Was ist neu
Mitglied
Beitritt
19.01.2015
Beiträge
119
Zuletzt bearbeitet:

Im Jeep

Todesangst! Früher habe ich nicht gewusst, was dieses Wort bedeutet. Klar verstand ich seine Komponenten, hatte einen Begriff von „Tod-sein“ und von „Angst-haben“. Doch alles, was ich mir dazu vorstellte, zu wissen glaubte, gesehen habe, stammte aus Filmen, aus Büchern, bestenfalls aus Nachrichtenbildern. Jetzt weiß ich, wie selig ich früher gewesen bin.

Ich sitze in einem Jeep, wir fahren über eine staubige Piste und mir klopft das Herz bis zum Hals. Wir fahren schnell. Überall können sie sein. Jederzeit, jeden Augenblick, jede einzelne Sekunde können sie auf uns schießen, von irgendwo und überall. Ich sehe nicht hin. Ich schaue nicht in die abgebrannte und nun rasende Landschaft links und rechts von uns, suche nicht mit den Augen den Horizont ab, um vielleicht frühzeitig eine verdächtige Bewegung zwischen den schwarzverrußten Autoskeletten zu entdecken oder einen lebendigen Schatten hinter einem der aufgedunsenen Pferde- oder Rinderkadaver. Ich will das nicht sehen, will das nicht wissen. Ich sehe starr nach vorn, auf den staubigen Weg, der keine Straße ist, und konzentriere mich ganz auf das Pochen in meiner Brust und meinem Kopf.

Wir alle im Fahrzeug sind stumm. Wir starren alle geradeaus. Auf die Spur aus doppelten Profilmustern, die uns zu unserem Ziel bringen wird. Schon viele anderen müssen vor uns dort angekommen sein, sind vor uns dort angekommen. Das sagen uns diese Spuren. Und wir müssen es auch schaffen, müssen, müssen einfach! Ja, ich weiß es, will es wissen, wir schaffen es, wir kommen auch an. Dort ist es … Was auch immer dort ist, sicher sei es nicht, sagen die, die schon einmal dort gewesen und zurückgekehrt sind, nicht unbedingt sicher. Aber sicherer. Als dort, wo wir waren, wo wir herkommen und als hier, wo wir gerade sind, im Staub der verbrannten Erde. Im Krieg.

Wo wir herkommen war es … Ich kann nicht daran denken. Ich werde mich nicht umdrehen. Wenn Blut auf Kleidern trocknet, hinterlässt es sehr dunkle Flecken. Es überdeckt die Muster und die Farben, macht aus Stoffen Lumpen. Wenn Blut auf Händen trocknet, pellt es nicht ab oder schält sich. Es bleibt und trocknet und kann nur weggewaschen werden. Meine Fingernägel sind schwarzverkrustet. Ich wünsche mir jetzt eine kleine Bürste, mit der ich meine Hände und meine Nägel schrubben kann und schrubben, bis wieder Leben in ihnen ist und bis es schmerzt, so sehr schmerzt, dass überall wieder Leben einkehren kann.

Ich merke, dass ich ins Stieren geraten bin. Keine Augen geschlossen, denn hinter den Lidern wohnen die Bilder, die Bilder, die niemals … Nicht geschlossen, nur gestiert, auf den grauen Weg vor uns und dabei abwesend geworden. Als ich das merke durchzuckt es mich sofort und ich reiße meinen Blick wieder auf, mein Puls fährt hoch, in meinen Kopf, kein Stieren kann ich mir jetzt leisten, jetzt noch nicht, denn noch fahren wir, noch sind wir nicht am Ziel und noch leben wir. Oh ja, ich lebe! Und ich schaue nach vorne. Nicht nach links und rechts, in die Angst hinaus, wo Tod ist und überall das Grau und ein Grauen, die Schädel eingeschlagen, Leiber aufgeschlitzt, Arme und Beine abgehackt, Kinder vergewaltigt und Frauen. Nein, da schaue ich nicht hin. Denn noch lebe ich.

 

Eine kurze Erläuterung:
Dieser Text ist eine Schreibübung. Ich habe mich jetzt mehrfach dabei ertappt, wie ich mich unter den Texten anderer echauffiert habe, dass diese einem großen und schwierigen Thema und den damit verbundenen Emotionen meiner Meinung nach nicht gerecht werden. Von diesem Punkt ausgehend habe ich mir die Frage gestellt: Wie kann man sowas überhaupt machen? Wie sagt man das Unsagbare, das gesagt werden muss? Und da dachte ich mir: nicht nur lamentieren, sondern selbst probieren.

Der Text versteht sich somit als eine Übung. Ich weiß nicht , ob mir die Umsetzung hier gut oder im Vergleich zu meiner eigenen Kritik besser gelungen ist, als die Texte das Thema beackert haben. Daher möchte ich ihn auch für Kritik freigeben und möchte auch wirklich wissen, ob ich mich nicht vielleicht auch mit dem Thema überhoben habe. Vielen Dank!

 

Hallo heiterbiswolkig!

Also ich finde den Text schon ziemlich gut, die Emotionen sind auf jeden Fall drin. Und gerade dieses offene, dass jemand nicht dran denken mag, sagt mehr, finde ich, als die schrecklichsten Beschreibungen.

Beschreibung: Vielleicht könntest du den Text noch stärker verorten. Wer hat da Angst? Wo genau fährt der Jeep (Wüste, Stadt?) Du schreibst von Tierkadavern und Autowracks. Das könnte überall sein.
Und: wer hat Angst?
Das finde ich wichtig für eine Identifikation, damit diese Angst den Leser noch mehr packen kann.

Die Überschrift finde ich grauenvoll (wenn ich das mal so sagen darf), weil absolut nichtssagend. Bzw. irgendwie musste ich an "Toyota" und Autowerbung denken.
Ich fürchte sogar, dass die Überschrift mir den Einstieg in die Geschichte erschwerte, einfach weil ich mir "sonstwas" erwartete, aber nicht das.
Warum nicht "Flucht"? - Oder anders.

Soweit mein Eindruck!

Gruß
Runa

 

Hallo heiterbiswolkig,

ich habe ehrlich gesagt ein Problem damit, zu verstehen, worauf du mit deiner Schreibübung genau hinauswillst:

Dieser Text ist eine Schreibübung. Ich habe mich jetzt mehrfach dabei ertappt, wie ich mich unter den Texten anderer echauffiert habe, dass diese einem großen und schwierigen Thema und den damit verbundenen Emotionen meiner Meinung nach nicht gerecht werden. Von diesem Punkt ausgehend habe ich mir die Frage gestellt: Wie kann man sowas überhaupt machen? Wie sagt man das Unsagbare, das gesagt werden muss? Und da dachte ich mir: nicht nur lamentieren, sondern selbst probieren.

Also mir ist der Text zu schwammig. Es entstehen schon Bilder, aber mir fehlt die Substanz, der ich diese zuordnen könnte. Sprich: Es schießen viele Bilder daher, aber ich weiß im Grunde nicht, worum es geht. Somit entstehen da auch keine Emotionen. Oder ist es genau das, worauf du abzielen möchtest, nämlich Schlimmes möglichst nüchtern auszusprechen, ohne dass dabei Gefühle geweckt werden, ohne dass die Leser polarisieren? Oder bin ich vollkommen auf dem falschen Dampfer? Vielleicht könntest du das noch einmal konkretisieren?

Wie gesagt, der Text an sich vermittelt Bilder, für mich darüber hinaus aber nicht mehr.

Dort ist es …

Das mit den Auslassungspunkten hast du öfter im Text. Sollte es logisch sein, was da hin soll? Falls ja, dann verstehe ich die Handlung einfach nicht. Falls sie nur zum Nachdenken anregen sollen, so ist das bei mir nicht gelungen.

Dann höre ich ein Surren. Nein! NEIN! Doch. Es kommt schneller näher als ich …

Ist das das Ende deines Protagonisten? Sterben als Ich-Erzähler?

Also, heiterbiswolkig, vielleicht war ich einfach die falsche Zielperson für dein Experiment und andere können damit mehr anfangen. Ich warte lieber auf deine nächste Alltags-Kurzgeschichte. ;)

Gruß,
rehla

 

Hi Heiterbiswolkig,

nettes Experiment. Bis zum dritten Absatz konnte ich folgen, dachte ich weiß auf was du hinaus willst. Danach jedoch hats mich rausgeschmissen. Geistig.
Eine Frau, weiß nicht wie ich auf Frau komme, verarbeiten auf dem Weg von irgendwo nach irgenwo ihre grausamen Erlebnisse. Ich liebe soche Wortspielerein, allerdings sollten sie immer wieder kurz ein reales Bild abgeben, an dem sich der Leser orientieren kann, sein Bild behält. Das habe ich leider nach dem dritten Absatz verloren.

Dann höre ich ein Surren. Nein! NEIN! Doch. Es kommt schneller näher als ich …

den Satz würde ich weglassen. Ein offenes Ende, das Stieren der Protagonistin ohne jede weiter Regung, nur der Galopp der Gadanken, würde besser kommen.

Aber wie gesagt, ist sehr subjektiv. War jedenfalls mutig, dein Experiment,, vielleicht versuche ich so etwas auch mal :)

LG BRM

 

Hi!

Ein großes Problem in dem Text ist die Erzählstimme: Jemand erzählt, während er gerade Todesangst hat

.Todesangst! Früher habe ich nicht gewusst, was dieses Wort bedeutet. Klar verstand ich seine Komponenten, hatte einen Begriff von „Tod-sein“ und von „Angst-haben“
Wirklich? Das denkt er, während er Todesangst hat?
Klar verstand ich seine Komponenten
.... Das halte ich für sehr unwahrscheinich, das nehme ich dir nicht ab und damit läuft der restliche Text voll ins Leere.

Ich halte den Text auch nicht für mutig. Ich vermute, du warst nie im Krieg, du hast dir aus Nachrichten, Filmen und Büchern (die fehlt ein n nach Bücher) zusammengebastelt, wie eine Szene aussehen könnte, aber das hat so wenig Persöniches und ist so beliebig, dass es mich nicht berührt. Der Prot. hat keine greifbare Geschichte, ahnt bloß, wo er hinfährt, ja, das ist mir alles ziemlich egal und um dem Leser Todesangst zu vermitteln, reicht es bei weitem nicht. Dazu müsste man Angst um das Leben des Prot. haben, aber den kennt man ja gar nicht.

Wenn Blut auf Kleidern trocknet hinterlässt es sehr dunkle Flecken. Es überdeckt die Muster und die Farben, macht aus Stoffen Lumpen.
Das ist der einzige gute Satz in dem Text. Frag dich mal, was ihn vom Rest unterscheidet und überlege dir, wie du die Stärken dieses Satzes für neue Texte nutzen kannst.

Lollek

 

Nein, da schaue ich nicht hin. Denn noch lebe ich.

Ja aber,

liebe Unwetterfee,

nur so könntestu hinschauen!

Todesangst! Früher habe ich nicht gewusst, was dieses Wort bedeutet.
Etymologisch kommt die Angst aus der Enge – im umgelauteten Plural der Ängste schimmert klanglich die Enge durch und wird sogleich im Superlativ aufgestellt – eng – enger - am engsten. Individuell mag das Beispiel des sich anzeigenden Herzinfarktes die tatsächlich Etymologie belegen: Er kündigt sich mit einem bENGenden Gefühl in der Brust an und erzeugt –
Todesangst, zumindest Angst zu sterben (denn am Ende dieses Lebensvorganges steht das buchstäbliche Nichts. Aber ich lass mal den Epikur außen vor, gelt?) Aber liestu Deine Schreibübung (ist das auch eine Stellungnahme zu Marais kleiner Geschichte?) nicht noch mal Korrektur?

Kommas und vor allem Pluralendungen haben’s da in sich

Klar[,] verstand ich seine Komponenten, … // Doch alles[,] was ich mir dazu vorstellte, …, stammte aus Filmen, aus Bücher[n], bestenfalls aus Nachrichtenbildern. // … zwischen den schwarzverrußten Autoskelette[n] zu entdecken // … hinter einem der aufgedunsenen Pferde- oder Rinderkadaver[…]. // Schon viele andere[…] müssen vor uns dort angekommen sein, … // Wenn Blut auf Kleidern trocknet[,] hinterlässt es sehr dunkle Flecken. // Wenn Blut auf Händen trocknet[,] pellt es nicht ab …

Eine missglückte Metapher
…, Arme und Beine abgeha[c]kt, …
wo doch das Leben abgehakt wird.

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo in die Runde,
vielen Dank euch fürs Lesen und Kommentieren dieses kleinen Experiments .


Hallo Runda,
du hast völlig recht, möchte man das ganze zu einer „echten“ Geschichte ausbauen, dann fehlen Hintergrundinfos und Handlung. Aber in diesem Experimentierzustand wollte das „wer, wie, wo“ bewusst offen lassen.
Auch beim Titel stimme ich dir zu, den finde ich selber auch nicht so dolle. Wobei ich denke mit „Flucht“ o.ä. Klingt es schon wieder so melodramatisch. Danke dir fürs Lesen! :)


Hallo rehla,
ja – eine kleine feine Alltagsbeschreibung ist es dieses Mal nicht geworden, das stimmt. ;)

Es schießen viele Bilder daher, aber ich weiß im Grunde nicht, worum es geht. Somit entstehen da auch keine Emotionen.
Diesen Eindruck finde ich sehr interessant: Ich versuche eine hochemotionale Situation zu beschreiben und es gelingt mir eher genau das Gegenteil. Vielleicht ist das Fazit davon, dass „meine Sprache“ das so nicht kann? Oder vielleicht geht das auch wirklich nur mit „mehr“ Geschichte, funktioniert nicht als „Schlaglicht“? Hmhm …
Das mit den … soll übrigens eine Form des Unsagbaren/Undenkbaren andeuten. Ich habe es ja auch teilweise konkretisiert:
Wo wir herkommen war es … Ich kann nicht daran denken.
Danke dir, dass du es trotzdem gelesen hast! :)


Lieber BRM,
auf „Frau“ kommst du vielleicht, weil diese Perspektiv-Sache beim ich-Erzähler ja schon öfter Thema unter meinen Texten war? Ich denke, das nicht vorhandene „reale Bild“ schlägt in die Bresche der allgemein fehlenden „Geschichts-Bestandteile“, wozu ich oben schon etwas geschrieben habe.
Jedenfalls stimme ich dir (und auch rehla) zu und habe den letzten Satz jetzt gelöscht, da hast du völlig recht, dass das ohne viel besser ist.
Danke auf jeden Fall für deinen Zuspruch! :)


Hallo Lollek,
es tut mir leid, dass dich mein Experiment nicht überzeugen konnte – aber genau das wollte ich ja wissen, daher habe ich mich sehr über deine Meinung gefreut, vielen Dank!
Ich sehe einige Punkt anders als du, vor allem das hier, finde ich sehr interessant:

um dem Leser Todesangst zu vermitteln, reicht es bei weitem nicht. Dazu müsste man Angst um das Leben des Prot. haben
Muss ein Leser wirklich Angst um einen Prot. haben? Das würde ich anders sehen, ich finde ein entsprechendes Szenario dann gelungen bzw. lesenswert, wenn die Angst des fiktiven Prot. Für mich spürbar und greifbar wird. Aber ich habe nicht Angst um diese Gestalt. Aber ja, wie gesagt, es scheint mir so weder das eine noch das andere gelungen zu sein. Zu dem bewussten Weglassen weitere Handlungsinfos habe ich ja oben schon etwas geschrieben.
Danke für deine Meinung! :)


Hallo Friedel,
zunächst einmal danke für deine Hinweise! Ich habe die Korrekturen bereits vorgenommen.
Bezüglich der „Angst vor dem Tod“ wollte ich nicht unbedingt einen etymologischen Ansatz wählen und, ja, hatte mich nach langem Überlegen auch gegen Epikur oder sonst einen antiken Bezug entschieden. Erschien mir dann doch irgendwie unpassend.
Weitere Punkte habe ich ja bereits aufgegriffen.
Danke dir, für deine Zeit, lieber Friedel! :)

Bisheriges Fazit: Ich habe schon sehr viel gelernt, danke euch fürs Mitteilen eurer Meinung!

Die sonnigsten Grüße
von heiterbiswolkig

 
Zuletzt bearbeitet:

Mit der Todesangst...das stimmt,was du sagst, man muss nicht Angst um die Figur haben, um Todesangst der Figur spurbar zu machen....
optimal ist, wenn beides gelingt. Wenn mir was am Prot liegt und ich ihn deshalb nicht an den Tod verlieren will und ich gleichzeitig seine Angst spüre. Das meinte ich.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo heiterbiswolkig,

Ein interessanter Versuch!
Deine Frage: Wie werde ich einem grossen und schwierigen Thema und den damit verbundenen Emotionen gerecht?"

Ich denke, es bleibt immer nur bei einem mehr oder weniger gelungenen Versuch, wenn man nicht selber eine solche Situation, wie Du sie beschreibst, erlebt hat. Wie kann ich die Gefühle der Todesangst beschreiben oder für andere sichtbar und spürbar machen, wenn ich sie nicht selber erlebt habe?
Sogar Menschen, die in einer solchen Situation drin waren, haben Mühe ihre Gefühle zu beschreiben.

Aber das heisst natürlich nicht, dass wir es nicht versuchen sollen.

Liebe Grüsse
Marai

 
Zuletzt bearbeitet:

Eine kurze Erläuterung:
Dieser Text ist eine Schreibübung. Ich habe mich jetzt mehrfach dabei ertappt, wie ich mich unter den Texten anderer echauffiert habe, dass diese einem großen und schwierigen Thema und den damit verbundenen Emotionen meiner Meinung nach nicht gerecht werden. Von diesem Punkt ausgehend habe ich mir die Frage gestellt: Wie kann man sowas überhaupt machen? Wie sagt man das Unsagbare, das gesagt werden muss? Und da dachte ich mir: nicht nur lamentieren, sondern selbst probieren.

Der Text versteht sich somit als eine Übung. Ich weiß nicht , ob mir die Umsetzung hier gut oder im Vergleich zu meiner eigenen Kritik besser gelungen ist, als die Texte das Thema beackert haben. Daher möchte ich ihn auch für Kritik freigeben und möchte auch wirklich wissen, ob ich mich nicht vielleicht auch mit dem Thema überhoben habe. Vielen Dank!


Hey heiterbiswolkig,

finde die Einstellung gut, auch wenn ich alle Texte hier als 'Übung' sehe, sonst würd man ja auf die Idee kommen, sie irgendwo einzuschicken.

Ich glaube, das Unsagbare kann man am besten sagen, indem man es aus der Abstraktion holt und es so persönlich und individuell wie möglich macht. Also, anstatt so Schlagworte wie "Todesangst" erklären zu wollen, sollte man sie darstellen und vielleicht wäre es ganz klug, nicht in den einleitenden Sätzen versuchen zu erklären, was da folgen wird - das geht meistens nicht gut.
Dieses "ich wusste nicht, was x ist, bis ich es WIRKLICH" erlebt habe - das ist kein neuer Gedanke, das ist wie "ach, ist es schön zu atmen", wenn man wieder mal Schnupfen hat. :P

Du entwirfst hier ein Szenario, im Grunde könnte das alles mögliche sein, Kalter Krieg 2.0, Vogelgrippe rottet die Menschheit aus, die Zombies sind auf dem Vormarsch, die Aliens greifen an, Erdöl geht aus, eine Terrorgruppe hat die Welt erobert - das sind so viele Möglichkeiten und keine wird eingekreist, so dass ich einen Bezug zu dem Thema finde und eine Beziehung zu den Figuren aufbauen kann. Figurenzeichnung ist enorm wichtig, wenn du Emotionen erzeugen willst - es wäre schon ganz gut, wenn wir ein paar Informationen zur Figur hätten, was hat sie in diesem Szenario schon alles verloren, wieso hat sie noch Hoffnungen, wieso will sie noch in so einer Welt leben? Das sollte man auch nicht direkt in einen (inneren) Monolog packen, sondern indirekt beschreiben, diese indirekten Beschreibungen kriegt man auch meist durch Interaktion mit anderen Figuren hin.

Den gewählten Stil finde ich anstrengend, weil er Vieles wiederholt und die Wiederholungen sind zwar bewusst gesetzt, aber die Funktion verstehe ich hier nicht ganz. Wenn man schon so eine derart kurze Geschichte schreibt, muss da eigentlich jedes Wort mit Bedacht gewählt werden und unnützes (sowie ich deine Wiederholungen sehe) müssen gestrichen werden.

Es ist enorm schwierig Angst in einem Text zu vermitteln und dann noch Todesangst ... hmm, also das kriegst du wirklich nur über deine Figuren hin, es gibt da keinen magischen Trick, da gibts kein: Schreib das so und setz hier ein Adjektiv und dann empfindet der Leser Angst, nein, der Leser muss Angst um deine Figur haben und sich in sie hineinversetzen können, muss denken, das könnte ich auch sein. Dazu musst du eben deine Figur charakterisieren, um beim Leser Empathie zu triggern.


JoBlack

edit: ich sehe schon, ich wiederhole teilweise Lollek, aber ja ... nun hast du es doppelt. :)

 

Bezüglich der „Angst vor dem Tod“ wollte ich nicht unbedingt einen etymologischen Ansatz wählen und, ja, hatte mich nach langem Überlegen auch gegen Epikur oder sonst einen antiken Bezug entschieden. Erschien mir dann doch irgendwie unpassend.

Ich noch mal,

liebe heiterbiswolkig!

Meine Mutter hat sich bei starkem Gewitter in den Keller zurückgezogen. Sie hatte immer noch Angst vor den Bomben der Alliierten.
Alle meine Hunde verkrochen sich zu den Jahreswechseln. Ich bin kein Hubertusjünger. Darum wurd ihnen die Angst vor Knall und Donner nicht abgewöhnt und sie verkrochen sich, schon wenn ein Gewitter oder Silvester sich ansagte.
Wenn barbarische Völker gegen den Feind antraten, machten sie erst viel Lärm, den Gegner einzuschüchtern. Ihre Furcht-erregen-sollende Maskerade gewann erst an Eindruck, wenn man sich Aug in Aug gegenüberstand oder verkrüppelt oder tot auf dem Felde lag.

Hätten wir also das Geknalle als Angstmacher abgehandelt.

Warum schreib ich das, denn es ist mir schon beim ersten Beitrag klar gewesen, dass es Dir um Emotion, nicht Bedeutung ging/geht. Aber reine Emotion lässt sich nicht darstellen, dafür hängen Sprache und Bewusstsein viel zu enge zusammen (und Du gibst doch zu, bewusst geschrieben zu haben, oder?) Denn worin, wenn nicht in seiner Sprache ent-äußert sich das Bewusstsein des Sprechenden/Schreibenden, das natürlich durch Wut und Angst getrübt sein kann.

Kann man Angst trainieren?

Nee! Die ist von allem Anfang da, eben angeboren und beginnt immer im Plural der Verlustängste. Durch Erziehung, wird nun der eine oder die andere meinen, aber Zucht (= Erziehung) verstärkt schlimmstenfalls nur, was eh schon da ist und durch vernünftige Erziehung eher gedämpft, denn verstärkt werden sollte. Am Straßenrand nach rechts und links zu schauen kann durchaus lebenserhaltend sein. Andere Regeln sind blödsinnig, wie etwa, Gesslers Hut zu grüßen, was dann aber für die meisten lebenserhaltend erscheint, bis eben einer nicht nur die Regel beseitigt, sondern aus eigenem Selbsterhaltungstrieb Gessler gleich mit.

Durch den Ausdruck „Todesangst“ bleibt die Angst, wie alle Angst, was sie ist: Unbestimmt! Sie kennt kein Objekt. Oder stirbt man, weil man todmüde ist? Todkrank ist da schon eine andere Dimension. Freund Hein wärmt sich da gerade auf, legt sich zum Kranken ins Bett. Hat ja keine wärmenden Fettvorräte.
Aber solang’s dabei bleibt, stirbt man halt und solang einer stirbt, lebt er doch, wenn auch unter denkbar ungünstiger Bedingung. Der Todfeind kann auch schon mal todbringend sein, ist es aber in der Regel nicht.
Aber zurück zum todmüde, denn da wird der Tod als Vorsilbe entlarvt: Er steht für das sich da bescheidener gebende Adverb „sehr“. Man ist also mehr als sehr müde, sehr krank, einander sehr feind. Tod... ist der Elativ zu sehr ängstlich, müde, feind.

Und Du simulierst eben, dass Du „sehr“ viel Angst hast. Vor Lärm. Viel Lärm um nichts. Wenn man vorm Panzer steht, muss man nicht so sehr dessen Kanone, als dessen Besatzung fürchten mit ihren Handfeuerwaffen. Tanathophobie ist was anderes als Todesangst. Aber da kann dann auch kein schlichter Betriebswirt mehr helfen. Dafür wäre eine andere Fakultät zuständig.

Gruß und schönes Wochenende vom

Friedel

 

Hallo Marai,
Danke für deinen Kommentar. Ich stimme dir völlig zu:

Sogar Menschen, die in einer solchen Situation drin waren, haben Mühe ihre Gefühle zu beschreiben.
Ich denke, dass ist mit jeder extremen Emotion so. Wahrscheinlich waren fast alle Menschen schon einmal verliebt und immer immer wieder wird darüber geredet, geschrieben, gesungen. Ist es also nur legitim etwas Extremes darzulegen, was doch eigentlich, wie ich versucht habe in meinem erläuternden Eingangskommentar darzulegen, unsagbar ist, wenn man glaubt, es selbst schon erlebt zu haben? Ich denke nicht.

Lieber JoBlack,
danke für deine intensive Auseinandersetzung mit dem Text.
Wie ich in meinen Antworten zu den vorherigen Kommentaren bereits schrieb verstehe ich gut, wenn bei dieser Form bzw. diesen Inhalten vielleicht ein anderes Format der Geschichte gewählt werden muss, handlungsorientierter und mit mehr Charakterzeichnungen. Das habe ich hier nicht getan, sondern mich für einen anderen Weg entschieden.

der Leser muss Angst um deine Figur haben und sich in sie hineinversetzen können, muss denken, das könnte ich auch sein. Dazu musst du eben deine Figur charakterisieren, um beim Leser Empathie zu triggern.
Dass ich das teilweise anders sehe habe ich ja auch bereits in meiner Antwort auf Lollek geschildert. Darüber hinaus möchte ich anmerken, dass ich erfreulicherweise nicht sehr umfänglich mit dem Fluch der Empathie geschlagen bin. Von daher sind „große Gefühle“ vielleicht einfach wirklich nicht mein Stoff, das kann ja sein. Ich bin aber absolut froh, es probiert zu haben! :)

Ich denke übrigens letztendlich sind auch Texte, die man irgendwo einschickt nur Übungen und auch vollendete und publizierte Bücher sind nur Übungen – sonst würde man sich ja gar nicht weiterentwickeln, oder? ;)

Lieber Friedel,
ich bin mir nicht sicher, dass ich wirklich verstanden habe, worauf du mit deinen assoziativen Darlegungen hinaus möchtest. Lass mich noch ein Beispiel hinzufügen:
Der Arzt sagt zum Patienten: Sie haben Krebs.
Darf man sich da als nicht-Betroffener anmaßen zu beurteilen, ob der Patient in diesem Moment Todesangst hat? Oder nur seine Verunsicherung, seine vage und diffuse Mulmigkeit dafür hält? Will sagen, ist das nicht ein unfassbar subjektives Gefühl? Ich denke also nicht dass es darum gehen kann zu sagen „Meine Todesangst ist besser/stärker/größer/authentischer als deine Todesangst“.
Was mir gar nicht behagt ist deine Anmerkung:

Und Du simulierst eben, dass Du „sehr“ viel Angst hast.
Sprichst du hier von meiner Figur? Ich gehe mal stark davon aus, denn mich kannst du ja wohl kaum gemeint haben …

In diesem Sinne grüßt euch alle herzlich
die heiterbiswolkig

 

Okay, heiterbiswolkig,
nachdenklicher Text. KG im eigentlichen Sinn ist das ja auf keinen Fall.

Gut gefällt mir immer seine solche "Konstruktion":

(...) Doch alles, was ich mir dazu vorstellte, zu wissen glaubte, gesehen habe, stammte aus Filmen, aus Büchern, (...)

Ich weiß, dieses "zu wissen glaubte" gefällt nicht jedem und wird wahrscheinlich nicht gerne gelesen: Mir gefällt ist. So herrlich unscharf!

Der Rest der Geschichte: Handwerklich in Ordnung aber ehrlich gesagt kaum eine Notwendigkeit, nach 1-2 Absätzen weiter zu lesen. Vielleicht liegt es aber daran, dass mir das Thema "Krieg" und "Todesangst" nie zusagte.

Trotzdem: Weiter so, schön, deine Beiträge hier zu finden!

Gruß, Freegrazer

 

Hallo und sorry, Freegrazer,
fast wäre mir dein Kommentar "entwischt". :)

Es freut mich, dass dir die Unschärfe zusagt und besonders freut es mich, dass du mich ganz allgemein ermunterst weiterzumachen. Danke schön!

Es grüßt dich sonnigst
die heiterbiswolkig

 

Lieber Friedel,
ich bin mir nicht sicher, dass ich wirklich verstanden habe, worauf du mit deinen assoziativen Darlegungen hinaus möchtest. Lass mich noch ein Beispiel hinzufügen:
Der Arzt sagt zum Patienten: Sie haben Krebs.
Darf man sich da als nicht-Betroffener anmaßen zu beurteilen, ob der Patient in diesem Moment Todesangst hat? Oder nur seine Verunsicherung, seine vage und diffuse Mulmigkeit dafür hält? Will sagen, ist das nicht ein unfassbar subjektives Gefühl? Ich denke also nicht dass es darum gehen kann zu sagen „Meine Todesangst ist besser/stärker/größer/authentischer als deine Todesangst“.
Was mir gar nicht behagt ist deine Anmerkung:
Und Du simulierst eben, dass Du „sehr“ viel Angst hast.
Sprichst du hier von meiner Figur? Ich gehe mal stark davon aus, denn mich kannst du ja wohl kaum gemeint haben …

Doch, doch, es geht um die Distanz zwischen Wirklichkeit und Abbildung der Wirklichkeit – ob nun ein Foto, das an der Wand hängt, nun XY sei oder nur ein Foto von XY, ob in Schriftform oder anderen Künsten.

Über etwas schreiben ist etwas anderes, als etwas erleben. Da ist mehr Distanz zwischen als nur Finger, Kopf und (Schreib-)Werkzeug. Aber ohne Distanz ginge es überhaupt nicht, denn was käme zu Papier, ließe der Autor Emotionen den Vorrang vorm Kopf?,

liebe heiterbis –
ich ahne dunkle Wolken, eine gekrauste Stirn und hochgezogene Brauen.

Aber eine gar nicht indiskret gemeinte Frage: Brach Dir beim Schreiben über „Todesangst“ der Angstschweiß aus?

Wenn doch –
als gewesener Mitarbeiter im Gesundheitsunwesen weiß ich, dass der Dialog „der Simulant von Zimmer … ist gerad gestorben“ und der Antwort „der muss es auch immer übertreiben“ real ist, selbst in Cafeterien, die für Besucher und Patienten zugänglich sind. Und doch wirkt er für die meisten Zuhörer wie ein Witz. Wenn auch dann selbst erlebt.

Wenn wir schreiben „X hat Prüfungsangst“ oder „Y stirbt tausend Tode, wenn er zum Zahnarzt muss“, so gibt es bestenfalls einen Ausschnitt der Wirklichkeit wieder, wie wir Autoren es sehen, denn was ist, wenn der Simulant von Zimmer 123 stirbt?

Die sprachliche Vorsilbe „tod/Tod(es)“ steigert nun mal nur das gemäßigtere „sehr“, dabei würde „sehr“ ängstlich schon „ziemlich viel“ bedeuten (Du siehst, wie vorsichtig ich werde, indem ich wider meine Natur statt des reinen Konjunktivs eine würde-Konstruktion verwende, ich will’s mir mit Dir nicht verderben). Wobei mir nun das Gefühlsleben eines Kühlschranks nachgesagt wird und das gilt auf jeden Fall, wenn ich schreibe.

Anderes Beispiel: Wer schriebe für Dich den besseren Bericht, die bessere Erzählung über einen Aufstand, einen Anschlag, ein Kriegsgeschehen – der inmitten des Tohuwabuhus drinsteht oder der es von außen beobachtet? Und selbst wenn einer mitten drinsteht (und wenn er mit einem Jeep führe), schreiben wird er erst nachträglich, nach dem Ereignis. Was schon die erste Distanz verursacht. Erinnerung ist nie 1:1 abgebildet. Das Phantombild nie derTäter.

Ich weiß nun nicht, ob das verständlicher ist, als der vorherige Beitrag (wenn ich behaupte, Todesangst wird durch Geräuschkulisse und die Vorstellung über ihre Ursache erzeugt.) Das ist am deutlichsten im Hinweis auf die Assoziatiom Gewitter – Bombardement im vorigen Beitrag angerissen.

Gruß

Friedel,
bei dem gerade der Himmel sich arg verdunkelt … Welchen Einfluss haben Wetterfeen und -frösche aufs Wetter?

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom