Im Dunkeln gibt es keine Namen
Ich hasse sie. Sie verlässt mich, Nacht für Nacht. Geht wenn ich schlafe, schweigt wenn ich frage. Keine Fragen! Sie küsst meine Lippen. Im Dunkeln gibt es keine Namen, nur Körper. Der Schoss der Dunkelheit ist warm und süss, ich trinke und schlafe, träume von fernen Planeten, wo die Sonne nie aufgeht.
Weisse Tücher an den Fenstern wehen im grellen Morgenwind. Ich schreite die Breite des kleinen Mansardenzimmers ab, dann die Länge. Liege, die Beine übereinandergeschlagen, auf der Tagesdecke und rauche. An der Decke löst sich der Putz, rieselt im Takt zu einem französischen Marsch aus dem fünften Stock. Hinter der Wand raschelt etwas. Das Zimmer ist traurig, sehnt sich nach ihr. Ich kann nicht bleiben, weinende Wände ohne Tapete sind kein schöner Anblick.
Als ich abends endlich wiederkomme, sitzt sie da. Ist geschwätzig, als wäre sie nie fortgewesen. Es ist so einfach für sie schön zu sein, nur da zu sein, in dreckigen Mansardenzimmern ein und aus zu gehen. Ich gebe nicht vor, zufällig vorbeigekommen zu sein, bin des Spiels leidig, will nie wieder warten. Ich schüttele sie, fordere Antworten, nehme ihren fallenden Körper in den Arm, weine, will sie nicht mehr los lassen. Sie entwindet sich meiner Umarmung. Ich spüre wie sie von mir weicht, sich verschließt, eine Blüte wenn die Nacht anbricht. Sie scheint mir zerbrechlich, eine Puppe aus Glas. Ich bekäme, was ich bereits besitze, sagt sie. Ich verstehe nicht, wie kann ich besitzen was ich teilen muss? Ich liebe sie, kann nicht mit ihr, nicht ohne sie leben. Ich will Gewissheit und fasse sie an, spüre wie das Glas in meinen Händen zerbricht, mich schneidet.
Sie geht wie sie gekommen ist, lautlos, ohne Spuren zu hinterlassen, kein Haar, kein Kleidungsstück, kein Nichts. Sie verläßt mich in der schmerzlichen Gewissheit sie nicht wiederzusehen. Was bleibt sind Schnitte in meinen Händen und der Schmerz, der keinen Namen braucht um wirklich zu sein.
Niko G.
[Beitrag editiert von: Nikomana am 24.02.2002 um 12:50]