Hi @Fiona Pauline Köhler
Und willkommen hier im Forum!
Ich finde, Du hast eine kleine, aber vielversprechende Geschichte konzipiert. Das kann gut funktionieren. Ich sage aber "konzipiert", weil es für mich eher wie ein erster Entwurf wirkt. Da fehlt für mich als Leserin noch einiges, um wirklich mitgehen zu können.
Damit meine ich keine Längen. Ein kurzer Text hat seine Berechtigung. Wenn es Dich interessiert, schau hier mal in die Rubrik Flash Fiction, da findest Du einige sehr kurze und sehr mitreißende Texte. Es lohnt sich ohnehin, sich im Forum umzuschauen und auch andere Geschichten zu kommentieren. Dabei kannst Du viel lernen, und das Forum funktioniert nur, wenn alle geben und nehmen.
Was fehlt mir bei Deinem Text noch? Es ist nicht die Länge. Für mich ist es die Tiefe, die die Geschichte noch vermissen lässt. Aber daran kannst Du ja arbeiten, deshalb möchte ich das noch ein wenig weiter ausführen.
Länge und Tiefe sind nicht das gleiche. Nirgendwo, auch nicht in Geschichten. Ein paar wenige Sätze können tiefsinniger sein als ein ganzes Buch. Ich denke, was ein Text braucht, um Tiefe zu bekommen, sind Facetten, Details, Unverwechselbarkeit. Vor allem in den Charakteren. Du kannst Deinen Charakteren Tiefe verleihen, indem Du sie zu unverwechselbaren Personen machst.
Das sehe ich hier momentan leider noch gar nicht. Wir haben ja zwei Personen: die Prota, den Mann. Das ergibt eine dritte Dimension, nämlich die Interaktion zwischen den beiden. Das heißt, im Bereich Prota, Mann und Interaktion sind Unverwechselbarkeiten möglich. Was haben wir bisher auf diesen drei Dimensionen:
Die Prota: ist Kellnerin. Könnte auch ein Mann sein, so wenig weiß ich über sie. Denn das ist wirklich die einzige Information, die ich über sie bekomme, neben: Sie beobachtet den Mann jeden Tag. Das ist eine weitere Information. Aber das war's.
Der Mann: hat normalerweise gegelte Haare, trinkt seinen Kaffee schwarz, bestellt normalerweise Erdbeertorte und schreibt in ein Buch. Was schreibt er? Wir wissen es nicht. Warum ist er jeden Tag da? Wir wissen es nicht. Warum schreibt er plötzlich nicht mehr? Wir wissen es nicht.
Die Interaktion: standardmäßig. Die Prota nimmt eine Bestellung auf, obwohl sie schon weiß, was er bestellen wird (oder glaubt, es zu wissen). Ich finde, gerade hier verschenkst Du viel Potenzial. Die beiden sehen sich jeden Tag, und wie läuft ihre Begegnung ab:
>>Was darf ich Ihnen bringen?<<
Also, ich gehe selbst dreimal die Woche ins gleiche Café. Ich kenne alle Kellner/innen beim Vornamen, einer der Kellner versichert sich jedes Mal persönlich, dass in meinen Tortellini wirklich kein Speck ist, seit das einmal vertauscht wurde, und beim Bestellen und Kassieren tauschen wir ein paar persönliche Worte.
Warum zeigen die Figuren in Deiner Geschichte sich nicht von Anfang an, dass sie sich kennen? Warum tun sie so, als hätten sie sich noch nie zuvor gesehen, bis der Mann etwas tut, was er sonst nie tut? Du kannst der Interaktion zwischen den beiden Unverwechselbarkeit verleihen, wenn Du sie etwas tun lässt, dass ihre ganz individuelle Beziehung zueinander zeigt, die über eine Kellnerin/Kunde-Beziehung hinausgeht.
Zum Beispiel, er nickt ihr zu, als er den Laden betritt. Und sie ruft durch den ganzen Laden: "Bringe dir gleich deine Torte." Woraufhin er hektisch winkt und sie dann verwundert ist und doch nochmal zu ihm geht. Stell Dir das vor im Kontrast zu: "Was darf ich Ihnen bringen?" Es wäre eine besondere Interaktion, keine Interaktion, wie sie jeden Tag zwischen Kellnerin und Kunde stattfindet (zwischen zweien, die sich fremd sind). Es würde einen Funken Besonderheit in die Geschichte bringen.
Und selbst wenn Deine Figuren aus irgendeinem Grunde jeden Tag so tun, als würden sie sich zum ersten Mal sehen, wäre das etwas Besonderes, das Du ausführen könntest und solltest. Denn normal ist das nicht. Da würde ich eine Nervosität in der Prota erwarten und eine gewisse Flattrigkeit in der Interaktion, die erklärt, warum die beiden so miteinander fremdeln.
Gleiches mit den Figuren. Die Prota: Was bedeutet der Mann für sie? So, wie die Geschichte beginnt, nehme ich romantische Gefühle an, aber im Laufe der Geschichte bekomme ich kaum einen emotionalen Zugang zu ihr. Ich weiß nur, dass sie sich wundert. Das ist alles. Und das finde ich ein bisschen mäh. Ist das wirklich alles?
Der Mann: So, wie ich das sehe, gibst Du mir keinerlei Hinweis darauf, was mit ihm los ist. Du musst es mir nicht sagen. Aber ein Hinweis oder einige Hinweise könnten der Geschichte Tiefe geben, weil ich dann tatsächlich zum Nachdenken angeregt wäre.
Weitere Details:
Als die Tür auf geht, schaue ich auf und sehe, wie er, wie jeden Tag, pünktlich um sechs Uhr abends, das kleine Café, in welchem ich arbeite, betritt.
Also,
@Träumerle hat ja schon angesprochen: Als erster Satz ist das ein Super-GAU. Im Prinzip denke ich aber, es wäre an jeder Stelle ein verunfallter Satz. Er ist von vorne bis hinten vollgestopft mit Infos. Die Tür geht auf, es gibt eine Ich-Erzählerin, es gibt einen Er, der kommt jeden Tag, es ist sechs Uhr, er ist pünktlich, das Café ist klein, die Ich-Erzählerin arbeitet in dem Café, er betritt das Café. Huiui. Mein Großvater würde sagen: Nicht tun.
Ganz davon ab: "aufgeht" zusammen, die Art und Weise, auf die er das Café betritt (wie) tut ja hier nix zur Sache, es geht eher darum, "dass" er das Café betritt. Der Vorteil von "welchem" gegenüber "dem" erschließt sich mir nicht – ist länger, ungebräuchlicher und von daher unpraktischer. Das "betritt" ganz allein am Ende des Satzes ließe sich vorziehen vor den Nebensatz – dann wäre es nicht mehr so einsam.
Aber egal, schreib das nochmal in vier Sätzen oder so. Vorschlag: Die Klingel über der Tür bimmelt, und ich hebe den Kopf. Dabei weiß ich schon, dass er es ist, der das Café betritt. So wie jeden Abend um sechs.
Seit dem er vor drei Wochen das erste Mal hier war, kommt er jeden Tag und setzt sich an den Tisch direkt am linken Fenster.
"Seitdem" zusammen.
>>Bringen sie mir einen schwarzen Kaffee und ein Stück Schokoladentorte<<, sagt er.
"Sie" als Höflichkeitsanrede wird groß geschrieben.
Zurück hinter dem Tresen, bediene ich ein paar Kunden.
Komma weg vor "bediene".
An statt meine Frage zu wiederholen, frage ich ihn:
"Anstatt"
>>Naja.....<<, ich zögere, sage dann aber, >>weil Sie sonst immer Erdbeertorte essen, und in Ihr Buch schreiben.
Einen Punkt oder drei Punkte, niemals fünf, dessen kannst Du Dir sicher sein. Wenn nicht das Wor... sondern nur der Satz abgebrochen wird, kommt vor den drei Punkten ein Leerzeichen.
Das Geräusch der Tür lässt mich hochfahren. Ein Schwall neuer Gäste strömt herein und ich wende mich, gezwungenermaßen, ihnen zu.
Das eingeschobene "gezwungenermaßen" finde ich blöd. Klingt echt eklig und sieht eklig aus. Kannst Du das nicht einfach streichen? Ist doch klar, dass sie als Kellnerin jetzt was zu tun hat.
Als ich ein paar Minuten später zu seinem Tisch blicke, ist er nicht mehr da
Punkt am Satzende.
Zu den Anführungszeichen:
Bei meiner Tastatur gibt es nur die englischen Anführungszeichen und die Tastenkombination (Alt +0132), die ich sonst immer benutze, funktioniert hier irgendwie nicht.
Also, auf meiner Tastatur kommen die Anführungszeichen mit den Tastenkombinationen Alt+175 und Alt+176, aber
@Maedy hat recht, da musst Du einfach mal an den Einstellungen schrauben. Ob bei der Eingabe von Shift+2 englische oder deutsche Anführungszeichen rauskommen, hat nichts mit der Tastatur sondern mit den Spracheinstellungen des Programms zu tun, das Du benutzt.
Ich sitze z.B. gerade an einer deutschen Tastatur, und wenn ich Shift+2 drücke, kommt das dabei raus: " <-- englisches Anführungszeichen. Ist so, hier im WK-Feld. Wenn Du Dein Office Word (oder welches Schreibprogramm auch immer Du benutzt) auf Deutsch einstellst, sollte bei dieser Kombination ein deutsches Anführungszeichen entstehen. Zumindest läuft das bei meinem Office so, auch an englischen Tastaturen. Wenn Du den Text anschließend hier ins Fenster kopierst, müsste ein deutsches Anführungszeichen erscheinen. Voilà: „“
Ganz davon ab, fände ich es schöner, Du würdest englische Anführungszeichen benutzen als das, was Du da gerade machst. Englische Anführungszeichen sind doch vollkommen legitim.
Aber genug zu Anführungszeichen: Aus Deiner Geschichte kannst Du noch einiges herausholen, Du kannst dafür sorgen, dass ich Deine Charaktere besser kennen lerne, dass sie mir mehr wie echte, unverwechselbare Menschen vorkommen. Ich bin gespannt, was Du daraus machst. Make it work!
Cheers,
Maria