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In der Eisdiele

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30.04.2010
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In der Eisdiele

Jetzt, wo die Sonne immer öfter hervorkommt und die Temperatur so langsam richtig angenehm wird, verschlägt es auch mich so manches mal in die Eisdiele. Dort saß ich vor meinem Kaffe, rauchte todesverachtend eine Zigarette nach der anderen und schaute mir die Leute an. Plötzlich ruckte der ältere Herr am Nebentisch auffällig steif in seinem Plastikstuhl herum. Er schien ein Eis zu essen. Wenn man genau sein will, aß er es eigentlich nicht, sondern versuchte es zu erbrechen. Mit geröteten Wangen und pulsierender Halsschlagader fuchtelte er nach dem Kellner.
Er wolle den Verantwortlichen sprechen.
Was denn sei?
Er hätte eine Beanstandung vorzutragen.
Nun, wenn das so sei, müsse er gewarnt werden. Der Küchenchef sei etwas empfindlich.
Das sei egal.
Der Kellner entfernte sich und der Küchenchef erschien.
Nun sei ihm einiges klarer.
Worum es sich bei besagter Beanstandung drehe.
Das Eis schmecke nicht.
Was denn daran auszusetzen sei.
Es schmecke, als habe es jemand im Schlachthaus von den Kadavern geschabt.
Das sei ja wohl eine Unverschämtheit.
Er wolle als Ersatz für das Eis einen Kuchen.
Bislang habe sich noch niemand beschwert.
Vielleicht weil alle mit ihren sterbenden Gedärmen beschäftigt gewesen seien.
Er sehe sich in keiner Schuld.
Er könne noch ganz andere Saiten aufziehen. Das Gesundheitsamt läge nur einen Steinwurf entfernt.
Irgendwann überzeugte er unter wilden Drohungen den Küchenchef und bekam seinen Kuchen versprochen.
Ich steckte mir eine weitere Zigarette an, wagte es aber nicht erneut einen Kaffe zu bestellen und wartete, ob der Herr mit seinem Kuchen zufrieden sein würde. Zudem wechselte ich auf einen anderen Stuhl, so dass ich nun meinen Kopf nicht mehr drehen musste, um auf den Nachbartisch zu blicken.
Schließlich kam der Kuchen und er biss hinein, kurz darauf spuckte er die zerkauten Fetzen auf die Tischplatte. Der Küchenchef musste das Ganze beobachtet haben, denn er war fast unmittelbar wieder zur Stelle.
Was denn nun schon wieder sei.
Man habe ihm versehentlich Fensterkitt gebracht.
Wie er das denn verstehen müsse.
Dieses Objekt sei kein Kuchen, sondern vergorenes Baumaterial. Er werde das nicht essen.
Niemand zwinge ihn.
Dafür sei er dankbar.
Dieser Kuchen sei von bester Qualität es seien die erlesensten Zutaten verwendet worden.
Er meine dicke, zu Sechsen gebogene Haare erkennen zu können.
Er sähe nichts und überhaupt wisse er am besten was darin sei, schließlich habe er diesen Kuchen eigenhändig zubereitet.
Das erkläre zumindest den Geschmack. Jetzt wäre nur noch die Konsistenz zu erörtern.
Das sei ihm jetzt aber zu blöd.
Er verlange einen Kaffe zur Entschädigung.
Ich war nahe daran ihm abzuraten, aber ein klein wenig gespannt darauf was folgen würde, war ich dann doch.
Der Kellner kam und stellte den Kaffe vor ihm ab.
Wo denn der Keks sei.
Komme sofort.
Und er könne auch gleich den Küchenchef mitbringen, er wisse bereits bescheid.
Dieser Kaffe sei ungenießbar.
Das habe er sich gedacht.
Er habe ihm also absichtlich schlechten Kaffe gebracht?
Nein, aber der Herr sei ja sowieso nicht zufrieden zu stellen.
Er sei keineswegs pedantisch, nur hygienisch.
Und ein Feinschmecker, verstehe sich.
Ganz recht.
Was denn nun mit dem Kaffe sei.
Das sei kein Röstkaffe, wie ausgewiese , sondern per Dampfdruckautomat gebrüht.
Das habe er vom bloßen Ansehen feststellen können?
Das sehe jeder.
Was er denn nun bitteschön als Ersatz haben wolle.
Nichts, er wolle sein Geld zurück.
Er habe noch gar nichts bezahlt.
Das habe er auch nicht vor.
Er möge bitte gehen.
Das entscheide er immer noch selbst.
Es sehe sich genötigt, handgreiflich zu werden.
Da sei er gewarnt, er beherrsche nämlich Judo.
Solle er vielleicht die Polizei rufen?
Damit sie ihn verhaften könne, wegen des Versuchs ihn zu vergiften?
Er habe jetzt genug und der Herr solle schleunigst verschwinden.
Er wolle ein Milchshake zum Mitnehmen.
Das werde ihm nicht schmecken.
Das sei ja nicht für ihn, sondern für die Katzen.
Er solle verschwinden, sonst schlage er zu.
Auf das Milchshake verzichte er dann eben.
Er solle wohl leben.
Gleichfalls.

 

Hallo Glorion und - nach einer einjährigen Mitgliedschaft vielleicht gewagt, aber durch acht Beiträge als seltener Gast gekennzeichnet - herzlich willkommen allhier!

Die Einleitung spricht dafür, dass Du aus dem südwestdeutschen Raum kommst, denn

Jetzt, wo die Sonne ...
spricht der Schwabe (oft noch mit 'nem da verbrüdert). Auffällig die Adjektive / Adverbien (an sich das ist's das "wo", bei Dir aber eher bloße Interjektion / Konjunktion)
immer öfter / so langsam richtig angenehm / so manches mal ... (etc.)
"wo"bei das Mal auch groß zu schreiben wäre.

Gönn dem

noch'n e, wohl das Kaffeehaus wird nur mit einem e genannt, dann aber auch kurz Café. Weiter unten küddet nochenemal!

Es gibt auch Sätze ohne Adjektiv, hier sei nur der erste genannt:

Er schien ein Eis zu essen.

Bisschen Witz offenbart sich:
Wenn man genau sein will, aß er es eigentlich nicht, sondern versuchte es zu erbrechen.
Wobei das "eigentlich" stört, denn die Standardfrage hierzu wäre, dass der Mensch also "uneigentlich" aß ...

Mutig & schön find ich, dass Du den Konjunktiv pflegst: und da kommt die Geschichte endlich in Schwung!, zeigt besonderen Humor:

Es schmecke, als habe es jemand im Schlachthaus von den Kadavern geschabt.
Dabei klingt die folgende Konstruktion gequält:
Vielleicht weil alle mit ihren sterbenden Gedärmen beschäftigt gewesen seien,
doch fällt mir hier vor Ort (Internetcafé) auch nix besseres ein.

Obwohl der Konj. II ein wenig vernachlässigt erscheint, erscheint er mir hier fehlgegriffen:

Das Gesundheitsamt läge nur einen Steinwurf entfernt.
Oder wird an der Lage des Amtes gezweifelt?

Stattdessen möchte ich die würde-Konstruktion im folgenden Satz ersetzen wollen (muss nicht, ist nur'n Vorschlag):

... und wartete, ob der Herr mit seinem Kuchen zufrieden sein würde.
Ein "wäre" tät's auch ohne Verwechselungsgefahr.

Mit Vergnügen gelesen und sehn wir mal von den Problemen des mühseligen Auftaktes ab gefällt's. Wenn ein Mittel gegen die Adjektivitis gefunden wird (bin sicher, dass es gelingt) wäre vielleicht noch ein wenig an den Konjunktiven zu arbeiten. Mich selbst stört's nicht, dass indirekte Rede gepflegt wird. Es hat einen gewissen Verfremdungseffekt (Wurzeln zum epischen Theater?). Ich wag aber die Prophetie, dass andere die Pflege der wörtlichen Rede anmahnen werden.

Aber auch das sind nur Vorschläge.

Gruß & ich bin neugierig auf den nächsten Text ...

Friedel

 

Mir gefällt der Stil ausgesprochen gut. Ich schließe mich Friedrichard an: „Mutig & schön find ich, dass Du den Konjunktiv pflegst“. Ich selbst finde die indirekte Rede sehr mutig. Was oft in langweilig und anstrengend zu lesen kippen kann – hier aber nicht. Im Gegenteil.
Ich behaupte glatt, die wörtliche Rede würde diese ungewöhnliche Konstruktion des Textes zerstören, ins Banale abgleiten lassen. Auch hast du mE die Länge gut gewählt. Nicht zu kurz und nicht zu lang, goldene Mischung eben.
Was ich persönlich vermisse ist ein „Abgang“, wenn nicht gar die Pointe. Wie die aussehen sollte, weiß ich selbst nicht zu beantworten. Aber du lässt den geneigten Leser dann doch ein wenig zu erwartungsvoll zurück. Bzw. erfüllst die (beim Eintauchen in den Text) Erwartung auf einen runden Abschluss nicht wirklich.

 

Hallo Glorion,

zunächst fand ich die Idee mit dem Konjunktiv ja ganz spannend und ein wenig experimentell, aber bei der Länge des Textes doch ermüdend. Und da Form und Inhalt zusammen passen sollten, und die Hamdlung nur banal ist, finde ich auch hierin keinen Grund dafür. da es den Vorherschreibenden gefallen hat, scheint es einfach Geschmacksache zu sein.

Gruß, Elisha.

 

Ich will ja nicht Euren Kommentar-Eifer bremsen, aber der Autor war am 3. Januar 2012 das letzte mal auf dieser Seite und hat bisher auf keinen Kommentar reagiert. Andere freuen sich sicher mehr ;).

 

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