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In den Strassen

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12.01.2004
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In den Strassen

Ich gehe durch die Strassen und was mich treibt bin ich. Was mich verfolgt bin ich. Kann sie nicht verdrängen, die Gedanken die immerfort gedacht werden wollen. Könnte ich sie verdrängen, könnte mein Leben beginnen. Wiederbeginnen. Die Zeit hat angehalten, seit die Welt die Farbe verloren hat. Nichts kann mich berühren. Nichts kann mich bewegen. Ich stehe still, weil ich nicht gehen will. Aber ich will wollen! Wieso kann ich nicht wollen, wenn ich es doch so sehr wollen will? Zu anstrengend darüber nachzudenken.
Vom Regen tropfende, herabgeblätterte Fassaden ziehen vorbei. Ich sehe mich durch die Strassen gehen, aber ich fühle es nicht. Fühlt man die Strasse? Man nahm sie wahr, aber fühlte man sie? Habe ich es nicht genossen, die Strasse in der Dunkelheit liegend zu betrachten, während ich in Gedanken versunken meine Wege ging? Es ist nur eine Strasse. Sie sollte mehr sein, ist es aber nicht.
Nichts treibt mich, wenngleich mich vieles zu treiben versucht. Kräfte gehen in die Leere. Nichts kann mich bewegen. Kann nicht aufhören zu denken. Nichts ist mehr übrig von mir. Nur Körper und Verstand sind geblieben, ich muß Gefühle denken. Während ich sie denke, wünsche ich mir sie zu fühlen. Dann warte ich, doch ich warte erfolglos. Alles muß gedacht werden, an alles muß ich denken.
Ich will funktionieren.
Ich muß traurig sein, wenn etwas meine Trauer erregen sollte. Fröhlich sein und Lachen muß ich, wenn es die Situation erfordert. Und was gilt es zu tun, wenn die Situation nach der Trauer Fröhlichkeit erfiordert? Darf ich Fröhlichkeit spielen, so kurz nach der Trauer? Fällt es denn niemandem auf, daß ich nicht in mir bin?
Die Strassen hatten mich immer mit ihrer monotonen Routine gelockt, Ich bin sie gegangen, wenn ich nachdenken wollte. Wenn ich für mich sein wollte, gaben sie mir das Milieu in dem meine Gedanken reifen konnten.
Jetzt aber ist alles Routine, jede Regung die ich zu zeigen habe ist tausendmal geübt. Die Ruhe um mich herum ist bedrückend geworden. Das Leben um mich herum dringt nicht zu mir vor. Die Strasse hat aufgehört zu sein, nur ihre Idee ist mir geblieben. Nichts kann meine Gedanken fortführen, am wenigsten ich selbst.

Es wird besser. Ganz sicher wird es besser, wenn es sein muss werde ich warten.

 

Hallo yoshuab,

ich fand Deine kleine Geschichte ganz nett.
Du hast sehr schön verdeutlicht, dass der Prot irgendwie keinen Zugang zu sich selber bekommt. Sein Kopf sagt, dass er sein Leben eigentlich selber steuern sollte und können müsste, in Wirklichkeit fühlt er sich aber nur passiv getrieben. Dieser Widerspruch zieht sich durch die ganze Geschichte.
Ist die alte Rechtschreibung in Wörtern wie "daß" und "muß" Absicht?

Liebe Grüße,
Nadja

 

Hallo Ihr beiden!

Vielen Dank für eure Antwort!

Genau genommen hat der Protagonist keine Chance sein Leben zu steuern. Er versucht es, aber allein der Versuch ist so anstrengend, daß er aufgibt.
Dieser Widerspruch an sich, ist genau das was ihn beschäftigt und letztendlich treibt und vielleicht sogar am Leben hält.
Ich habe mit der Geschichte versucht eine Depression zu verdeutlichen. Eine endogene Depression, die aus rein physiologischen Gründen existiert, also deren Ursache nicht in einer traumatischen Kindheitserfahrung o. Ä. liegt.
Die Idee kam mir nach dem Buch "Seelenfinsternis" von Piet C. Kuiper. In diesem Buch beschreibt ein Psychiater aus medizinischer Sicht die Depression, die ihn selbst heimgesucht hatte.
Da fiel mir auf, daß ich noch nie einen Text gelesen habe, in dem eine Depression aus der Sicht des Erkrankten beschrieben wird.
Ich hoffe es ist mir halbwegs gelungen den lustlosen Trott in den man sich zwangsläufig einfügt und die ständigen Selbstzweifel darzustellen.

Nein, meine Rechtschreibung ist nicht konsequent, weder alt noch neu. Ich finde es sieht einfach komich aus "dass" oder "muss" zu schreiben. Manchmal allerdings merke ich nicht, wenn ich dann doch die neue Rechtschreibung benutze :)


Danke nochmal für die Antwort,

Janos

 

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