Im Sturm
Der Ofen brannte. Drinnen war es warm und bis auf das rhythmische Plätschern der Regentropfen auf dem Dach, still. Draußen wütete der Wind. Manche meinten er sei wütend und tobte aus Schmerzen. ich konnte das auch spüren. Denn in mir tobte der Wind, der einem die Luft zum Atmen nimmt. Ich saß drinnen und dachte nach, über meine Situation. über meine nächsten Schritte, immer die Frage: "Wird das denn gut gehen?" und die Zuversicht: "Alles ist gut!" Immer wenn einer der beiden Gedanken sich heimisch und wohl in mir fühlte, kam der nächste und verjagte ihn dann. Ein elendes Katz- und Mausspiel.
Dicke Gardinen ließen nicht viel von dem, eh schon grauen Licht von draußen rein. Wenigsten war es hier gemütlich, das Trommeln der Regentropfen ließ mich kurz träumen. Es waren Träume an das Große, ewige und Reine. Von Liebe, Eintracht und Zweisamkeit. Es war ein Bereuen, denn diese Träume waren Erinnerungen, welche noch nicht solange zurücklagen. Aus dieser Erinnerung wehte auch der Wind, der den Wohnwagen nun mächtig ins Wanken brachte. das brachte mich wieder raus aus meinen Träumereien und ich befand mich wieder im Jetzt. Unausweichlich allen Tatsachen ausgesetzt, nackt vor der Wahrheit; es wurde allerhöchste Zeit noch mal grundsätzlich über alles nachzudenken. So gab ich mich erneuert den Regentropfen hin, die freudig aufs Dach aufprallten. Noch immer saß das Gefühl von tiefer Reue in mir.
"Wer bin ich und warum in alles in der Welt bin ich so ein Idiot?"
Ich versuchte in all den Erinnerungen der letzten Wochen und Monate eine klare Stelle zu finden. einen Anhaltspunkt, welche Macht oder welcher Trieb über mich gekommen ist und mich so weit von mir selbst trieb, dass ich vergaß wer ich bin. Ich fand keinen. Ich wusste, dass ich Mist gebaut hatte und, dass dieser Moment in dem ich mir diese Frage stellte mit zu den Folgen meiner egoistischen Handlungen gehörte.
Das Zischen des Windes draußen, riss mich wieder aus meinen Gedanken heraus. Ein Bellen klingt von weither herüber. Ich werde wieder Sentimental, denn je mehr ich darüber nachdenke was mich dazu gebracht hat und meine Erinnerungsbilder raushole, desto mehr schmerzt mich die Trennung. Ich sehe die schönen Momente, in Liebe und Würde füreinander, voller Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Ich drehe mich zum Fenster, schiebe die Gardine etwas zur Seite und schaue hinaus. Meine Augen werden feucht. Der Regen bricht herein, ich breche in Tränen aus.
"Warum, warum, warum nur?" stammele ich vor mich hin und wippe um mich zu beruhigen. Nach ein paar Minuten habe ich mich wieder eingekriegt.
"Alles ist gut", seufze ich und schau im Ofen nach. Eine heiße Glut liegt dort, ich werfe zwei Scheite dazu und setzte mich wieder an meinen Platz. Ich zünde eine Kerze an, verliere mich im Tanz und Licht der Flamme. Regentropfen trommeln, immer schneller, immer wilder. Bis sie mich eingelullt haben und ich wider schwebend durch meinen Geist reise.
Ich erinnere mich an einen Waldbesuch. Wir waren zu dritt: Philippe, Peter und ich. Philippe wollte zwei Freunde in eine Art Aschram bringen im Westerwald. dort wollten die beiden meditieren und von ihrer Amphetaminsucht runterkommen. Ironischer weise haben Peter und ich vorher noch MDMA und Speed zu uns genommen.
Eigentlich meide ich diese Drogen und bevorzuge halluzinogene, doch ich dachte es könne nicht schaden und meine letzten Erfahrungen lagen bereits Jahre in der Vergangenheit. Also beschloss ich mich schlussendlich dazu mit den Jungs mitzufahren. Warum eigentlich nicht?
die Freunde von Philippe gingen ins Aschram, während wir verzaubert vom Zauber dieser Natur um uns, von ihr leiten liesen. Sobald wir den Wald betreten haben umhüllte uns ein leichter Wind mit Leichtigkeit und Friede. Wir konnten das alle fühlen und teilten uns das auch mit, was uns weiter beflügelte. Andächtig schritt ich vor mich hin, singend, durch den Wald. Peter und Philippe waren schnelleren Schrittes unterwegs, so konnte ich diese herrliche Atmosphäre in mich aufnehmen. Ich setzte mich auf einen kleinen Hügel am Wegesrand und schaute hinunter auf einen kleinen Bach, der sich tanzend im Wald seinen Weg erschloss. Sein kleines, leises, dennoch beständiges Plätschern lies mich treiben. Meinen Geist im Bach zu den schönsten stellen im Wald.
Peter und Philippe waren bereits verschwunden so konnte ich einfach diese Luft atmen. Dem Klang des Baches lauschen und die Lieder der Vöglein hören. all die Schönheit dieser Welt war vor mir. Ich wollte sie mitnehmen, in einem Bild. ich durchsuchte meine Tasche um mein Skizzenbuch herauszuholen, ich wollte versuchen zu zeichnen was ich vor mir sah, was ich empfand.
Doch ich hatte es nicht eingepackt. so blieb mir nichts anderes übrig als all diese Schönheit einfach wahrzunehmen und mich an ihr zu erfreuen, um mein Herz mit Liebe und Glück aufzutanken für die dunklen Stunden.
Das Rauschen des Sturmes umgab den Camper und rüttelte ihn heftig. Die Bilder der Schönheit und der Natur verblassten. Sehnsucht nach dem Leben ergriff mich, als wäre ich bereits tot. doch durch die Sehnsucht empfand ich irgendetwas und das sollte mich doch zu den Lebenden zugehörig machen. Doch so war es nicht, es schien mich zu trennen. Wie ironisch: das Schöne und Heilige was ich empfand trennte mich vom Leben und sperrte mich hier in diesem Camper ein. Verdammt dazu es in Erinnerungsbilder wieder und wieder zu sehen. Mit dem Gefühl es ist unwiederbringlich im Zeitenstrudel verschluckt worden.
Mir blieb nur die Reue und wenn der Schmerz erst nachgelassen hat würde ich diese Erinnerungen hochheben und loben, wie wieder als schön empfinden.
Draußen zuckten Blitze am Himmel zwischen den dunklen Wolken. Kurz sah es aus wie am Tag, dann wurde wieder alles dunkel. Ich erschrak, schaute auf die Kerze. selbst hier drinnen flackerte die Flamme durch den Wind der draußen tobte.