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In den Gängen

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17.02.2003
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In den Gängen

In den Gängen


Solange ich denken kann, richtete sich meine Sehnsucht auf das Geheimnisvolle, das Vergangene, das Übernatürliche, der Wahrheit hinter der Wahrheit, den Dingen unter den Dingen. Ich bin ein bis auf die Knochen romantischer Mensch. Mystisches erregte in mir je und je eine ungeheure, gleichwohl heimliche Faszination. Ein solcher Mensch bin ich bis vor kurzem gewesen.
Gegenüber den modernen Zeiten bin ich stets ein Fremdling geblieben. Technischer Materialismus ist mein Feindbild gewesen, gegen das ich stumm in meinem Innern kämpfte. Die Welt ist mir so unbeseelt erschienen. Alle Trümpfe des Fortschritts erregten in mir Ekel. Hat das technische Denken nicht die Geister aus den Köpfen wie aus den Gräbern in das kalte Nichts vertrieben?
Doch vor kurzem ist meine Welt ins Wanken gekommen. Denn ich habe etwas gesehen.
Aus meiner Heimatstadt Nürnberg bin ich, von drei Reisen abgesehen, nie herausgekommen. Ich habe das nie bereut, ich fühlte mich wohl hier. Mir ungünstig Gesinnte mögen ruhig behaupten, ich hätte ja nie etwas anderes kennengelernt, aber sei es, wie es sei, ich habe mich von Geburt an in diese Stadt hineingelebt, hineingewoben wie in einen Kokon, und ich komme nicht mehr aus ihr heraus. Andernorts würde ich, ich weiß das, wie ein ausgespiehener Fremder taumeln. Diese Stadt ist mein Los geworden, so oder so, ich kann mich nicht auf- und davonmachen, obgleich ich Furchtbares gesehen habe, und ich muß die mir gestellte Aufgabe erfüllen.
Ich hätte es mir leisten können, eine kleine Wohnung durchaus in der Vorstadt zu beziehen! Aber ich habe mich ganz bewußt in einem alten Mauerturm eingerichtet, den ich mit eigener Hände Arbeit zu Wohnzwecken umgebaut habe. Sicher, es waren notgedrungen äußerst bescheidene Verhältnisse, mit denen ich mich zufrieden geben mußte, in manchen Ecken des Gemäuers waberte nach wie vor der Schwamm, und aus den oberen Geschossen, die ich trotz Zugangsmöglichkeit durch Leitern nicht zu benutzen wagte, drangen merkwürdige Geräusche herab, bestenfalls von Ratten. Trotzdem hätte ich mich nirgendwo heimischer gefühlt als in meinem kleinen Gehäus, an keinem Ort hätte sich ein wohligeres Gefühl der Geborgenheit für mich eingestellen können. Die traurigen grauen Trutzmauern erschienen mir in ihrer Greisenhaftigkeit meinem eigenen Schicksal verwandt. Für uns war in der modernen Welt kein rechter Platz vorgesehen. Manchmal hielt ich sogar innerlich Zwiesprache mit dem alten Mauern, wenn ich allein an meinem Holztischlein aß, und dann sagte ich Dinge wie: "Gell, wir beide sind für eine andere Zeit gebaut gewesen ... für eine der Stille, für eine von Träumen angereicherte ... warum sind wir nicht rechtzeitig eingestürzt ... hängen wir so am Leben? ... jetzt sind wir in eine Welt gespült worden, die uns mit einem fremdartigen Atem anhaucht ... alles, was uns lieb und vertraut war, ist längst dahingeschieden ... nur noch wir sind übrig, nutzlose Zeugen einer vergessenen Zeit..." So redete ich. In solchen Momenten dachte ich mit Erschrecken an die Außenwände meines lieben Türmchens, die von der Luftverschmutzung, für die sie nicht gebaut waren, schon ganz angefressen waren und schwarz wie abgestorbene Glieder. "Ja, allzu lange machen wir es beide nicht mehr", sagte ich, "aber vielleicht ist das die Erlösung."
Mancher mag mutmaßen, ich sei verrückt gewesen, aber das stimmt nicht, mein Verstand arbeitete ausgezeichnet, jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt; möglicherweise ist er allerdings jetzt, als ich diese Zeilen niederbringe, durch die schrecklichen Ereignisse der letzten Zeit und ebenso durch die Anspannung wegen meiner bevorstehenden Aufgabe zerrüttet. Natürlich hätte ich mich lieber mit einem Menschen unterhalten als mit den schweigenden Mauern, aber ich kannte niemanden, der mich verstand, ich hatte niemanden.
Ich war auch nicht wirklich melancholisch, obwohl meine obigen Ausführungen zu dieser Deutung Anlaß geben könnten. Nein, ich fühlte mich in meinem Türmchen recht wohl und hatte es geschafft, die Verhältnisse, die nun einmal nicht zu ändern waren, demütig zu akzeptieren und das beste daraus zu machen. Mit Freude unternahm ich zu jeder Jahreszeit meine Abendspaziergänge durch die engen, dämmrigen Gassen. Ich blieb dabei vor manchem Fachwerk stehen, ließ meinen Blick langsam zum Giebel schweifen, der sich vor dem Abendhimmel abhob und bewunderte mit Behagen die Chörlein, Dacherker und Marienfiguren an den Fassaden. Wie schüchterne, verstörte Kinder kauerten sich die alten, verträumten Häuschen unter den modernen Betonbauten furchtsam zusammen. Nur in dem Viertel unterhalb der Burg, in dem auch ich in meiner Klause lebte, blieben sie noch weitgehend unter sich und behielten vorläufig die Oberhand. Doch wie lange würden sie dem Sturm der Zeit noch trotzen können?
Vor einem halben Jahrhundert waren geschichtslose Menschen gleichsam aus einer anderen Welt ausgezogen, um diese Wunder zu vernichten, weil sie selbst nichts dergleichen kannten. Um ein Haar wäre es ihnen gelungen, das Werk ihrer Zerstörung zu vollenden. Aber die zerstörte Stadt hatte vor ihrem Tod ein Ei gelegt, und zwar mit dem Bild ihrer selbst in die Köpfe der Menschen. Und nachdem sie selbst längst in Ruinen versunken war, schlüpfte aus dem Ei die Idee der vergangenen Stadt. Das Kind war zwar immer etwas schwach auf den Beinen und, da eine Waise, durchaus flugunfähig, aber ohne jeden Zweifel von der selben Gattung wie seine tote Mutter. Es wurde mit einigem Erfolg versucht, das Bild des alten Nürnbergs wiederherzustellen. Alsbald bildete sich auch ein Verein, genannt "die Sebalder", die dieses Bild in überdurchschnittlicher Reinheit in sich trugen und sich bis zum heutigen Tag für die Erhaltung des althergebrachten Stadtbildes vorbildlich engagiert haben. Ich selbst bin diesem Verein zwar niemals beigetreten, sympathisierte jedoch mit ihm, und wie sich diese Leute nach außen für den Erhalt der alten Häuser einsetzten, kämpfte ich im Geiste für diese Ideale. Bei meinem Plan, mein Türmchen umzubauen und dort wieder Leben einkehren zu lassen, sind sie mir auch äußerst bereitwillig mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
Obwohl ich mich für die Menschen nicht besonders interessiere, fing ich in den mir gesetzten Grenzen an, allmählich auch für die Bewohner der Stadt Sympathien zu entwickeln. In der Vorliebe der Franken für Schweinsschäuferle, herausgebackenen Karpfen samt "Ingreisch" [hdt: "Gekröse"] oder gar wüsten Schlachtplatten mit Kraut glaubte ich angesichts dieser triefenden, mittelalterlichen Eßgewohnheiten entsprechenden Fetthaftigkeit eine gewisse, mir angenehm erscheinende Vergangenheitsbezogenheit erkennen zu dürfen. Und der liebenswert harmlose Dialekt des Nürnbergers schien geradezu darauf angelegt zu sein, diesen Menschenschlag in der Welt draußen nicht ganz ernst zu nehmen. So konnte sich die Stadt weiterhin ihren Träumen hingeben und wurde nicht gewaltsam aufgerüttelt, was leicht hätte passieren können, denn die Mächte draußen wußten, daß Träume gefährlich werden können, ja, daß es gerade die Träume sind, die stets die höchste Gefahr bedeuten und eine ganze Welt ins Wanken bringen können. Doch Nürnberg wurde zum Glück nur als verschlafen, nicht aber als träumend eingestuft.
Vielleicht stimmt es ja sogar, vielleicht war ich selber der Einzige, der wahrhaftig träumte, daß meine Augen als einzige ruhelos zuckten, während alle anderen in Tiefschlaf verfallen waren. Von den Träumen der "Sebalder" freilich abgesehen, doch zu deren Träumen komme ich später.Bald gab es kein Bürgerhaus, kein Patrizierschlößchen, keinen Stadtturm, kein altes Kirchlein mehr, dem ich in meinem nostalgischen Streben noch keinen Besuch abgestattet gehabt hätte. Viele Orte habe ich sogar mehrmals aufgesucht, so daß mein Gesicht den Aufsehern schon bekannt war (was später zum Problem werden sollte. Gott sei's gedankt, habe ich niemals meinen Namen preisgegeben...). Jedenfalls habe ich meine geliebte Stadt von oben nach unten abgewandert, und es war nur eine Frage der Zeit, daß ich eines Tages auf die "Gänge" stoßen mußte.
Ich spreche von den mittelalterlichen Felsengängen, die den Untergrund der Nürnberger Altstadt ganz und gar durchziehen und um die sich so viele Sagen ranken. Dunkle Gewölbe kamen in außerordentlicher Weise meinen Vorlieben und Sehnsüchten entgegen, und sicher hätte ich diese schon viel früher aufgesucht - wenn ich nur von ihrer Existenz eher erfahren hätte. Diese Verzögerung kam dadurch zustande, daß die Gänge erst seit noch nicht allzuvielen Jahren der Öffentlichkeit zugänglich sind, und da ich beinahe mein gesamtes Wissen aus den überwiegend älteren Buchbeständen der Städtischen Nürnberger Bibliothek zusammengetragen habe, wußte ich, so unglaublich das vielleicht klingen mag, von ihnen bis vor kurzem nicht das Geringste! Es ist nämlich so, daß ich nur äußerst selten und ungern mit anderen Menschen ins Gespräch komme, so daß es mir unmöglich war, auf diesem Wege zu erfahren, was etwa an Besichtigungsattraktionen gerade "up to date" ist, wie man heute wohl sagt.
Um so verbissener habe ich mich allerdings später mit den Gängen beschäftigt. Während meiner Studien, noch bevor ich zum ersten Mal selber hinuntergestiegen bin, habe ich in Erfahrung gebracht, daß die Geschichte der Gänge bis ins Mittelalter zurückreicht. Aus den schriftlichen Quellen der damaligen Zeit läßt sich allerdings kaum etwas über die bloße Existenz der Gänge herauslesen, geschweige denn über ihre Funktion. Aus einem triftigen, Grund, wie ich heute weiß! Auch in den Annalen und Ratsprotokollen späterer Zeiten ist immer nur von den "geheimen Gängen" die Rede. Die offizielle Lesart der "Sebalder", die in den Gängen geforscht haben wollen, lautet, daß sie der Wassergewinnung dienten, indem man in die Grundwasser tragenden Schichten des Burgsandsteins begehbare Sammelstollen hineingetrieben und das so gewonnene Wasser durch weitere Gänge über die gesamte nördliche Altstadt verteilt habe. Aber viele Gänge dienten auch anderen, noch weniger erklärbaren Zwecken: Es bestanden und bestehen chaotisch verzweigte und weitgehend undurchschaubare Verbindungen zu diversen Keller- und unterirdischen Speicheranlagen. Weiterhin soll es einen Gang hinauf zur Kaiserburg geben und einen anderen, korrespondierenden, zu den Gewölben des Wolffschen Rathauses, mutmaßlich, damit eine direkte Verbindung zwischen diesen beiden politisch bedeutsamen Bauten bestand. Allerdings sollen diese beiden Gänge - wiederum nach Aussage der "Sebalder" - entweder verschüttet oder in ihrem Verlauf noch nicht erforscht sein. Wilden Gerüchten zufolge sollen auch Verbindungen unter dem Fluß hindurch zur Lorenzer Altstadt gegraben worden sein, oder unter der Stadtmauer und dem Stadtgraben hindurch, die erst weit draußen im Umland wieder ans Tageslicht kämen. Eingefleischte Stadtlegenden raunen sogar, daß vom Grund des Tiefen Brunnens auf der Nürnberger Burg ein Gang in König Barbarossas Zauberreich führen solle.
Während des Zweiten Kriegs wurden die Vorteile dieser unterirdischen Anlagen dann von den Nationalsozialisten erkannt, und sie wurden teilweise zu Munitionslagern, Schutzbunkern und einer Kommandozentrale umgebaut. Danach lagen die Gänge für Jahrzehnte brach und waren von der Öffentlichkeit fast vergessen, bis ein zugereister, ruheloser Fremdenverkehrsbeauftragter Druck auf die "Sebalder" ausgeübt hat, die die Oberhoheit über die Gänge gewonnen hatten, sie zumindest teilweise Besuchergruppen zugänglich zu machen. Zögernd und widerwillig gewährten die "Sebalder" schließlich Einblick in ihr unterirdisches Reich, allerdings nur in lächerlich kleine Bereiche davon. Dies ist vor fast zwanzig Jahren geschehen, und seitdem hat sich nichts mehr Spektakuläres ereignet, noch ist das anfangs bescheidene Besichtigungsareal irgendwie erweitert worden.
Nichts hatte meinen Geist jemals so gefesselt, wie das Studium des unterirdischen Stollengeflechts; gerade weil ich Narr von dieser subterranen Stadt, dieser Welt unter der Welt, nicht das geringste geahnt hatte. Jahrelang war ich auf den Pflastersteinen herumgetappt und hatte nur ein Auge für das Oberflächliche, im Grunde nur Rekonstruierte gehabt. Was ich bisher von der Stadt kennengelernt hatte, war nichts als das Einleitungskapitel, von einem in Wirklichkeit gewaltigen Buche bloß die obersten paar Seiten, die ich in meiner Unwissenheit für das Ganze gehalten, brav auswendig gelernt und wie einen Rosenkranz heruntergebetet hatte. Und wie es bei mittelalterlichen Kodices oft üblich ist, waren die Seiten, die ich kannte, nämlich die obersten, auch die am schwersten beschädigten und die in ihrer Lesart fragwürdigsten. Die unteren Schichten dagegen vermutete ich aus vollkommen unversehrtem, feinstem Jungfernpergament bestehend, und sie erst würden mir das vollkommene, das wahre Gesicht meiner Stadt schauen lassen. Ihre Buchstaben würden mir in wunderbarster Kalligraphie erscheinen, von dem höchsten Meister der Zeit mit Liebe gemalt, und die Seitenränder seien farbenprächtig verziert mit schön zu betrachtenden Applikationen. Nürnberg trieb wie ein blauer Eisberg durch die Zeiten, über der Oberfläche die gleißende Spitze, die gewaltige Masse aber in unsichtbaren Tiefen. Am Anfang spürte ich übrigens beinahe eine heilige Scheu, diese Unterwelt, die meine Phantasie so sehr zu inspirieren vermochte, persönlich zu besuchen, denn ich hatte Angst, sie gewissermaßen entweihen zu können. So groß war meine Ehrfurcht.
An meinen ersten Besuch der Gewölbe kann ich mich noch so gut erinnern wie an meinen letzten. Der Abstieg erfolgte wie immer vom Albrecht-Dürer-Platz aus. Der Führer hatte unsere siebenköpfige Besuchergruppe, die sich zufällig zusammengefunden hatte, freundlich begrüßt und stellte sich darauf als ein Mitglied der "Sebalder" vor. Das schwere Eisentor wurde aufgeschlossen, ein bescheidener, für Arbeitslose wie mich sogar ermäßigter Obolus ward erhoben, und dann begann die circa einstündige Führung.
Als ich schließlich an ganz anderer Stelle, im Altstadthof, wieder ans Tageslicht gekommen war und die Gruppe sich aufgelöst hatte, war ich von - meinem Naturell gemäß - heftigen, jedoch recht zwiespältigen Gefühlen erfüllt gewesen. Einerseits war ich von der Mystik der alten Gewölbe noch leicht berauscht, andererseits hat mir nicht gefallen, daß der morbide Charme der ehrwürdigen Schächte durch den jüngst ausgebrachten Spritzbeton an den von Verfall gezeichneten Decken, was mutmaßlich der Sicherheit der Besucher dienen sollte, beschädigt worden war. Auch die Erläuterungen des Führers schienen vor allem darauf abzuzielen, den Besuchern jeden Schauder vor der faszinierenden Düsternis zu rauben und demonstrieren zu wollen, daß sich dort unten alles in profaner Ordnung befinde. Die Ausführungen waren mehr darauf abgestellt, die Funktion der Gewölbe als Luftschutzbunker hervorzuheben, als auf die erschütternden Geheimnisse des Mittelalters die Sprache zu bringen. Es wollte mir damals nicht in den Kopf, daß ausgerechnet ein "Sebalder" kein Einfühlungsvermögen für die schwarzen Rätsel der Grotten zeigte. Ich hätte gerne mehr gesehen und gerne Bedeutenderes gehört. Mit dummer Begeisterung hatte der Führer ersatzweise in aller Ausführlichkeit erzählt, wie ein Teil der Gänge zum Ende des 19. Jahrhunderts ausgerechnet von einem Gurkenfabrikanten genutzt worden war, und dann wurden wir zu der Stelle hingeführt, an der jener seine Fässer mit ihrem säuerlichen Inhalt zu lagern pflegte. Spätestes zu diesem Zeitpunkt irrten auch die Blicke der anderen Besucher gelangweilt durch den Raum.
Es sollte aber keineswegs der letzte Besuch in meinen lieben Gängen gewesen sein. Die Führer wechselten von Zeit zu Zeit, doch sie müssen sich wie Maschinen aufeinander abgestimmt haben, denn die Vorträge glichen sich bis auf's Wort, was freilich nur ich als Dauergast aufschlüsseln konnte. Die Führer unterschieden sich allenfalls darin, daß sich der eine mit ungeniertem fränkischen Akzent vor die Interessierten stellte, der andere mit spürbar unterdrücktem sein Sprüchlein vorsagen konnte. Sehr bald hatte ich gelernt, daß ich die Geheimnisse der Gänge weder in den leeren Worten der Führer, noch in den Trakten, die sie uns zeigten, sondern in den unberührten Sphären zu suchen hatte. Den Touristenpfad hätte ich mittlerweile mit verbundenen Augen abschreiten können und den Ausgang gefunden, doch links davon und rechts davon zweigten zahllose, die Phantasie beflügelnde Seitengänge ab, deren Verläufe sich in der Dunkelheit verloren. Die kalten Neonröhren des Besichtigungsganges waren bei weitem nicht kräftig genug, um diese unkultivierten Höhlungen auszuleuchten und deren Geheimnisse zu besiegen. In diese düstere Zone zog es mich hinein. Dort, jenseits des Zwielichts, jenseits der Kampfzone zwischen Zivilisation und Urgewalt, lag jene Welt, in die ich mich seit meiner Geburt traumwandlerisch gesehnt habe. Es wären nur wenige Schritte bis zum Ziel meiner Träume gewesen. Doch ich stand unter strenger Aufsicht des "Sebalders". Aber ich hatte gute Hoffnung, daß sich einmal eine günstige Gelegenheit ergeben würde, mich der Aufsicht des Führers entziehen zu können. So hatte ich beschlossen, geduldsam auf meine große Chance zu warten.
Von diesem Tag an habe ich immer eine Überlebens-Taschenlampe bei mir geführt und mich möglichst unauffällig gekleidet, wenn ich die Gewölbe besuchte. Und eines Tages schließlich erschien die Konstellation einzigartig günstig: Die Besuchergruppe war groß und unübersichtlich, und der Führer machte keinen besonders aufgeweckten Eindruck. So könnte mein Verschwinden vielleicht unbemerkt bleiben, dachte ich. (Ich hatte übrigens meine Zeit mit keinerlei Überlegungen darüber verschwendet, wie ich am elegantesten und ohne großes Aufsehen aus den Gewölben wieder herauskommen könnte.)
"Dou legst di nieder, a su a haafm Leidt!", rief der Führer mit verblüffter Miene angesichts der großen Gruppe im derbsten Fränkisch, das ich je durch die Nürnberger Gewölbe hatte hallen hören. Sein dickes, gutmütiges Gesicht und seine gemütliche Stimme offenbarten den waschechten, sympathischen Franken. Ich hätte daher beinahe gezögert, den Dicken zu hintergehen, wenn mir sein Äußeres nicht gar zu abstoßend erschienen wäre. Bei der kleinsten Anstrengung begann er zu keuchen und fing an, Schweiß und Fett zu transpirieren. Sein Körper war aufgeschwemmt, und er mußte mit seinen engen Schweinsäuglein notwendig Schwierigkeiten haben, eine größere Gruppe im Blickfeld zu behalten. Was für mein Vorhaben ja nur von Vorteil sein konnte... So stieg ich zum vorläufig letzten Mal die vertrauten Treppen hinunter, und nach einer Weile, als die Gruppe in einem mir nur zu gut bekannten Hohlraum angekommen war und der Dicke tief Luft holte, um zum atemberaubenden Bericht über die Gurkenfässer anzuheben, verschwand ich einfach in einen beliebigen, mir am nächsten liegenden Seitengang. Die beiden verfeindeten Reiche des Lichts und der Dunkelheit waren nur durch ein windiges Absperrband voneinander getrennt, das selbst ein Menschlein wie ich ohne Mühe beiseite schieben konnte. Ehrfurchtsvoll hob ich das Band, den Schlagbaum aller Schlagbäume über meinen Kopf und schritt darunter hindurch. Schnell drang ich in die düstere, die verbotene Zone ein. Mir wurde bewußt, wie klein und unbedeutend doch die vom modernen Menschen beherrschte Sphäre ist. Ein sehnsüchtiger Wanderer braucht nur zwanzig Meter in die Erde zu tauchen und schon ist der Zivilisation die Herrschaftsgewalt entzogen und eine bedeutend urtümlichere, machtvollere tritt an ihre Stelle. Die Menschen machen sich vor, sie seien die Herren der Erde, nur weil sie momentan wie Staub eine hauchdünne Kruste auf ihrem tiefen, geduldigen Leib bilden dürfen. Wehe aber, wenn die Erde sich einmal herausputzen will und ans Waschen geht! Dann wird alles Menschliche augenblicks hinfortgespült und in seiner ganzen Nichtigkeit entlarvt. Die inneren Mächte der Erde werden auf ewig stärker sein. Ich begann ebenfalls zu begreifen, daß diese Stadt, wie die Gänge bezeugen, eine Art Bündnis mit der allgewaltigen Erde geschlossen haben mußte und - zumindest früher - in ihr wurzelte und mit ihr im Einklang lebte. Von hier unten schöpfte sie nicht nur ihr Wasser, sondern auch ihre Lebenskraft. Und die Reichsstadt war mächtiger und mächtiger geworden.

Als ich mich soweit entfernt hatte, daß ich die Stimme des Führers nicht mehr hören konnte, riskierte ich es erst, die Taschenlampe einzuschalten. Ich sah, daß der Gang selbst wiederum zahlreiche Abzweigungen hatte, doch ich wagte in diesem unübersichtlichen Labyrinth nicht, irgendwo abzubiegen. Der Gang, den ich vorher ganz aus Zufall ausgewählt hatte, war ziemlich gerade und überraschend lang. Ich bin immer geradeaus marschiert, und ich muß zugeben, daß ich nicht die geringste Ahnung hatte, in welche Himmelsrichtung ich überhaupt unterwegs war. Je tiefer ich eindrang, um so mehr überkam mich ein Gefühl der Schutzlosigkeit, des Ausgeliefertseins. Ich dachte auf einmal an meine Eltern, die von meinem seltsamen Schicksal nie etwas in Erfahrung bringen würden, wenn mir hier unten etwas zustieße. Mit größerer Vorsicht ging ich weiter. Nach ungefähr zwanzig Minuten reflektierte der Lichtkegel endlich an einer gegenüberliegenden Wand. Der Tunnel schien zunächst ein totes Ende zu haben. Im allerletzten Moment bemerkte ich jedoch, daß sich stattdessen nach unten eine gähnende, schwarze Öffnung auftat, in die ich um ein Haar hineingelaufen wäre. Ich tastete ihren scharfen Rand ab und stellte fest, daß dort eine Leiter verankert war. Die Konstruktion erschien mir stabil, so daß ich das Risiko einging, die Sprossen hinunterzusteigen. Die brennende Taschenlampe klemmte ich zwischen die Zähne.
Ich hatte damit gerechnet, vielleicht zwei, drei Meter hinunterklettern zu müssen. Aber spätestens, als ich schon Dutzende von Stufen hinter mir hatte und noch immer kein Grund absehbar war, wurde ich unsicher und begann zu zittern. Je weiter ich hinabkletterte, und je näher ich menschlicher Logik nach irgendeinem Boden kommen mußte, um so bedrückender wurde meine Höhenangst. Trotzdem stieg ich weiter und immer weiter abwärts. In meinem Fanatismus muß ich über 100 oder vielleicht sogar über 150 Meter senkrecht nach unten geklommen sein! Das durfte leicht der Höhe des großen, schwindelerregenden Kamins des Nürnberger Heizkraftwerks entsprochen haben, und als Kind war ich immer erschaudert bei der Vorstellung, daß irgendein Mensch gezwungen sei, die luftige Außenleiter des Kamins hinauf- und wieder hinunterzuklettern zu müssen. Nachdem ich mir diesen Vergleich vergegenwärtigt hatte, waren meine Glieder vor Angst wie gelähmt. Ich wagte auch nicht, eine meiner verschwitzten Hände von den Sprossen zu lösen, um mit der Lampe in den Schacht hinunterzuleuchten. Einige Zeit ging es mit mir in keine Richtung mehr voran, und ich mußte meine ganze Konzentration aufbieten, um mich wenigstens verkrampft an der Leiter halten zu können. Nach ein paar Minuten faßte ich zum Glück Mut zu dem ersten Griff nach oben. So kam ich langsam hinan, und nach mir endlos erscheinender Zeit konnte ich mich über die obere Kante des Schachts in Sicherheit ziehen. Ich ließ mich sofort zu Boden fallen, und mindestens eine halbe Stunde lag ich völlig erschöpft dort im Staub, direkt vor der Absturzkante. Als ich wieder zu mir gekommen war, wollte ich in den Schacht zumindest einmal hinuntergeleuchtet haben. Ich traute mich aber nicht mehr, mich stehend über den Abgrund zu beugen, stattdessen legte ich mich flach auf die Erde, daß nur mein Kopf über die Kante hinüberreichte. Dann griff ich zur Lampe und ... sah zum ersten Mal in meinem Leben die absolute Bodenlosigkeit. So sehr ich auch ungläubig die Lampe hin- und herschwenkte, es war wirklich kein fester Grund auszumachen! Ich warf einen Stein hinunter und hörte kein Aufschlagen. In welche menschenfeindlichen Anomalien hatte ich Wahnsinniger mich begeben? Als ich die Lampe für einen kurzen Augenblick löschte und es um mich herum vollkommen dunkel wurde, gab mir das den Rest: In unvorstellbarer Entfernung glaubte ich ganz unten im Schacht ein schwaches, rötliches Glimmen erkennen zu können...
Mit grauenvollem Entsetzen sprang ich auf und stolperte, so schnell ich konnte, den langen Weg zurück. Während dieser Zeit vermochte ich nichts zu denken. Wie unendlich erleichtert war ich, als ich endlich von weitem den nüchternen, vertrauten Schein der Neonlampen des Besuchertrakts wahrnehmen konnte. Aber von meiner Gruppe war längst nichts mehr zu sehen und zu hören. Offensichtlich hatte auf mich und mein Verschwinden tatsächlich niemand acht gegeben. Ich lief Richtung Eingang.
Im Eingangsbereich war bereits eine neue Besuchergruppe versammelt und die Tür hinter ihnen ins Freie stand noch offen. Der dicke Führer kramte gerade in der Kasse, als er mich vorbeieilen sah. Zunächst schaute er bloß verwundert, dann aber schien er sich zu besinnen. In Sekundenbruchteilen durchlief der Mann eine entsetzlich anzusehende Metamorphose. Seine fetten Hände ballten sich zusammen, sein gutmütiges Gesicht verkrampfte sich zu einer haßerfüllten Fratze, und seine Schweinsäuglein wurden glühend rot, vielleicht waren vor Zorn nur ein paar Äderchen geplatzt, aber mir schienen sie deutlich ein leichtes Eigenlicht abzustrahlen. Auf einen Schlag stich er hinter dem Kassentisch hervor, ruderte sich mit den Armen brutal durch die Besuchergruppe hindurch, stieß Frauen an die Wand und gellte nur: "Du Drecksack, wos host du gseng? Wos host du gseng?" Seine Stimme klang nicht mehr wie von dieser Welt. In Todesangst rannte ich die Treppe hinauf, der Fette entwickelte eine unvorstellbare Geschwindigkeit, und mein Vorsprung zu ihm verringerte sich merklich. Längst waren wir oben am Tageslicht, ich versuchte mich in ein Gasse zu flüchten, und er hetzte noch immer wie ein Besessener in seinem verschwitzten Hemd hinter mir her. Ich weiß nicht, wer oder was ihm auf einmal diese Energie eingab. Erst mehrere Straßenzüge weiter schien ihm endlich doch die Luft knapp zu werden. Er stellte die Verfolgung ein, schrie mir aber von weitem in den Rücken: "Du entgäist uns ned!"
In meiner Panik lief ich in belebte Geschäftsstraßen und versuchte, in Kaufhäusern unter den Menschenmassen unterzutauchen. Ich vermutete, daß in Kürze alle "Sebalder" auf mich Jagd machen würden. Deshalb wagte ich auch nicht, in mein Türmchen zurückzukehren. Niemals mehr sollte ich es wiedersehen.
Mir war jedoch klar, daß ich mich in der ganzen Altstadt nicht wirklich sicher fühlen konnte. Deshalb stieg ich, als ich glaubte, daß die Luft einigermaßen rein sei, in eine Straßenbahn Richtung Stadtrand. Dort bezog ich am Abend ein Zimmer in einer kleinen Pension. An diesem Tag war es zum Glück zu keinen weiteren Vorfällen mehr gekommen.
Aufgrund dieser Erlebnisse hat mein Geist dauerhaften Schaden genommen, ich bin mir dessen durchaus bewußt. Denn ich glaube, ich habe aus der Distanz das Feuer der Hölle geschaut. Jetzt freilich wird mir einiges klar! Diese Stadt muß seit eh und je mit dem Teufel im Bunde gestanden haben! Wie sonst hätte sich dieses Geflecht da drunten, hätten sich diese Krätzengänge so weit ausdehnen können? Nicht aus Zufall ist ausgerechnet Nürnberg zum geistigen Zentrum des Dritten Reiches auserkoren worden. In meinen Visionen sehe ich wie zum Greifen, wie die letzten SS-Schergen in wehenden braunen Ledermänteln durch die Gänge nach unten flohen. Dort harren sie nun, und sie werden wiederkommen, und sie werden etwas mitbringen! Denn die Schlünde stehen so weit offen, daß sich fast ihre Kiefer ausrenken, ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Es ist eine Lüge, daß alles verschüttet ist, es ist eine infame Lüge. Die Amerikaner waren wie immer auf der richtigen Spur: Sie haben dem bösartigen Grottengeflecht und seinen oberirdischen Trieben wahrlich bösen Schaden zugefügt. Doch dann haben sie auf einmal völlig unangebrachtes Mitleid entwickelt und ihr Werk nicht mehr zu Ende geführt. Das Geflecht konnte sich wieder regenerieren, wurde stärker als je zuvor; aus welchem Grund wühlen denn die "Sebalder" schon seit Jahrzehnten da drunten herum? Und ich unglücksel'ger Tropf hatte freiwillig den roten Sandstein des Satans bezogen! Aber ist es ein Wunder, kann man es mir vorwerfen? Seit meiner Geburt habe ich diesen romantischen Brodem atmen müssen, der aus den Grüften emporsteigt und wie schweres Giftgas durch alle unsere Straßen kriecht. Ich war doch von vornherein verdammt. Um ein Haar wäre ich sogar unwissend, fehlerhaften Idealen nachhängend, den "Sebaldern" beigetreten, was nur meine Trägkeit verhindert hat.
Doch auch hier am Stadtrand, wo ich mich zunächst in relativer Sicherheit gewähnt habe, habe ich keine Ruhe gefunden. Wann immer ich auf die Straße trat, glaubte ich, unter dem Pflaster Hohlräume wahrnehmen zu können. Jeder Tritt meiner Füße schien ein dumpfes, unterirdisches Schollern zu verursachen. War denn die ganze Stadt untergraben? Gab es kein Viertel mehr, unter dem der Lindwurm nicht längst seine Gänge gezogen hat? Ihr glaubt vermutlich noch, daß der Boden auf dem ihr geht und auf dem ihr denkt, ein festes Fundament bietet? Ich kann euch aber sagen: Es ist alles hohl!
Nach dieser erschreckenden Feststellung habe ich mein Quartier ein weiteres Mal gewechselt, diesmal bin ich in ein großes Hotel umgezogen, in ein Hochhaus, und zwar in den obersten Stock, möglichst weit in den Lüften, wo man die Engel vermutet und die amerikanischen Bomber schwebten. Noch hatte ich nicht aufgegeben, ich zwang mich zu einem letzten Regenerationsversuch. Da ich nun wußte, daß ich mich ohnehin nirgendwo vollkommen sicher fühlen durfte, habe ich mich dazu ermutigt, gelegentlich wieder in die Innenstadt zu fahren. Ich betete in den großen Stadtkirchen, daß der Untergrund Nürnbergs geheilt werden möge von diesem Übel, und fast immer besuchte ich auch das Neue Museum. Dort hängt das Bild "Telephone" von Richard Lindner an der Wand, meine neue Ikone, es spendete mir ein wenig Trost in dieser schweren Zeit und gab mir Kraft. Ich glaube heute, Richard Lindner war der größte Sohn der Stadt, und außerdem war er mein Bruder im Geiste. Weil er aufgrund der Nürnberger Rassegesetze nach New York emigrieren mußte, wurden seine gewaltbeladenen Kunstwerke immer als eine Auseinandersetzung mit seiner neuen Heimat gedeutet, mit der Bronx etwa oder mit Harlem. Wie kann man in seiner Deutung nur so danebengreifen? Niemand kann seine Seele von Nürnberg mehr befreien, der nur einmal die Luft hier eingesogen hat, und jeder einzelne von Lindners Pinselstrichen scheint warnend und verzweifelnd den Namen dieser Stadt in die ahnungslose Welt schreien zu wollen! Doch die naive, tändelnde Welt hat keine Ohren für derlei Warnungen. Fällt denn niemandem auf, daß der Mensch in Lindners Kunst stets als Spielzeug erscheint, als grausames, eben als Nürnberger Spielzeug? Das Spielzeug Mensch: Es zerstört entweder, weil ihm seine Seele und sein eigener Wille längst ausgesaugt worden ist, oder aber es ist selber Spielball, Opfer unvernünftiger Urgewalten, welche täppischen Kinderhänden vergleichbar. Lindner hat Nürnbergs Charakter wie ich als grausam entlarvt, für ihn war es nicht die Stadt der Lebkuchen, der Bratwurstgemütlichkeit und des Humanismus, sondern eine Stadt der Lochgefängnisse, der Judenverfolgungen und der Eisernen Jungfrau...

Diese Zeilen sind mein Vermächtnis. Wenn sie jemand findet, dann habe ich meine letzte Aufgabe wahrscheinlich mit dem Leben bezahlt. Und dann wird vielleicht alles noch gut.
Ich finde keinen anderen Ausweg mehr, das Hotelzimmer kann ich nicht länger bezahlen, in meinen Turm kann und will ich nicht zurück, meine Ruhelosigkeit hat nicht abgenommen, sondern sich ins Unerträgliche gesteigert, und mein Weltbild liegt in Scherben. Alle Rettungsanker, die ich ausgeworfen habe, haben sich als zu schwach herausgestellt, um mein heilloses Nachen zu retten. Ich bin selber ein Zinnsoldat. Richard Lindner hatte recht. Deshalb werde ich den mir vorgezeichneten Weg erfüllen, ich werde in die Gänge zurückkehren. Ein letztes Mal werde ich in den Schacht hinabsteigen. Ich will mich als Opfer darbringen. Ich lasse mich einschmelzen. Vielleicht muß mich die Hölle als Opfer annehmen, denn ich bin ja selber praktisch ein "Sebalder" gewesen und habe abgeschworen. Vielleicht läßt sich der Schlund auf diese Weise für eine Zeit verstopfen. Ich habe mich gut vorbereitet, da ich nicht weiß, wie lange die Wanderung dauern wird. Ich habe Astronautenkost dabei, einen vollen Rucksack davon! Außerdem habe ich eine dieser lustigen, quietschenden Dynamotaschenlampen im Gepäck, da ich mich nicht auf Batterien verlassen will. Flüssigkeit nehme ich nicht mit, weil ich damit rechne, daß sich an den kühlen Tunnelwänden Feuchtigkeit absetzen wird. Ich bin guter Dinge! Doch jetzt muß ich fort.

Verzeiht mir, aber es gab keine bessere Lösung.

Euer Jürgen.

 

Menedemos,

interessante Geschichte - auch wenn man sie wahrscheinlich nur als "Nürnberger" richtig genießen kann...

Auch der Stil bleibt relativ konstant - von dem "Ei legen" mal abgesehen - und liest sich flüssig.

Es dauert nur ein Weilchen zu lange, bis wirklich Spannung aufkommt, aber dafür wird man wenigstens mit einem guten und konsequenten Ende belohnt.

Nicht schlecht.

Henry Bienek

 

Hallo, Menedemos.
jawoll...sehr gut geschrieben, klasse Ende, gute Länge.
Das einzige:Schwamm wabert nicht, fürchte ich.
Er wuchert..mindestens.

Gruß,

Jack!

 

Hallo menedemos,

Deine Geschichte braucht tatsächlich einige Zeit bis sie in Fahrt kommt, aber die Sequenz in den Gängen selbst ist sehr spannend und atmosphärisch beschrieben, auch der gemütliche Dicke mit den Schweinsäuglein, dessen aufmerksamen Blicken dein Held zu entgehen versucht. Der Abstieg hatte tatsächlich etwas Gruseliges, wegen meiner hättest du die Passage noch etwas ausbauen können.

Einige der philosophischen "Abschweifungen" haben mir gefallen, sie geben deiner Geschichte "Resonanz" und eine Tiefe, die sie von ähnlich gelagerten Texten positiv abhebt. Aber insgesamt schweifst du mir zu oft ab, so dass die Spannungskurve merklich darunter leidet (besonders am Anfang, aber auch gegen Ende).

Gibt es diese Gänge und die Seebalder wirklich? Man könnte es glauben, zumindest halte ich ein -wahrscheinlich kleineres - System für möglich. Der Höllen-Bezug war mir zu dick aufgetragen, hingegen mir die Lindner-Erwähnung (selbst in ihrer Abschweifung) gut gefallen hat, aber vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich selbst Malerin bin und Lindner mir sehr gegenwärtig ist, was du von anderen Lesern sicherlich nicht einfach voraussetzen kannst.

Stil:
Nicht immer flüssig, aber oft ungewohnte Bilder und teils recht schöne Formulierungen.

Einzel-Anmerkungen:

an keinem Ort hätte sich ein wohligeres Gefühl der Geborgenheit für mich eingestellen können.
> einstellen

Dieser Satz hat mir gut gefallen, [auch wenn du den "Übersetzungshinweis" besser mit Sternchen versiehst und an das Story-Ende setzt]

In der Vorliebe der Franken für Schweinsschäuferle, herausgebackenen Karpfen samt "Ingreisch" [hdt: "Gekröse"] oder gar wüsten Schlachtplatten mit Kraut glaubte ich angesichts dieser triefenden, mittelalterlichen Eßgewohnheiten entsprechenden Fetthaftigkeit eine gewisse, mir angenehm erscheinende Vergangenheitsbezogenheit erkennen zu dürfen.

gelungener Einfall:
Mit dummer Begeisterung hatte der Führer ersatzweise in aller Ausführlichkeit erzählt, wie ein Teil der Gänge zum Ende des 19. Jahrhunderts ausgerechnet von einem Gurkenfabrikanten genutzt worden war,

lg Pe

 

Also erstmal vielen Dank euch dreien für das Lesen und für die guten Kritiken! :)

Und ich nehme den Hinweis ernst, daß es zu lang dauert, bis Spannung aufkommt. Andererseits ist es natürlich auch keine reine Gruselgeschichte, sondern sie soll eine gewisse Mentalität kritisieren.

@ Henry Bienek: Sicher versteht man viele Anspielungen nur, wenn man aus Nürnberg kommt. Aber ich glaube, daß man die Geschichte auch auf manch andere Städte übertragen könnte, solange sie nur in Deutschland liegen...

@ Jack: Danke für die Kritik. Werde den Unsinn mit dem "wuchern" demnäxt ändern.

@petdays: Die Gänge existieren wirklich. Auch die "Sebalder" sollen an einen Verein erinnern, den es tatsächlich gibt - und zu dem ich wegen seiner latent reaktionären Tendenzen keine besonderen Sympathien hege. Allerdings führen die "Sebalder" nicht durch die Felsengänge. Wahr ist allerdings, daß dort unten in ermüdender Ausführlichkeit von der Gurkenfabrikation gefaselt wird. :D

 

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