Mitglied
- Beitritt
- 19.02.2014
- Beiträge
- 86
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Im Sand
Ingo blinzelte in die Sonne, bis es keine Farben mehr gab, sondern nur noch Licht und Schatten. Das Wasser leuchtete wie Alufolie, die Sonnenbrille lag im Auto, die Kinder schaufelten im Sand, und Birgit nutzte die Windstille, um ihre Fingernägel zu lackieren. Er schloss die Augen und bestaunte den endlosen Termitenstrom auf der roten Innenseite seiner Lider. Als er die Augen wieder öffnete, war Kilian mit seiner Burg fast fertig. Die Ecken waren durch markante Türme verstärkt, und auf zwei von ihnen hatte er kleine Schirmchen gespießt.
„Papa, kannst du noch zwei Cocktails trinken?“
Ingo drehte den Kopf in Richtung Bar.
„Jetzt nicht.“
Niemeyer thronte auf einem der Barhocker und unterhielt sich mit dem Mixer in fließendem Italienisch. Er paffte eine Zigarre, während sein Sohnemann ein paar Meter neben Kilian selbstvergessen im Sand herumkratzte. Ingo lächelte. Severin tat ihm leid.
"Und was macht deine Sandburg, Severin?"
Der Kleine antwortete mit einem Grinsen von fast mongoloider Freundlichkeit, dabei war er angeblich völlig gesund.
"Es wird ein Turm", sagte Severin.
"Der schiefe Turm von Pisa", sagte Ingo.
Die Jungen waren im gleichen Alter, doch Severin wirkte irgendwie beschränkt und lasch. Der Turm entsprach der Hohlform von Sinas Plastikeimer, mehr war da nicht.
"Warum hilfst du nicht dem Severin ein bisschen?", rief Ingo zum Strand hinunter.
"Keine Zeit", sagte Kilian. Er hatte damit begonnen, einen Verbindungskanal zum Meer auszuheben, um den Burggraben zu fluten.
Ingo nickte zu Birgit hinüber. Sie war mit ihren Nägeln fertig und versuchte nun, den Sonnenschirm auf eigene Faust nachzujustieren. Danach ließ sie sich erschöpft in die Liege zurückfallen. Sie hatten seit dem Frühstück kein Wort miteinander gesprochen. Er legte sich die Autozeitschrift über die Augen und registrierte, wie sein Urlaubsgefühl, gemixt aus Sonne, Zucker und Alkohol, langsam nachließ. Der Verkehr auf der Termitenautobahn geriet ins Stocken. Ein leichtes Stechen hinten den Schläfen signalisierte ihm, dass es dennoch besser wäre, mit dem nächsten Drink bis zum Abendessen zu warten. Er warf einen Blick zur Strandbar. Niemeyer war verschwunden.
Als er von der Bar zurückkam, stand der Burggraben wie erwartet unter Wasser. Doch auf Severins trauriger Baustelle war eine stattliche Pyramide emporgewachsen. Niemeyer kniete neben seinem Sohn und zeigte ihm, wie man in quadratischen Schichten, die sich nach oben gleichmäßig verjüngten, das Ding fachmännisch hochzog.
"Mein Gott, Niemeyer", dachte Ingo und wusste, dass er den Gedanken für sich behalten würde. Er sog am Strohhalm, bis die Eiswürfel klirrten. Irgendwann sah er ein, dass von dieser Seite keine weitere Erfrischung zu erwarten war, und er beschloss, die kleine Verstimmung im Meer zu ertränken, auch wenn der Sand in der Nachmittagssonne glühte wie ein Würstchenrost. Er ließ sich auf den Wellen eine Weile schaukeln und dachte an Niemeyer. Bei seiner Rückkehr wartete Kilian vor dem Liegestuhl. Ingo strich ihm das Haar aus der Stirn und überreichte ihm das dritte Cocktailschirmchen.
"Ich möchte auch eine Pyramide."
"Wozu?"
"Ich möchte eine Pyramide."
"Eine Burg ist doch viel besser."
"Ich möchte lieber eine Pyramide."
„Na gut. Dann bekommst du deine Pyramide“, beschied er mit Bestimmtheit und wankte hinunter zum Strand. Ein bisschen Bewegung würde ihm gut tun. Mit dem rechten Fuß umriss er großzügig die Grundfläche.
"Tja, und jetzt brauchen wir feuchten Sand. Viel davon.“
Kilian füllte Sinas Eimer mit weichem Schlick und lief zurück zu seinem Vater. Ingo kippte ihn in die Mitte des Karrees und reichte den leeren Eimer zurück. So ging das zwanzig, dreißig Mal. "Was für eine Verschwendung", hatte Birgit im Frühling gesagt, aber es waren genau solche Schlüsselerfahrungen, für die er gerne sechstausend Euro hinblätterte. Polignano war ihr ganz privates Teambuilding-Seminar. Eine Familie war gewissermaßen wie eine Firma, und der Sommerurlaub hatte den Stellenwert eines Incentives, auf dem man gute Momente ankerte. Mit etwas Glück brachten sie ihn durch das restliche Jahr, wenn er vor lauter Stress nicht die Zeit fand, ihnen tagtäglich zu zeigen, wie viel sie ihm bedeuteten. Ingo nahm mit Befriedigung zur Kenntnis, wie der Sandhaufen vor seinen Augen in die Höhe wuchs. Als er Niemeyers Pyramide überragte, begann er mit dem Finetuning. Es gab nur ein kleines Problem: Wenn der Sand zu trocken war, rieselte er die Seitenkanten hinunter, und wo er zu feucht war, schwamm das ganze Fundament weg. Ingo versuchte, sich mit einem sandfreien Fingerknöchel den Schweiß aus den Augen zu wischen. Eigentlich sah der Haufen schon ziemlich pyramidenartig aus. Nun musste man nur noch die vier Seitenkanten glätten und fertig. Sina klatschte in die Hände und wippte vor Begeisterung auf ihren wackeligen Beinchen. „Büllamide!“
„Papa, ich glaube, das wird schief.“
Auch Niemeyer warf einen Blick herüber. „So wird das nichts, Ingo. Du musst das Fundament als Quadrat anlegen, und dann Schicht für Schicht.“
„Hab schon verstanden“, sagte Ingo und machte unbeirrt weiter. Doch egal, wie viel Mühe er sich gab, der Schwerpunkt wanderte immer wieder nach einer Seite, und jedes Mal, wenn man die Schräglage erkannte, musste man alle vier Seitenkanten neu nachziehen. Womöglich war seine Grundfläche kein lupenreines Quadrat, doch es war schwer, das im Nachhinein zu korrigieren.
„Wir machen das mit unserer Methode, was?“ sagte er zu Kilian. Der nickte, doch an der Frequenz der Sandlieferungen konnte Ingo ablesen, dass seine Leidenschaft für das Projekt nachließ. Zwei Eimer später kam die Produktion völlig zum Erliegen.
"Was ist los, Kilian? Keine Kraft mehr?"
"Das wird keine Pyramide."
"Sie ist noch nicht fertig", gab Ingo zu bedenken.
"Egal. Ich habe keine Lust mehr."
"Moment." Er fasste nach dem Arm seines Sohnes und sah ihm streng in die Augen. "Ich habe gesagt, wir sind hier noch nicht fertig."
Kilian nickte, doch Ingo sah, dass seine Augen glänzten. "Frag mal Mama, ob sie uns helfen mag", setzte er in versöhnlicherem Ton nach. Tränen konnte er jetzt nicht gebrauchen. Er warf einen flehenden Blick in Richtung Birgit, doch die zeigte ihm erst ihre frisch lackierten Finger und anschließend den Vogel. Gut, dass Kilian es nicht sah. Er schielte die ganze Zeit hinüber zu Niemeyers Pyramide. Es roch nach Verrat.
„Büllamide“, sagte Sina.
"Py-ra-mide“, sagte Ingo und tätschelte seiner Tochter die sandige Wange. Sie wollte ihrem Bruder nachrennen, doch er hielt sie zurück. Obwohl ihm die Cocktails zusetzten, warf er sie dreimal in die Luft, was sie sonst immer so gerne mochte.
„Papa schau mal, die haben sogar eine Grabkammer!“
Ingo setzte seine Tochter ab und stapfte hinüber zu Niemeyers Wunderwerk. Alles war im Prinzip fertig, bloß eine Seitenfläche war unverputzt, vermutlich aus didaktischen Gründen. Hier konnte man die geschichteten Steinblöcke sehen, die das Skelett des Bauwerks bildeten. Mit einem Ästchen hatte Niemeyer die Kontaktstellen der Blöcke nachgezogen. Zwei Perlmuttstückchen bildeten die Tür zur Grabkammer, und darüber hatte er ein paar Zeichen in den Sand gekratzt, die wohl Hieroglyphen darstellen sollten.
„Da drin liegt unsere Mumie“, sagte Severin.
„Hoffentlich ist es ihr nicht zu sandig", scherzte Ingo.
„Morgen machen wir weiter, beschied Niemeyer, und schlenderte hinunter zum Wasser, um sich die Hände zu waschen. "Ich krieg langsam Hunger!“
„Wir auch“, sagte Ingo und zog Kilian in Richtung Villa.
"Hast du das gesehen? Der Junge darf nicht mal alleine eine Sandburg bauen."
Birgit gähnte und blätterte in ihrer Zeitschrift.
"Plattform für Plattform, immer ein sauberes Quadrat“, äffte er Niemeyer nach. Kein Wunder, dass ihm die Frau weggelaufen war.
„Warum fahren wir mit ihm auf Urlaub, wenn du ihn nicht magst?“
„Wie oft muss ich es dir eigentlich noch erklären? Ich brauche im Herbst seine Stimme.“
Ingo hatte keine Lust, die Debatte noch einmal aufzuwärmen. Aus strategischer Sicht gab es für ihn in der Firma keinen sinnvolleren Freund als Niemeyer. Jedenfalls solange er nicht im Steering Committee saß. Ingo war gerne Abteilungsleiter, aber der nächste Sprung nach oben war seit zwei Jahren überfällig.
Das Abendessen wurde in der Pergola serviert. Xhoana brachte die Pasta. Niemeyer griff zum Topf und teilte großzügig aus. "Orecchiette con le cime di rapa, wenn ich mich nicht irre." Birgit und Niemeyer waren zum Rotwein übergegangen, und Ingo folgte ihrem Beispiel, obwohl er den Nero d’Avola in Verdacht hatte, sich mit seinem Schlafmittel nicht richtig zu vertragen. Die Kinder pressten sich die kalten Limogläser gegen die heiße Stirn und lachten grundlos.
"Auf den Sommer", sagte Niemeyer und hob das Glas.
Auf unsere Cheops-Pyramide!", quiekte Severin und prostete Ingo zu.
"Büllamide", machte Sina.
Das Essen und der Ausblick waren vorzüglich. Die Masseria lag inmitten eines Olivenhains, zwei Steinwürfe von der Bucht entfernt. Sie hatten einen Koch und eine Albanerin, die sich täglich um die Zimmer kümmerte. Eines musste man Niemeyer lassen: Er wusste wie man Urlaub machte – Urlaub und Wichtigmacherei, das waren nun mal seine Kernkompetenzen. Ingo kaute stumm und verharrte in der unbegründeten Hoffnung auf eine Katastrophe, die ihn von seinen Grübeleien ablenken würde. Er war zu lange in der Sonne gelegen.
Als Xhoana den Kaffee brachte, packte Niemeyer wie zu erwarten seine Zigarren aus. Nebenbei flirtete er mit Birgit und lachte über ihre harmlosen Witze. Er beugte sich beim Zuhören so weit vor, als legte er es darauf an, ihr ins Dekolleté zu aschen. Ingo leerte das Tässchen mit einem Schluck und schlüpfte noch einmal in seine Sandalen.
„Mist, ich glaub, ich hab unten meine Zeitschrift vergessen.“
Die Sonne fiel wie eine reife Orange ins schillernde Meer. Es war ein schöner Anblick, und Ingo war ganz froh, dass er ihn mit niemandem teilen musste. Er ging die Bucht zweimal ab. Sie teilten sie mit drei oder vier anderen Villen, doch um diese Tageszeit hatte man sie ganz für sich allein. Das Wasser war nun in der Dämmerung wie aus Silber. Das Meer schaufelte unablässig Wellen heran. Ingo beobachtete, wie die Gischt blubbernd im Sand versickerte. Er versuchte, sich zu erinnern, wie lange sie bereits hier waren. Der Himmel war so gleichförmig blau, als würde immer der selbe Tag über eine Bühne gezogen. Keine Frage, Niemeyer verstand was von Urlaub. Aber natürlich auch von Zigarren, Pasta, Restrukturierungsmaßnahmen und Pyramidenbau. Während dieser Betrachtung nahm er etwas Anlauf. Er kickte mit voller Wucht gegen die Spitze. Erst der zweite Tritt galt der Grabkammer. Danach fühlte er sich besser.
Die anderen waren noch vorne auf der Terrasse. Er hörte Birgits Gelächter. Ingo nahm den Hintereingang. Mit den Sandalen stieg er in die Dusche und wusch sich den Sand ab. Spurenbeseitigung, dachte er vergnügt und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Als Birgit mit den Kindern nach oben kam, saß er in einem Ledersessel und tat, als läse er ein Buch. Auch an diesem Abend brachte er die Kinder selbst ins Bett. Es war der Moment des Tages, den er am meisten liebte.
"Severin und sein Papa bauen morgen noch die anderen beiden Pyramiden. Dann machen sie ein Foto, und legen ihre Oma rein. Die glaubt dann, sie machen Urlaub in Ägypten!“ Kilian rieb sich die Hände.
„Es ist nicht in Ordnung, seine Großeltern anzulügen, Kilian.“
„Wie heißen eigentlich die anderen beiden Pyramiden, Papa?“
„Das besprechen wir morgen. Hast du mal auf die Uhr geschaut?"
Erst als die Kleinen ruhig atmeten, schloss er die Tür zum Kinderzimmer.
"Kannst du deine nassen Sandalen aus der Duschtasse nehmen?", rief ihm Birgit aus dem Bad zu.
Sie schob sie ihm mit dem Fuß entgegen, und er trug sie auf die Terrasse hinaus und wischte sie mit einem Tuch sauber. Er liebte diese Schuhe. Das gelbe Kalbsleder war weich wie Butter. Er hatte sie gegen Birgits Widerstand erworben, die sie protzig fand. Dabei hatte er sie nicht wegen der vier goldenen Buchstaben gekauft, die oben dezent aufs Leder geprägt waren, sondern wegen des überragenden Komforts. Die Sohlen passten sich dem Fußbett exakt an. Und dabei wogen sie nicht mehr als ein Blatt Papier. Und doch gab es Details, die ihm bis jetzt entgangen waren: Der Markenname, um ein Beispiel zu nennen, war nicht nur auf das Leder, sondern in gespiegelter Form auch auf die Unterseite der Sohle geprägt. Während Ingo den Sand aus den Ritzen wischte, fragte er sich, wie viele Leute hier in der Bucht wohl BOSS-Sandalen um hundertzwanzig Euro trugen. Seine vorsichtige Schätzung betrug eine Person.
„Ich gehe noch kurz runter zum Strand!"
"Schon wieder? Das Meer ist dir ja wirklich ans Herz gewachsen."
Er schlüpfte in die billigen Pantoffeln, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sie kein auffälliges Profil hatten. Er konnte sie nachher noch immer im Müll entsorgen.
Als er den Pfad hinunterstieg, stand eine dunkle Silhouette in der Mitte der Bucht und blies Zigarrenrauch in den Nachthimmel. Niemeyer drehte sich nicht um, als sich Ingo neben ihn stellte. Er stand neben den Ruinen seines Bauwerks.
"Einschlafprobleme", sagte Ingo im Ton einer Entschuldigung.
"Steering Committee?", fragte Niemeyer.
Ingo nickte.
"Alles zu seiner Zeit. Jetzt ist mal Urlaub. Der September kommt früh genug."
„Arschlöcher“, sagte Ingo, und deutete auf Niemeyers Füße.
„Kinder“, präzisierte Niemeyer. Er scharrte mit dem Fuß im Sand, als würde er nach einer Mumie suchen.
„War eine tolle Pyramide, Frank.“
„Ach was. Bullshit."
„Ich würde gerne wissen, warum die alles so gern kaputt machen.“
"Deine haben sie stehen lassen.“
"Die? Ach was."
Ingo trat unbekümmert mit dem Fuß gegen seine eigene Pyramide.
„Waren wir denn anders?“, sinnierte Niemeyer. „Als ich mit zehn das erste Mal am Meer war, sah ich, wie die anderen Kinder tiefe Löcher in den Sand gruben. Natürlich wollte ich das tiefste von allen haben. Ich buddelte den ganzen Tag, und irgendwann konnte ich sogar ein paar andere Kinder motivieren, bei mir mitzumachen, du kennst mich ja. Wir arbeiteten in Schichten, bis wir in neun Metern Tiefe auf Grundwasser stießen. Zwei der Kinder sind ertrunken.“
Einen Moment herrschte betretenes Schweigen und man hörte nichts als das müde Heranbranden der Wellen.
„Das tut mir leid, Frank“, sagte Ingo, doch schon knallte Niemeyers Pranke auf seinen Rücken, und er wieherte los. „Just kidding. Bullshit.“
Ingo riss sich los und trat zwei Schritte beiseite.
„Was ist los? Hast du ein Problem?“
Ingo schüttelte den Kopf. Quer über der ehemaligen Grabkammer stand BOSS im Sand. Aber es war dunkel, und man musste genau hinsehen, um es zu erkennen.
Ich bin nur etwas angespannt, wegen –
„– der Abstimmung? Mach dir mal keine Sorgen“, sagte Niemeyer und wieder hob er die Pranke, doch diesmal streichelte er Ingos Rücken wie ein scheues Pferd.
„Ist sie wirklich geheim?“, fragte Ingo.
„So sind die Regeln“, sagte Frank.
"Du, Frank?"
"Ja?"
"Müssen wir immer an den Strand? Wie wär’s, wenn wir morgen mal einen Ausflug machen? Birgit fällt hier schön langsam die Decke auf den Kopf, und in der Nähe gibt es doch diese komischen Häuser, diese –"
"– Trulli."
"Genau. Ich habe Kilian davon erzählt, jetzt will er die unbedingt sehen."
"Kein Problem. Wir könnten nach Alberobello fahren, sind nur fünfzig Minuten."
In einer Seitentasche seines Koffers fand er ein Schweizer Messer. Draußen auf der Terrasse waren die Sandalen fast trocken. Die Sohlen waren sehr weich, doch es war viel schwieriger, sie in schmale Streifen zu zerschneiden, als er gedacht hatte. Als er zu Birgit ins Bett stieg, war ihm leichter. Es war fast Mitternacht.
„Vergiss nicht die Tablette“, wisperte sie und kuschelte sich in die Decke. Ingo verschwand noch einmal im Badezimmer und schüttelte zwei Pillen aus dem Fläschchen. Sie sollten seine Schlafarchitektur verbessern.
"Ich fahr voran", sagte Niemeyer und startete seinen Wagen. Er kannte das Salento wie seine Westentasche. Doch bis alle im Van saßen, wartete sein X6 fünf Minuten bei laufendem Motor an der Einfahrt. Kilian saß hinten bei Severin und spielte Uno.
"Warum hast du bei der Hitze Turnschuhe angezogen?", wollte Birgit wissen, aber Ingo hatte keine Lust auf dieses Gespräch. Als er den Zündschlüssel drehte, piepste Sina "Pipi". Er atmete einmal tief durch und löste den Kindersitzgurt, alles ohne unnötige Emotionen. Er klemmte sie unter dem Arm wie eine Aktentasche und stapfte die Treppe hinauf. Zwei Minuten später waren sie wieder in der Garage. Erst jetzt sah er es. Jemand hatte ihm die Kühlerhaube zerkratzt. Es waren drei Kratzer. Sie überkreuzten sich und bildeten in ihrer Schnittfläche ein ziemlich exaktes gleichseitiges Dreieck.
„Bülllamide“, quietschte Sina und patschte mit ihren klebrigen Händchen auf das Autodach. „Bülllamihide!“