Im Park
Hopp Galopp die Straße lang, nichts gesehen und nichts gedacht. Renne bis zur Kreuzung, rote Ampel, trotzdem weiter. 'ne Frau ruft: „He, he, was sollen das?“
Was soll schon was, frag ich mich, setz mich auf die nächste Bank. Kommt einer an, setzt sich neben mich. Der stinkt nach Schnaps und Schweiß und Alter.
„Ja, ja, ja“, sagt er. „Ja, ja, ja“, wiederholt er es noch mal, als wollt er 'ne Bestätigung. Ne, ne, ne, denk ich. Rülpst und sagt er: „So kannste das nicht sehen. Gibt immer 'ne Lösung, für alles gibt's 'ne Lösung.“ Wässrig die Augen, zitternd der Blick. Sucht was in meinem Gesicht. Steh auf und renne weiter. Will keine Lösung, für nichts. Laufe durch den Park. Auf einer Bank 'ne Frau, schaut auf den See.
„Du bist schön“, sag ich und guck sie an.
„Geh, ich will allein sein.“
„Bin auch lieber allein, aber gefällst mir eben.“
„Na und, interessiert mich nicht.“
„Muss ich wirklich gehen?“
„Na setz dich, halt den Mund und fass mich nicht an.“
„Wirklich?“
„Verdufte, los.“
„Bin schon still.“
Ihr Haar dunkel und braun und glänzt und riecht nach Vanilleeis und Sahne. Sitz in ihrem Duft, glotz sie an, sie auf den See. Wird wohl was im Blick liegen, 'ne Kraft, die irgendwie bei ihr ankommen muss, denk ich. Also alles rein in die Augen, wie schön, wie cool, wie geheimnisvoll sie ist. Einen Blick zurück nur, dann hab ich vielleicht 'ne Chance. Doch ihre Augen reden mit dem See.
„Schade, wär bestimmt was gelaufen zwischen uns.“
Ich spring auf und renne weiter.
„Spinner!“, setzt sie nach und lacht.
Bäume hoch, Licht rauscht in den Blättern, fällt herab, tanzt am Boden, schon ist es weg, ich vorbei. Ein Hündchen springt mir um die Knie, kläfft, scheint beeindruckt von so viel Energie. Der Opa an seiner Leine müht sich um Ruhe.
„Die Jugend ist schnell unterwegs. So einen Einsatz sind wir nicht mehr gewohnt, da wird das Tier nervös.“
„Schon gut“, erwidere ich, kraul den Hund am Kopf, schaut er mich selig an.
„Wohin so eilig? Spät dran oder was?“
„Bin Mönch, Laufmeditation, rennen, rennen, Klappe halten, wiedersehen.“ Ich davon, der Opa starrt hinterher, das Hündchen hüpft und winselt.
Kommt die Lichtung, darauf drei Riesen, Kronen verschmolzen zu einer. Grün leuchtet der Rasen, glänzt in der Sonne, blauer Himmel, strecken sich die drei hinein. Zusammen steinalt wie nix, fühl ich mich klein und leicht vor so viel Ewigkeit.
Im Schatten darunter ein Einkaufswagen voll mit Sachen. Sitzt einer auf dem Boden. Setz ich mich dazu. Beißt er in 'ne Wurst. Schaut mich an und legt schon los.
„Klare Luft heute. Der Blick geht spazieren. Kostet nichts. Gehört dir schon. Mitten im Leben biste hier. Im Park. Früher wohnten Götter drin. Et in arcadia ego, ein großes Helles, aber schnell, prego, prego. Heute findest du DNA im Gebüsch. Angeblich. Hab noch keine gefunden. Du etwa?“
„Keine Ahnung.“ Starre auf seinen Bart, Worte purzeln heraus, Speckkrümel hüpfen im wirren Haar.
„Und wie sieht's aus? Willst du ein himmlischer Hund werden wie ich, mit Wägelchen, Sack und Pack und stiller Klause zwischen Ginster und Holunder? Oder ein Jemand mit Karosse, Villa und Versicherung, Gier und Angst als Braut, was?“
„Keine Ahnung. Mir zu groß.“
„Zu groß, zu groß. Megalomanie. Gut gebrüllt Löwe. Das ist das Übel!“ Wurst fährt durch die Luft mit großer Geste, landet in seinem Schlund, beißt er zu, dass es spritzt.
Stille im Schatten. Die Augen trüb. Schaut er an mir vorbei. Krähen plündern einen Mülleimer. Schwarze Schnäbel fleddern, reißen Papier, suchen, stechen und hacken sich gegenseitig fort.
„Hey, mein Mittagstisch, lasst mir noch was übrig. Verdammtes fliegendes Volk. Behandelt man so einen sorgenden Mitbewohner?“ Grabscht nach einem Stein, schleudert ihn in ihre Richtung.
„Geh dann mal.“ Lass ihn sitzen mit seinen Sachen, seinem Gerede. Raus aus dem Schatten. Licht liegt auf der Wiese, dass es schmerzt im Kopf.
„Ja, ja, geh nur, geh nur, aber komm mal wieder vorbei und bring ein Nymphchen mit, hab ja auch Bedürfnisse, bin kein Heiliger, was!“, schallt es aus der Dunkelheit.
Renne zum Spielplatz, leg mich auf die Affenschaukel. Freu mich: Rasen, Bäume, Himmel, Himmel, Bäume, Rasen.
„Verpiss dich, ist unser Revier.“ Zwei Typen von links kommen in meine Sicht, meinen Rhythmus, meine Bilder. Da lässt der eine ein Messer springen. Roll mich runter und mach mich auf. Spür, wie mich einer packen will, doch schon renne ich.
“Nächstes Mal ist die Jacke futsch, Loser!“
Auf dem Weg durchs Gehölz, atemlos, doch leicht, bin entkommen und komme an, am Café am Ufer des Sees. Niemand da, noch zu früh. Setz mich hinein in die Landschaft aus weißen Tischen und Stühlen, blicke hinüber auf den See. Passiert nicht viel, keine Vögel, keine Wolken, kein Wind, kein Laut aus der Natur. Durch die Bäume rauscht die Stadt. Kommen Schritte über die Terrasse. Legt sich 'ne Hand auf meine Schulter.
„Hab dich gesucht.“
„Weiß.“
„Warst letztes Mal auch hier.“‘
„Weiß.“
Seine Hand rutscht an meiner Schulter herab, weg ist sie. Er setzt sich, stöhnt leise.
„Bringt nichts. Oder?“, frag ich.
„Was meinst du?“
„Weißt du nicht?“
„Nein. Sag du es mir.“
„Egal, schon gut.“
Kommt 'ne Ente von links auf den See geschwommen. Wenn sie hinübermacht, wird's ein guter Tag, denke ich.
„Wir hatten 'ne Vereinbarung.“
„Weiß.“
„Warum bist du wieder hier?“
„Keine Ahnung.“
„Wie soll's jetzt weitergehen?“
„Keine Ahnung.“
„Es ist dein Leben.“
„Hast doch bestimmt 'ne Lösung.“
„Du bist vierzehn.“
„Weiß.“
„Du gehst nicht zur Schule. Bist den ganzen Tag weg. Wenn ich Glück habe, finde ich dich hier. Sagst mir nicht, was los ist. Ich weiß es nicht mein Sohn. Ich weiß es wirklich nicht.“
„Was soll schon los sein? Keine Ahnung, was los ist.“