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Im Namen Gottes
"Ich danke euch vielmals, mein Herr!", bedankte sich die Bauerfrau freudig während der Mann sein blutiges Schwert mit einem weißen Lumpen säuberte.
Vor ihm lagen die Leichen zweier Männer, die soeben mit dem Schwert im Namen Gottes gerichtet wurden.
Sie hatten vorgehabt, die Frau zu vergewaltigen und beim Versuch bereits verletzt. Man sah ihr deutlich an, dass sie sich hart gewehrt hatte und nur dank der Hilfe der beiden Jungen, die sie offensichtlich begleiteten, lang genug durchhalten konnte bis zu ihrer Rettung durch den Schwertführer. Auch das Erscheinungsbild der Jungen ließ auf einen Kampf schließen, denn ihre Kleidung hatte mehrere Schnitte und darunterliegende Wunden.
Eine Gräueltat wie die der Banditen brach das Gesetz Gottes und die Aufgabe eines Ritters war es, dieses mit seinem Leben zu verteidigen und zu bewahren. Der König hatte schon lange die Kontrolle über seine Ländereien verloren. Vogelfreie und Räuber bluteten die Dörfer aus und terrorisierten selbst Kleinstädte, welche nur dürftig Schutz durch Wachmänner aufbringen konnten. Der Weiße Orden, der direkt Gott unterstellt war, so hieß es, sandte seine Ritter aus, um durch die Grafschaften zu pilgern und das Gesetz Gottes dort zu schützen, wo es der König nicht mehr vermochte.
"Wie ist Euer Name, mein Herr?", fragte die Frau mit demütiger Haltung und doch so voller Erleichterung.
"Gesalbter Roy Hornstätt", antwortete dieser mit monotoner Stimme und ließ seine Klinge dabei wieder in die dazugehörige Scheide gleiten.
"Ihr habt zwar schon so viel für uns getan", begann die Frau zu reden und blickte dabei kurz zu den zwei Jungen, die noch immer verängstigt vom Kampf schienen, "aber wäre es Euch vielleicht möglich, uns mit nach Grüchstal zu nehmen? Mein Mann ist tot und diese Gegend verloren. Hier werden wir nichts mehr finden außer Leid!"
"Ich bin die Hand Gottes. Kein Reisebegleiter", klärte dieser auf, wobei er versuchte seine steinerne Miene aufrechtzuhalten. Es fiel ihm nicht leicht, die Bitte der Frau so abzuschmettern, doch der Orden war streng in der Ausführung seiner Arbeit.
"Ich bitte euch! Wenn ihr uns nicht nach Grüchstal begleitet, dann bringt uns zu einem Eurer Tempel und wir werden dort bei den Arbeiten helfen! Ich kann in die Küche und mein Sohn hat seinem Vater immer im Stall geholfen!", flehte die ramponierte Bauernfrau den gesalbten Ritter an.
"Was ist mit ihm?", hakte Gesalbter Hornstätt direkt nach, ohne dabei auf die Aussagen der Frau einzugehen und zeigte auf den zweiten Knaben, "was kann dieser Junge für das Hause Gottes tun?"
"Sein Vater war Maurer. Solche braucht ihr doch bestimmt. Bitte, er ist Waise!", erklärte die Bäuerin.
Roy Hornstätt beäugte die beiden Jungen genau. Sie waren recht junge Knaben. Etwa um die 16 Jahre, wie es ihm schien. Die Frau und die beiden Jungen waren wie viele Andere in diesen Zeiten auf der Flucht. Sie in ihrem momentanen Zustand alleine weiter ziehen zu lassen, würde wohl ihren Tod oder noch Schlimmeres bedeuten. Überfälle wie diese waren nun mal keine Seltenheit. Fuchstorn war ein akzeptabler Kompromiss. Neue Hilfskräfte für das Haus Gottes konnte er guten Gewissens zu eben jenem führen.
"Gut. Ihr werdet im Tempel Gottes nahe Fuchstorn arbeiten", setzte der Ritter an, "wenn ihr schwört, im Lichte des Herrn keiner Sünde verfallen zu sein und auch weiterhin der Reinheit Gottes Treue zu halten."
"Ja, ja!", versicherte die Bäuerin eifrig, woraufhin auch die Jungen miteinstimmten.
"Wenn wir schnell marschieren, können wir binnen dreier Tage schon in Fuchstorn sein. Also haltet euch ran", forderte Hornstätt seine neuen Weggefährten auf und richtete anschließend sein Wort gezielt an die Bäuerin, "und Ihr steigt mit aufs Pferd. Wir sind sonst wegen Euch nur unnötig langsamer."
Am zweiten Reisetag machte die kleine Gruppe Halt an einer verlassenen Scheune, um dort die Nacht zu verbringen.
Gesalbter Hornstätt schlief zuerst. Er wollte, dass die Jungen ihn nach einiger Zeit ablösten, doch geweckt wurde er letztendlich durch deren Lachen.
Sie befanden sich außerhalb der Scheune, wie der Ritter schnell feststellte und so schnappte sich dieser sein Schwert, um nach draußen zu gehen und die Jungen von ihrer Wache abzulösen.
Als er jedoch die Scheune verließ, traute er seinen Augen nicht. Die zwei Jugendlichen saßen dort, angelehnt an einem alten Baumstamm, und küssten sich innig.
"Was ist hier los?", zischte der Ritter aufgebracht und die Jungen sprangen erschrocken auf.
"Bitte, Herr! Es... Wir... das ist nicht so--", versuchte einer der Beiden sich mit zittriger Stimme zu erklären, während der andere undeutliche Worte stammelte, wobei immer wieder "Herr" und "Bitte" herauszuhören waren.
"W-was ist hier denn los?", fragte die Bäuerin verschlafen, die jetzt ebenfalls hinzustieß, nachdem sie von dem Lärm geweckt wurde.
"Wusstet Ihr es?!", schelte der Ritter nun lauthals in Richtung der Frau, die mit müdem und verwirrtem Blick versuchte, die Lage zu verstehen.
"Alexander, Absatz 12 Vers 5 besagt, dass es keine Liebe zwischen Männern geben darf, die der zwischen Mann und Frau gleicht!
Nicht nur, dass ihr im Lichte Gottes eure Reinheit und Freiheit von Sünden fälschlicherweise bekundet habt, nein, ihr habt auch noch die heiligen Gebote des Herrn gebrochen", warf der Ritter seinen ehemaligen Reisebegleitern zornig vor.
"Es sind nur zwei Jungs, die eine Dummheit begangen haben! Bitte, habt Gnade!", flehte die Bäuerin den Gesalbten an, während sie auf die Knie ging und die Hände betend zusammenfaltete. Ihr stiegen bereits die ersten Tränen in die Augen.
Roy hasste Augenblicke wie diese, in denen der vermeintlich klare Pfad, den Gott ihm wies, so verschleiert schien. Er blickte hin und her zwischen den furchtergriffenen Knaben und der flehenden Bäuerin. Das Gesetz Gottes forderte zwar eine Strafe für ihre Sünde, doch Roy wollte sie nur ungern vollziehen. Noch eben hatte er diese Menschen im Namen Gottes beschützt und jetzt sollte er sie richten? Ihnen gegenüber die Gerechtigkeit Gottes geltend zu machen, fiel ihm weitaus schwerer als bei den unbekannten und in seiner Vorstellung dämonenhaften Vergewaltigern.
"Gott ist gnädig", antwortete Roy Hornstätt mit brüchiger Stimme und erntete einen verunsicherten Blick der Witwe, "doch ich bin gerecht im Namen Gottes."
Er drehte sich wieder um und griff nach seinem Schwertknauf. Seine Schwerthand wurde von einem unwohlen Kribbeln erfüllt. „Für die Gerechtigkeit Gottes“, murmelte Roy. Seine Stimme war dabei nicht von Überzeugung erfüllt, sondern es hörte sich vielmehr danach an, als er würde er es sich selbst einreden wollen. Hornstätt zog seine Klinge.