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Im Aus

Seniors
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01.07.2006
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Im Aus

Die Luft stockt. Das Zimmer ist bis zur niederen Decke mit ihrer beiden Fürze angefüllt. Ihre eigenen sind immer lautlos, feucht, von fast fruchtigem Geruch, die ihrer Mutter brummen trocken die ganze Nacht und stinken nach verbrennenden Autoreifen. Begleitet wird das Brummen von einem knisternden Geräusch. Das stammt von dem Plastiksack, in dem der Hintern der Alten steckt. Klara liegt starr in ihrem Bett und füllt sich langsam, so wie jeden Morgen, mit Unbehagen an. Dieses Unbehagen verknäuelt sich in ihrem Magen zu einer Kugel, die immer schneller, wie in einer Schüssel, zu rollen beginnt.

Sie hält nun den Atem an, um dem ihrer Mutter zu lauschen. Manchmal scheint er aus tieferen Regionen zu kommen als nur aus der mütterlichen Lunge, manchmal klingt er so flach, als atme sie nicht selbst, sondern so, als ströme die Luft nur mehr durch sie hindurch. Aber dieses Röcheln und Pfeifen und Säuseln ist immer da und begleitet Klara durch den Tag. Selbst wenn ihre Mutter etwas sagt - was selten vorkommt - hört sie diesen Atem durch die Laute hindurch keuchen, nicht mit diesen verbunden, sondern in einem eigenwilligen Rhythmus, der sich nicht den Worten anpasst.

Rasch schlägt Klara die Bettdecke zurück. Ihr Nachthemd ist durch die Unruhe der Nacht hinaufgerutscht. Und die rotlippige Zigeunerin über ihrem Bett kann sich nun die spärlichen grauen Haare auf ihrer Scham ansehen, die nicht so recht zu ihren noch glatten Oberschenkeln passen wollen.

Klara fällt ein, dass sie gestern zu faul gewesen ist, ihrer Mutter eine Windel zu geben. Wenn sie sich jetzt nicht beeilt, wird die Mutter wieder das Betttuch nass machen. Klara langt mit der Linken zu ihr hinüber und rüttelt sie an der Schulter. Aufmerksam sieht sie der Mutter ins Gesicht. Und wirklich, zuerst schiebt sich das rechte, wimpernlose Lid über das eine und dann das linke über das andere Auge. Die Augen, weißlich-blau und flach, machen sofort an einem Punkt halt, von dem Klara nichts weiß und der sie auch nicht interessiert.
„Na, geht doch!“, sagt Klara ohne Aufmunterung in der Stimme und die Mutter sagt:
„Ich will Schokolade.“
„Mal schaun, ob du die verdient hast.“
Ohne Umstände zieht Klara ihr die Decke weg, zerrt das Nachthemd der Mutter hoch. Die Hüften stecken so in dem gelben Plastiksack, dass der Schriftzug „BILLA“ quer über den Bauch der alten Frau geht. Aus den Löchern, die Klara in den Sack geschnitten hat, wachsen die Greisinnenbeine wie entrindetes Holz. Als sie die Mutter umdreht, sieht sie, dass der Sack zwar hinten hinuntergerutscht, aber ansonsten leer ist.
„Braves Mäderl!“ Klara lässt sich wieder auf ihren Polster zurückfallen. Dann rappelt sie sich endlich hoch und geht ins Badezimmer. Auf dem Weg zurück ans Bett nimmt sie einen großen Schluck Marillenschnaps aus der offenen Flasche, die am Küchentisch steht. Jetzt fühlt sie sich stark und warm genug, ihre Mutter aufs Klo zu geleiten. Sie zieht sie an den Armen hoch, die Alte stöhnt und wimmert, klammert sich aber mit erstaunlicher Kraft an Klaras Hände. Oft weigert sie sich, etwas los zu lassen, sobald sie es in Händen hat. Und auch jetzt kann sich Klara kaum aus dem Griff der Mutter befreien, die Finger der einen Hand muss sie ihr einzeln wegbiegen. Als die alte Frau steht, fällt ihr das gelbe Plastik auf die Füße.
„Futsch“, kichert die Mutter. Jetzt denkt Klara wieder, dass sie ihr das alles zu Fleiß tut, dass sie nur krank ist, um ihr einen Hund anzutun. Sie ist gesünder als ich, die alte Hexe. Sie reißt ihr das Plastik so heftig von den Füßen, dass die Mutter ins Bett zurückfällt. „Au au au au“, klagt die und hört eine halbe Stunde lang nicht mehr damit auf, auch auf der Klomuschel sitzend nicht, bis es Klara zuviel wird und sie ihr die Hand auf Mund und Nase presst.

Die Mutter verweigert alles Essen bis auf Äpfel, Süßigkeiten und Erbsensuppe, in die ihr Klara eine Semmel krümelt. Klara geht in die Küche, um die tiefgekühlten Erbsen in ein wenig Wasser mit Salz, Kümmel, Essig und einem Löffel Schmalz zu kochen. Behutsam nimmt sie, als die grünen Kügelchen gar sind, eines heraus und legt es zum Trocknen neben die heiße Herdplatte.

Vormittags trinkt Klara nicht.

Nach dem Essen, als die Mutter im Fauteuil eingeschlafen ist, schenkt sie sich ein großes Glas Schnaps ein, und holt aus der Küchentischlade ein Sackerl mit grauem Inhalt hervor. Zuerst zieht sie den roten Gummi, mit dem es verschlossen ist, ab, dann steckt sie ihre Nase hinein. Grün, faulig, schwefelig. Jetzt weiß sie wieder, wie ihr Leben ist. Sie holt die neue Erbse vom Herd und gibt sie zu den anderen und zurrt das Sackerl mit dem Gummi zu. Zum Abschluss trinkt sie den Schnaps in einem Zug aus. Sie legt sich auf den Diwan in der Küche und schläft ein. Die Kugel in ihr liegt nun ruhig am Boden der Schüssel.

Später läutet es. Klara erinnert sich, dass sie sich noch nicht gewaschen hat heute und will nicht im Nachthemd zur Tür gehen. Aber die Nachbarin wird nicht locker lassen. Jeden Tag bringt sie am frühen Abend irgendetwas Süßes für die Mutter vorbei, und Klara weiß, dass das nur ein Vorwand ist, um bei ihnen nach dem Rechten zu sehen. Hermi macht sich Sorgen um die beiden, diese Frau Kümmerer.

Klara hasst alles an ihr. Obwohl auch schon achtzig, erscheint Hermi jeden Tag vor ihrer Tür, als sollte sie für das Titelblatt eines Senioren-Magazins fotografiert werden. Die grauen Löckchen sorgfältig eins neben dem anderen, die kaum noch vorhandenen Augenbrauen dezent nachgezogen, jeden Tag Lippenstift und Perlenkette und goldene Armreifen. Einmal, an einem besonders heißen Sommertag, ist Hermi mit blanken Füßen in den Pantoffeln vor der Tür erschienen und Klara hat fast die Fassung verloren, als sie sah, dass deren Fußnägel lackiert waren. Tagelang gingen ihr diese glänzenden, perfekt pedikürten Nägel nicht mehr aus dem Kopf. Hermi kauft sich sogar noch neue Stücke für ihre ohnehin üppige Garderobe und führt sie dann im Cafe ihren Freundinnen vor, wie Klara weiß. Sie selbst hat keine Freundinnen mehr.

Sie öffnet. Hermi steht in einem beigefarbenen Angorapullover vor der Tür, der sie um vieles jünger aussehen lässt, als sie ist. Sie lächelt süßlich, wie Klara findet, und sagt dann: „Grüß Gott“, und das O von „Gott“ zieht sie in die Länge, und für Klara ist das ein deutliches Zeichen von Herablassung.
„Die Mutter schläft grad, es ist besser, du störst sie jetzt nicht“, sagt sie sofort und ohne den Gruß zu erwidern und versperrt Hermi mit ihrem aufgedunsenen Bauch, über den sich das fleckige Nachthemd spannt, die Tür.
„Ich wollte euch eh nur die Mehlspeis bringen, ist doch bald Weihnachten.“ Und mit diesen Worten streckt sie Klara den Teller entgegen, den sie in Händen hält. Darauf liegen schachbrettartig rosa und braune Würfel, rosa Zuckerguss (sicher mit Rum drin, wie Klara sich sofort denkt) und Schokoguss, jedes einzelne Stück ein perfektes winziges Quadrat, matt glänzend und in weiße Papierspitze gelegt.
„Die hab ich selbst gemacht. Mit Dinkelmehl und Honig und echter Butter, geht ganz einfach!“
Klara nimmt ihr den Teller aus der Hand und sagt nur: „Dann hat sie wieder tagelang keinen Stuhlgang“, und wirft die Tür zu.
Warum lässt sie uns nicht einfach in Ruhe?
Sie schafft es nicht mehr, selbst Mehlspeisen zu backen. Wenn Hermi für ein paar Tage auf Kur ist, worunter sich Klara nicht einmal etwas vorstellen kann, weswegen sie auch keinen Neid empfindet, kauft sie manchmal einen halben Kilo Industriekekse für die Mutter. Die reichen dann für eine Zeit.

In der Küche stellt Klara den Teller ab, nimmt jeden der rosaroten Würfel herunter und legt sie auf einen eigenen Teller. Dann öffnet sie das oberste Kredenzfach. Das, in dem die großen Töpfe stehen, die niemand mehr braucht. Einen Augenblick hält sie inne und sieht sich ihren zweiten Schatz an: Stapeln von Tellern mit Kuchenstücken drauf, Pralinenschachteln, buntes Zuckerzeug in ebenso bunten Verpackungen. Es riecht nach altem Zucker und Backmargarine. Klara weiß genau, wieso sie die Erbsen und die Süßigkeiten sammelt. Sie nimmt einen von den rosaroten Würfeln und steckt ihn sich als Ganzes in den Mund, zerbricht mit ihrer starken Zunge den Zuckerguss, kaut zweimal und schluckt ihn. Den Teller mit den anderen gibt sie zuoberst des dritten Stapels. Sorgfältig schließt sie das Fach wieder.

Sie hört, dass die Mutter mit ihrem Abendspaziergang durch die Wohnung begonnen hat. Rastlos streift sie dann von einem Raum zum nächsten. Klara braucht den Teller mit den übrigen Schokowürfeln nur irgendwohin hinzustellen, die Mutter wird ihn finden. Und dann wird sie sich davor hinstellen, einen davon in die Hand nehmen, zur Nase führen und daran schnuppern. „Mhmmmm“, wird sie dann machen, und die in ihrer Hand schmelzende Schokolade wird an ihren Fingern und um ihrem Mund Flecken hinterlassen. Das ist für die Mutter der glücklichste Moment des Tages und Klara sieht ihr dann genau ins Gesicht. Die Flasche auf dem Küchentisch ist fast leer.

Bei diesen Würfeln heute wird sie die Glasur hinunterlecken, und vom Teig so lange winzige Teilchen abbeißen, bis ihre Zunge in den Kuchenporen keine Schokolade mehr schmeckt. Den Rest lässt sie dann auf den Boden fallen. Wenn Schokolade wertvoll wäre, die Mutter würde einen ausgezeichneten Spürhund abgeben. Vor nichts ekelt es Klara mehr, als diese vom Speichel ihrer Mutter getränkten Kuchenreste vom Boden aufzuheben. Oft lässt Klara diese auch liegen.

Sie macht sich zum Einkaufen fertig. Gut, dass es Winter ist, da braucht Klara nur den Mantel drüberzustecken und sie ist ausgehfertig. Die Mutter jedoch zieht sie jeden Morgen um, ansonsten muss Klara damit rechnen, dass die sich ständig das Nachthemd über den Kopf zieht und dann auf unanständigste Weise die Beine spreizt oder sich dort anfasst. Diesen Anblick will die Tochter sich ersparen.
Für die Zeit des Einkaufs wird Klara die Mutter bei Hermi abliefern, denn man kann nie wissen, was der Alten einfällt, sie sieht ohnehin tipptopp aus in ihrem von der Nachbarin geerbten, orangefarbenen Nicki-Hausanzug. Der gibt ihr etwas Keckes.

Im Supermarkt sagt die Kassiererin zu ihr:
„Haben´S eh recht, dass Sie sich einen Schnaps kaufen über die Feiertag´, man gönnt sich ja sonst nix.“ Dabei zwinkert sie. Da Klara bei ihr jeden zweiten Tag die gleiche Flasche Schnaps bezahlt, kann sie diese Bemerkung nur als Bösartigkeit verstehen. Den Schluck, den sie gleich darauf im Stiegenhaus nimmt, kann die rotierende Kugel in ihrem Inneren nicht beruhigen. Und als sie das Wohnzimmer Hermis betritt, um ihre Mutter abzuholen, bietet sich ihr folgendes Bild: Am polierten Tisch in der Mitte sitzen Hermi und ihre Mutter, und es sieht so aus, als würden zwei Freundinnen ein vertrauliches Gespräch führen. Zwei gut situierte, ältere Frauen, die sich zum Tratschen getroffen haben. Die Mutter ist vorgebeugt und hängt an den Lippen der Nachbarin, die ihr irgendwas zuflüstert. Klara sieht sich jetzt selbst da stehen, mit den roten Äderchen im Gesicht, in ihrem alten Mantel, dessen Kragen nach Haarfett riecht. Beide lächeln und der Ausdruck im Gesicht der Mutter ist einer, den Klara kennt, aber bereits vergessen hat. Aufmerksamkeit ist da, und Wärme und Offenheit. Jetzt erst bemerkt die Nachbarin Klara. Sie sieht ertappt aus. Dann strafft Hermi ihren Körper, die Perlenkette hat einen wunderbar irisierenden Glanz auf dem Beige des Pullovers, und steht auf.

Sie nimmt eine winzige Messingschaufel, zu der ein ebenso winziger Portwisch gehört, von einem Haken an der Wand und beginnt, Krümel vom Tisch zu fegen, die Klara gar nicht sehen kann, auch wenn sie ihre Augen noch so anstrengt. Den riesigen Marmoraschenbecher, der auf dem Tisch im Zentrum einer weißen Häkelrosette steht, den sieht Klara. Sie macht ein paar Schritte nach vor und es sieht zuerst so aus, als ob sie ihrer Mutter nur aus dem Stuhl helfen will. Klara richtet sie auf, dann nimmt sie die rechte Hand der Mutter und legt diese um den Aschenbecher. Als sie sicher ist, dass ihn die Alte fest umklammert, nimmt Klara deren Rechte in beide Hände, hebt sie an und schlägt dann das schwere Marmorstück mit voller Wucht auf Hermis vorgebeugten Kopf.

Erst jetzt fällt die Kugel über den Rand der Schüssel. Nicht schon, als sie den verächtlichen Blick der Kassiererin in ihrem Rücken spürte, nicht schon, als sie wie eine Ausgeschlossene in der Tür stand, nicht schon, als sie den Marmoraschenbecher bemerkt hat. Nein, erst jetzt, als die Haut unter den Löckchen schmatzt und der Schädelknochen knirscht, jetzt erst fällt die Kugel über den Rand der Schüssel auf die Außenseite.

Als Klara die Faust der Mutter schon längst losgelassen hat, um ans Telefon zu gehen und die Eins-Drei-Drei zu wählen, umklammert die noch immer fest den massiven Stein. Dann hebt sie ihn hoch, streckt Klara die rot gefleckte Hand entgegen und flüstert:
„Das ist keine Schokolade.“

 

„Das ist keine Schokolade.“
Die Alte hat zuviel "Chocolate" gesehen - danach könnte ich nämlich auch nur tagelang Schokolade essen. ; )

Heyyy Andyyy

Was für ein Anfang. Ich weiß nicht ob das jetzt gefällt oder nicht - für die Geschichte ist sie jedenfalls richtig. Auch wenn das ein falsches Licht auf Frauen im mittleres Alters wirft. ; )

und stinken nach verbrennenden Autoreifen.
Die Frau isst doch nur Schokolade. Mein Gott, weißt du wie brennende Autoreifen riechen - ich weiß es! Und Fürze, die danach stinken - puh.
Dieses Unbehagen verknäuelt sich in ihrem Magen zu einer Kugel, die immer schneller, wie in einer Schüssel, zu rollen beginnt.
Die Kugel im Magen solltest du vielleicht öfters bringen, weil ich am Ende dann bisschen durcheinander kam - ich gebs zu, ich hab nicht so konzentriert gelesen - aber trotzdem kommt man durcheinander, weil am Ende eh alles Schlag auf Schlag geht.

Weitere Anmerkungen erfolgen bald oder gar nicht. ; )

Mir hat die Geschichte gefallen, sie gehört zu den Geschichten, die einfach erzählt werden müssen. Solche Themen sollten öfters behandelt werden - und zwar auf diese Weise - diese unkitschige - unparteiische Weise. Man weiß nicht, warum die Tochter ihre Mutter so behandelt und dieses Ausbleiben des Warums ist das wichtigste dieser Geschcihte, um nicht Partei für eine der Prots zu ergreifen. Die Tochter muss ihre Gründe haben, warum sie ihre Mutter so behandelt. Ich finde das zwar nicht in Ordnung, aber frage mich, was einem Menschen passiert sein muss, dass er nun so handelt.
Es gibt diese und jene Menschen. Letztens noch habe ich einen Mann mit einer alten Frau, um die er sich vorbildhaft gekümmert hat, in einer Arztpraxis gesehen. Ich dachte, er wäre ihr Sohn. Nee, es war der Nachbar - also so ein Hermi-Typ.
Warum die Prot. Hermi hasst, kann ich nicht ganz nachvollziehen, vllt weil sie Hermi als Kontrolleurin ansieht, die ihr nichts zutraut, vllt wie die Mutter früher, vllt hat die Nachbarin die Rolle der Mutter (von früher) übernommen. Aber das sind alles nur Mutmaßungen.

Was wirklich positiv auffällt, was aber bei all deinen Geschichten so ist, die Charakterisierung der Prots. gelingt dir immer. Du lässt den Leser in die Psycho-Welt deiner - kranken - (manchmal) perversen - eigenartigen - undurchschaubaren - Figuren tief eintauchen. Ein Andysches Merkmal sozusagen. ; )
Die hier (Klara) ist jedem gegenüber verschlossen und voreingenommen. Aus ihrer Sicht will die Kassiererin nicht mit ihr einen kleinen Spaß machen, nee, sie will sie nur necken.

Sie nimmt eine winzige Messingschaufel, zu der ein ebenso winziger Portwisch gehört, von einem Haken an der Wand und beginnt, Krümel vom Tisch zu fegen, die Klara gar nicht [...] Löckchen schmatzt und der Schädelknochen knirscht, jetzt erst fällt die Kugel über den Rand der Schüssel auf die Außenseite.
Die zwei Absätze gehen mir zu schnell. Und das sind für mich die wichtigsten Absätze.

Ist jetzt alles so ein Kuddel-Muddel - also mein Kommentar. ; )

Cu JoBlack

 

Hallo Sie,

Die Hüften stecken so in dem gelben Plastiksack, dass der Schriftzug „BILLA“ quer über den Bauch der Mutter geht. Aus den Löchern, die Klara in den Sack geschnitten hat, wachsen die Greisinnenbeine wie entrindetes Holz.
Zwei echt starke Sätze.

„Braves Mäderl!“ Klara lässt sich wieder auf ihren Polster zurückfallen. Dann rappelt sie sich endlich hoch und geht ins Badezimmer. Auf dem Weg zurück ans Bett, nimmt sie einen großen Schluck Marillenschnaps aus der offenen Flasche, die am Küchentisch steht. Jetzt fühlt sie sich stark und warm genug, ihre Mutter aufs Klo zu geleiten.
Hier: Drei Kernworte: Braves Mäderl/Marillenschnaps/geleiten. Die bilden das Skelett für diese Passage und überhaupt für die Exposition. Eine Tochter, die zu ihrer Mutter, "Braves Mäderl" sagt: Das ist die Umkehr der ursprünglichen Ordnung. Marillenschnaps: Das sind die Auswirkungen auf die Tochter. Und "geleiten": Das ist bitter. Das Wort ist ganz bitter gewählt. Das würdevolle eines "geleiten" steht im Kontrast zum Umgang mit der Alten.

Und auch jetzt kann sich Klara kaum aus dem Griff der Mutter befreien, die Finger der einen Hand muss sie ihr einzeln wegbiegen. Sobald die alte Frau steht, fällt ihr das gelbe Plastik auf die Füße.
Das ist eine sehr symbolische Passage, wenn man so will. Könnte besser nicht sein, weil sie sich in die Handlung einfügt und auch abseits der Symbolik einleuchtet.

„Futsch“, kichert die Mutter. Jetzt denkt Klara wieder, dass sie ihr das alles zu Fleiß tut, dass sie nur krank ist, um ihr einen Hund anzutun. Sie ist gesünder als ich, die alte Hexe. Sie reißt ihr das Plastik so heftig von den Füßen, dass die Mutter ins Bett zurückfällt. „Au au au au“, klagt die und hört eine halbe Stunde lang nicht mehr damit auf, auch auf der Klomuschel sitzend nicht, bis es Klara zuviel wird und sie ihr die Hand auf Mund und Nase presst.
Der ganze Anfang gelingt fabelhaft. Es ist plastisch, es sind genau die passenden Wendungen. Der Dialekt gibt dem Verhältnis eine "Wärme" - jedenfalls in meinen Ohr, etwas Natürliches, man meint so ganz naiv: "Wenn wer sagt: "einen Hund antun" - das muss ja ein warmer, freundlicher Mensch sein. Die Wendung mit dem "klagt die und hört eine halbe Stunde lang nicht mehr auf" ist auch sehr stark, rustikal, eine irgendwie archaische Art des Erzählens.

Die Mutter verweigert alles Essen bis auf Äpfel, Süßigkeiten und Erbsensuppe, in die ihr Klara eine Semmel krümelt. Klara geht in die Küche, um die tiefgekühlten Erbsen in ein wenig Wasser mit Salz, Kümmel, Essig und einem Löffel Schmalz zu kochen. Behutsam nimmt sie, als die grünen Kügelchen gar sind, eine heraus und legt sie zum Trocknen neben die heiße Herdplatte.
Ich finde die Sprache wirklich toll: Äpfel, Semmel, krümelt, Kümmel, Essig, Schmalz: das ist alleine akustisch schon sehr stark. Wirklich. Die Passage finde ich Klasse.

Nach dem Essen, als die Mutter im Fauteuil eingeschlafen ist
Fauteuil - das ist dieses Kontrastreiche. Man denkt, dass die beiden ziemlich ärmlich hausen müssen durch das Bild der "Erbsensuppe", der Windel, dem gemeinsamen Zimmer. Und dann ist "Fauteuil" auch wieder so ein Hauch aus einer anderen Welt wie das "geleiten".

Zuerst zieht sie den roten Gummi, mit dem es verschlossen ist, ab, dann steckt sie ihre Nase hinein. Grün, faulig, schwefelig. Jetzt weiß sie wieder, wie ihr Leben ist. Sie holt die neue Erbse vom Herd und gibt sie zu den anderen und zurrt das Sackerl mit dem Gummi zu.
Das ist das stärkere Bild! Das Motiv. Das Anfassbare.

Die Kugel in ihr liegt nun ruhig am Boden der Schüssel.
Nicht das hier: Denn das hier ist nur metaphorisch. Das ist Innenleben. Es ist auch nicht so leicht vorstellbar, wie so eine Roulettekugel denkt man da. Eine Erbse in einer Schüssel. Kugel und alles ... ehrlich: Das Sackerl-Bild! Hier hast du die Wahl zwischen einer herrlichen Sacher-Torte und einem Cracker, den du deinen Gästen servieren kannst. Und du lässt die Torte im Schrank und tischt ihnen Cracker auf.

Die grauen Löckchen sorgfältig eins neben dem anderen, die kaum noch vorhandenen Augenbrauen dezent nachgezogen, jeden Tag Lippenstift und Perlenkette und goldene Armreifen.
Gelingt gut, man hat ein Bild vor sich. Aber jetzt ist es noch eher Klischee.

Einmal, an einem besonders heißen Sommertag, ist Hermi mit blanken Füßen in den Pantoffeln vor der Tür erschienen und Klara hat fast die Fassung verloren, als sie sah, dass deren Fußnägel lackiert waren.
Und jetzt, durch dieses persönliche Detail kriegt es Leben.

Hermi kauft sich sogar noch neue Stücke für ihre ohnehin üppige Garderobe und führt sie dann im Cafe ihren Freundinnen vor, wie Klara weiß. Sie selbst hat keine Freundinnen mehr.
An der Stelle musst du dich fragen, wer der Erzähler ist. Ehrlich. Willst du personal bleiben, dann MUSS da ein "ja" rein: Sie selbst hat ja keine Freundinnen mehr (denn die Mutter ist schuld). Ehrlich, die Unentschlossenheit des Erzählers, der nicht richtig personal ist, aber es an vielen Stellen versucht, wodurch man den Eindruck erhält, er sympathisiere mit ihr. Das ist ein Problem. Entweder: ein Hauch Ironie oder: Neutral oder: Personal.

und versperrt Hermi mit ihrem aufgedunsenen Bauch, über den sich das fleckige Nachthemd spannt, die Tür.
„Ich wollte euch eh nur die Mehlspeis bringen, ist doch bald Weihnachten.“ Und mit diesen Worten streckt sie Klara den Teller entgegen, den sie in Händen hält. Darauf liegen schachbrettartig rosa und braune Würfel, rosa Zuckerguss (sicher mit Rum drin, wie Klara sich sofort denkt) und Schokoguss, jedes einzelne Stück ein perfektes winziges Quadrat, matt glänzend und in weiße Papierspitze gelegt.
„Die hab ich selbst gemacht. Mit Dinkelmehl und Honig und echter Butter, geht ganz einfach!“
Klara nimmt ihr den Teller aus der Hand und sagt nur: „Dann hat sie wieder tagelang keinen Stuhlgang“, und wirft die Tür zu.
Das ist auch eine Passage, die eine Eins mit Sternchen verdient. Du zeichnest es so schön. Dieses "Abblättern". Ich finde es ist eine Geschichte über das abblättern. Die alte Hermi mit dem Angora-Pullover (Man hätte noch auf ihre Zähne eingehen können) und die viel Jüngere mit fleckigem Nachthemd. Und dann dieses Konfekt da. Und die Reaktion darauf. Die Geschichte ist herrlich muffig und man hat das Gefühl: "Die waren vorher alle mal was." Finde ich. So diese Rituale sind noch da. Irgendwo. Die Mutter war vor ihrer Demenz keine Frau, sondern eine Dame.


Klara weiß genau, wieso sie die Erbsen und die Süßigkeiten sammelt.
Ich verstehe den Satz nicht. Wer behauptet etwas anderes? Denkt sie das? Ist das der Erzähler? Perspektive!

Sie hört, dass die Mutter mit ihrem Abendspaziergang durch die Wohnung begonnen hat. Rastlos streift sie dann von einem Raum zum nächsten.
Ich hatte sie so gebrechlich vor meinen Augen, dass sie das nicht mehr kann.

Vor nichts ekelt es Klara mehr, als diese vom Speichel ihrer Mutter getränkten Kuchenreste vom Boden aufzuheben. Oft lässt Klara diese auch liegen.
Gut: Der erste Satz. Der zweite ... nicht so.

Gut, dass es Winter ist, da braucht Klara nur den Mantel drüberzustecken und sie ist ausgehfertig.
Hier wieder: Personal.

Die Mutter jedoch zieht sie jeden Morgen um, ansonsten muss Klara damit rechnen, dass die sich ständig das Nachthemd über den Kopf zieht und dann auf unanständigste Weise die Beine spreizt oder sich dort anfasst. Diesen Anblick will die Tochter sich ersparen.
Ausführen! Starkes Motiv, ein ganz starkes Bild wird hier wirklich auf der Straße liegen lassen.

Im Supermarkt sagt die Kassiererin zu ihr:
„Haben´S eh recht, dass Sie sich einen Schnaps kaufen über die Feiertag´, man gönnt sich ja sonst nix.“ Dabei zwinkert sie. Da Klara bei ihr jeden zweiten Tag die gleiche Flasche Schnaps bezahlt, kann sie diese Bemerkung nur als Bösartigkeit verstehen. Den Schluck, den sie gleich darauf im Stiegenhaus nimmt, kann die rotierende Kugel in ihrem Inneren nicht beruhigen.
Ich find das schwächer. Dass sie trinkt, war klar, das musste nicht noch mehr aufgeführt werden. Jetzt nimmst du das Bild mit der Kugel wieder auf, dass du seit dem Anfang in Reserve hattest.

Klara sieht sich jetzt selbst da stehen, mit den roten Äderchen im Gesicht, in ihrem alten Mantel, dessen Kragen nach Haarfett riecht.
Das geht so nicht. Das ist der sogenannte Spiegel-Trick. Man hat sich als Erzähler zwar auf die Sicht einer Figur beschränkt, aber man möchte dem Leser doch sehr gern mitteilen, wie die Figur jetzt aussieht.

Dann strafft Hermi ihren Körper, die Perlenkette hat einen wunderbar irisierenden Glanz auf dem Beige des Pullovers, und steht auf.

Sie nimmt eine winzige Messingschaufel, zu der ein ebenso winziger Portwisch gehört, von einem Haken an der Wand und beginnt, Krümel vom Tisch zu fegen, die Klara gar nicht sehen kann, auch wenn sie ihre Augen noch so anstrengt.

Gute Passage.

Den riesigen Marmoraschenbecher, der auf dem Tisch mitten im Zentrum einer weißen Häkelrosette steht, den sieht Klara. Sie macht ein paar Schritte nach vor und es sieht zuerst so aus, als ob sie ihrer Mutter nur aus dem Stuhl helfen will.
Für wen sieht es so aus?

Klara richtet sie auf, dann nimmt sie die rechte Hand der Mutter und legt diese um den Aschenbecher. Als sie sicher ist, dass ihn die Alte fest umklammert, nimmt Klara deren Rechte in beide Hände, hebt sie an und schlägt dann das schwere Marmorstück mit voller Wucht auf Hermis vorgebeugten Kopf.
Mir ist das in der Idee zu Tatort-mäßig. Ich weiß nicht. Ich finde das "Laute" ist der Geschichte nicht angemessen.

Erst jetzt fällt die Kugel über den Rand der Schüssel. Nicht schon, als sie den verächtlichen Blick der Kassiererin in ihrem Rücken spürte, nicht schon, als sie wie eine Ausgeschlossene in der Tür stand, nicht schon, als sie den Marmoraschenbecher bemerkt hat. Nein, erst jetzt, als die Haut unter den Löckchen schmatzt und der Schädelknochen knirscht, jetzt erst fällt die Kugel über den Rand der Schüssel auf die Außenseite.
Der Absatz bemüht sich richtig darum, dieses Bild "nachträglich" an Stellen einzufügen, in der es nunmal einfach nicht da war. Ehrlich: Ich bin kein Fan von diesem Bild. Ich finde das halbherzig.

Als Klara die Faust der Mutter schon längst losgelassen hat, um ans Telefon zu gehen und die Eins-Drei-Drei zu wählen, umklammert die noch immer fest den massiven Stein. Dann hebt sie ihn hoch, streckt ihn Klara in der rot gefleckten Hand entgegen und flüstert:
„Das ist keine Schokolade."
Ich weiß nicht. Meins ist das Ende nicht.

Also: Sprachlich über weite Teile wirklich eine Glanznummer. Die Thematik ist toll. Da steckt viel zwischen den Zeilen, die Umkehr der Mutter-Tochter-Beziehung, die Angst davor, der Mutter nicht so zu helfen wie es vielleicht nötig wäre, die Angst selbst mal so zu enden (und sie hat ja keine Tochter). Die Figur der Klara ist in ihrer Schwäche sehr menschlich. Der Hass auf Hermine (die nur die Schokaldenseite ihrer Mutter sieht) und das alles: Starke Emotionen. Wirklich gut gemacht. Nur: Das Ende finde ich inkonsequent. Hermi ist ja nur ein Nebenaspekt, sozusagen.
Also die Figur der Klara "braucht" natürlich ihre Mutter. Sie ist ihr Lebensinhalt und natürlich auch ihre Universalausrede. Hätte da vielleicht noch eine Szene vertragen, aus der ersichtlich wird, dass sie auch deren Rente braucht, aber na ja. Du siehst: Die Thematik, das Szenario, die Figuren ist so stark, dass ich schon im Kopf beginne die Geschichte auszuschmücken und weiterzuschreiben. Das ist ein gutes Zeichen.
Erzähltechnisch: Die Perspektive! Ehrlich. Sich für eine Perspektive, einen Erzähler entscheiden und auch bei ihm bleiben. Ich hab das Gefühl an einigen Passagen, du hörst auf eine kleine Stimme in deinem Kopf, die schreit: "Sag's ihnen noch! Sag ihnen, was du dir da noch bei gedacht hast."
Das darfst du ja machen, aber dann von Anfang an! Und nicht 98% personaler Erzähler und 2% noch "es ist aber wichtig!"-auktorial reinschmuggeln. Du müsstest mal zur Strafe 100 Seiten nur Ich-Erzählung schreiben. Irgendwas! Ehrlich.
Aber das machst du ja sowieso nicht...
Ach, trotzdem eine wirklich tolle Geschichte! Ehrlich. Mein Kompliment!

Gruß
Quinn

 
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Hallo Andrea,

ich schließe mich dem Quinnschen Lob voll und ganz an :thumbsup:. Ein wirklich starker Text, den du über weite Strecken sprachlich hervorragend gestaltet hast.
Besonders gut gelungene Detailbeschreibungen, die mitunter richtig weh tun.

Den Titel find ich nicht so gut. "Im Aus" klingt eher nach Tennismatch oder Fußball.
Am Ende hast du dann - im wahrsten Sinn des Wortes - einen Befreiungsschlag angebracht, entweder, um der dramatischen Geschichte einen noch dramatischeren Schluß zu geben , oder weil du von Anfang an auf dieser "Spur" warst?
Mir wäre ein offener oder ein anderer Schluß lieber.
Und das mit der Kugel strapazierst du etwas zu oft.
Aber das sind eigentlich unwichtige Nörgeleien.
Es bleibt: Ein hochwertiger, anspruchsvoller literarischer Text,
mit einem fur(z)iosen Einstieg.

Viele Grüße
Hawowi

 
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Hallo Andrea!

Ich habe nicht viel zu sagen, stehe ich doch beeindruckt vor diesem Text, wie ein gläubiger Moslem vor der Kaaba. Für meinen Geschmack die beste Geschichte, die ich von dir bisher gelesen habe, zugleich einer der ganz seltenen Fälle, wo ich nichts, aber auch gar nichts anzumerken habe oder anders geschrieben hätte. (Abgesehen davon, dass ich so etwas Hervorragendes gar nicht schreiben könnte.) Eine wunderbare Sozialstudie ist dir hier gelungen, die du meisterhaft in typisch österreichischem Lokalkolorit verfasst hast. Meine ausdrückliche Gratulation dazu. Und ... langsam wirst du mir unheimlich. ;)

Einen lieben Gruß,
Manuela :)

Nachtrag: Die Metapher mit der Kugel, fand ich, so nebenbei bemerkt, ausgezeichnet.

 

Hallo Andrea,

meine erste Geschichte an diesem Montag und dann gleich eine, die kaum noch zu toppen ist. Verdammt gut geschriebene Geschichte. Du hast die Stimmung zwischen den beiden Frauen derartig plastisch eingefangen, dass ich das Gefühl hatte, mittendrin zu sein in dieser Wohnung mitten zwischen den Frauen.
Ich hab mich geekelt und angewidert gefühlt und konnte das Magendrücken deiner Protagonistin fast selbst spüren. Toll gemacht!!!

Ich hab noch einen kleinen Blick auf die schon geschriebenen Kritiken geworfen und kann in zwei Punkten übereinstimmen: der Titel ist nicht so glücklich. Wie wäre es, wenn du etwas wählst, was über den Zustand des Magens etwas aussagt. Mir fällt grad nur sehr dilettantisch "Magendrücken" , "Magendruck" ein.

Ja und das Ende ist mental nicht so ganz nachvollziehbar, eigentlich gilt ihr Hass der Mutter oder ist gegen sich selbst gerichtet.
Dazu wäre mein Vorschlag, dass du schon in der Szene, in der die Mutter zur Nachbarin gegeben wird, du das höchste Unbehagen schilderst, es tun zu müssen. Die Protagonistin wägt ab und erinnert sich vielleicht an einen Vorfall, in dem Mutter fast die Wohnung in Brand gesetzt hätte, weil sie den Gasherd angemacht hatte, um sich eine Schokolade zu kochen und dass nun Klara aus lauter Furcht, dass dies wieder geschehen könnte, in voller Abneigung die Mutter zur Nachbarin gibt. Vielleicht wirkt das Ende glaubwürdiger, wenn du schon vorher die Eifersucht erwähnst.


Aber das alles ändert nichts an der Tatsache, dass es sich um eine besonders gelungene Geschichte handelt.

Lieben Gruß
lakita

 
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Hey Hoppel-Moppel!

„Das ist keine Schokolade.“
Die Alte hat zuviel "Chocolate" gesehen - danach könnte ich nämlich auch nur tagelang Schokolade essen. ; )
Hauptsache, du kannst nur IRGENDEINEN Bezug zu Johnny herstellen, was? :p

Was für ein Anfang. Ich weiß nicht ob das jetzt gefällt oder nicht - für die Geschichte ist sie jedenfalls richtig. Auch wenn das ein falsches Licht auf Frauen im mittleres Alters wirft. ; )
Weiß nicht, was du meinst!:Pfeif:

Die Kugel im Magen solltest du vielleicht öfters bringen, weil ich am Ende dann bisschen durcheinander kam - ich gebs zu, ich hab nicht so konzentriert gelesen - aber trotzdem kommt man durcheinander, weil am Ende eh alles Schlag auf Schlag geht.
Ja, das Ende ... hab wohl wieder mal zu schnell abgeschlossen! :bonk: Quinn hat mir schon die Peitsche deswegen gegeben, und ja, es hat WEH getan!!!!! Werde noch dran arbeiten ...

Mir hat die Geschichte gefallen, sie gehört zu den Geschichten, die einfach erzählt werden müssen. Solche Themen sollten öfters behandelt werden - und zwar auf diese Weise - diese unkitschige - unparteiische Weise.
Danke! (Muss ab jetzt Smileys sparen, sonst hättest hier auch noch ein Lächeln bekommen!)
Warum die Prot. Hermi hasst, kann ich nicht ganz nachvollziehen, vllt weil sie Hermi als Kontrolleurin ansieht, die ihr nichts zutraut, vllt wie die Mutter früher, vllt hat die Nachbarin die Rolle der Mutter (von früher) übernommen. Aber das sind alles nur Mutmaßungen.
Und ich dachte, das wäre so was von klar! Klara bringt halt nix auf die Reihe, und Hermi anscheinend alles, die ist gepflegt, hat Geld, Freundinnen, macht alles richtig usw. Es ist halt der Neid, aber auch noch dieses Quentchen Trotz, dass sich bei jedem von uns einstellt, wenn wir jemandem begegnen, der anscheinend alles richtig macht, und wir nicht.
Was wirklich positiv auffällt, was aber bei all deinen Geschichten so ist, die Charakterisierung der Prots. gelingt dir immer. Du lässt den Leser in die Psycho-Welt deiner - kranken - (manchmal) perversen - eigenartigen - undurchschaubaren - Figuren tief eintauchen. Ein Andysches Merkmal sozusagen. ; )
Danke, freut mich wirklich, dass du das so siehst!
Ist jetzt alles so ein Kuddel-Muddel - also mein Kommentar. ; )
Kleine Schlampe!!

Hey Dr. Quinn!

Hallo Sie,
Okay, das hab ich verdient!
Freut mich wirklich sehr, dass dir der erste Teil so gut gefallen hat. Du siehst da ja viel mehr als ich immer, aber so, wie du es siehst, da merk ich, wie intensiv du dich mit meinen Texten auseinandersetzt und das ist schön! :) Auch deine Interpretation mit der Umkehrung der Mutter-Tochter-Beziehung usw. find ich wirklich gut.
Das mit dem Kugel-Bild muss ich mir noch überlegen, aber deine Bemerkungen dazu sind schon interessant, dass du die Metapher schwächer findest, als das "nackte" Darstellen sozusagen, aber ich denke, du hast eh Recht!
An der Stelle musst du dich fragen, wer der Erzähler ist. Ehrlich. Willst du personal bleiben, dann MUSS da ein "ja" rein: Sie selbst hat ja keine Freundinnen mehr (denn die Mutter ist schuld). Ehrlich, die Unentschlossenheit des Erzählers, der nicht richtig personal ist, aber es an vielen Stellen versucht, wodurch man den Eindruck erhält, er sympathisiere mit ihr. Das ist ein Problem. Entweder: ein Hauch Ironie oder: Neutral oder: Personal.
JAHAAAAAAAA! Gib´s mir nur!!!
Das ist auch eine Passage, die eine Eins mit Sternchen verdient. Du zeichnest es so schön. Dieses "Abblättern". Ich finde es ist eine Geschichte über das abblättern. Die alte Hermi mit dem Angora-Pullover (Man hätte noch auf ihre Zähne eingehen können) und die viel Jüngere mit fleckigem Nachthemd. Und dann dieses Konfekt da. Und die Reaktion darauf. Die Geschichte ist herrlich muffig und man hat das Gefühl: "Die waren vorher alle mal was." Finde ich. So diese Rituale sind noch da. Irgendwo. Die Mutter war vor ihrer Demenz keine Frau, sondern eine Dame.
Mir war das gar nicht so bewusst, aber das hast du sehr feinfühlig bemerkt! Ich denke, es ist wirklich so. Ansonsten: :bounce:

Klara weiß genau, wieso sie die Erbsen und die Süßigkeiten sammelt.
Ich verstehe den Satz nicht. Wer behauptet etwas anderes? Denkt sie das? Ist das der Erzähler? Perspektive!
Ja, es ist natürlich ein perspektivisches Problem, aber ich hatte das Gefühl, der Satz MUSS da rein, ich will Klara nicht einfach nur als verrückt hinstellen, sondern sie braucht diese Rituale, um irgendwie das Leben zu verkraften, und das ist ihr auch bewusst. Aber ich denke, dieser Satz ist auch so ein bisschen ein loses Ende in der Geschichte, das nirgendwohin führt, und keine Daseinsberechtigung hat.
Sie hört, dass die Mutter mit ihrem Abendspaziergang durch die Wohnung begonnen hat. Rastlos streift sie dann von einem Raum zum nächsten.
Ich hatte sie so gebrechlich vor meinen Augen, dass sie das nicht mehr kann.
Sie ist alt, aber Demenzkranke sind körperlich oft erstaunlich gut beinander und sie haben einen unglaublichen Bewegungsdrang, deswegen hauen sie ja auch oft ab.
Vor nichts ekelt es Klara mehr, als diese vom Speichel ihrer Mutter getränkten Kuchenreste vom Boden aufzuheben. Oft lässt Klara diese auch liegen.
Gut: Der erste Satz. Der zweite ... nicht so.
Der zweite Satz soll halt ganz nebenbei zeigen, wie´s ungefähr in der Wohnung aussieht, dass Klara ihren haushälterischen Pflichten nicht so ganz nachkommt.
Die Mutter jedoch zieht sie jeden Morgen um, ansonsten muss Klara damit rechnen, dass die sich ständig das Nachthemd über den Kopf zieht und dann auf unanständigste Weise die Beine spreizt oder sich dort anfasst. Diesen Anblick will die Tochter sich ersparen.
Ausführe
n! Starkes Motiv, ein ganz starkes Bild wird hier wirklich auf der Straße liegen lassen.
Jo, okay, ich werd das noch ausbauen!
Was den Supermarkt-Abschnitt betrifft, ja, den werd ich wahrscheinlich streichen, kommt halt drauf an, wie sehr ich das Ende ändern werde. Du machst mir wirklich schlaflose Nächte! :D

Klara sieht sich jetzt selbst da stehen, mit den roten Äderchen im Gesicht, in ihrem alten Mantel, dessen Kragen nach Haarfett riecht.
Das geht so nicht. Das ist der sogenannte Spiegel-Trick. Man hat sich als Erzähler zwar auf die Sicht einer Figur beschränkt, aber man möchte dem Leser doch sehr gern mitteilen, wie die Figur jetzt aussieht.
Warum eigentlich nicht? Warum sollte Klara nicht darüber nachdenken, wie sie selbst von außen aussieht? Gerade wenn man sich vernachlässigt, macht man das vielleicht doch öfter?
Den riesigen Marmoraschenbecher, der auf dem Tisch mitten im Zentrum einer weißen Häkelrosette steht, den sieht Klara. Sie macht ein paar Schritte nach vor und es sieht zuerst so aus, als ob sie ihrer Mutter nur aus dem Stuhl helfen will.
Für wen sieht es so aus?
Jo, erwischt ... *schäm*

Du hast auch recht, wenn du meinst, dass das "laute" Ende nicht zur übrigen Geschichte passt. Der Mord war halt die Ausgangsidee für die Geschichte. Das muss noch in mir reifen!

Erst jetzt fällt die Kugel über den Rand der Schüssel. Nicht schon, als sie den verächtlichen Blick der Kassiererin in ihrem Rücken spürte, nicht schon, als sie wie eine Ausgeschlossene in der Tür stand, nicht schon, als sie den Marmoraschenbecher bemerkt hat. Nein, erst jetzt, als die Haut unter den Löckchen schmatzt und der Schädelknochen knirscht, jetzt erst fällt die Kugel über den Rand der Schüssel auf die Außenseite.
Der Absatz bemüht sich richtig darum, dieses Bild "nachträglich" an Stellen einzufügen, in der es nunmal einfach nicht da war. Ehrlich: Ich bin kein Fan von diesem Bild. Ich finde das halbherzig.
Hm, mich stört die Wiederholung dessen, weil´s so als Zusammenfassung daherkommt, ich werd das sicher auch noch ändern. Aber das mit dem "nachträglich" versteh ich nicht ganz. Aber dass es eine schwache Stelle ist, da geb ich dir Recht. Es ist halt so, manche Sätze hat man schon von Beginn an, und übersieht dann, dass sie vielleicht gar nicht mehr so gut in die übrige Geschichte passen.
Ja, das Ende ... Dazu sag ich im Moment noch nichts, aber ganz glücklich bin ich auch nicht damit.

Du siehst: Die Thematik, das Szenario, die Figuren ist so stark, dass ich schon im Kopf beginne die Geschichte auszuschmücken und weiterzuschreiben. Das ist ein gutes Zeichen.
LOL
Erzähltechnisch: Die Perspektive! Ehrlich. Sich für eine Perspektive, einen Erzähler entscheiden und auch bei ihm bleiben. Ich hab das Gefühl an einigen Passagen, du hörst auf eine kleine Stimme in deinem Kopf, die schreit: "Sag's ihnen noch! Sag ihnen, was du dir da noch bei gedacht hast."
Willst du meine neue kleine Stimme sein? :D
Das darfst du ja machen, aber dann von Anfang an! Und nicht 98% personaler Erzähler und 2% noch "es ist aber wichtig!"-auktorial reinschmuggeln. Du müsstest mal zur Strafe 100 Seiten nur Ich-Erzählung schreiben. Irgendwas! Ehrlich.
Schlag mich, schlag mich nicht, schlag mich, schlag mich nicht, schlag mich, schlag mich nicht, schlag mich, schlag mich nicht, schlag mich
Aber das machst du ja sowieso nicht...
Willst du mir damit irgendwas sagen?
Ach, trotzdem eine wirklich tolle Geschichte! Ehrlich. Mein Kompliment!
Ach, da geht mir doch das Herz auf!

Danke an Jo und an dich!
Bussi an euch beide
Andrea

 

Hallo Hawowi!

ich schließe mich dem Quinnschen Lob voll und ganz an . Ein wirklich starker Text, den du über weite Strecken sprachlich hervorragend gestaltet hast.
Besonders gut gelungene Detailbeschreibungen, die mitunter richtig weh tun.
Ach, die Woche beginnt wirklich gut! Dankeschön! :)
Den Titel find ich nicht so gut. "Im Aus" klingt eher nach Tennismatch oder Fußball.
Ja, das hat Lakita auch gesagt - ich werd den sicher noch ändern, hängt aber jetzt davon ab, wie die Geschichte tatsächlich enden wird.
Am Ende hast du dann - im wahrsten Sinn des Wortes - einen Befreiungsschlag angebracht, entweder, um der dramatischen Geschichte einen noch dramatischeren Schluß zu geben , oder weil du von Anfang an auf dieser "Spur" wahrst?
Mir wäre ein offener oder ein anderer Schluß lieber.
Ja, es ist tatsächlich ein Befreiungsschlag und man könnte sich fragen, wo Klara die Energie dazu hernimmt. Ändern werde ich sicher noch was - aber da brauch ich noch einige Denkschlafe dazu! ;)
Und das mit der Kugel strapazierst du etwas zu oft.
Das ist offensichtlich etwas, wo die Meinungen sich spalten! ;)


Ach Manuela,
auch du verschönst mir meinen Tag! :)

Für meinen Geschmack die beste Geschichte, die ich von dir bisher gelesen habe, zugleich einer der ganz seltenen Fälle, wo ich nichts, aber auch gar nichts anzumerken habe oder anders geschrieben hätte.
Dass du eine Weiterentwicklung zum Positiven siehst, das freut mich wirklich ganz besonders!
Eine wunderbare Sozialstudie ist dir hier gelungen, die du meisterhaft in typisch österreichischem Lokalkolorit verfasst hast. Meine ausdrückliche Gratulation dazu.
Dankeschön! Ja, geht auf einen Zeitungsartikel zurück. In den Zeitungen findet man immer den besten Stoff.

Nachtrag: Die Metapher mit der Kugel, fand ich, so nebenbei bemerkt, ausgezeichnet.
Freut mich, dass es dir gefällt!


Hallo Lakita!

meine erste Geschichte an diesem Montag und dann gleich eine, die kaum noch zu toppen ist. Verdammt gut geschriebene Geschichte. Du hast die Stimmung zwischen den beiden Frauen derartig plastisch eingefangen, dass ich das Gefühl hatte, mittendrin zu sein in dieser Wohnung mitten zwischen den Frauen.
Ich hab mich geekelt und angewidert gefühlt und konnte das Magendrücken deiner Protagonistin fast selbst spüren. Toll gemacht!!!
Ach, Lakita, ich danke dir, so sollte die Wirkung auch sein!
Der Titel wird sicher noch entsprechend den Änderungen, die ich sicher noch machen werde, ein anderer sein. Zuerst hatte ich auch "An der Hand nehmen", aber wenn ich den Mord weglasse, passt das auch nicht mehr.

Ja und das Ende ist mental nicht so ganz nachvollziehbar, eigentlich gilt ihr Hass der Mutter oder ist gegen sich selbst gerichtet.
Ja, stimmt, aber Klara hat und ist halt all das, was ihr verschlossen bleibt. Sicher hasst sie die Mutter auch, weil sie Klara das Leben schwer macht, aber da sind sicher auch noch eine Menge anderer Gefühle der Mutter gegenüber, also nucht ausschließlich Hass.
Dazu wäre mein Vorschlag, dass du schon in der Szene, in der die Mutter zur Nachbarin gegeben wird, du das höchste Unbehagen schilderst, es tun zu müssen. Die Protagonistin wägt ab und erinnert sich vielleicht an einen Vorfall, in dem Mutter fast die Wohnung in Brand gesetzt hätte, weil sie den Gasherd angemacht hatte, um sich eine Schokolade zu kochen und dass nun Klara aus lauter Furcht, dass dies wieder geschehen könnte, in voller Abneigung die Mutter zur Nachbarin gibt. Vielleicht wirkt das Ende glaubwürdiger, wenn du schon vorher die Eifersucht erwähnst.
Hm, ja, danke für die gedankliche Anregung, entweder muss ich den Mord ganz weglassen oder ich muss ihn noch mehr in die Geschichte integrieren, da hast du sicher Recht!

Ich danke euch allen fürs Lesen und fürs Kommentieren und fürs Gut-Finden! :)
Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea,

oh ja, da ist nicht nur Hass zwischen Klara und ihrer Mutter. Hoffentlich hab ich nicht den Eindruck erzeugt, dass ichs nur so verkürzt erkannt habe.
Nein, da steckt sehr viel mehr Vielschichtiges in dieser Beziehung der beiden. Mit einer der Gründe, weshalb ich diese Geschichte ja für so gelungen halte. Da steht so viel zwischen den Zeilen. :thumbsup:

Je länger ich über das Ende nachdenke, desto mehr gewöhne ich mich dran. Mir fiele partout kein anderer Schluss ein. Mein Vorschlag, etwas mehr von der Ablehnung Klaras zur Nachbarin in die Geschichte reinzuarbeiten, möchte ich noch um einen Punkt erweitern. Wenn man am Ende der Geschichte Klaras Verhalten erlebt, ohne laut zu protestieren, dann liegt es daran, dass es etwas Wahnhaftes hat, was sie tut. Die Wahnhaftigkeit könnte hie und da noch mehr rausblitzen aus dem Text. Vielleicht wirkt dann das Ende homogener. Man spürt, dass sie sich von etwas befreien möchte, aber sich eben nicht getraut, die wahre Ursache zu beseitigen. Die Nachbarin ist nur die Stellvertreterin.

Hoffe, ich habs ein bisschen verständlicher machen können, was ich meine.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo Andrea, eine hervorragende Charakterstudie ist dir da gelungen! Die pervers umgedrehte Mutter- Kind - Beziehung, die senile Alte, die es trotzdem schafft, zu tyrannisieren ( "Futsch" - wie ein gemeiner Kobold kommt sie mir vor), die ach so geplegte, hilfsbereite Nachbarin, die ihre herablassende Haeme kaum verbergen kann und schliesslich die Tochter, ueberfordert und agressiv, aber trotzdem ihre Macht geniessend - superb, wirklich.
Ein Thema, bei dem sich Abgruende auftun...
Eins verstehe ich nur nocht so recht, warum sammelt sie Erbsen und Suesses?
Und das "Ende" mit dem Aschenbecher, da bin ich mir nicht so recht sicher.
Einerseits gefaellt es mir, weil es diese spontane Wut wiederspiegelt, andererseits rueckt die Geschichte damit so in das Genre " Boeser kleiner Krimi" und ich bin mir nicht sicher, ob das deine Absicht war. Weisst du, was ich erst dachte? Als ich die Geschichte beim ersten Mal nur so ueberflog, las ich nur von Windelhosen und den letzten Satz "das ist aber keine Schokolade". Ich dachte, es endet damit, dass die Mutter in ihrem eigenen Kot rumschmmiert und denkt, es ist Schokolade. Ein Szenario, wie es durchaus nicht unueblich bei senilen alten Leuten im Altersheim usw. ist, wie ich schon oefters mal gehoert habe ...
Was fuer eine tolle, bewegende Geschichte.
gruss, sammamish

 

hallo Andrea,

Gerade habe ich deine Geschichte zum dritten Mal gelesen und ich weiß immer noch nicht, was ich sagen soll. die Figuren sind richtig lebendig, die Sprache zieht mich mitten ins Geschehen und ich höre die Umgebung, habe das Gefühl, den fleckigen Dielenboden, von dem die feuchten Kuchenstücke nicht aufgehoben worden sind, unter meinen Füßen zu spüren. Alles klingt so nachvollziehbar und echt und bitter. Da ist die Liebe zur Mutter einer Verpflichtung gewichen und dem Hass darauf, in Gefangenschaft leben zu müssen, bloß weil die Alte nicht mehr kann, vielleicht alles mit Absicht macht und mit Genugtuung boshaft ist.

Und wieder weiß ich nicht, was sich noch sagen könnte. Mir gefallen die sparsam aber effektiv eingeflochtenen österreichischen Ausdrücke, weil sie dem ganzen eine Ehrlichkeit geben und eine Normalität, die ich anrührend finde.
Die Geschichte mit dem Aschenbecher am Schluss reißt mich schließlich jäh aus dem Szenario, weil es für mich nicht passen will. Die Nachbarin scheint stellvertretend für die Mutter zu stehen, aber insgesamt scheint es mir ein Bruch zu sein. Alternativvorschlag? Keine Ahnung. Nach längerem überlegen fällt mir folgender ein: Klara und die Mutter gehen einfach. Und die Nachbarin kümmert es nicht, sie bleibt im Wohnzimmer sitzen, kümmert sich vielleicht um irgendwelche Krümel, beseitigt also die Spuren ihres Besuches, denn sie nur angenommen hat, um als die nette Samariterin überzubleiben. Ich weiß nicht, ist mein Gedanke, passt nicht in deine Geschichte, weil sie eben so ist wie du sie gemacht hast und meine Überlegung eher als Fremdkörper wirken würde.

Ich habe die Geschichte gerne gelesen. Deine Sprache beeindruckt mich.

Georg

 

Hallo Lakita!

Nein, da steckt sehr viel mehr Vielschichtiges in dieser Beziehung der beiden. Mit einer der Gründe, weshalb ich diese Geschichte ja für so gelungen halte. Da steht so viel zwischen den Zeilen.
Sehr schön, dass du es so siehst! :)
Wenn man am Ende der Geschichte Klaras Verhalten erlebt, ohne laut zu protestieren, dann liegt es daran, dass es etwas Wahnhaftes hat, was sie tut. Die Wahnhaftigkeit könnte hie und da noch mehr rausblitzen aus dem Text. Vielleicht wirkt dann das Ende homogener. Man spürt, dass sie sich von etwas befreien möchte, aber sich eben nicht getraut, die wahre Ursache zu beseitigen. Die Nachbarin ist nur die Stellvertreterin.
Ich weiß nicht, ob es wahnhaft ist, man muss bei Bösartigkeit auch manchmal von rationalen Gründen ausgehen, bzw. starke negative Gefühle, Wahn und rationale Überlegungen gehen halt oft Hand in Hand. Klara sieht plötzlich ihre Chance (in dem Aschenbecher) die Nachbarin und gleichzeitig auch die Mutter los zu werden. Anscheinend kommt das nicht so gut raus, dass Klara den Mord der Mutter in die Schuhe schieben will. Ob das funktioniert oder nicht, ist ein ganz andere Geschichte. Aber die Mutter hält die Mordwaffe dann ja noch in der Hand. Auf jeden Fall muss ich noch was dran machen, denn der Bruch in der Geschichte scheint zu stark zu sein.

Danke dir für deine nochmalige Rückmeldung. Und natürlich hat mich deine Empfehlung sehr gefreut! :)


Hallo Sammamish!

eine hervorragende Charakterstudie ist dir da gelungen!
Dankeschön! :)
Eins verstehe ich nur nocht so recht, warum sammelt sie Erbsen und Suesses?
Das sind eben Rituale, die sie braucht, warum auch immer. Die einzelnen Erbsen stehen für jeden Tag, den sie weiter in diesem schrecklichen Leben zubringen muss und das Süße für das, was ihr vorenthalten bleibt. Vielleicht, vielleicht ist es aber auch ganz anders! ;)
Und das "Ende" mit dem Aschenbecher, da bin ich mir nicht so recht sicher.
Einerseits gefaellt es mir, weil es diese spontane Wut wiederspiegelt, andererseits rueckt die Geschichte damit so in das Genre " Boeser kleiner Krimi" und ich bin mir nicht sicher, ob das deine Absicht war. Weisst du, was ich erst dachte? Als ich die Geschichte beim ersten Mal nur so ueberflog, las ich nur von Windelhosen und den letzten Satz "das ist aber keine Schokolade". Ich dachte, es endet damit, dass die Mutter in ihrem eigenen Kot rumschmmiert und denkt, es ist Schokolade. Ein Szenario, wie es durchaus nicht unueblich bei senilen alten Leuten im Altersheim usw. ist, wie ich schon oefters mal gehoert habe ...
Ja, der Mord war die Ausgangsidee, der Mord einer 80jährigen an einer anderen alten Frau, so soll es dann zumindest am Ende aussehen! Aber da ist eben offensichtlich ein Bruch drinnen, der die meisten Leser stört, und ich muss das wirklich überdenken. An die Ähnlichkeit von Scheiße und Schokolade hab ich auch gedacht, aber ich glaube, es wäre mir zu plakativ oder effektheischend.
Schön, dass es dir gefallen hat und danke fürs Lesen! :)


Hallo Bär!

Gerade habe ich deine Geschichte zum dritten Mal gelesen und ich weiß immer noch nicht, was ich sagen soll. die Figuren sind richtig lebendig, die Sprache zieht mich mitten ins Geschehen und ich höre die Umgebung, habe das Gefühl, den fleckigen Dielenboden, von dem die feuchten Kuchenstücke nicht aufgehoben worden sind, unter meinen Füßen zu spüren. Alles klingt so nachvollziehbar und echt und bitter.
Das ist wirklich ein sehr schönes Lob! :)
Die Geschichte mit dem Aschenbecher am Schluss reißt mich schließlich jäh aus dem Szenario, weil es für mich nicht passen will.
Jo, da bist du ja nicht der einzige ...
Die Nachbarin scheint stellvertretend für die Mutter zu stehen, aber insgesamt scheint es mir ein Bruch zu sein. Alternativvorschlag? Keine Ahnung. Nach längerem überlegen fällt mir folgender ein: Klara und die Mutter gehen einfach. Und die Nachbarin kümmert es nicht, sie bleibt im Wohnzimmer sitzen, kümmert sich vielleicht um irgendwelche Krümel, beseitigt also die Spuren ihres Besuches, denn sie nur angenommen hat, um als die nette Samariterin überzubleiben.
Ja, Quinn hat auch gemeint, dass ich ein unspektakuläres Ende nehmen soll, ein "leises" eben.
Ich weiß nicht, ist mein Gedanke, passt nicht in deine Geschichte, weil sie eben so ist wie du sie gemacht hast und meine Überlegung eher als Fremdkörper wirken würde.
Doch, würde schon passen, nichts ist unumstößlich!
Ich habe die Geschichte gerne gelesen. Deine Sprache beeindruckt mich.
:bounce:

Danke euch allen fürs Lesen und Kommentieren!

Gruß
Andrea

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Andrea,

eine sehr gute Geschichte! Der nüchterne Stil, der selbst drastischere Stellen schmerzhaft alltäglich bleiben lässt, ist sorgsam gewählt. Der Aufbau bis zu dem bösen Zwei-Fliegen-Mit-Einer-Klappe-Finale ist meines Erachtens subtil vorbereitet und passt insgesamt ausgesprochen gut. Die Empfehlung ist mehr als berechtigt. Deine Schilderungen sind von einer äußerst atmosphärischen Dichte, die allein aus der intensiven Beziehung dieser Frauen entsteht, ohne dass du da noch großartig ins Detail gehen musstst. Und das alles wirkt bis zum Ende glaubwürdig, nimmt in der Art, wie du es aufgebaut hast, einen fast zwangsläufigen und unvermeidlichen Weg. Ich habe nichts zum Nörgeln gefunden und kam von Anfang an auch gar nicht auf die Idee, überhaupt danach zu suchen.

Ich wünsche deinem kleinen Meisterwerk noch viele Leser und viele Kommentare. Das hätte es verdient.

Grüße von Rick

P. S.: Den Titel hättest du etwas geschickter wählen können, aber das sagt nur einer, der selbst keine Ahnung von einer guten Titelwahl hat. Beim ersten Blick auf den Titel dachte ich, es könnte um Fußball gehen.

 

Hallo Andrea

diese geschichte ist wirklich ein starkes Stück. Atmosphärisch dicht und trotz der (clever gewählten) distanzierten Perspektive unheimlich nah. Beengend.
Deine Beschreibungen sind in ihrer Nüchternheit passend, liefern intensive Bilder. Sowohl auf Mutter als auch auf Tochter wirfst du ein Licht, dass es ermöglicht deren Qual zu sehen - und Mitleid zu empfinden. Für beide.
In meinen Augen spielst du gekonnt mit dem Zündstoff zwischen Abscheu und Mitleid.

kleinvieh:

Auf dem Weg zurück ans Bett nimmt sie einen großen Schluck Marillenschnaps aus der offenen Flasche, die am Küchentisch steht.
falsche Präposition
auch, weil es später heißt:
Die Flasche auf dem Küchentisch ist fast leer.

Obwohl auch schon achtzig, erscheint Hermi jeden Tag vor ihrer Tür, als wollte sie für das Titelblatt eines Magazins für jung gebliebene Senioren fotografiert werden
klasse!
Die Mutter schläft grad, es ist besser, du störst sie jetzt nicht.“, sagt sie sofort und ohne den Gruß zu erwidern und versperrt Hermi mit ihrem aufgedunsenen Bauch,
kein Punkt, wenn Begleitsatz folgt.

zurecht empfohlen :)
grüßlichst
weltenläufer

 

Ach, Rick, du verschönst mir grad echt meinen Tag! Besonders gefreut hat mich auch, dass du das Ende als stimmig empfunden hast (da wird sich Quinn jetzt in den Arsch beißen! :D) Deine lobenden Worte gehen runter wie Öl und sind mir ein Ansporn! :)


Und du, Weltenläufer, bist der Zucker in meinem Samstagskaffee! ;)

Deine Beschreibungen sind in ihrer Nüchternheit passend, liefern intensive Bilder. Sowohl auf Mutter als auch auf Tochter wirfst du ein Licht, dass es ermöglicht deren Qual zu sehen - und Mitleid zu empfinden. Für beide.
In meinen Augen spielst du gekonnt mit dem Zündstoff zwischen Abscheu und Mitleid.
Ja, es freut mich, dass du das so siehst, denn genau das hab ich auch beabsichtigt.
Was die "falsche" Präposition betrifft: Ich glaube, in Österreich ist beides richtig! (Wir haben ja immer eine Ausrede! ;))

Vielen Dank euch beiden! :)

Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea,

was soll ich noch schreiben, was andere nicht schon erwähnt haben? Die Geschichte ist prima, wortgewaltig und treffend. Man hat nie das Gefühl, sie wäre um etwas anderes als ihrer selbst willen erzählt worden.
Toll, wie du die Atmosphäre aufbaust.
Und sie wurde zurecht empfohlen.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo Sim, zwar ein kurzer Kommentar, aber gefreut hat er mich natürlich auch sehr! Dankeschön! :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sami!

Ja, ich find, dass ist sogar eine ziemlich konstruktive Kritik, dir sind da einige Dinge aufgefallen, die überdenkenswert sind.
Das mit dem Keuchen bleibt aber! ;)

Zitat:
Die Mutter verweigert alles Essen bis auf Äpfel, Süßigkeiten und Erbsensuppe, in die ihr Klara eine Semmel krümelt. Klara geht in die Küche, um die tiefgekühlten Erbsen in ein wenig Wasser mit Salz, Kümmel, Essig und einem Löffel Schmalz zu kochen. Behutsam nimmt sie, als die grünen Kügelchen gar sind, eine heraus und legt sie zum Trocknen neben die heiße Herdplatte.
? (Gerne per PN)
Nein, eigentlich kein Aschenputtel-Motiv, die Erbsen stehen für jeden einzelnen Tag, den sie mit ihrer Mutter verbringen muss, in Summe, das, was in dem Sackerl, in dem sie sie sammelt, daraus wird - nichts Schönes jedenfalls. Aber ich sollte hier wohl "es" statt "sie" nehmen.

Zitat:
Klara erinnert sich, dass sie sich noch nicht gewaschen hat heute und will nicht im Nachthemd zur Tür gehen.
Der Satz ist arg unmelodisch.
Das ist eigentlich schon in der Perspektive von Klara drinnen, sollte bewusst holprig sein.
Zitat:
als wollte sie für das Titelblatt eines Magazins für jung gebliebene Senioren fotografiert werden.
Der Vergleich ist in seiner Länge etwas klobig.
Ja, da hast du vollkommen Recht, muss ich mir nochmals anschaun.
Zitat:

Zitat:
Sie lächelt süßlich, wie Klara findet,...
Muss der Einschub sein?
Ja, damit will ich betonen, das das halt aus der Sicht von Klara ist - aber ich weiß, das mit der Perspektive ... :bonk:
Zitat:
Klara nimmt ihr den Teller aus der Hand und sagt nur: „Dann hat sie wieder tagelang keinen Stuhlgang“, und wirft die Tür zu.
Dieses Verhalten – auch wenn die Beziehung zwischen Klara und Hermie kein von Sympathie geprägtes ist – empfinde ich als leicht melodramatisch.
Ja, schon, aber es soll halt auch zeigen, dass sich Klara nicht mehr normal sozial verhält - es ist ihr egal, wenn sie die Nachbarin vor den Kopf stößt. Aber du hast sicher Recht, ist ein bisschen zu sehr pointenorientiert! ;)
Zitat:
ihrem Gesicht Flecken hinterlassen. Das ist für die Mutter der glücklichste Moment des Tages und Klara sieht ihr dann genau ins Gesicht.
In meinen Ohren wird dieser Satz, wohl durch die Wdh. von ‚Gesicht‘, unmelodisch.
Ja, das muss ich ändern!
Mal schauen: Du begründest die faulende Mutter-Tochter-Beziehung, den darin brodelnden Ekel, manifestiert z.B. in den Kuchenresten. Jeder Absatz gibt der Beziehung zwischen Mutter und Tochter ein Fundament und damit Glaubwürdigkeit, durch das aktuelle Geschehen – das für mich als Leser (Achtung, 'Stimmungschlaglicht': ) etwas quälend Redundantes hat, weil ich diese Redundanz in dem Leben der Figuren durchlebe – und die Introspektion. Ein Hintergrund bzw mehr Hintergrund (Geschichte der Figuren) würde das Ganze noch vertiefen. Und die Geschichte verlängern. Und 'ne neue Geschichte schaffen. Am Ende: Klaras Ausbruch, der Wahnsinn und die Katharsis des Austickens. Schließlich das klägliche Bild einer kaputten Frau, die gar nix mehr begreift und sich so meinem Mitleid ein Stück entzieht.
Ja, ich denk auch, dass sie noch ausbaufähig wäre. Dass sie sich am Ende deinem Mitleid entzieht - wahrscheinlich basiert das auf dem gleichen Bruch, den auch Quinn in der Geschichte gespürt hat. Es ist halt so, das Ende war eigentlich der Ausgangspunkt für die Geschichte, die dann aber irgendwie in eine ganz andere Richtung ging. Auch das "quälend Redundante" kann ich nachvollziehen - auf der anderen Seite hat Klaras Leben aber eben dieses "quälend Redundante"!
Naja, mir scheint, ich kann deine Geschichte –abgesehen von der Loborgie – nicht ganz treffend beurteilen. Das ist wohl ein Indiz für die Qualität deiner Geschichte. Konstruktiver geht’s nicht; schreib endlich mal eine Geschichte die ich verreissen kann.
:D


Ich danke dir für deinen Kommentar. Und es freut mich sehr, dass es dir so gut gefallen hat! :)

Gruß
Andrea
(Abteilung Lob-Annahmestelle)

Edit: Mir ist grad eingefallen ... Restalkohol ... dass ich das mit der "rotlippigen Zigeunerin" vergessen hab - da sind so Ölgemälde (Massenware) mit einer großbusigen, extrem rotlippigen Zigeunerin, die sich in den 70ern ungefähr in jedem dritten Haushalt gefunden haben, die sieht immer so aus, als ob sie sich grad die Lippen nachgezogen hätte.

 

Hallo Andrea,

auch wenn alles bereits gesagt ist, möchte ich nun da ich deine Geschichte gelesen habe zumindest einen kurzen Kommentar hinterlassen.

Ich kann mich dem Lob nur anschließen, die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Du schilderst der Zusammenleben der beiden Frauen und ihre Charaktere sehr sensibel, stimmungsvoll und glaubhaft. Ich habe beim lesen das im wahrsten Sinne des Wortes krankhafte, schreckliche der Situation gespürt, ohne Klara zu verurteilen. Das liegt an deiner Beschreibung. Wie schlimm ist es, wenn so zwei Menschen derart aneinander gefesselt sind. Da ist es egal, ob die Beziehung so ist, weil die Mutter dement ist, oder ob sie von Beginn an krankte, ob nicht vielmehr Klara die Kranke ist. Plausibel, das am Ende nichts anderes bleibt als der Ausbruck, plausibel auch, dass es sich gegen die Frau richtet, die eine Alternative vorlebt. Wie gesagt: sehr schön.

Und damit sich der Kommentar wirklich noch gelohnt hat ;):

Es riecht nach altem Zucker und Backmagarine.
Backmargarine

Liebe Grüße
Juschi

 

Hallo Juschi!

Oh, da hast du ja tatsächlich einen Fehler gefunden! :D

Deinem Kommentar entnehme ich, dass du die Geschicht doch ziemlich genau gelesen hast, und dass sie so bei dir angekommen ist, wie ich es gemeint hatte. Vielen Dank, freut mich sehr! :)

Gruß
Andrea

 

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