Was ist neu

Im Konsum gibts Bananen (DDR-Alltag)

Mitglied
Beitritt
08.06.2003
Beiträge
49
Zuletzt bearbeitet:

Im Konsum gibts Bananen (DDR-Alltag)

(Mein Beitrag zum 13. Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands)

Eigentlich war dieser Tag bisher ein ganz normaler für Elvira gewesen.
Sie war so wie an jedem Tag um 5 Uhr von ihrem Mann geweckt worden. Der zehnjährige Jörg durfte noch weiterschlafen, weil er es ja schon seit langem gewohnt war, sich am Morgen selbst um sein Frühstück zu kümmern, bevor er in die Schule ging.
Bevor sich Elvira an die schwierige Aufgabe machte, ihren 4-Jährigen Dirk zu wecken, schaute sie selbst, so wie meist, unausgeschlafen aus dem Fenster der sechsten Etage ihrer Neubauwohnung und sah unten an der Straßenbahnhaltestelle schon jede Menge Leute, die alle das gleiche Schicksal teilten.
Schon einige Muttis warteten mit ihren Jüngsten im Kinderwagen, um einen Platz in der meist voll besetzten Straßenbahn zu ergattern, um die Kleinen dann in irgendeiner Kindereinrichtung, vielleicht am anderen Ende der Großstadt tagsüber unterzubringen.
Da Elvira nun gesehen hatte, dass es den anderen Müttern ebenso erging wie ihr, verschwand der Rest Selbstmitleid, den sie eben noch empfunden hatte.
Der kleine verspielte Dirk war heute noch besonders verschlafen.Trotzdem war es ihr gelungen, nachdem sie ihn im Kindergarten abgeliefert hatte, wenigstens nur 5 Minuten zu spät, also 6.35 Uhr ziemlich abgehetzt an ihrem Schreibtisch zu sitzen.
Eigentlich machte ihr die Arbeit ja Spaß, sie hatte die Schadensfälle ihrer Firma zu regulieren, hatte viel mit Versicherungen und Privatleuten zu telefonieren und stand arbeitsmäßig nicht unter besonderem Druck, da in der Zeit des DDR-Regiemes die Menschen einfach gewöhnt waren, dass sie lange warten mussten, um etwas reguliert zu bekommen.
Die Anfragen an die Versicherungen blieben auch ewige Zeit unbeantwortet, es hatte im Zeitalter ohne Computer und Faxe alles eine lange Bearbeitungszeit.
Elvira hatte aber von sich aus das Bestreben immer alles schnell vom Schreibtisch zu kriegen und es belastete sie schon sehr, wenn durch Krankheit der Kinder für einige Zeit alles liegenblieb oder die anderen Kolleginnen die Arbeit dann für sie tun mussten.
Zum Glück hatte sie vor einem Jahr ihr Frauensonderstudium zum "Ingenieurökonom" abgeschlossen und auch bestanden.
Jetzt war der Alltag etwas "ruhiger" geworden. Nun gab es "nur" noch die Vollbeschäftigung, die Kinder, den Haushalt, den Garten. Elviras Mann hatte in diesen Jahren nicht viel von seiner Frau, aber er hatte gar keine Zeit darüber nachzudenken, weil er selber voll mit eingespannt war.
Es gab zu dieser Zeit, das war vielleicht etwas Positives, nur wenige Scheidungen. Die Familie war einfach froh über die gezählten gemeinsamen Stunden dieser Zeit. Zum Streiten fehlte einfach die Zeit und die Lust. An den Wochenenden warteten die alternden Eltern und Schwiegereltern darauf, dass die junge Familie ihnen ein paar schwierige Handgriffe abnahm.
Für eine Zeit ganz in Familie blieb eigentlich nur der Urlaub.
So sah der Alltag von Elvira in ihren besten Jahren aus. Doch zwischendurch gab es auch manchmal ein paar kleine Höhepunkte. Zum Beispiel dann, wenn im Büro das Telefon klingelte und eine freundliche Stimme an der anderen Seite sagte: "Im Konsum gibt`s Bananen!!!"
Dann ließ Elvira alles stehen und liegen und raste in den Betriebkonsum, um sich in die "Schlange" zu stellen. Diesen Platz verließ jede der Frauen erst dann, wenn entweder die Bananen alle waren oder wenn man einige von den heißersehnten Südfrüchten ergattert hatte.
Während der restlichen Arbeitsstunden, auf der Heimfahrt begleiteten Elvira die schönen Gefühle der Vorfreude, die dann ihren Höhepunkt erreichten, wenn die beiden Söhne mit strahlenden Augen die Bananen verzehrten.

3.10.2003

 

Jaaa, sogar die Straßenbahnen waren in der DDR immer voll besetzt, nichts ging richtig, alles war Scheiße. :rolleyes:

Zum Streiten fehlte einfach die Zeit und die Lust.
Blödsinn. Ehrlich.
Für eine Zeit ganz in Familie blieb eigentlich nur der Urlaub.
Was ist daran "typisch" DDR? Das ist doch überall so. Ich geh auch 40 Stunden in der Woche arbeiten und sehe meine komplette Familie für längere Zeit nur am WE und im Urlaub.

Die obligatorische Banane durfte natürlich nicht fehlen. Bist Du in der DDR aufgewachsen, oder woher beziehst Du Deine Infos? Also ich hab die Zone ganz anders in Erinnerung. Vieles war beschissen, aber es lies sich durchaus gut dort leben.
Übrigens: mein Kindergarten war 10 Minuten zu Fuß entfernt, dito meine Schule (und ja, es gab mehrere Schulen und Kindergärten in der Stadt).

Elias: die "schmerzende Einengung bei der Meinungsfreiheit" hat jahrelang kaum jemanden gestört. Das kann man also in so einen Text gar nicht wirklich einfließen lassen. Dafür reicht die Form der Kurzgeschichte einfach nicht aus.

Ex-Ossi Webmaster

 

Ich habe die Story wegen dem Titel angeklickt: Bei uns in Ösi-Land gab´s eine Genossenschafts-Supermarktkette namens „Konsum“. Ging vor einigen Jahren wegen Unfähigkeit des Managements mit Milliarden-Verlust baden... Kein Problem: Wozu zahlen wir Steuern? :rolleyes:
Zur Geschichte: Als durchaus Interessierter finde ich an dem Text kaum etwas, das man nicht auch auf Österreich (und wohl auch BRD) in den 70er/80er Jahren münzen könnte. Bevor es Computer gab, dauerte alles viel länger, stimmt – war aber auch bei uns so! Genau so wie die Doppelbelastung Beruf/Familie.
Beim Schluss musste ich lachen: Hat so was von alten Filmschinken an sich, wenn der kleine Igor oder Jacques nach Emörika kommt und leuchtende Augen bekommt, weil hier alles sooo viel toller ist! :D
Bananen waren früher übrigens auch für uns Luxuswaren. Nicht, weil es sie nicht gab, sondern, weil wir sie uns nicht leisten konnten. Mag sein, dass es sie in der DDR wirklich kaum gab – aber ob ich von Bananen nur träumen kann, weil sie nicht vorrätig sind, oder deshalb, weil man kein Geld hat, kommt auf das Gleiche raus, oder?
Tja, ich kann leider nichts Gutes zu deiner Geschichte schreiben. Deine sicher guten Absichten in Ehren: Der Text ist bestenfalls eine banale Alltags-Episode der DDR, ohne auf irgend eine Weise spezifisch für Land/Zeit zu sein. Und gerade das sollte meiner Meinung nach im Vordergrund einer solchen Geschichte stehen, Genossen. :)

 

hallo stauni,
also ehrlich gesagt klingt deine geschichte (ich stimme elias zu: ist eher eine situationsbeschreibung) für mich so, als hättest du sämtliche klischees bemüht, die du kennst: bananen, grauer alltag, wenig scheidungen... leider ist die geschichte weder witzig (hätte ja sein können, wenn du ein wenig übertrieben hättest -> s. sonnenallee) noch trostlos - nur langweilig, weil lieblos geschrieben - finde ich. ich schätze mal, du kommst nicht aus dem osten, oder? sonst hättest du mehr details bemüht und wüßtest auch, daß bananen nicht das einzige glück der menschen waren!

 

Danke für Eure Reaktionen!
Ich hatte diese so erwartet. Für eine Kurzgeschichte fehlt echt noch allerhand. Meine "Geschichte" ist tatsächlich nur banaler Alltag, ohne Übertreibung, ohne Erwartung einer tollen Resonanz.
Dass ich diese Erinnung so aufschrieb, wie ich sie damals tatsächlich empfand (denn ich lebte im Osten und bin kurz vor dem Mauerfall bei einer Besuchsreise im Westen geblieben), lag wahrscheinlich an dem "Tag der deutschen Einheit". Die Erinnerungen kochten mal wieder hoch.
Auf alle Fälle werde ich einige der Hinweise beachten und künftig mehr den Kurzgeschichten-Charakter einfließen lassen.
Dass Bananen nicht das ganze Glück sind, ist ja klar, aber an diesem speziellen Tag war es einfach so.
In unserer Stadt konnte man zu dieser Zeit keinen bestimmten Kindergarten aussuchen. Ich bin mit meinen Söhnen 2 Jahre durch die ganze Stadt gefahren (3 Std. Fahrzeit am Tag).

 

Hallo Stauni,
herzlich willkommen auf der kurzgeschichte.de. Schön, dass du dich dieses Themas zum Jahrestag der Wiedervereinigung angenommen hast. Du versuchst, den DDR Alltag einer Familie aufzuzeigen. Allerdings schilderst du für meinen Geschmack zu sehr, und erzählst zu wenig. Man erfährt zu wenig, was in den Menschen vorgeht, du schilderst nur die äußeren Handlungen. Das ist für eine Geschichte zu wenig. Deine Geschichte klingt mehr wie eine Dokumentation.
Ich würde dir raten z.B. mehr wörtliche Rede einzubauen, der eine Satz von den Bananen ist schon ein Anfang. Aber wer ruft da an, was hat derjenige für ein Motiv das Elvira zu sagen? Was denkt Elvira konkret, wenn sie ihren kleinen Sohn aus dem Bett zerren muss. Was sind für Sehnsüchte in den Menschen? Wie kann den Menschen der PC oder der Fax fehlen, wenn sie ihn nicht kennen? An dieser Stelle hört sichs an wie ein Rückblick, und man wird aus der Geschichte gedrängt. Beschränke dich doch auf ein Thema, z.B. die Situation am Arbeitsplatz, oder der Konflikt mit den Kindern. So könnte es eine feine Geschichte werden.
Nur Mut!
Aufmunternde Grüße! Marion

 

@ Stauni
Ich denke, der wichtigste Schritt ist denkbar einfach: Versuche so zu erzählen, dass zB ich, der ich Österreicher bin, ein Bild von der DDR erhalte. Du gehst von deinen Erfahrungen aus - da liegt der Hase im Pfeffer! Was für dich völlig klar ist, muss für deinen Leser noch lange nicht verständlich sein, zumal bei einem Thema, das viel Lokalkolorit verlangt. Denn wie gesagt: Abgesehen von ein paar Details ließe sich der Text auf die BRD oder Österreich genau so gut ummünzen.

Noch ein Tipp: Denke darüber nach, was du erzählen möchtest, etwa eine ganz bestimmte Episode. Dann hast du einen roten Faden, dem du folgen und an de. du viele kleine Details aufknüpfen kannst! Das ist für den Leser viel interessanter als diese Allgemeinplätze in deinem Text, wo du mal dies, mal das ansprichst, ohne Zusammenhang untereinander.

 

Soso, die Ostalgie hat also auch schon KG.de erreicht. Ich hab schon nen Leserbrief an RTL geschrieben, mit dem Vorschlag einer "3. Reichs-Show". Jeder zieht seine alte SS-Uniform an und dann wird in Erinnerungen an die schöne Zeit in der HJ und den Urlaubsreisen in den Osten, geschwelgt.

@Stauni : Ich bin nicht in der DDR aufgewachsen, deswegen ist mein Eindruck wohl etwas verfälscht. Aber die Atmosphäre die dort geherrscht hat,und die Du in Deiner Story aufbaust, stelle ich mir genau so vor(auch wenn ich sie nie selbst erlebt habe).

 

Wäre vor 50 Jahren jemand darauf gekommen, den Alltag im nationalsozialistischen System darzustellen?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Marion, Rainer und Elias!
Eure Diskussionen gefallen mir. Sie zeigen mir, dass der Stoff, den ich gewählt habe gut ist, aber ich muß ihn noch "färben" und zu einem "Kleid" zusammennähen.
Danke, ich bin noch ziemlich neu und "lernfähig"

Hallo Klein-Literat! vor 50 Jahren wäre natürlich kaum einer auf die Idee gekommen, noch davor erst recht nicht.
Aber wir leben 2003!!!!

 

@elias, @stauni

1. Warum gibt es denn dann keine "Ultimative BRD-Show"?
Wieso sollen die "West"deutschen nicht auch von ihrem Alltag erzählen?
2. Wisst ihr überhaupt wirklich noch, wie der Alltag war?
Dass Du Dich nicht getraut hast, die Fresse aufzumachen?
Dass Du der Loser warst, wenn Du kein Pionier oder in der FDJ warst?
Dass Du einfach mal nicht das studieren durftest, was Du wolltest, weil Du gewisse politische Richtlinien nicht eingehalten hast?
Dass Du nicht mal wusstest, ob Du Deinem Ehepartner vertrauen kannst?
Dass Du zur Spatentruppe oder ins Gefängnis kamst, wenn Du den Wehrdienst verweigert hast?
Dass Du Angst um Deine Kinder haben musstest, wenn Du nur einen falschen Gedanken gedacht hast?
Was es wohl für ein Gefühl ist, in der Akte zu lesen, dass gute Freunde DICH ausspioniert haben?

Okay, ich weiß, es gehört nicht hierher, aber es (Entschuldigung) kotzt mich an, dass die Leute eine gewisse "Ost"algie ins Leben gerufen haben. Ja, "es war nicht alles schlecht", aber das heißt noch lange nicht, dass alles super-gut war.
Auch eigene subjektive Erinnerungen können Tatsachen nicht leugnen oder sind Arbeitslager und politische Gefängnisse etwa nur die Auslegung und Interpretation meiner Erinnerungen und Phantasien?

Um wieder zum Thema zu gelangen. Die Geschichte ist flach, ohne Hintergrundwissen und einfach ohne Sinn. Wenn die Protagonistin wirklich so viel Stress mit Kind und Kegel hätte, wäre sicher eine aufmerksame Nachbarin auf die Idee gekommen, ihr Bananen mitzubringen. Denn dass es Tricks gab, die Verkäuferin hinters Licht zu führen oder zu bestechen, habt Ihr wohl auch schon wieder alle vergessen, oder?

Liebe Grüße aus dem schönen Dresden

 

...Heute kommt man in Deutschland immer noch ins Gefängnis, wenn man den Wehrdienst und Ersatzdienst verweigert...
Ich sehe keine Problematik darin über etwas zu schreiben, egal was es ist. Alles was geschieht und geschehen ist, oder was man sich in seiner Fantasie ausmalen kann, kann ohne Probleme aufgeschrieben werden... solange es keine Propaganda oder Verherrlichung von Tabuthemen ist...
Oder siehst du etwas schlimmes darin, dass Eric Blair 1984 geschrieben hat? Die Gesellschaft, die da beschrieben wird, ist genauso, oder, wenn man das so vergleichen kann, sogar eher schlimmer als die NS-Zeit. Warum sollte man darüber nicht schreiben? Bist du gegen das Schreiben von Krimis, da dort Morde passieren?
Ich finde es ziemlich lächerlich in unserer relativ aufgeklärten Gesellschaft immer noch mit der Tabu-Fahne zu schwingen. In dem Moment, wo man das tut, will man nämlich das Recht des anderen auf freie Meinungsäußerung beschneiden... (sofern Tabus nicht verherrlicht/propagandisiert werden) Ich war fünf als die Mauer gefallen ist und bin Wessi, hab also keine Ahnung. Ich finde es nur ziemlich nervtötend, wenn immer wieder Leute künstliche Tabus errichten wollen. Tabus sind nämlich immer kontraproduktiv...

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom