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Im Negativraum

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01.10.2002
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Im Negativraum

Ihr Herz war nicht Plus-Size. Sie war eine Speckhasserin, eine eiskalte Rettungsringzählerin. Wohlgemerkt - nicht der eigenen. Sie lud pausenlos Selfies auf Instagram hoch. In der One-Finger-Challenge zeigte sie merkwürdige Ausschnitte von Busen und Schambereich. Heiß inszeniert mit Selfiestick und Spiegel. Die Finger der anderen Hand verdeckten gekonnt, was nur erahnt werden sollte. Zensurkritik oder doch Zurschaustellung? Als das out wurde, erfand sie einen bösen, neuen Selfie-Trend. Sie grätschte am Strand ihre Beine und fotografierte sich seltsam verrenkt. Später erkannte man im hohen Dreieck ihrer Endlos-Beine ein stets unvorteilhaft fotografiertes Plus-Size-Girl. Dem Negativraum ihrer Beine konnte man tatsächlich nichts Positives abgewinnen.

 

Das ganze ist ein Drabble, also eine Geschichte in genau 100 Wörtern erzählt....

 
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"Wer hundert schafft,
schafft eine Hundertschaft."​

Wohlgemerkt[, / alternativ ein Gedankenstrich, vllt. sogar eleganter] nicht der Eigenen.

Salve centuria Petdays,

aufmerksam gelesen und gerne von Dir von

mir.

Aber zu viele Sätze für nur eine Hundertschaft Und hier

Dem Negativraum ihrer Beine konnte man tatsächlich nichts Positives abgewinnen.
schlag ich vor, ein traditionelles Foto zu schießen, auf dass es auch ein Negativ gebe ...

Tschüss

Friedel,
schon wieder ein Tagewerk vollbracht!

 
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Lieber Friedel,

Danke für deinen genauen Blick! Deinen Vorschlag mit dem Bindestrich habe ich gern angenommen.
Deine Idee mit dem traditionellen Foto gefällt mir auch gut.

Hier taucht der Negativraum allerdings auch als fotografischer Begriff auf. Damit ist der von ihren Beinen begrenzte Binnenraum gemeint. Also "die Luft" zwischen den Beinen im Gegensatz zu den Positivformen (=die Beine). Ich fürchte aber,dass den meisten Leser die Doppeldeutigkeit entgeht, weil sie nicht Fotgrafie studiert haben....

Da ist deine Lösung verständlicher. Allerdings mit einer Fokusverschiebung, die ebenfalls sehr spannend sein kann.

liebe Grüße, von der nachteuligen Pe und dir einen schönen Morgen, in ein paar Stunden. :)

Dies war meine Alternativlösung für den Drabble, weiß aber nicht, welche mir besser gefiel.

Ihr Herz war nicht Plus-Size. Sie war eine Speckhasserin, eine eiskalte Rettungsring-Zählerin. Wohlgemerkt - nicht der Eigenen. Sie lud pausenlos Selfies auf Instagram hoch. In der One-Finger-Challenge zeigte sie merkwürdige Ausschnitte von Busen und Schambereich. Heiß inszeniert mit Selfiestick und Spiegel. Die Finger der anderen Hand verdeckten gekonnt, was nur erahnt werden sollte. Zensurkritik oder doch Zurschaustellung? Bald erfand sie einen eigenen Selfie-Trend. Einen bösen. Sie grätschte am Strand ihre Beine und fotografierte durch sie hindurch, seltsam verrenkt.Später erkannte man im hohen Dreieck ihrer Schenkel unvorteilhaft fotografierte Plus-Size-Girls. Doch konnte man tatsächlich manch Positives erkennen - im Negativraum ihrer Beine.

 

Ich noch ma',

centuria,

beide Fassungen haben was - wobei mir natürlich leid tut, dass ich nicht nachgezählt hab (Du kennst bestimmt die Weisheit, "es gibt drei Sorten von Mathematikern, die einen können bis drei zählen"), aber hier meine Begründung:

Die erste Abweichung find ich im zwoten Satz, wenn die vormals zusammengeschriebene

eiskalte Rettungsringzählerin
auseinander gerissen wird zur
Rettungsring-Zählerin
wobei sich bei mir gerade mal zwo Tage nach nach den Wiedervereinigungsfeierlichkeiten das Brandt'sche Wortgeflügel, da wachse zusammen, was zusammen gehöre, in den Sinn kömmt. Zahl der Rettungsringe und Zählende sind doch eins - oder?

Die zwote Variation über ein Thema find ich dann hier (alt)

Als das out wurde, erfand sie einen bösen, neuen Selfie-Trend. Sie grätschte am Strand ihre Beine und fotografierte sich seltsam verrenkt.
und umgestellt
Bald erfand sie einen eigenen Selfie-Trend. Einen bösen. Sie grätschte am Strand ihre Beine und fotografierte durch sie hindurch, seltsam verrenkt.
Statt der vergleichenden Konjunktion ("als") nun das Adverb "bald" - wobei der Vergleich zugleich eine zeitliche Struktur geradezu outet und darum tiefer wirkt als ein schlichtes "bald", ein Mangel, der durch die Wandlung des Attributes mitsamt des "neuen" Adjektivs (kurze Geschichten können durch Begrenzung der Adjektive bis hin zur reinen Askese nur gewinnen, wobei ein notwendiges Maß durchaus berücksicht werden muss, sollte doch niemand verschweigen, dass er die Artenvielfalt incl. der bedrohten Wortarten und Wörter kennt und anzuwenden weiß, wobei das verbliebene Adjektiv nicht einfach zur Apposition erniedrigt, sondern zur eigenständigen Ellipse erhöht wird, ohne dass ein sechster Philipp von (W)Andalusien gegen (Kat)Alanen - ehemalige Völkerschaften, die bis ins 8. Jh. hinein germanistische Töne statt des heutigen Vulgärlatin formten. Das gefällt nun an der ander-en Fassung.

Nun, schließen wir den kleinen Reigen ab, denn

Endlos-Beine
gefallen trotz der vermeindlichen Trennung, durchaus besser als bloße
Schenkel
, an denen der Leser gar nicht erst an "Beine bis zum Himmel" denken kann, die Phantasie des Lesers gar nicht erst beansprucht wird.

An der letzten Variation gefällt nun besser, weil nun dem Positiven gegenüber dem "Negativraum" der Vorrang gewährt wird.

Fazit:
Ein Werk, das durchaus seinesgleichen sucht und mit Größeren als Dear und mir konkurrieren kann, mit Rilke und Herrn Sloterdijk

„Durch alle Wesen reicht der eine Raum:
Weltinnenraum. Die Vögel fliegen still
Durch uns hindurch. O, der ich wachsen will,
Ich seh hinaus und in mir wächst der Baum.“
Rilke​

Mit vorzüglicher Hochchtung

Dante Friedchen

 

Nur eine Kleinigkeit, petdays. (Ist ja auch ein kleiner Text):

Sie war eine Speckhasserin, eine eiskalte Rettungsringzählerin. Wohlgemerkt - nicht der Eigenen.

Die Ellipse lese ich sinngemäß so: Sie zählte – wohlgemerkt – nicht die Eigenen Rettungsringe.
Und dass hier zwei Substantive aufeinanderfolgen, kann wohl nicht in deiner Absicht gelegen haben. Also besser das Adjektiv eigen Adjektiv sein lassen und entsprechend kleinschreiben.

Ansonsten? Nun ja, zumindest weiß ich jetzt nicht nur, was ein Drabble ist (ein literaristischer 100-Kalorien-Snack quasi), sondern darüber hinaus auch, dass es so was wie die One-Finger-Challenge gibt. (Was mich einmal mehr in meiner Überzeugung bestätigt, dass z.B. der Katzenvideo-Hype noch lange nicht den Gipfel kollektiven www-Schwachsinns darstellte.) :D


offshore

 

Hey petdays, schön, dein kleiner bissiger Text.
Mir gefällt die erste Version übrigens eindeutig besser. Und zwar gerade wegen des Negativraums. Und dem fiesen Fazit am Schluss. Ich hab zwar keine Ahnung vom Fotografieren und mir war natürlich nicht wirklich klar, dass es ein fotografischer Begriff ist und was er genau bedeutet, aber ich hab mir das irgendwie im übertragenen Sinne als das nicht deutlich Sichtbare, aber zu Erahnende zurechtgelegt und fand das Spiel mit positiv/negativ und seinen Bedeutungen einfach gelungen.

Wunderbar bösartig und unmoralisch. Und wenn ich demnächst (hoffentlich nicht) von einer Horde Selfie-Tätern von einer Mauer geschubst werde, werde ich zum Trotz wenigstens noch im Sturz hämisch deinen Drabble vor mich hindeklamieren.

 

@ Friedel, ich bin jedes Mal beeindruckt, wie genau du liest und wie komplex du deine Sätze "schachteln" kannst. Ja manchmal ist er doch sehr schön - der böse Schachtelsatz.

@ Ernst, danke fürs Lesen, deinen Korrekturvorschlag hab ich gleich eingebaut.
@ Novak, freut mich, dass dir das böse geschichtchen gefallen hat.

 

Hi petdays,

erst wollte ich dir einen 100-Worte-Kommentar schreiben. Dann hab ich gemerkt, dass die verdammt schnell um sind. Also, Respekt!

MS Word zählt 101 Wörter. Ich denk noch, das kann nicht sein. Dann seh ich, dass er den Gedankenstrich als eigenes Wort zählt. :rolleyes: Also, was soll ich sagen, ich bin beruhigt. Dieses Programm kann halt manches nicht.

Bei Negativraum hab ich zuerst gedacht: Nennt man das nicht Dunkelkammer? Und unter One-Finger-Challenge hab ich mir was Versaute(re)s vorgestellt. :D Nachgeschlagen und wieder was gelernt.

Das mit der Zensurkritik ist genial!
Mir gefällt die Version unter #1 auch viiiel besser als die Alternative unter # 4.

Was haben wir früher eigentlich anstelle von Selfies gemacht? Grübel ...

Also, danke für die Geschichte!

LG, Anne

P.S. Gestern vom Nachwuchs einen auf meinen Namen ausgestellten Mitgliedsausweis geschenkt bekommen: Pink, im Scheckkartenformat. Drauf steht: "Die Besitzerin dieser Karte ist Mitglied im 'Club der alten Schachteln'. Bitte sprechen Sie langsam, laut und deutlich und leisten Sie Hilfestellung in Situationen des täglichen Lebens, z. B. beim Überqueren von Straßen."

 

Hi Anne,

was für eine schöne Idee: ein 100 Wörter-Kommentar. Dass Word Gedankenstriche als Wort zählt, ist ab jetzt ein wichtiger Punkt für mich beim Drabbleschreiben. Darauf wäre ich NIE gekommen. Weil ich alles in Papyrus schreibe und Word nur benutze, um Texte in das für Wettbewerbe oft erforderliche Doc-format umzuwandeln. Danke, dass Du deine Beobachtung mitgeteilt hast! :)

Und unter One-Finger-Challenge hab ich mir was Versaute(re)s vorgestellt. Nachgeschlagen und wieder was gelernt.
:lol:

Die pinke Karte könnte ich auch schon bald bekommen.....:D

LG, Pe

 

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