Was ist neu

Im Haus von Frageist Separant

Seniors
Beitritt
18.08.2002
Beiträge
1.976
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Im Haus von Frageist Separant

"Kommst du herein, schöner Prinz?", sagt es sanft.
"Wer bist du?", frage ich. Oder vielmehr bilde ich mir ein, zu fragen.
"Gut ist, dass du fragst, aber kenne ich die Antwort? Magst du mich nicht einfach 'Frageist Separant' nennen? Kommst du nicht herein? Ist dieser Raum nicht für dich bestimmt?"
So sehr ich mich auch bemühe, ich bekomme den Schleier nicht von meinen Augen und die Pfropfen aus meinen Ohren. Es ist wie im Traum. Es ist ja auch ein Traum, muss es sein.
Trotzdem hätte ich gerne gewusst, was mich da in dieses eigenartig dekorierte Zimmer führt, so sanft, aber dennoch bestimmt und keine Widerrede duldend. Ich hätte gerne gewusst, unter wes Fingerzeig ich meinen Hut an den Haken werfe, es mir auf der Couch bequem mache und stumm daliege. Es ist vielleicht falsch, von einer Frage eine Antwort zu erwarten...

Ein Türschlag holt mich in die Wirklichkeit zurück, die Frage ist verschwunden. Dafür taucht eine neue auf und stellt sich mir: Wo bin ich? - Na in einem unbekannten Zimmer, wo sonst. Ich muss mich arrangieren.
Mein Kopf schmerzt, ich wünsche mir Aspirin. Sofort öffnet sich eine Tür in der Wand, so eine Art Lastenaufzug, metallenes Dingsbums mit Augen schwebt mir entgegen und serviert mir mit seinem drahtigen Arm ein Glas sprudelndes Wasser. Ich staune. Wozu die heutige Technik doch fähig ist... Und ein Wunsch alleine genügt, das nenne ich Service. Konnte bisher nur davon träumen, denn meine Frau schien einfach zu nichts in der Lage zu sein, außer vielleicht zu einer dermaßen geschwollenen Sprache, dass es einem in den Ohren weh tat.
Der Trunk beseitigt nicht nur meine Kopfschmerzen, sondern erfrischt mich zusätzlich. Ich wünsche mir einen Spiegel, um mich zu begutachten. Tür öffnet sich, Dingsbums kommt, und ich bin immer noch genauso schön wie vorher.
Nur die eigenen Bewegungen will man mir noch nicht abnehmen. Aber das tut mir nicht leid. In Forscherkreisen geht das Gerücht um, eine Bewegung hie und da erhöhe die persönliche Lebenserwartung. So stehe ich auf, gehe zu einer der beiden Türen, die zu meinem Zimmer führen, und drücke auf die Klinke. Doch sofort bekomme ich einen kleinen Stromschlag und ich ziehe die Hand zurück. Das Dingsbums baut sich vor mir auf und heißt mich mit seinen - jetzt wütenden - Augen, von jeglicher Berührung der Gegenstände Abstand zu nehmen. Mit seinen zierlichen Händchen wedelt es abweisend, will wohl sagen, dass die Tür verschlossen sei. Als ich mit gehobenen Brauen nachfrage, weist es mir mit seinem Zeigefingerchen die Tür gegenüber. Soso, diese Tür ist wohl nicht verschlossen?

Nein, ist sie nicht, und ich staune sehr, als ich ein großes Badezimmer betrete. Die Fliesen sind in einem ruhigen Türkis gehalten. Der Fußboden, auf dem ich barfuß gehe, ist angenehm warm. Die Wanne! Das Wasser in diesem üppigen Bassin - zwei hätten bequem drin Patz - sprudelt und dampft, lädt mich ein zu einem entspannenden Bad. Oh, wie angenehm! Ich schließe die Augen. Allmählich wird auch der Raum von einer wogenden und schwellenden Musik erfüllt. Ganz berauscht von Glücksgefühlen, dass dieser Augenblick doch ewig dauern möge. Aber... die Zeit vergeht; ein verdammtes Plick-plick-plick von Wassertropfen erinnert mich daran. Es kommt vom gegenüberliegenden Waschbecken, wird immer lauter und ebnet meine Laune auf ein enttäuschendes Maß zurück. Ja, wie ein Dirigent langsam irrsinnig wird, wenn hinter ihm das mutterlose Bubi aus der ersten Reihe mit seiner Schellentrommel den falschen Takt angibt, so kann auch ich es bald nicht mehr aushalten und verlasse mein Paradies...

Ts. "Treten Sie ein, schöne Prinzessin?", formulierte es jeden Satz als Frage, und ließ mich mit meinen Problemen im Stich. Von dannen ist er nun, dieser "Frageist Separant", die mich in dieses schöne Zimmer geführt hat. Es ist genau das Zimmer, wie ich es mir zeit meines Lebens gewünscht habe, das ich aus Tausenden, ja, gar Millionen Ähnlicher zu meiner Wohnstatt auserkoren hätte. Des Raumes Wände sind so kunstvoll mit Bernstein besetzt, die Regale voller Bücher, überm Kamin ein Aquarell. Das Bild zeigt einen alten Bettler. So trübt es etwas die wundervolle Atmosphäre in diesem Bernsteinparadies. - Ich entledige mich meines Mantels und hänge ihn an das Hirschgeweih neben der Tür. - Das Gesicht kommt mir sehr bekannt vor, woher kenne ich es?
Ja, ich kenne jemanden, den ich sehr geliebt habe. Aber meine Liebe fand ich nicht erwidert. Hat mir mit Genugtung Leid bereitet, mein Mann. Das Bild jedoch log. Mein Mann war ganz und gar kein Lump wie dieser. Er war ordentlich und rechtschaffend. Er genoss seine Schönheit und sonnte sich in jedem Spiegelbilde. Er stolzierte aufrecht über Stock und Stein, die Nase gegen den Himmel gerichtet. Meinem Mann würde das Bild sicher nicht gefallen.
Aber da! die Bücher. Ich liebe die Lektüre sehr, besonders von alten, französischen Chefs-d'oeuvre. Oh, welch ein Traum: St.-Exupéry, Sartre und Camus; ich will Euch lesen, allesamt.
Aber noch nicht, tut mir leid. Ich werde der beiden Türen ansichtig; die Flamme der Neugier züngelt geheimnisvoll in mir hinauf. In gespannter Erwartung schreite ich zur Rechten. Sie ist jedoch verschlossen, und das Schlüsselloch entbehrt eines Schlüssels. Ich zögere, aber schließlich fasse ich mir ein Herz und luge hindurch. Doch da ist nichts, nur ein Gefühl von Blindheit ergreift meine Augen; Rauch? - Hallo! rufe ich in plötzlicher Hysterie, Hilfe! Feuer, Sie fallen den Flammen anheim! Ach, ich denke Unsinn, auch das war etwas, weshalb ich meinen Mann anzuwidern schien. Ich überlege nicht lange und drehe mich zur anderen Tür herum, welche sich, wie ich die Klinke drücke, als offen herausstellt.

Stickige Wärme empfängt mich im Bade, als hätte es schon jemand anders benützt. Ein Bad ist jedoch genau das, was ich gebrauchen kann, denn ich fühle mich nicht wohl, sondern klamm und schmutzig. Und sieh da, das Wasser ist noch ganz warm und transparent! Eigenartig, dieser Jemand muss ein recht kurzweiliger Genosse gewesen sein. Mein Mann war ganz anders: Nächte, in denen wir Hochzeit machten, pflegte er immer gebührlich auszukosten.
Ich lege meine Kleider ab - nicht ohne vorher die Schlüssel beider Türen zweimal herumzudrehen - und lasse meinen Körper ins Wasser gleiten. Und sogleich, ich mag es kaum glauben, erklingt eine liebliche Musik in meinen Ohren, in der alle meine Sorgen sich lösen wie Zucker in schwarzem Tee. Von vollen Tönen begleitet, sinke ich gar tiefer in das herrlich sprudelnde Wasser hinein.
Zwar bemerke ich von irgendwoher ein Plick-plick, doch ist es beileibe so, dass Wasserhähne manchmal tropfen...

Ich verfluche immer noch den Wasserhahn, während ich mich anziehe, um vom Bad in mein Zimmer zu flüchten. Dann ließe ich mir doch lieber in aller Ruhe eine Havanna ans Bett bringen. Es gibt schließlich viele Wege, wie mensch genießen kann. Ich schlüpfe in die Pantoffeln und in den Abendmantel (Was für ein Service!), und gehe wieder in meine Hochburg des Müßiggangs. Dingsbums ist schon da; es hält mir eine fette Lady entgegen. Danke, Dingsbums.
Auf dem Weg zum Bett bleibe ich stehen. Ist es nur Einbildung? Oder hatte wirklich jemand um Hilfe geschrien? Es kommt von der anderen Tür. Ich gehe hin und gucke durchs Schlüsselloch. Alles ist grau, es ist so, als ob ich blind wäre - es ist also nicht grau, ach ich weiß nicht. Ist es Rauch? - Na egal, sollen sie doch alle verbrennen, die Nichtsnutze!
Die Zigarre ist köstlich. Das Nikotin fleucht durch mein Gehirn, umwirbt jede einzelne Zelle, denn sie hatte schwer gearbeitet in den letzten Jahren der Bankierstätigkeit. Ja, mein Leben war ein ganzer Erfolg. Wird's hoffentlich auch weiter bleiben. Man muss den Frauen nur hin und wieder einen Klaps geben, dann klappt das schon ganz ordentlich.
Allmählich werde ich neugierig: Steht das Nachbarzimmer wirklich in Flammen? Man kann es nicht sagen, gerochen hat es jedenfalls nicht. Ich erhebe mich, um ein zweites Mal durchs Schlüsselloch zu gucken. Aber drüben ist jetzt alles dunkel. Der Raum wird von einem seitlichen Lichtschein schwach erhellt. Eigenartig, ganz eigenartig. Dann drücke ich die Klinke - und bekomme wieder einen Stromschlag. Dingsbums schickt sich an, mir die Tür zu öffnen; ich weiß nicht ob es sieht, wie ich genervt mit den Augen rolle.

Ich trete in das Zimmer. Herrje, wie kitschig und verträumt, schade, dass es kein Brand gewesen ist. Hier würde es meinem Weib bestimmt gefallen. Kaum habe ich das gedacht, da sticht mir schon der Mantel am Haken in die Augen. Den hat meine Schwiegermutter, diese hässliche Olle, ihr zum Geburtstag geschenkt, und wurde von da an jeden Tag getragen - sogar im Sommer. Widerlich! Und was bitte ist das da?! Welcher Kunstbanause maßt sich an, ... - Dies Bild sollte nicht länger ganz bleiben, sagte sich eine meisterkitschige Blumenvase vom Beitisch und handelte dementsprechend.
Der Kamin ist nicht an, aber Holzscheite liegen daneben. Ich nehme ein paar vom Stapel, werfe sie auf die Feuerstelle und ein entzündetes Streichholz hinterdrein. Tja, es geht doch nichts über ein angenehmes Feuerchen! Früher hatte ich immer Feuerchen gemacht. So waren wir auch irgendwann das leidige Problem mit dem Gartenschuppen los...

Nach dem Bad fühle ich mich wieder frisch und sauber, eben halb wie eine Jungfrau. Mein Geist tanzt immer noch im Takt der euphorischen Musik, und mein Herz macht Luftsprünge. Ganz beschwingt und neu erfahren tänzele ich vor dem großen Spiegel in der Nische herum, probiere meine Kleider an, als wären sie gerade erst erstanden, und ich fühle mich wahrhaftig wie eine Prinzessin, wie die Frage mich nannte.
Ich bekomme einen kleinen Schreck, als ich in mein Zimmer zurückzukehren gedenke. Sie bietet sich gegen mich auf, die unverschämte Tür. Hm, was mach ich nur? Aber vielleicht ist das ja ein Zeichen, eines der vielen, aus denen die Welt besteht; ich werde wohl besser die andere Tür versuchen.
Diese geht auf, ganz leicht, wie von Geisterhand. Das Zimmer, zu der sie öffnet, will mir jedoch gar nicht gefallen. So kahl und unheimlich, ganz wie die Kajüte eines Schiffes. Der Küchenfahrstuhl gliedert sich so ganz gut in dieses Ensemble ein. Da sehe ich einen Hut am Haken hängen, eine Melone. Auch das erinnert mich an meinen Mann. Er war immer korrekt in dunklem Grau gekleidet, wenn er zur Arbeit ging. Mit seiner Melone auf dem Scheitelkopf und der Sun unter dem Arm. Wenn andere die Times lesen, sagte er mir fortwährend, warum sollte er es ihnen gleichtun? Aber er wusste natürlich, dass die Sun ein Klatschblatt war, er wollte schlicht auffallen. Außerdem wolle er sich auf dem Laufenden halten, mit welchen Mitteln das Volk verdummt werde, behauptete er.
Ich will gerade wieder ins Bad, um mir die Zähne zu putzen, da erschreckt mich ein großer metallener Ball mit purpurnen Mondaugen so plötzlich, dass ein erstickter Schrei meiner Kehle entflieht. Er will mir eine Zahnbürste überreichen, aber meine Angst ist so groß, dass ich nach ihm schlage. Schnatternd und ächzend weicht mir dieses garstige Biest aus und lässt die Zahnbürste auf den Boden fallen. Aufgeregt haste ich ins Badezimmer. Als die Tür hinter mir zuschlägt, atme ich erleichtert auf und vernehme wieder das ruhige, artige Gurgeln des Wasserbades.

Meine Kehle ist ganz ausgetrocknet. Ich sitze schon eine lange Zeit so da und lese mir selbst aus den Werken Sartres vor, um mich an dem imposanten Klang der französischen Sprache zu ergötzen. Aber was zu viel ist, ist zuviel. Ich stehe aus dem Ohrenbackensessel auf, lege das Buch beiseite und gehe in mein erstes Zimmer - für einen Scotch.
Was sucht die Zahnbürste dort auf dem teuren Teppich?!
In diesem befehlenden Ton habe ich das nur gedacht, aber trotzdem kriecht mein treues Dingsbums aus seinem Loch der Faulheit hervor, surrt hinunter, hebt die Zahnbürste auf und entschuldigt sich artig mit einem kurzen Blick nach unten und einem Glas Schottland.

Ich möchte gewiss wieder in das Bernsteinzimmer, lieber Gott, bitte! Und wenn es das letzte ist, was Du mir gewährst.
Wenn sie sich zwar nicht selbstständig öffnet, so lässt die Tür sich jedoch öffnen und gibt mir den Zutritt frei in den Raum, der auch meine allerletzte Zuflucht werden soll.
Doch... - Aber... - Wie... Warum brennt das Feuer? Weshalb liegt ein Sartre aufgeschlagen auf der Chaise-longue? Warum ist des Bildes Glas zerschlagen, dessen Scherben vermischt mit zerbroch'nem Porzellan auf dem Boden liegen? Ganz so, als ob es mein Mann zersplittert hätt'.
Während ich die Scherben zusammen kehre, überlege ich einen Weg aus diesem verhexten Haus hinaus, denn schließlich würde sich ein jeder, in zwei Zimmern von dreien, gefangen fühlen. Wenn es wahrhaftig dazu kommen sollte, dass mich beide Türen einsperren, muss ich auf jedem Fall hier in diesem schönen Zimmer sein. Andererseits will ich auch den Panflötisten und das Sprudelwasser nicht mehr missen; so muss ich wohl einen Kompromiss finden. Wenn ich die Tür zum Sprudelwasserzimmer auflasse, hätte ich doch die Wahl bis in alle kommenden Zeitalter, nicht wahr? Sogleich, denn jeder Augenblick könnte sich als zu spät erweisen, öffne ich die Badtür und atme auf. Sei des Teufels Plan vereitelt!

Verdammt! Mist! Verflixt! Wäre ich nur eine Sekunde schneller gewesen. Und ich bin mir dieser einen, verdammten Sekunde sicher, denn bis eben noch konnte ich durch das Schlüsselloch die türkisfarbenen Fliesen erkennen. Jetzt ist zu beiden Seiten alles grau, und ich sitze garantiert in der Falle. Das heißt: ich und Dingsbums.
Wer auch immer dieser Kleingeist ist, der mit mir sein Spielchen spielt, wenn ich ihn zwischen die Finger kriege, wird ihm nimmer zu helfen sein.
Wenn ich jetzt aber wirklich in der Falle sitze, mein Gott, ist doch alles nur ein schlechter Traum? Als ich zur anderen Tür gehe, war auch diese verschlossen. Ich bin eingesperrt. Wie lange schon?! Wie lange noch?! Oh mein Gott, das darf nicht...- Hilfe!
Ich zerre mein altes Taschentuch aus der Hosentasche und wische mir die ersten Schweißperlen von der Stirn. Wieder laufe ich zur linken Tür, verschlossen. Zurück laufe ich zur rechten Tür, verschlossen. Ich poche an Dingsbums' Tür, aber dieser alberne Balg meldet sich nicht. Blöde Technik! Mist, verdammter!
Doch: Vielleicht liegt es ja an mir... Diese Kleingeister suchen für gewöhnlich immer erst den Fehler bei anderen Leuten. Na gut, 'krieche zwar nicht gern in anderer Leute Hintern, aber gut:
Ich entschuldige mich bei allen, was auch immer ich ihnen angetan haben mag.
Beide Türen blieben verschlossen. Nicht mal meine ehrlichen Entschuldigungen nimmt man mir ab. Gut, Badtür, hast's nicht anders gewollt. Ich kremple die Ärmel hoch und gehe auf Abstand. Wo man nicht geben will, da nehm ich mir. Hier, nimm das... Ungk! - Uuh, tut das weh! Verfluchte Nichtsnutze, macht man mir nicht auf? Na wartet.

Wer annimmt, die offene Tür gäbe mir meine verlorene Ruhe zurück, irrt. Unzählige Male habe ich bereits gewechselt. Bald sage ich mir, ich nehme das Badezimmer, wo mich aber bestimmt die kühle Luft aus meinem Bernsteinzimmer zittern ließe, bald sage ich mir, ich bleibe im Bernsteinzimmer, wo ich jedoch sofort wieder die Musik der Panflöte und das sanfte Kribbeln auf meiner Haut vermissen würde. Und - die Ursache ist meinem Verständnis verschlossen - doch die offene Tür nagt an meinem Gewissen. Das Gefühl, es täte jemandem weh, machte sich in mir breit wie Sumpfkröten in unheimlichen Gefilden. Es heißt mich, eine baldige Entscheidung zu treffen.
Da fällt mir die Lektüre ein, welcher ich mich widmen wollte. Ach, das meint wohl, dass ich Abschied von meinem Panflötisten nehmen müsse. Sicher komme ich aber darüber hinweg; nichts währt bis in alle Ewigkeit.
So, nun habe ich die Tür wieder zugemacht. Nie wieder möchte ich sie probieren.
Nie wieder? Ich werde doch nicht ewig hier bleiben, hoffe ich inständig. Ist dies die Hölle, und ist es der Teufel, der mich so quält? Das ist nur ein mieser Traum, sage ich mir, setze mich in den schweren Sessel und nehme das Buch zur Hand.
Während ich lese, schaue ich hin und wieder zu dem geschundenen Kaminbild hin und überlege, ob es nicht doch meinen Mann darstellte. Einige seiner Kollegen haben immer behauptet, wenn er gerade abwesend war, er sei arm, geistig arm. Vielleicht haben sie Recht.
Trotzdem beginnt das Bild mich gewaltig zu stören und ich zwinge mich, einen weiteren Blick darauf zu vermeiden.

Es ist sinnlos, sich so alle Knochen zu brechen. Auf der Welt habe ich nichts mehr verloren. Die Dummen verkennen ganz und gar den Wert meines Lebens. Warum also nicht hier bleiben? Hier bekomme ich alles was ich will: Dingsbums gibt mir gerade den Sartre, den ich angefangen habe zu lesen. - Ich brauche keinen Finger zu krümmen. Einzig der große, frische Blutfleck auf meinem Zierkissen stört mich noch.
Wie bitte, Dingsbums, du kannst es nicht säubern?! Na dir werd ich helfen... Gibt es das? Was fliegt und Wünsche aus den Augen liest, muss gefälligst Kissen säubern können, verdammt noch eins!
Auf dem Weg zu seiner lächerlichen Koje pfeffere ich ihm das Kissen an seinen Eisenschädel, woraufhin es säuselt, an die Wand kracht und leblos auf die Dielen stürzt. Blauer Dunst steigt aus seinen dummmädchenhaften Augen, worin ein Funken und Blitzen das Ableben der Elektronik kennzeichnet. Mir wird bewusst (natürlich viel zu spät), dass dies mein einziger Diener gewesen sein könnte und ich dann also auf mich allein gestellt wäre.
Glücklicherweise ist seine Tür offen; ich steh' auf und schaue ins Dunkel hinein.
Oh, ein Luftzug! Ich muss grinsen, denn das bedeutet: Hier gibt es einen Ausgang...

Es scheint ein Ding der Unmöglichkeit, sich auf das Lesen zu konzentrieren. Außerdem kenne ich die Werke schon alle, habe nur gedacht, ein weiteres Mal könne zum Genuss gereichen. Es ist das Bild, das unbändig meinen Blick anzieht. Es macht so einen verletzten Eindruck. Mein Mann mochte zwar außen stahlhart sein, aber innen wohnte ein weicher, empfindlicher Kern. Bei all seiner Bosheit, welche er mir manches Mal entgegen brachte, dies faszinierte mich auf sonderbare Weise.
Plötzlich macht es "Klick!" und das Bild fällt an einer Seite ab, es hat wohl einen Nagel verloren. Staunend erblickte ich dahinter ziegelrote Treppenstufen im Dunkeln. Ist das etwa der Ausweg?
Ich erhebe mich aus dem Sessel, hänge sorgfältig das Bild ab und lehne es neben dem Kamin an die Wand. Wahrhaftig! Droben am anderen Ende der Treppe zeichnet sich eine Tür ab. Wie sollte ich da hinauf kommen? Am Bücherregal steht ein Hocker; ich hole ihn, stelle ihn an den Kamin, auf dessen Sims ich sodann klettere. Von da aus schlüpfe ich durch das Loch und steige die staubige Treppe hinauf, in banger Erwartung endlich den Türknauf zu erreichen.
Die Sonne! Das Grün der Bäume! - Mein Mann?!
Ruhig und beobachtend, wie ich ihn kenne, steht er dort am Geländer der Veranda und saugt an einer Zigarre. Sogleich sieht er mich an; er macht keine Anstalten der Freude. Wusste er, dass ich komme?
"Ach", brummt er mit stechenden Augen und nimmt die Zigarre in die Hand, "lass mich raten: Auch dich hat er entführt, dieser komische Geist?"
Ein schelmisches Grinsen liegt keck auf seinen Lippen. Ich sehe ihn groß an.

[highlight]Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE (s. Profil)[/highlight]​

 

Hallo Floh,


zwei Menschen und ein Dingsbums, in einer - na, sagen wir mal dem Text entsprechend `fragwürdigen Situation`.
Sie sind gefangen und getrennt, doch erkennen ständig Spuren der Gegenwart der anderen Person. Das Dingsbums korrumpiert, durch die Verwöhnung, die es bietet, auch wenn es die Bewegungsfreiheit einschränkt.(„Unter denen ist mein Leben sowieso nichts wert“).
Schlüsselsatz ist für mich: „eine falsche Idee, von einer Frage eine Antwort zu erwarten“. (Wobei gilt, dass nur der auf eine richtige Antwort hoffen kann, der auch die richtige Frage stellt). Die Frau hat sich auf das Fragen (Erkennen wollen?) eingelassen, kam durch eine verborgene Tür zum Ziel.

„sich auf dem Laufenden halten, mit welchen Mitteln das Volk verdummt werde“ - eine schöne Idee, wahrscheinlich gibt`s falsche Antworten.

Noch einige Winzigkeiten: Muß es nicht heißen `als er zur Arbeit ging`? `mein Mann zerschlagen hätte´, `ins Herz und luge´.

Der Text enthält noch viel Verstecktes (z.B. warum Camus?), entschuldige, wenn ich aufgrund der Textlänge nicht alles einzeln durchgehe.

Tschüß... Woltochinon

 
  • Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hallo Woltochinon,

Danke, dass du meine Geschichte gelesen hast. Hatte Bedenken, dass die Geschichte überhaupt lesbar ist, wo doch oft die Bedeutung mehr durch die Satzstruktur deutlich wird als durch den Wortgehalt. Außerdem habe ich die ersten 80% in sieben Stunden runter geschrieben - keine gute Schreibermoral :).

Dein Interpretationsansatz ist richtig, auch wenn die Moral mehr darin versteckt ist, wie die Menschen sich in Bezug zueinander bzw. zu ihrer Situation verhalten, und nicht so sehr in der Ausgangssituation.

Deine Korrekturen (zum Großteil) habe ich übernommen. Dies ist meine erste Geschichte mit zwei gleichgestellten Protagonisten, mit welchen auch die unterschiedlichen Stilebenen einher gehen. Das war eine ganz schöne Gradwanderung, hat mir aber Spaß gemacht. Dass sich da der ein oder andere Fehler einschleicht, habe ich erwartet.

Bzgl Camus: Da hast Du mich jetzt erwischt :) - Den Camus habe ich nur als den Dritten im Bunde aufgenommen, kenne ihn ehrlich gesagt gar nicht. Welcher Teufel mich geritten hat, den Camus auch noch in die Handlung mit aufzunehmen, weiß ich nicht *rotwerd*. Habe ihn durch Sartre ersetzt. Von seinem Werk "Huis clos" (Geschlossene Gesellschaft) stammt auch diese Geschicht ideemäßig ab. Warum bin ich nicht gleich daraufgekommen...

FLoH.

 

Hallo FLoH,

die Gradwanderung ist Dir doch geglückt, die Thematik `Geschlossene Gesellschaft` ist in Deiner Geschichte gut repräsentiert. Was ich gerne noch wissen möchte: Repräsentiert das `Dingsbums` den Konflikt zwischen den Bequemlichkeiten, die die Technik mit sich bringt, und den Abhängigkeiten, die sich aus ihr ergeben?

Alles Gute,

tschüß... Wolötochinon

 

:) Nein, nicht so ganz. Es sollte vielmehr den Mißbrauch von Menschen als reine, seelenlose Dienstleistungsmaschinen symbolisieren.

FLoH.

 

Hallo FLoH,

Danke für die Erklärung. Habe die Geschichte unter diesem Aspekt noch einmal gelesen. Ganz schön kalt, dieser(s) Dingsbums.

Tschüß... Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo FloH!

Eine interessante, irgendwie skurrile Geschichte, in der Du verschiedene Betrachtungsweisen gegenüberstellst und hinterfragst.
Auch den Aufbau der Handlung finde ich gelungen, weil Du es in meinen Augen schaffst, Deine Protagonisten in diesen Räumen zu bewegen, ohne daß sie aufeinandertreffen, sie gleiche Dinge in sinnvoller Abhandlung (oder zumindest nicht sinnloser) hintereinander sehen läßt, ohne daß es so streng nach Parallelgeschichte riecht.

Ein Fehler in der Handlung ist mir allerdings schon aufgefallen – jedenfalls glaube ich das, nachdem mir nichts aufgefallen ist, wo das Aquarell wieder durch Zauberhand zusammengesetzt worden wäre. Erst liegt es in Scherben am Boden und am Schluß betrachtet sie es wieder... ;)

In Forschungskreisen geht das Gerücht um, eine Bewegung hie und da erhöhe die persönliche Lebenserwartung. Und so stehe ich auf, gehe zu einer der beiden Türen, die zu meinem Zimmer führen, und drücke auf die Klinke.
:rotfl:


Aber jetzt gleich zu meinen Anmerkungen, uiuiui...

Liste wieder gelöscht, um keine Leser abzuschrecken... ;)

Alles liebe,
Susi

 

Hallo Susi,

vielen Dank für diese Kritik, echt stark. Ich muss mich aber zwingen, Deine Korrekturen jetzt nicht umzusetzen, weil das mir zuviel Zeit rauben würde, die ich umbedingt ins Lernen (morgen LKBio-Abi) investieren muss.

Morgen abend, wenn hoffentlich alles gut gegangen ist, werde ich diesen Kommentar durch ein ordentliches Feedback ersetzen, versprochen.


FLoH.

 

Lernen ist auf alle Fälle vorrangig - und alles Gute für Deine Klausuren. *daumenhalt* :)

Susi

 
  • Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hallo Susi,

jetzt kann ich natürlich nicht mehr einfach nur den Kommentar ersetzen, weil Du mir doch noch darauf geschrieben hast... ;)

Ich hatte, als ich diese Geschichte veröffentlichte, zwar nicht so sehr das Gefühl, dass sie derart viele Fehler enthielt, doch wollte ich beim Korrekturlesen auch nicht ganz flüssig vorwärts kommen. Ohne zu wissen, woran es lag. Da du mir bei der Fehlersuche ganz erheblich geholfen hast, ist der Text aber nun geradezu verdammt, lesbarer zu sein.

Sei bitte nicht enttäuscht, wenn ich nur wenige Deiner Vorschläge direkt übernommen habe. Jeder Autor hat eben seinen eigenen Stil, und so musste ich mir an vielen Stellen etwas anderes einfallen lassen. Hoffentlich habe ich damit nicht allzu weit ins Blaue geschossen ;).

Das mit dem Bild war gar kein Fehler. Da hatte ich nur etwas unpräzise ausgedrückt. Flugs behoben :).

apropros "ich und Dingsbums": Das war Absicht. Dem männlichen Protagonisten wollte ich eine ganze Menge Selbstsucht und Überheblichkeit aufladen. Die weibliche Protagonistin bekam das andere Extrem des menschlichen Charakterspektrums verliehen, damit der Kontrast zum Tragen kommt. Das ist mir doch halbwegs gelungen, nicht? :engel:

FLoH.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom