten auf dem dunkeln Holz. Ich stand auf. Sie sah umwerfend aus, wie sie es fast jeden Tag tat. Ich gab zu, dass sie auch deswegen die Festanstellung bekommen hatte. Sie war im Laden die Nummer zwei nach Birgit, auch das war eine gute Entscheidung gewesen die meine Mutter getroffen hatte, Birgit war Gold wert, sie schmiss den Laden quasi alleine. Amelie lief auf mich zu und wünschte mir einen wunderschönen guten Morgen. Fuck, ich erschrak jedes Mal, wenn sie sprach. Ihre Stimme klang so, als würde man mit den Fingernägeln über eine verdammte Schultafel kratzen. Sie umarmte mich und sah mich vorwurfsvoll an. „Hast du etwa schon wieder getrunken Leon?“ sagte sie in ihrer schrillen Stimme, die dem Kreischen eines Nazgul in nichts nachstand. Ich schüttelte den Kopf und setzte mich langsam wieder auf meinen Platz. Sie drehte sich um und lief auf die Treppe zu. „Bis später“. Ich wusste nicht ob sie mein Nicken wahrnahm oder nicht, es war mir auch egal.
Es war bereits Nachmittag, als ich das Büro verließ. Birgit wollte etwas sagen, das sah ich ihr an, doch mir war nicht nach Reden zumute. Ich sprang über die geschlossene Tür meines Cabrios und fuhr los. Ich beschleunigte und machte mich auf die Heimfahrt. Zuhause angekommen legte ich mich auf mein Bett und schlief ein. Mein Körper holte sich den Schlaf, den ich die Nacht zuvor vernachlässigte, hatte und ich wachte erst gegen Abend wieder auf.
Nach dem Sport wollte ich noch in eine Bar, um auf andere Gedanken zu kommen. Ich dachte noch immer an meine beschissene Exfreundin, doch ich wollte nicht mehr an sie denken müssen. Also setzte ich mich in meine Stammkneipe an die Bar und bestellte mir einen Jackie mit Coke Zero. Ein figurbewusster Alkoholiker. Johnny der Barkeeper nickte mir zu und schaute zu einer ebenfalls allein sitzenden Dame herüber. Sie schaute mich an. Ich hatte gelernt, dass es Selbstbewusstsein bedeutete, einer Frau ebenfalls in die Augen zu sehen und nicht schnell den Blick abzuwenden. Ich hatte früher immer gedacht, dass dies zu aufdringlich sei, doch Frauen waren seltsam. Ich bildete mir ein sie besser zu verstehen als die meisten, da ich von einer alleinerziehenden Mutter aufgezogen worden war, doch vieles verstand auch ich nicht. Ich musste mich anstrengen, nicht zu böse oder arrogant auszusehen, auch das hatte ich gelernt, ich sah offenbar immer schlecht gelaunt aus. Sie lächelte mich an, na also, es wirkte. Ich stand auf und nickte Johnny zu, der mich angrinste, als wären wir zwei dreizehnjährige Jungs, die gerade das erste Mal einen Porno gesehen hatten. Ich fragte die Dame höflich, ob neben ihr noch ein Platz frei sei und sie nickte. So setzte ich mich auf den Barhocker und drehte mich zu ihr. „Sie sehen traurig aus“ stellte sie fest. Was hatte ich gesagt, ich sah immer mies gelaunt aus. „Ich sehe immer so aus, als sei ich traurig“ antwortete ich mit einem Lachen. Verfickter Idiot, warum lachte ich jetzt? Sie stimmte in mein Lachen ein. Fuck, warum lachte sie jetzt? Das war absolut nicht lustig gewesen. Sie lachte den Abend über noch recht viel. Ich war gut im Flirten, allerdings nur wenn ich etwas getrunken hatte, doch zu meinem Glück tat ich das ja fast dauerhaft. Sie begleitete mich in meine Wohnung, die fußläufig nur einige Minuten entfernt war. Es war ein guter Abend gewesen, doch viel Lust darauf sie zu ficken hatte ich nicht. Das lag nicht daran, dass sie schlecht aussah oder mir auf den Sack gegangen wäre, doch hatte ich schon lange keine wirkliche Lust zu ficken gehabt, was mich natürlich absolut nicht davon abhielt es zu tun. Das Problem war jedoch meist, dass jede, mit der ich geschlafen hatte, auf teilweise extrem harten Sex stand. Das lag wahrscheinlich daran, dass mein Aussehen einige Klischees mit sich brachte. Ich war groß und muskulös, daher kam vermutlich die fälschliche Annahme, dass ich ausschließlich harten Sex haben wollte. Dem war jedoch nicht so, in keinster Weise. Ab und zu war das ganz angenehm, doch ich war eine Pussy und wollte eigentlich jemanden, der für mich da war, der mich verstand und solchen Scheiß. Ich war andauernd auf der Suche nach meinen eigenen Gefühlen, ich wollte jemanden lieben können, wollte eine gut funktionierende Beziehung eingehen. Das Emotionale war mir weit wichtiger gewesen als aller Sex den ich je hatte oder haben würde. Eine Pussy, wie gesagt. Das war allerdings wahrscheinlich nicht das Hauptproblem. Ich wusste ehrlich nicht woran es lag, doch ich hatte fast schon Angst vor Sex, doch es gab ja noch den Alkohol. Und davon hatte ich diese Nacht recht viel konsumiert.
In der Nacht, eher morgens als nachts, wurde ich wach. Ich schaute auf die Projektion meiner Funkuhr, die an meiner Schlafzimmerdecke zu sehen war. Es war erst fünf Uhr und die Sonne war gerade dabei ihre Strahlen über den Horizont zu senden. Ich stand auf. Scheiße, alles drehte sich, ich war noch immer betrunken. Ich schloss leise die Tür meines Schlafzimmers, um meinen nächtlichen Besuch nicht zu wecken und machte mir einen Kaffee. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, mir einen dieser dämlichen Vollautomaten zu holen, doch ich trank eigentlich immer nur schwarzen Kaffee, da hätte es sich nicht gelohnt mir so ein Teil in meine Küche zu stellen. Ich stand auf den altmodischen, frisch gemahlenen Kaffee aus einer French-Press-Kanne. Einen solchen bereitete ich mir nun zu und setzte mich erneut auf meinen Balkon, um die aufgehende Sonne am Horizont zu beobachten. Ich wollte raus aus der Wohnung, also griff ich mir meine Schlüssel und verließ die Wohnung. Ganz behutsam schloss ich meine Wohnungstür, nur um draußen meinen Porsche mit grölendem Motor zu starten und ihn hochtourig die leere Straße entlang zu jagen. Mein Ziel war die Autobahn, ich wollte den Wagen auf seine Höchstgeschwindigkeit bringen. Genau das tat ich auch. Ich flog mit zweihundert Sachen über die Autobahn. Es war berauschend in der Frühe, mit einer Kippe im Maul durch den kühlen Morgen zu rasen. Aus den Boxen ertönten die Klänge der Rolling Stones mit meinem liebsten Song von ihnen, „You can´t always get what you want“. Plötzlich fuhr ein stechender Schmerz in meine Wade. Fuck, keine Ahnung was das war oder sollte. Es tat allerdings unfassbar weh und was noch viel beschissener war, war, dass ich keine Kontrolle über meinen Fuß hatte und ich diesen mit aller Kraft in meine Bremse presste. All das musste in unfassbar kurzer Zeit passiert sein, doch es kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Ich versuchte meinen Fuß von der Bremse zu nehmen, doch ich hatte die Kontrolle über meinen Wagen verloren und rutschte nun seitlich auf der leeren Autobahn entlang. Ich überschlug mich. Ich fragte mich was die Dame in meiner Wohnung dazu sagen würde, dass sie an einem Samstagmorgen allein in einer fremden Wohnung aufwachen würde und dachte, dass nach all dem Scheiß, den ich getan hatte, dass es eigentlich nur fair sei, dass ich jetzt verunglückte. Unglaublich wie viel man in so kurzer Zeit denken konnte und was es dafür ein seltsamer Gedankengang sei, von einem One-Night-Stand auf Karma oder ausgleichende Gerechtigkeit zu kommen. Ich spürte einen stechenden Schmerz in meinem Bauch, gefolgt von einem lauten Krachen und einem leiseren, das allerdings in meinem Kopf gewesen sein musste, weswegen ich es als mindestens genauso laut wahrnahm. Es wurde schwarz und still um mich herum und ich fühlte mich frei. Fast schon erlöst.
ENDE