Mitglied
- Beitritt
- 30.08.2012
- Beiträge
- 1
Immer und Ewig
Immer und Ewig
Da, dort steht sie, das lange schwarze Haar, streng hochgesteckt mit ihrer Lieblingshaarspange. Wieder betritt sie in ihrem mausgrauen Kostüm das Gebäude, elegant und dennoch unbeholfen durch ihre hohen Absätze. Jeden Morgen, jeden Tag, jeden Monat, von 9 Uhr, pünktlich, bis 18 Uhr, danach nimmt sie die U-Bahn, 4 Stationen, dann 7 Stationen den Bus. Jeden Morgen kauft sie sich im U-Bahnhof einen Kaffe und die Tageszeitung, Zucker, keine Milch! Dann lässt sie sich von Bob, ja Bob, schöne Augen machen, immer wieder, starrt er ihr auf die Titten, misshandelt sie mit seinen Augen, fickt sie in Gedanken, saugt ihren Geruch auf … Er arbeitete am Kiosk … arbeitete, wie hätte ich nicht Gerechtigkeit walten lassen können?
Von hier aus sehe ich ihr Fenster, oft genug steht sie da, zieht an einer ihrer Black Devils, der Grund, warum sie nach Schokolade roch, putzig, wenn sie erschreckt, wenn die Tür zu ihrem Büro aufgeht. Oft genug hab ich sie gesehen, auch in dem Gebäude… Dr. Taylor hat seine Praxis dort, oft genug, in der Woche soll ich zu ihm, dabei habe ich nichts, ich bin… gesund, gesund! Da ! Sie, sie sieht hinaus, in meine Richtung! Doch sieht sie mich nicht, niemand sieht mich, niemand kennt mich, niemand.
Der frisch gewischte Boden riecht nach Zitrone, die Uhr im Warteraum tickt unaufhörlich, ich will nicht, doch ich muss, ich will sie, sie allein soll mir gehören!
Die schrumplige Sekretärin ruft, oder eher krächzt meinen Namen, ich stehe auf, gehe ohne ein Wort an der alten Schachtel vorbei und betrete das Zimmer von Dr. Taylor. Ich schweige, er ebenso, er kennt mich, das denkt er zumindest. Ich lege mich hin und kreuze die Beine am Fußende. Er schweigt weiterhin und würdigt mich nicht einmal eines Blickes, ich muss kurz grinsen und schließe dann die Augen.
Welch eine Tortur, eine Stunde Rumliegen und sich das Gequatsche dieses zweitklassigem Seelenklemptners anhören, eine Verschwendung meiner Zeit, wieder eine Stunde, die ich nicht mit ihr verbringen kann. Ein kurzer Blick auf die Uhr und ich weiß, es ist Punkt 15 Uhr, Zeit für ihre Mittagspause. Meist geht sie zusammen mit einigen Kolleginnen in das Café gegenüber, doch heute nicht, heute geht sie zum Postamt, ein Paket ist für sie angekommen.
Hoffentlich freut sie sich auch. Immerhin ist es schön eingepackt und mit Liebe gemacht.
Sie betritt das Postamt! Wie schön! Weiter, weiter, genau, bis zum Tresen, der Schein wird kassiert und schon reicht der bärtige Alte ihr ein Paket. Die Anschrift, geschrieben in dunkelgrün, ihre Lieblingsfarbe. Ich bleibe am Eingang stehen, durch das Fenster, sehe ich, wie sie das Gebäude mit dem Paket verlässt, wahrscheinlich geht sie zurück ins Büro, oder zu ihren Kolleginnen … Doch gefällt mir gar nichts davon!
Sie kommt, ich habe alles, alles was ich brauche … bis auf eines, Sie, SIE!
Heute ist es endlich so weit, ich stelle mir gerade ihr Gesicht vor, überrascht, da sie den Absender nicht kennt, dann schockiert, über das, was darinnen steckt. Sie wird mich noch lieben, sie muss!
Es ist ein sehr schöner Tag, wie mir gerade erst auffällt, die Sonne scheint und der Himmel ist wolkenlos. Ein Tag, der meine Vorfreude nur noch steigert. Ich laufe unauffällig hinter ihr her, das Tuch in meiner Tasche, gleich, gleich wenn sie in die Seitengasse entlang zum Büro geht.
Und schon hab ich sie, dass Tuch auf ihren Mund gepresst und die andere an ihrem rechten Arm. Kurz umschauen, sie in das Parkhaus ziehen und rein in den Van. Adrenalin durchfließt meinen Körper, macht mich betrunken, doch ich muss mich auf die Straße konzentrieren, nur noch vier Straßen, doch ich will nicht warten. Immer wieder sehe ich nach hinten, sie sitzt fest, sie kann nichts tun.
Die Tür ist zu, man wird sie nicht hören, sie ist geknebelt, gleich wird sie zu Bewusstsein kommen. Ich hab an alles gedacht, sie wird mich lieben, sie wird, ich habe Rosen, ich habe das Paket, mit dem Fotoalbum was ich extra für sie gemacht habe. Ich habe schon neue gemacht. Sie sitzt jetzt da, auf dem Stuhl, gekleidet in einen Seidenmantel, umgeben von Kerzen, die sie in ein sinnliches Licht tauchen, die Hände durch Seile gehalten. Noch weiß sie nichts von ihrem Glück, da sie blinzelt, wieder ein Adrenalinstoß. Langsam wird ihr bewusst, was passiert ist und was noch passieren wird.
„Du bist Wach… wie schön! Hat dir mein Geschenk gefallen?“
Ein sanftes Lachen von mir und ein undefiniertes murmeln von ihr, dazu noch der niedliche Angstausdruck in ihrem Gesicht.
„Natürlich hat es dir gefallen, wie könnte es dir auch nicht gefallen, ich habe es mit Liebe gemacht. Endlich Liebste, sind wir zusammen!“
Sie windet sich unter meinen Berührung, sieht mich angeekelt an, warum? Meine Hand war schneller als mein Verstand und schon blutet ihre Lippe. Tränen steigen ihr in die Augen, ich will sie, sofort!
„Du bist so schön, wenn du weinst!“
Nun ist sie hinüber, die Panik in ihrem Gesicht treibt mich nur noch weiter an. Sie wehrt sich, zumindest versucht sie es, meine Hand greift zu ihrem Hals. „Bleib still!“ Das Blut schießt durch meine Adern, wie Wasser einen Hang hinab prescht. Ich kann nicht mehr! Mitsamt des Stuhls liegt sie am Boden, mein Verlangen ist so stark, ich spüre ihre Wärme, ihre Bewegungen unter meinem Körper, es ist überwältigend, für sie auch, sie wehrt sich nicht, sie bleibt brav liegen. Sie liebt mich auch, ich habe es gewusst.
Mein ganzer Körper pulsiert, endlich habe ich die Erfüllung erlebt, nun werden wir für immer zusammen bleiben. Mein Blick geht zu ihrem Gesicht.
„Nein!! Nein, das kann nicht sein!“
Mit aufgerissenen Augen starrt meine Liebste mich an … sie … Kein Leben in ihren Augen! „Neeeeiiiin!“
Wutentbrannt schreie ich mir die Seele aus dem Leib, mein Leben hatte nur einen Sinn!
Was ist das ? Eine Sirene ? Warum ? Es war doch alles perfekt, sie darf nicht tot sein! Sie liegt in meinen Armen, ihr Körper ist noch warm, ich lasse sie nicht gehen, sie bleibt bei mir, für immer. Es klopft an der Tür, ich werde mit ihr in den Tod gehen! Meine Hand greift in die Kommode, Feuerzeugbenzin!
„Wir gehen zusammen!“
Um uns herum fängt es an zu brennen, ich weine, vergieße die Tränen für mein Leben, für die Frau in meinen Armen, die einzige Frau, die ich liebe!
Die Tür bricht auf, ein paar Polizisten, sie kommen auf uns zu, sie wollen uns aus den Flammen holen, sie rufen, schreien, doch höre ich sie nicht mehr klar, das knistern des Feuers und die weiteren Sirenen, sowie der Rauch, sie alle vernebeln meinen Verstand.
Es ist aus! Alles, doch ich gehe nicht allein…
Jena Castaglia