Im Fernsehen
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Ich spiele JLines, ein Spiel für kreative Pausen, in dem man nichts weiter tun muss als 5 Kugeln einer Farbe horizontal, vertikal oder diagonal zu positionieren, damit sie verschwinden, während nach jedem Zug weitere drei Kugeln auf der Spielfläche erscheinen. Der Rekord liegt bei 22444 Punkten und ich erreiche in meinem ersten Spiel 856 Punkte, im zweiten 1576, danach nur 458, danach wieder über 1000 und dann, während ich mit einem Freund über msn kommuniziere, wobei das Thema ein anstehendes Projekt ist, erreiche ich 2489 Punkte, was mich ungefähr vierzig Minuten an Zeit kostet, und dann spiele ich noch einmal, weil mir langweilig ist und erreiche nur 1046 Punkte, und dann reicht es mir und ich hacke das Spiel, in dem ich mir den Quellcode runterlade, ihn dekompiliere und mir die Stelle ansehe, in der der Highscore geschrieben wird. Verantwortlich für das Schreiben des Highscores ist eine Url, die ich in den Webbrowser eingebe und spezielle Paramter anhänge, auf Enter drücke und mich fortan mit 25367 Punkten auf Platz eins der Liste wiederfinde. Ein Drecksspiel!
Im Fernsehen läuft auch nur Dreck. Ich schalte hin und her und lande schliesslich bei den Nachrichten auf Sat1,wo Astrid Frohloff einen Bericht ankündigt, der mein Interesse weckt. Aber natürlich kommen erst andere Berichte, damit ich auch wirklich dranbleibe. Ich starte noch ein Spiel und erreiche 766 Punkte. Danach lege ich meinen Laptop beiseite, um nicht noch einmal in Versuchung zu kommen, den RESTART-Button zu drücken.
Inzwischen übergibt Astrid die Moderation an Gabi Papenburg, die ich häßlich finde. Im Hintergrund wird ein Bild eines Fußballspielers eingeblendet und die Nachricht läßt wieder ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend zurück.
Fußballspieler während des Spiels an Herzversagen gestorben.
Gebannt schau ich auf den Bildschirm, und die Papenburg hält auch gleich die Fresse und sie zeigen den Bericht. Und tatsächlich, sie zeigen, wie der Typ seine gelbe Karte bekommt, diese auch noch höhnisch belächelt und eine abwinkende Handbewegung in Richtung des Schiedsrichters macht und dann plötzlich so tut, als ginge es ihm nicht gut und letztendlich in sich zusammensackt und dann der Länge nach auf den Rücken knallt, wobei sein Kopf wie ein Ball auf den Rasen prallt. Er bleibt reglos liegen und sofort kommen die Mitspieler angerannt und versuchen zu helfen, der Bericht wird etwas verkürzt, man sieht dann bereits andere Hilfskräfte, wie sie versuchen, ihn wieder zu beleben. Aber der Mann ist tot, und sie zeigen immer wieder die Bilder, wie er auf dem Rasen tot umfällt.
Gott ist doch ein Riesenarsch.
Ich bin betroffen, als ich die Szenen sehe. Ich glaube, mein Mund steht offen, und die Papenburg gibt wieder an Astrid ab, die ich gerne mal ficken würde. Ich überlege, was ich jetzt tun könnte. Die Nachrichten sind zu Ende, ich gehe auf die Toilette, schaue mich einen Augenblick im Spiegel an und versuche zu lächeln, weil man mir immer sagt, ich würde immer so ernst schauen. Also lächele ich und zwinker mir mit dem Auge zu. Ich seh gut aus. Dann gehe ich in die Küche und schaue in den Kühlschrank, ob ich heute abend etwas zu essen habe. Aber ich habe noch keinen Hunger und gehe ins Schlafzimmer, wo ich mich noch einmal im Spiegel betrachte und mir wieder zuzwinker und lächle. Dann gehe ich wieder ins Wohnzimmer, lege mich auf die Couch, ziehe meinen Laptop auf den Schoss und spiele wieder eine Runde Jlines. Ich bin gerade bei 1668 Punkten und das Spielfeld sieht noch ziemlich aufgeräumt aus, als mir einfällt, dass ich Sina anrufen könnte.
Ich schnappe mir also mein Handy vom Tisch und rufe sie an und verabrede mich mit mir.
Danach schalte ich auf RTL und warte auf die Nachrichten. Sicherlich würden auch sie von dem Todesfall berichten und den dürfte ich auf keinen Fall verpassen. Bis dahin spiele ich weiter dieses Drecksspiel JLines!