Immortalis
Immortalis
Ich betete sie schon seit einer schmerzlichen Ewigkeit an, aber sie erhörte mich nicht. Auf Knien flehte ich sie an, mich nur einmal zärtlich anzuschauen, doch sie nahm mich kaum wahr. Alles an ihr beherrschte sowohl meine Seele, als auch mein Herz, ihre zarten, geschwungenen Lippen, ihre rehbraunen Augen, die wie von einem Monet oder einem Van Gogh gemalt waren und ihr langes, dunkelblondes Haar, das immer nach Kokos duftete, immer!
Schon die Vorstellung, den weichen, hellblonden Flaum auf ihren Wangen, den man nur bei sehr genauem Hinschauen sah, einmal berühren zu dürfen, ließ neue Welten in mir entstehen, aber mit einer einzigen abweisenden Geste brachte sie alles wieder zum Einsturz.
Es fehlte nur ein Flügelschlag dieses heiligen Engels, um mein angebrochenes Herz entgültig in Scherben liegen zu lassen und ich drohte daran zu Grunde zu gehen. Mir blieb nur in endloser Verzweiflung auf ein Wunder zu hoffen, denn mein Strohhalm wurde mit jedem Tag brüchiger und hätte mir schon bald keinen Halt mehr geboten.
Es war an jenem entscheidendem Tag, als mir die Erleuchtung kam und sie kam in letzter Minute, denn der Abgrund war nah, zu nah! Ich setzte alles auf eine Karte, nahm meinen ganzen Mut zusammen und mein Schicksaal in die Hand und beschloss ihr meine unendliche Liebe und mein brennendes Begehren zu offenbaren. Ich hatte alles genau durchdacht und griff tief in die Trickkiste, es konnte einfach nicht schief gehen, es durfte nicht schief gehen.
Wie ich es erwartet und erhofft hatte, funktionierte mein mit grenzenloser Liebe erdachter Plan und sie konnte sich meiner Gefühle nicht mehr widersetzen.
Sie gab sich mir hin, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können und irgendwie wusste ich schon immer, dass es eines Tages so käme, denn zwei verwandte Seelen finden immer zusammen. Mit meiner Zungenspitze fuhr ich langsam über die, von mir so angebeteten, zarten Lippen, dann den Hals hinab und immer weiter und weiter, als gäbe es kein Ende, als würde ich mich auf einer endlosen Straße der Sinnlichkeit bewegen.
Ganz ruhig lag sie da, lachte nicht einmal, obwohl mein Spiel mit der Zunge an einigen Stellen sicher kitzelte, sie ließ mich tun, was immer ich wollte, sie ließ mir Spielraum um zu experimentieren und die von ihrem Körper aufsteigende Wärme und ihr einzigartiger Geruch töteten meinen Verstand und ließen eine neue, ungekannte Art des Verstehens in mir erwachsen. Ich verschmolz so behutsam und sanft mit ihr, dass es keinem von uns Beiden weh tat. Mein Atem wurde schneller und flacher und hinterließ an ihrem Hals eine heißfeuchte Stelle. Zeit und Raum wurden bedeutungslos, alles war bedeutungslos, außer unserem schwerelosem Tanz im Rausch des Vergessens. Innerlich flehte ich um ein wenig mehr Zeit in diesem wundervollen Geschöpf, doch ihre übermächtige Wirkung auf mich war zu groß und ich verkrallte mich in allem was von ihrer Haut umgeben war.
Mein Herz drohte zu explodieren und die Tränen standen mir in den Augen, denn ich spürte die so lang ersehnte Erfüllung in mir. Ich blieb noch einige Zeit in ihr, da ich nicht wahr haben wollte, dass der Augenblick vorbei war und für uns die normale Zeitrechnung wieder begonnen hatte. Ich legte mein linkes Ohr auf ihre warme Brust, doch ich hörte ihr Herz gar nicht mehr schlagen und ich bereute, ihr so eine hohe Dosis Chloroform gegeben zu haben, es hätte ihr sicher gefallen.