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in den Ruinen

Seniors
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01.10.2002
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in den Ruinen

Lissabon ist die allerschönste Stadt, vor allem für Maler. Das behaupte ich nicht, weil ich zufällig in Lissabon zur Welt kam und hier in meinem kleinen Dachatelier in der Nähe der Lagerhallen am Tejo arbeite, das Meer in der Ferne; und wenn ich auf der Fensterbank sitze und das Terpentin an meiner Latzhose abwische, bevor ich meine Pausenzigarette anstecke, schaue ich immer noch gern aufs Wasser, auf den schmalen Streifen Wasser hinter den Dächern.

Es gibt so viele pittoreske Motive und ich könnte den ganzen Tag am Torre verbringen oder im Convento do Carno, wo besonders die romantisch veranlagten Ökotouristen aus Holland oder Deutschland spazieren gehen, manchmal glaube ich, dass sie ihre Butterbrote noch von zu Hause dabei haben, diese komischen Schwarzbrotschnitten, die es hier nicht mal beim deutschen Bäcker zu kaufen gibt.

Während meiner Akademiezeit habe ich viel in den Ruinen gesessen, mein Skizzenbuch auf dem Schoß, die Aquarellfarben in einer kleinen Zigarrenblechdose versteckt, das Aquarellwasser in einem Schnapsgläschen getarnt, damit ich in Ruhe malen konnte und nur besonders hartnäckige Touristen bemerkten, dass ich nicht las und mich dabei betrank, wie es besonders die Holländer oft taten, den Rucksack als Kopfkissen in der Mittagssonne. Ich hätte so einige Skizzen verkaufen können, viele mochten meine freien Ruineninterpretationen viel lieber als die bunten Souvenirbilder aus der Altstadt.

Ich liebe die Stille in meinem stickigen, viel zu warmen Atelier. Manchmal ist mir, als hörte ich die Wellen rauschen und dann denke ich an Jan, meinen lieben Jan, der schon den zweiten Sommer in Lissabon verbringt, ein bisschen wegen mir, aber auch weil es hier so viel zu sehen gibt für einen Maler. In der Mittagspause baden wir im Meer. Danach liegen wir im Sand und blättern in Jans Zeichnungen, die schon ganz fleckig geworden sind, vom Salzwasser, vom Eis und vor allem vom Wein, den wir in der Dämmerung trinken, aber das stört ihn nicht, er sagt dann, das passe viel besser zu den Ruinen.

Manchmal wünsche ich mir, dass er lieber mich malen sollte, aber das wird schon noch passieren. Ich habe ihn in die Stadt verliebt gemacht, da wird das andere noch kommen. Währenddessen baden wir, besuchen das Chiado oder das Calouste, auch das Kachelmuseum fand er so inspirierend, dass er vor Übermut meine Hand nahm und wir wie ein Pärchen durchs Museum schlenderten. Und wenn wir abends auf unsere letzte Metro warten, ist es, als säßen wir im Museum, in einem nächtlichen Museum, nur wir beide, überall die wunderbaren Azulejos von Maria Keil, Kunst in jeder Station und wenn Jan seinen Kopf mit den überraschend weichen Haarstoppeln auf meine Schultern legt, müde, plaudernd, noch voller Ideen, was er noch malen könnte, weiß ich, dass ich nicht mehr lange auf den Tag warte, an dem er mich küsst, ganz aus Versehen.

 
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Lissabon ist die allerschönste Stadt, vor allem für Maler.

Nicht nur für die, auch für Fotografen. Und für Taschendiebe.
Musste ich leider im letzten Sommer feststellen, liebe petdays,

ich freu mich, dass du wieder da bist mit einem kleinen bunten Geschichtensplitter.

Ich hatte dich schon vermisst. Weißt du, ich sag es mal ganz frech und schnell vorweg, dass ich einen Anschlag vorhatte auf dich?
Deshalb schreib ich jetzt ganz schnell, für den Fall, dass du wieder abtauchst in Staffeleleien und Farben, obwohl ich zur Zeit eigentlich keine Zeit habe und außerdem auch noch ordentlich krank bin. Aber die Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Das ist mein Anschlag: Hast du nicht mal Lust, eine Gemeinschaftsgeschichte mit mir zu schreiben? Drauf gekommen bin ich über Hanniball, der ja partout eine Zeitlang eine Ähnlichkeit unseres Stils feststellen wollte. Daraus entwickelte sich bei mir so eine Schnapsidee, die dann aber immer stärker wurde, nur, dann warst du leider in der Versenkung verschwunden.
Näheres dann über PM.

Zurück zu deiner Geschichte.
Wahrscheinlich kriegst du wieder geschimpft, denn es ist streng genommen vielleicht keine Geschichte.
Aber ich mag es einfach, wie du so ein bisschen hin- und herspringst, da eine Stimmung antippst, dort ein kleines, friedliches Bild schattierst. Es wirkt fast willkürlich und beliebig, was du da (plaudernd?) zusammenstellst, wie ein bunter Strauß von hingetupften Eindrücken, die dann das Gesamtbild einer Stadt und einer beginnenden Liebe zaubern. Vielleicht muss man Malerin sein, um das so locker hinzukriegen, das habe ich schon öfters gedacht, wenn ich deine kleinen Geschichtenstimmungen gelesen habe.

Ich sehe diese Szenen Lissabons mit deinen Augen und dann sehe ich tatsächlich Lissabon, wie es für mich war, obwohl du da vielleicht nur was antippst. Nicht alles hab ich so wahrggenommen wie du, aber ich sehe es.

das Meer in der Ferne, wenn ich auf der Fensterbank sitze und die Terpentinreste vom Pinselauswaschen an meiner Latzhose abwische, bevor ich meine Pausenzigarette anstecke.

Sowas meine ich, da steht eigentlich nicht viel, trotzdem spricht es mich an,

manchmal glaube ich, dass sie ihre Butterbrote noch von zu Hause dabei haben, diese komischen Schwarzbrotschnitten, die es hier nicht mal beim deutschen Bäcker zu kaufen gibt.

Ja, und manchmal ist Leberwurst drauf, ich weiß nicht, woher die das kriegen, aber man riecht es. :D

das Aquarellwasser in einem Schnapsgläschen getarnt, damit ich in Ruhe malen konnte und nur besonders hartnäckige Touristen bemerkten, dass ich nicht las und mich dabei betrank, wie es besonders die Holländer oft taten, den Rucksack als Kopfkissen in der Mittagssonne.
Das find ich goldig, die Welt ist auf den Kopf gestellt, man gibt lieber den Besuffskitourist als den schwer arbeitenden Maler.

Danach liegen wir im Sand und blättern in Jans Zeichnungen, die schon ganz fleckig geworden sind, vom Salzwasser, vom Eis und vor allem vom Wein, den wir in der Dämmerung trinken, aber das stört ihn nicht, er sagt dann, das passe viel besser zu den Ruinen.

Das gefällt mir auch.


Ich habe ihn schon in die Stadt verliebt gemacht, da wird das andere noch kommen.
Dieses schon würde ich streichen, du hast es schon im Satz zuvor, und es relativiert den Inhalt auch zu sehr. Er ist ja in die Stadt verliebt.

Und wenn wir abends auf unsere letzte Metro warten KOMMA ist es, als säßen wir im Museum, in einem nächtlichen Museum, nur wir beide,

Ein hübscher Geschichtensplitter. Ja. Anmerken kann man wohl den fehlenden Handlungs- und Spannungsverlauf, aber dazu bin ich zur Zeit zu milde gestimmt.

Ich melde mich die Tage, vielleicht hast du ja tatsächlich Lust, was mit mir zu machen (gilt erst so Ende November. Vorher bin ich arbeitsmäßig zu eingeschränkt).
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Novak

 
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liebe Novak,

danke für deinen inspirierenden kommentar! wir können gern ende november eine geschichte zusammen schreiben! :)

für deine sorgfältige textkorrektur danke ich dir auch sehr!

schöne grüße petdays, gerade nicht zwischen den Staffeleien verschwunden, aber mitten im Ausstellungsaufbau. ;)

ps: gute Besserung! :)

 

He petdays

Wahrscheinlich kriegst du wieder geschimpft, denn es ist streng genommen vielleicht keine Geschichte.
hier kommt also das prophezeite Geschimpfe: Dein Text liest sich eigentlich wie fürs Tagebuch verfasst. Ein bisschen aufgehübscht vielleicht, aber unter dem Strich kann ich hier wenig Geschichte finden. Mja, also 5 Absätze sind es, drei davon widmen sich allein der Romantisierung Lissabons/dem freien Künstlerdasein, dann wird so ein bisschen alibimäßig der Jan reingehängt, passieren tut nix, es endet mit einem Wunsch.
Das interessante, also die Ruinen, die schon einen gewissen Konterpunkt zur Romantik andeuten, die zeigst du uns leider nicht. Genausowenig wie Jan. Nur eine vage Skizze auf einer Seite des Skizzenbuches, das du uns vorenthältst.

grüßlichst
weltenläufer

 

weltenläufer schrieb:
Nur eine vage Skizze auf einer Seite des Skizzenbuches, das du uns vorenthältst.
Liebe petdays,

das trifft's am besten. Ich selbst war noch nie in Lissabon. Deine Pinselstriche transportieren da aber schon ein Bild, aber ich denke, deine Geschichte wirkt mehr, wenn man vor Ort war, irgendwann einmal. So lese ich deine Zeilen, aber es fügt sich kein Gesamtbild. Eine Stadt zwischen die Zeilen zu malen, ist auch möglich, wenn man zugleich eine Geschichte erzählt, aber das machst du hier nicht.

Einige schöne Beschreibungen stecken da schon drin, Novak hat viele herausgepickt, die auch mir gefallen. Aber mir ist das ganze zu wenig.

Dieser Jan taucht ein ins Geschehen und ich denke mir, ist's ein Freund? Mir war nicht von Anfang an klar, dass es sich um eine Ich-ErzählerIN handelt. Das sollte man vielleicht hier und da noch verdeutlichen.

Und wenn wir abends auf unsere letzte Metro warten, ist es, als säßen wir im Museum, in einem nächtlichen Museum, nur wir beide, überall die wunderbaren Azulejos von Maria Keil, Kunst in jeder Station und wenn Jan seinen Kopf mit den überraschend weichen Haarstoppeln auf meine Schultern legt, müde, plaudernd, noch voller Ideen, was er noch malen könnte, weiß ich, dass es nicht mehr lange dauert, der Tag, an dem er mich küssen wird, ganz aus Versehen.
Enden lässt du deine Momentaufnahme mit einem Monstersatz. Liest sich trotzdem flüssig und malerisch. Nur das "überraschend weichen Haarstoppeln" gefällt mir nicht. Warum überrascht sie die Weichheit des Bartes, hat er sich zuvor nie an ihre Schulter gelehnt?

Also: Fein erzählt, leider ohne Handlung.

Beste Grüße
markus.

 

in den Ruinen
ob nun mit mehr oder weniger Handlung - ist Zeichnen und Malen kein Tun und somit handlungslos?, frag ich mich wie nebenbei -

liebe petdays,

eine schöne Skizze ist es allemal (nicht nur wegen des wunderbaren Konjunktivs), aber auch deren erstes Wort - und wär's wie hier im Titel - wird üblicherweise in Großbuchstaben gesetzt. Ja, seit dem großen Erdbeben, das in ganz Europa als ein böses Omen gewertet wurde (selbst Kant nahm sich seiner an) ist Lisboa zu einer wunderschönen und geschichtsträchtigen Stadt wieder erblüht.

Gern gelesen vom

Friedel,
der auch noch ein feines Restwochenende wünscht!

 

lieber friedel, lieber m.glass, hallo weltenläufer,

vielen dank fürs lesen und eure meinung!

@weltenläufer, in gewisser hinsicht hast du natürlich recht mit deinem "geschimpfe". :)

es ist eher eine momentaufnahme, eine KG in der weniger die handlung eine rolle spielt, als gefühle, empfindungen, bilder etc. für mich fallen auch solche texte unter KG.
John Updike ist für mich ein Vertreter der nichtklassischen Kurzgeschichte, oft passiert gar nicht viel in seinen Geschichten, andererseits sehr viel: pointierte Sätze, genau beobachtete Gefühlslagen etc.
Mein Text ist eher ein Geschichtchen, ein sehnsuchtsvoller "Zwischenhappen", der - zumindest für mich -auch eine berechtigung hat.

"formalere" KGs sind natürlich auch etwas Tolles und eine große Herausforderung, der ich mich gern stellen möchte.

@M. Glass

Dieser Jan taucht ein ins Geschehen und ich denke mir, ist's ein Freund? Mir war nicht von Anfang an klar, dass es sich um eine Ich-ErzählerIN handelt. Das sollte man vielleicht hier und da noch verdeutlichen.
> guter Hinweis, danke. weiss nur noch nicht, wo ich "umbaue", deshalb lasse ich es erst mal so.

@friedel
freut mich, dass du die skizze gern gelesen hast. und vielen dank für die korrektur beim titel.

schöne grüße pe

 

Hallo Petdays

Auch wenn es nur ein Schnipsel ist, hab ich es doch sehr gern gelesen. Der Text zeichnet ein Bild, weckt Sehnsüchte und lädt zum Tagträumen ein.
Das ist mehr als die meisten anderen Texte hier schaffen, auch wenn diese den Normen eher genügen.

Viele Grüße

Mothman

 
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also 5 Absätze sind es, drei davon widmen sich allein der Romantisierung Lissabons/dem freien Künstlerdasein, dann wird so ein bisschen alibimäßig der Jan reingehängt, passieren tut nix, es endet mit einem Wunsch.
Das interessante, also die Ruinen, die schon einen gewissen Konterpunkt zur Romantik andeuten, die zeigst du uns leider nicht. Genausowenig wie Jan. Nur eine vage Skizze auf einer Seite des Skizzenbuches, das du uns vorenthältst.
Jo, weltenläufer sagt's eigentlich schon.
also gestört hat mich wirklich die Postkartenatmosphäre in den ersten Absätzen, wenn da so Sachen gesagt werden aus dem Wechsel der Perspektive irgendwie.
Dass sie als "Einheimische" dann "uns" als "Touristen" so beobachtet und dieses Verhalten feststellt, es wird aber so impliziert gesagt, was wir da sehen sollen.
Also das klingt wie aus einem Werbefilm, nur dass es eben nicht heißt: "Kommen Sie her und baden Sie in unseren wunderenvollen blauen Wellen", sondern es heißt dann sinngemäß "Ich sitze am Strand und male, während andere in den wundervoll blauen Wellen baden."

Ich mag es nicht, wenn ich das Gefühl habe, so offenkundig manipuliert zu werden, wie das hier in den ersten Sätzen getan wird. Darauf reagiere ich immer ablehnend.

Dieses Dauergrinsen in diesem Text ließ mich schon an Schlimmes denken, wenn eine ständig sagt, wie gut es ihr geht, wie toll alles ist, wie zufrieden sie ist, da stellen sich bei mir die Fühler auf.

Und das Interessante - das seh ich anders als weltenläufer - das interessante ist ja, dass in diesem Paradies kein Platz für sie ist. Das ist das Tragische, dass dieser Jan - genau wie sie - so glücklich mit dem eigenen Leben und dem Umfeld da ist, dass er sie gar nicht braucht. Lissabon ist so supertoll, dass es nicht nötig ist, da noch verliebt zu sein.

Wenn du das stärker betont hättest, hättest du wirklich einen wunderschönen Bruch in der Geschichte gehabt. Da hättest du das Paradies beschrieben und die Vertreibung aus dem Paradies. So hast du nur das Paradies und die Schlange zischelt kaum hörbar.

Es ist aber schon ironisch, dass bei dem Text jeder sagt: Er entspricht nicht den Normen, aber ich find ihn trotzdem gut.
Welche Normen sollen das denn sein? Natürlich entspricht der Text den "Normen". Es ist doch nicht so, dass hier bei jedem Text die "Geschichten"-Polizei kommt und Strafzettel verteilt.
Find ich auch lustig, wenn alle sagen: Anderen wird der Text bestimmt nicht gefallen, diesen Spießern, aber mir! ;)
Man muss doch auch so Texte dann auf den Kern hin untersuchen; sich zu fragen, ob das überhaupt "möglich" ist oder wer das gemacht hat, das ist doch verschwendete Energie.
Die Frage hier ist: Da ist ein Bruch in dieser Sehnsucht zu Jan, und dass die Erzählerin mit der sättigenden Wirkung dieser Stadt, dieses Lebens, dieses Szenarios in einem Konflikt steht. Jan ist zu satt. Er hat keinen Platz mehr für sie.
Warum wird das nicht erzählt? Ist das nicht das Spannendste an dem Text? Das sind Sachen, die mich halt stören, die Geschichte hört auf, wenn sie anfangen müsste. Ich finde die Aufgabe eines Autors ist es gerade, dorthin zu gehen, wo es weh tun würde, wo es ans Eingemachte geht, wo es ums Menschsein geht.
Diese Geschichte - wie viele andere - scheint sich genau darum zu drücken. Und geht dann raus, solange es noch schön und geordnet ist. So lange nur geseufzt und nicht geheult wird.
Ich versteh das, bin aber kein Fan von.

 
Zuletzt bearbeitet:

hallo marai und mothman,

vielen dank fürs lob und lesen. :)

schöne grüße petdays

 

hallo quinn,

danke fürs lesen und deine detallierte, kontroverse meinung, die ich durchaus spannend und zum nachdenken anregend finde!

Und das Interessante - das seh ich anders als weltenläufer - das interessante ist ja, dass in diesem Paradies kein Platz für sie ist. Das ist das Tragische, dass dieser Jan - genau wie sie - so glücklich mit dem eigenen Leben und dem Umfeld da ist, dass er sie gar nicht braucht. Lissabon ist so supertoll, dass es nicht nötig ist, da noch verliebt zu sein.

Wenn du das stärker betont hättest, hättest du wirklich einen wunderschönen Bruch in der Geschichte gehabt. Da hättest du das Paradies beschrieben und die Vertreibung aus dem Paradies.


>>>> die idee finde ich sehr gut und werde sie sicherlich mal in einer anderen geschichte verwenden! in dieser geschichte fand ich es hingegen wichtig, alles aus der sicht einer frau zu schildern, die sehr entspannt mit ihrem leben und ihren wünschen umgeht und noch die zeit hat, die dinge sich entwickeln zu lassen. sie steht souverän zu der tatsache, dass- bisher - nur ein kleines plätzchen für sie da ist in jans leben, hat aber so viel energie, so viel schwung, dass sie einfach daran glaubt, dass sie ihn nicht nur in die stadt, sondern später - als folge- auch in sich selbst verliebt macht.
das ist eine ganz andere ausgangsidee, die ich nicht unbedingt schlechter finde! ich stelle mir die icherzählerin als charmant-quirlige person vor, temperamentvoll, tatkräftig, ohne viele "befindlichkeiten". natürlich hätte ich auch eine "problemgeschichte" daraus basteln können wie z.b. bei j. hermann, deren geschichten ich übrigens sehr mag oder das ganze ironisch betrachten können und das "gnadenlos-positive denken" der prot. richtig übertreiben können. das wären auch denkbare lösungen, die vielleicht für den einen oder anderen spannender wären.


deine idee gefällt mir auch gut und ich lasse mich gern von ihr inspirieren. - in einer anderen geschichte.

schöne grüße petdays

 

Hallo petdays

Die Ode an Lissabon, in Prosa, mit der du eröffnest, führte mich unmittelbar und schön gezeichnet in die Welt der Malerin. Solche Ateliers haben alle ähnliche Charakteristiken, sodass mir dies die Erinnerung an den Geruch von Farben und Terpentin, mit diesem Bild wachrief.

Die kurze Geschichte wirkt mir denn auch mehr wie ein Aquarell in zarten Farben, da es beinah ein Standbild ist. Die knappen Handlungen sind statisch, deswegen keineswegs weniger ansprechend, doch fehlt Bewegung, eine vertiefte Handlung mit einem Spannungsbogen. Als Leser wünschte ich mir viel tiefer eintauchen zu dürfen, mehr zu erfahren, über das Leben der Protagonistin und Jan. So ist es ein wenig ein Abziehbild des Schönen, wobei ein Konflikt in der Beziehung unterschwellig durchklingt, aber nicht weiter gezeigt wird.

Anschliessend habe ich nun noch die andern Kommentare und deine Antworten gelesen. Sie spiegeln das mehr und weniger, das ich auch darin wahrnahm. Dass du eine Berechtigung siehst, es so darzustellen, wie du es abfasstest, erweckt in mir keinerlei Widerspruch. Nur, da bleibt meine Sehnsucht …

Danke für die Aquarell-cartão postal do Lisboa, die ich sehr gerne las.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

hallo Anakreon,

danke fürs lesen!

Die knappen Handlungen sind statisch, deswegen keineswegs weniger ansprechend, doch fehlt Bewegung, eine vertiefte Handlung mit einem Spannungsbogen. Als Leser wünschte ich mir viel tiefer eintauchen zu dürfen, mehr zu erfahren,
> da hast du sicherlich recht! und ich werde deine überlegungen bei einer neuen geschichte gern im auge behalten.

schöne grüße p.

 

Zwar ohne Handlung, dafür …

Liebe petdays,

mir hat der Text gefallen, mangelnder Handlung zum Trotz. Mit gutem Willen kann man eine hineinlesen und der Text schafft es im Zusammenspiel mit guter Laune und Musik, dass ich das tue. Das ist eine Skizze mit Bewegungsunschärfen, wenn man so will. Einen Spannungsbogen erwarte ich sowieso weniger bei so kurzen Texten, eher überraschende Wendungen, etwas, an dem ich erkenne, dass der explizite Text nur ein Guckloch ist auf eine weitere, mittelbar begreifliche Ebene – ob die sich mir offenbart, steht auf einem anderen Blatt. In diesem Text sehe ich auch das nicht, es ist irgendetwas anderes …

Zwei, drei Stellen gefallen mir allerdings sprachlich nicht so sehr:

Manchmal ist mir, als hörte ich die Wellen rauschen und dann denke ich an Jan, meinen lieben Jan, der schon den zweiten Sommer in Lissabon verbringt, ein bisschen wegen mir, aber auch weil es hier so viel zu sehen gibt für einen Maler und mit dem ich in der Mittagspause im Meer bade.
  • Der letzte Nebensatz, der mit »aber auch weil …« liest sich komisch. Dass es soviel zu sehen gibt für einen Maler, mag gern ein Grund sein. Der zweite Teil passt aber so irgendwie gar nicht dazu, das ist kein weiterer Grund und dennoch mit »und« angeschlossen. Entweder >> und weil ich mit ihm in der Mittagspause im Meer bade. oder, je nach dem was du rüberbringen willst, einfach einen neuen Satz oder sogar Absatz beginnen >> … für einen Maler. In der Mittagspause baden wir im Meer. Danach …
  • »wegen mir« empfinde ich als umgangssprachlich, was hältst du von >> meinetwegen?

Im übrigen wundert mich, dass du die Figuren in der Mittagspause – nehmen Maler eigentlich Mittagspausen? – im Meer baden lässt. Dachte, das wär da unten eine sogenannte Siesta-Gesellschaft, und ehe die Mittagsstunden um sind, geschweige denn die Dämmerung hereinbricht, hätten sie sich zumindest im Sommer längst einen Hitzschlag geholt oder die Haut verbrannt. War bloß mein Gedanke dabei. ;-)

Auch das Ende rollt leider vom floritiven Hang zur Erbsenzählerei:

weiß ich, dass es nicht mehr lange dauert - der Tag, an dem er mich küssen wird, ganz aus Versehen.
  • Was genau dauert hier nicht mehr lange? Ich würde schreiben >> weiß ich, dass ich nicht mehr lange auf den Tag warte, an dem er mich küsst, ganz aus Versehen.

Etwas schade finde ich, dass du die vernünftigen Anmerkungen meiner Vorkritiker nur für spätere Geschichten vorsiehst umzusetzen, mal unabhängig davon, inwieweit das überhaupt möglich ist. Es ist natürlich deine Sache, ob und wie du welche Anregungen nutzt, allein, ich sehe speziell in dieser Entscheidung keinen Sinn. Wenn du den Text nicht ändern magst, sagt dir vielleicht die Möglichkeit zu, wenigstens übungsweise eine überarbeitete Fassung des Textes als einfachen Beitrag hier anzuhängen und dann, in der ursprünglichen Fassung, also vor deinem Text im ersten Beitrag des Threads, einfach darauf zu verlinken? Bei Bedarf unterstütze ich dich gern dabei, wenn du möchtest (PN).

Wie auch immer, an dem Text mag ich vor allem die Melancholie, die darin mitschwingt. Das ist ja gerade das Wesen der Romantik: Schönheit mit einer Priese Traurigkeit (»Weltschmerz« nennt es die einschlägige Literatur), und diese stille, subkutane Traurigkeit ist gleichsam – wenn auch nicht immer und unbedingt – ein probates Mittel dagegen, dass das Schöne in Kitsch abdriftet. Gut heiße ich auch, dass der Text in Alltag steht, in Romantik/Erotik hätte ich ihn wohl mit anderen Erwartungen gelesen. Dass es eben nicht allen schlecht geht im Alltag, ist für mich eine immer wieder neidlos anzuerkennende Tatsache, die auch meine subjektive Wirklichkeit zuweilen aufbuntet.

Ganz nebenbei und grundsätzlich ein paar Gedanken über Zufriedenheit und Neid, bekanntlich der Zufriedenheitskiller schlechthin: Zufriedenheit hat nichts mit – zum Beispiel – materiellem Vermögen zu tun, mehr mit dem mentalen Gewinn aus dem Hier und Jetzt. Hinter den Mauern städtischer Reichenghettos findet man vielleicht Pullerputtenbrunnen in Vorgärten und so was, aber die hier beschriebene Zufriedenheit, deren akzeptierte Unvollkommenheit zumal der Hoffnung und Vorfreude auf noch schöneres Platz macht? Vermute ich mal optimistisch, das findet sich auch unter reichen Menschen. Aber auch häufiger als anderswo? Neid zu empfinden auf Leute, denen es anscheinend gut geht, weil sie eben finanziell besser dastehen, ist müßig. Und doch empfinde ich mehr Sympathie mit deiner Protagonistin, einer Malerin, die ihre Stadt liebt und zufrieden wie hoffnungsfroh tut, was sie tut: ihre Ruinen malt, das Meer. Geht es doch ums Tun zur eigenen und anderer Freude. Zwar ist wahrscheinlich, von der Kunst leben können die wenigsten, aber natürlich muss die Namenlose nicht arm sein. Und dass der Text das offen lässt – abgesehen von den Rotweinflecken als möglicher Ausdruck spießiger Gutsituiertheit – ich das also reinlesen und mir darüber meine Gedanken machen kann: danke dafür.

Bin ausgeschweift. Hoffe, ich konnte etwas verständlicher machen, warum es in meinen Augen durchaus lohnt den Text zu überarbeiten, und sei es nur der Übung halber.


Viele Grüße
-- floritiv

p.s. Ach ja, noch was: Titel werden am Anfang immer groß geschrieben. Das kann ein Benutzer nicht selbst, bitte einfach einen Moderator.

 

hallo floritiv, hallo alex, hallo appo,

herzlichen dank für die intensive auseinandersetzung mit dem text. eure anmerkungen habe ich gleich eingebaut, auch dafür vielen dank. :)

eine schöne woche, petdays (die leider zum schreiben kaum noch zeit findet).

 

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