Im Zuge
Der Kluge scheisst im Zuge. Denn was der menschenbeobachtende Spannerblick in der Disco, ist der Ausstattung-begutacht-und-'s-dabei-lustig-Haber im Zuge. Furchtbar amüsante Rituale spielen sich ab am lärmigsten unter den stillen Örtchen, auf dem Zug-Klo der SBB.
Aber beginnen wir doch von vorne. Am Anfang ist das Zugabteil. Ein bequemer Blick zum roten Lämpchen (direkt neben dem Raucher/Nichtraucher-Piktogramm) oberhalb der Türe sagt mir: Da sitzt noch wer auf dem Topf.
Ich laure, warte bis die Ampel auf grün schaltet. Fahrt frei, auf in Richtung Klo. Dann kracht die automatische Türe auf; das geleerte Kind betritt den Saloon. Ich torkle, als wär' ich sturzhageldicht, dem „Ausgang“ entgegen. Immer ausgerechnet dann wenn ich den Zug durchwandere beginnt dieser zu wanken als wären wir auf hoher See. Tschuldigung, sorry.
Im WC dann geht’s los. Ein kurzer Kontrollblick auf den Rand der Schüssel, um allfällig fehlgeleitete Spritzer nicht totzudrücken. Dann Hose runter und setzen. Wie gewohnt vom WC zu Hause können die Unterarme bequem auf den Oberschenkeln abgestützt werden. Einziger Unterschied: Die Nase steht in unmittelbarer Konfrontation mit dem offenen Abfalleimer, der eigentlich für gebrauchte Händetrocknerpapierchen gedacht wäre und somit nicht störte, doch leider manchmal auch mit bestuhltem Toilettenpapier gefüllt wird und dem Klogänger deshalb verständliches Unbehagen beschert.
Das böse Fenster, das einzig der Lüftung dient, verbietet dem Toiletten-Benutzer das ach so schön passive Hobby des Dasitzens und Rausguckens, wie es im Abteil gerne stundenlang betrieben wird, denn das Fenster besteht aus einer Eisenplatte mit Schlitzen.
Am liebsten hab’ ich’s, wenn’s wieder mal Zeit ist zu vergessen die Tür abzuschliessen. Da platzt dann jeweils so ein trunkener Rekrut rein, stösst mit aller Kraft die Türe an meine Beine und i-tüpfelt mit einem „ou sori“. Klar bin ich selbst schuld, trotzdem ein Arschloch.
Dann muss der Hintern geputzt werden. Auf den dabei entstehenden Zwang, den Arsch zu lupfen, reagiert der ganze Körper mit einer Vorwärtsbewegung, worauf die Nase den Händetrocknerpapierchenkübel (mit obigen Zusatzinhalten) noch intensiver zu begutschnüffeln beginnt.
Jetzt wird’s spassig, Klein Didi darf aufs Pedal treten und den ehemaligen Darminhalt mit dem schwächsten Strom, den die Schweiz je gesehen hat, runterzuspülen versuchen. Meistens klappt das dann nicht ganz. Der Grund für schmutzige Zug-WC-Töpfe sei hiermit formuliert. Eine halbe Umdrehung an Ort und wir kommen zu Phase zwei: Waschen der Hände. Volle Tube aufs Wasserpedal! Und wie beim Gaspedal des Deux Chevaux’ dauert's erst ein paar Sekunden bis die Maschinerie reagiert. Und wenn sie’s dann tut, tut sie’s cool. Endlich tropft’s aus dem Hähnchen und die Hände können ein wenig, sagen wir mal befeuchtet werden. Die Seife soll dann den WC-Besuch vollkommen machen und eine hygienische Neugeburt vortäuschen. Wenigstens riechen die rauchig-gelben Hände danach ein bisschen weniger nach Aschenbecher. Der Seifenspender weist zwischenkriegszeitlichen Charakter auf. Der furchtbar altmodisch konzipierte Apparat ist nur unpraktisch zu bedienen, denn das Drehen am Rädchen, das seinerseits die Seife abschaben soll, widerspricht der anatomischen Bequemlichkeit. Kommt hinzu, dass dabei ein an den Nerven sägendes Geräusch entsteht, eine Mischung aus Blatt zwischen den Velospeichen, Ich-nehme-das-S-wie-Siegfried-Glücksrad drehen und Gabel auf dem Teller schaben. Durch das drehende Schaben entstehen seifige Brosamen, die einem das Händewaschen so ziemlich vermiesen. Es macht einfach keinen Spass, glitschige Krümel zwischen den Händen zu verreiben. Und um die Operation SBB-Seife vollends ins Abseits zu kritisieren: Gut riechen tut sie auch nicht!
Das Geschäft ist erledigt. Ein letzter Blick in den Spiegel und raus.