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Ikarus

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06.02.2002
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Ikarus

Der Tag versiechte, wundgelegen, und öffnete sein Herz der Nacht.
Sie brachte Kälte, doch einer blieb; entfernt starben Stimmfetzen dahin. Die Feierlichkeiten zogen sich in den Räumlichkeiten fort, die Suche nach ihm ward eingestellt und die Gesellschaft genügte sich selbst.
Ich bräuchte Federn, dachte er, Federn. Wenn der Mensch Federn hätte, er bräuchte diese Feiern nicht.
Apfel faulte; Sterne glänzten kühl; Steine froren aus und trieben ihn hinein.
Gravitätisches Geplauder.


Ihr Lächeln drucken sie wie Falschgeld, dachte er und wurde anständig besorgt.
Ihre Gesichter zogen rote Fäden, die er ungewebt verblassen ließ. Was mit ihm sei? Er taschte die Hände. Ich werde weiterziehen, sponn er, ich fühle mich wie eingekocht und muss dies Glas verlassen.
Was folgt schon Erfolg? Habe mich ihm gegeben, und das Resultat meiner Forschung sind Drucksätze, fahle Theorien; Messfeiern der Schalen; eitrige Lustbarkeit. Ich habe nichts geändert und muss suchen, bevor auch ich erstarre; ich bin so müde, mein Schaffen schwarzer Monolith.


So irrte er viel Zeit und wurzelte schließlich erschöpft in kargem Boden. Dort verwunderte man sich über die Beobachtung des Fremden; doch am sechsten Tag sah er ein Weib, wie von Sonne erschaffen. Da erbrannte ihm, vielleicht das Ziel gewahrt zu haben.
Sein Geminne war brüchiger Natur; doch dann gab es ein Spektakel; ein Stier sollte getötet werden. Während des Festes im Schatten der Kalksteinkirche griff er ihre Aufmerksamkeit und sprach:
Einst beruhmte man mich, doch ich bin eingefallen. Ich habe viel gedacht, und es hat mich entkernt. Nun hoffe ich in dir zu ruhen und zu finden.
Warum grade in meinem Schoß? Sie lachte. Das weißt du nicht. Es ist Verzweiflung, die dich treibt. Ich bin nicht für dich, alter Mann. Du kannst nichts pflanzen außer Zweifel. Störst unsere Kreise und machst dich zum Gespött, dass du so denkst.


Die Leere wuchs und höhlte ihn aus. Zerfressen schlich er in Messen und wieder hinaus, rastlos. Nachts saß er am Meer wie ein Wrack auf Felsen.
Von nahen Sümpfen schlich ein Fieber und entblutete ihn.


Er lag in heftigen Visionen. Vereinzelt Bewusstsein, blasenhaft aufsteigend:
Zu überbaut... muss reine, tierische Menschen finden... ihren Stamm blenden... König werden... Blut trinken...
Drei Nonnen, die ihn pflegten, befleckte er mit Gesäfte.
Ihm folgten neunzig Paternoster.

 

Hallo Nova,

? Er taschte die Hände.
Er tat bitte was?

Na, einen Fehler hast du auf jeden Fall gemacht: Fünf Augenblicke sind das nicht - die einzelnen Absätze umfassen oftmals längere Zeiträume.

Es ist schon ein schmaler Grad zwischen Erhabenheit und Abgehobenheit. Und eins von beidem ist der Text, erhaben oder abgehoben, denn ihn zu entschlüsseln vermag ich nicht. ;)
Meiner Meinung nach bist du stilistisch hier etwas nah an die Sonne geflogen. Vieles kommt sprachlich durchaus gewandt daher - letztlich ist's doch aber arg hochgestochen, manchmal wird es, wahrscheinlich über die Freude am Wortspielen, sogar phrasenhaft:

Ihre Gesichter zogen rote Fäden, die er ungewebt verblassen ließ.
Wenn man nur so pausenlos in Metaphern und verwobenen Gedanken schwelgt, verliert es das Besondere, die Bodenhaftung und das Nachfühlbare allemal. Etwas Handfestes, was Konsistentes solltest du schon bieten.
Und willst du schon nicht auf die durchgehende Verwendung dieser Poeterei verzichten, so sollte doch wenigstens die Handlung an sich etwas zum Festhalten mitbringen. Längeres Verweilen bei einer Sache, an einem Ort, einem Gedanken brächte schon Besserung.

Nun ja, wie gesagt, sprachlich hast du was drauf, aber es kommt zu wenig bei mir an.


Gruß,
Abdul

 

Hallo Abdul,

danke für deinen Kommentar. Ja, das Vorwort ist blöd, die Augenblicke gestrichen. Absicht war es, einen Text absolut zu verdichten. Kein Blabla, sondern überlegen wegen jedes Wortes und jeder Silbe. Als ich den Text vor drei Jahren schrieb, kam ich mir deswegen ein wenig wie ein Bildhauer vor. Nun, und eben diesem Ansatz ist geschuldet, dass ins Expressionistische gegangen wurde, was wohlmöglich nicht jedem zusagt.

Ein schönes Wochenende,

...para

 

Wie AbdulAlhazred kann auch ich keinen Zugang zum Text finden, obgleich auch ich lieber komprimiere als auszuwalzen. Doch, man kann es eben auch übertreiben. Inhalt braucht nun einmal Raum, um sich zu entfalten. Wenn man ihm keinen lässt, ihm durch zwanghafte Kürzungen sogar Raum nimmt, fällt er auf dem Weg zum Leser konsequenterweise in sich zusammen, und übrig bleibt Beliebigkeit.
Ich meine, per se ist das nicht schlimm, funktionieren doch Millionen von Gedichten nach eben diesem Schema. Doch Gedichte haben auch Metrik und Rhythmus, veranlassen den Leser bzw. Zuhörer so zu einer ungezwungenen Meditation über sie, zu einer fast spielerischen Suche nach Einsicht in ihre Schönheit und subjektive Bedeutung. Prosa dagegen ist linear und muss Wort für Wort verdaut werden - das, was sie in den Leserkopf induziert, zählt, das Wie ist nurmehr das Verfahren.

Ich begreife diese Gedanken auch für mich selbst als Warnung für mein zukünftiges Schaffen. Eigenartigerweise sehe ich die Schwächen in meinen Geschichten am besten in den Texten anderer, oder ist das nur Projektion?

Schön, Para, dass du wieder auf KG.de bist. :) Hoffentlich hab ich dich mit meinem laienwissenschaftlichen Sermon nicht gelangweilt, das alles wirst du ja selbst wissen.


-- floritiv.

 

Hallo Paranova,

mich hat der Titel gereizt. Ich habe auch schon länger die Idee einer Geschichte, die diesen Titel trägt und wollte mal schauen, welche Assoziationen andere Autoren dazu haben.
Eine Beantwortung dieser Frage blieb größtenteils aus, da ich leider der dritte im Bunde bin, dem es schwer fällt, deine Geschichte zu verstehen.
Viele Sätze sind sehr schön. Das Gefühl, dass du dir beim kreieren wie ein Bildhauer vorkamst, kann ich nachvollziehen. Hier wurde wirklich mächtig verdichtet. Leider ist dabei aber dann irgendwann die Nachvollziehbarkeit verloren gegangen. Zudem hatte ich den Eindruck, dass deine Sätze sich gegenseitig zu überfunkeln versuchen. So nehmen sie sich gegenseitig deren Kraft und Schönheit. Das blendet irgendwann. Hier wäre weniger wohl doch mehr gewesen.
So bleibt es dabei, dass ich als Leser einige schöne Formulierungen mitnehme, aber keine Geschichte.

grüßlichst
weltenläufer

 

Salü Paranova,

da hast Du meinem Gefühl nach einen erratischen Block geschlagen, der mich sprachlich beeindruckt. Z.B dieser Satz:

Warum grade in meinem Schoß? Sie lachte. Das weißt du nicht. Es ist Verzweiflung, die dich treibt. Ich bin nicht für dich, alter Mann. Du kannst nichts pflanzen außer Zweifel.

Wenn ich nach Lesbarkeit, Melodie und Rhythmik werte, so bekommst Du meine Hochachtung. Da ist Sorgfalt und Schliff drin. Ein wenig tönt es wie aus einer Maske gesprochen, widerhallend im weiten Rund einer Arena und so kommt einiges bei mir an!

Aber eben, nur einiges und leider ist das dann zu wenig an Inhalt, über den ich nachdenken könnte. Aber vielleicht bist Du ja schon dran, das Fehlende einzubauen. Es würde sich lohnen!

(Ganz nebenbei noch: Der Titel wurde schon von Friedrichard verwendet, in Experimente, 29.9.07)

Lieben Gruss,
Gisanne

 

Er taschte die Hände.
Steckte er die Hände in die Taschen???

Mir kam es so vor, als sein das Genie wahnsinnig geworden. Am Ende hatte es den Verstand ganz und gar verloren.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Paranova,
es ist gewiss kein einfacher Text und ich möchte einen Schritt weitergehen und ihn nicht nur expressionistisch sondern schon surrealistisch nennen.
Den mir scheint, du versuchst weniger dass Erlebnis dem Betrachter zu präsentieren, als vielmehr das Traumhafte, Unterbewusste zu vermitteln.

Es folgt eine zweite Interpretation; für alle Schummler, zurück zum Text und selber Gedanken machen.;)
Es ist der Fall eines edlen Geistes den du hier beschreibst.
Zuerst, haben wir den Aufstieg des Ikarus seine Flucht aus der kleingeistigen Heimat, eine Flucht aus der Enge bereits gedachter Gedanken in die Fremde. Dann entwickelt sich die Tragödie (wobei, sie eigentlich schon im ersten Absatz angelegt ist).
Die Tragödie eines männlichen Genies, dass im Anblick einer Frau verzweifelt weil sie ihn verspottet.
Dieser Spott treibt ihn nicht in den Wahnsinn sondern in die Selbstaufgabe in den Zweifel über sein eigenes Schaffen, sein eigenes Wessen und damit in den geistigen Tod(also doch in den Wahnsinn?). Er wünscht sich mit einem mal, sich dem Mittelmaß, dem tierischen Instinkt zu ergeben, nur um Akzeptanz in der Gesellschaft wenn nicht sogar Herrschaft zu finden (der Liebe wegen? oder doch der Gier?).
Eine Tragödie mit der sich wahrscheinlich viele denkende Menschen in der Geschichte auseinandergesetzt haben und immer wieder auseinandersetzen.

Ich fühlte mich sehr von diesem Text angesprochen, berührt, bewegt und das gerade, weil er so verdichtet, so reduziert auf Symbole ist.
Also liebe Leser dies ist ein Text den man mehrmals lesen darf und muss bevor er seine Geheimnisse preisgibt.;)

Ein, zwei Worte aber noch an den Autor:

...doch am sechsten Tag sah er ein Weib,
hier wirst du mp zu theologisch in deinen Symbolen auch wenn hier noch die Assoziation zwischen der Zahl und dem Tier zu Begreifen ist. Überleg mal, ob du den Theologieanteil, der in diesem Absatz dominiert nicht ein wenig entschärfen kannst?
Zerfressen schlich er in Messen und wieder hinaus...
Ahhh! Oh mein Gott! So ein schöner Kristall, ein Kleinod, der Poesie und Symbolik und dann haust du mir das Ding um die Ohren, dass es einen Sprung bekommt.
Mach das weg, mach es bitte, bitte weg. Dieses "reim dich oder ich fress dich" Gebilde hat mir beim Lesen das Gefühl vermittelt mit voller Wucht gegen eine Mauer zu rennen. Ich bin jetzt noch ganz benommen, dass hat dieses Kleinod nicht verdient!

Fazit:
Ich bin sehr beeindruckt von dieser verdichteten Sprachgewalt und dankbar darauf aufmerksam geworden zu sein.

les' dich
Nice

 

Nice schrieb:
Es folgt eine erste Interpretation; für alle Schummler, zurück zum Text und selber Gedanken machen.
Es ist der Fall eines edlen Geistes den du hier beschreibst.

Es ist wohl eher die zweite Interpretation, da du Nice meine überlesen hast, in der die Essenz der Geschichte vor deiner Interpretation widergegeben und so gar nicht geschummelt ist.

 

Verzeihung meine Hochverehrt,
da ist mir ein Fauxpas passiert, zu meiner verteidigung ehmmm... es war schon spät gestern Abend. Verzeihung, verzeihung!
Ich wollte niemandem auf die Füße treten vor allem keiner Dame, Verzeihung!
Ich muss gestehen, das ich deinen Einzeiler gelesen aber erst heute als Interpretation, nicht nur als Kommentar wahrgenommen hatte.
Einigen wir uns doch in Freundschaft darauf, das Paranova ein beachtenswertes Werk geschaffen hat, dass man gerne zum Lesen empfehlen möchte...

ps.: der Kommentar mit dem Schummeln war an Kritiker meiner Art gedacht;) (Ich gestehe, ich lass mich immer mal wieder von den Kritiken anderer beeinflussen und weiß darum, dass es anderen ebenso ergehen kann) und es betrübt mich, solltest du dich aufgrund dieses Kommentars vor den Kopf gestoßen fühlen. Ich hatte gehofft, der Smiley würde kenntlich machen, dass dies nicht ganz so ernst genommen werden soll.

les' euch
Nice

 

Hallo Paranova!

Selbstfindung und Zurückweisung (gesellschaftlich wie persönlich) und dann wieder Selbstfindung? Scheint für mich darum zu gehen. Inhaltlich schwierig, aber eigentlich zu wenig mMn.
Sprachlich überzeichnet, obwohl ein paar sehr schöne Sachen drin sind. Aber solche Sätze sind mMn eher das Bonbon als das ganze Menu, wenn du verstehst, was ich meine. :)

Beste Grüße

Nothlia

 

Verzeihung meine Hochverehrt,
da ist mir ein Fauxpas passiert, zu meiner verteidigung ehmmm... es war schon spät gestern Abend. Verzeihung, verzeihung!

Da werde ich wohl gnädig mein Zepter schwingen ;)
Einigen wir uns doch in Freundschaft darauf, das Paranova ein beachtenswertes Werk geschaffen hat, dass man gerne zum Lesen empfehlen möchte...
Ich lese gerne verdichtete Geschichten aber manchmal ist mir diese Lesekost auch zu "schwer" (verdichtet)

LG
GD

 
Zuletzt bearbeitet:

Oh, das ist aber erfreulich, so viele Antworten!

Und - erleichternd für mich - dass auch ein paar Leser mit der Verdichtung leben können, wenngleich sie der Mehrheit nicht zusagt. Allerdings würde ein Ausschnücken den ganzen Ansatz wieder zunichte machen...

Nun, zur Klärung des Verständnisproblem möchte ich erstmal nichts beitragen - in meinen Augen ist die Handlung ersichtlich, aber ich bin ja auch höchst befangen. Ohne Zweifel hilfreich ist die Auslegung von Nice. Insofern, weltenläufer, sehe ich den Text schon als Geschichte und, florativ und Nothlia, finde, dass er angesichts der Kürze ziemlich viel Handlung enthält. Die hätte man auch zur Novelle auswalzen können.

Und ja, er "taschte die Hände" - auch das halte ich für nachvollziehbar, warum nicht?
Die beiden Anmerkungen von Nice, nun, die habe ich, soweit ich mich erinnere, nicht einmal absichtlich hineingebracht. Keine Zahlensymbolik beabsichtigt*, mir fällt erst gerade auf, dass es sich um einen Reim handelt.

So, hoffe das war hilfreich, irgendwie... euch allen vielen Dank für´s Lesen & Kommentieren!

...para


*"der sechste Tag" spielt keine Rolle, finde ich. Lässt sich umstandslos kürzen auf "schließlich" o.Ä., wäre das besser?

 

bei nochmaligem lesen stelle ich fest, dass der theologische anteil durchaus meiner subjektiven leseweise zugeschrieben werden kann, aber kirche messe und paternoster + nonnen fordern geradezu dazu auf, sich den theologischen symbolen zuzuwenden...
lange rede kurzer sinn lass die sechs tage drin aber nimm den verdammten reim raus, is' mir egal wie du 's anstellst aber nimm ihn raus! ich bin schon wieder voll dagegen geknallt...
les' dich
nice

 

Hallo Paranova

Verdichtet? Gedichtet. Poesie, irgendwo am Rand geschrieben, am Rande des Verstehbaren. Vergessene Bilder tauchen auf beim Lesen; Minotaurus in seinem Labyrinth. Herumirren aber mit Geschmack. Nach dem Sinn suchen, ist genauso sinnlos, wie den Sinn verstanden zu haben. Die Sätze einfach wirken lassen, wie zeitgenössische Musik, sich auf ein Abenteuer einlassen. Das erfordert Mut, weil eventuell Schwingungen entstehen können, die einen forttreiben. Der Sonne entgegen. Weg von sich selbst. Dahin will ich. Wenigstens beim Lesen oder Schreiben.

Mehrmals gerne gelesen.
Hawowi

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich noch ma.
Da ich den Reim wirklich nicht mag und mir jedes mal die Rübe anstosse wenn ich die Geschichte erneut lese, nochmal meine BITTE diesen zu entschärfen; mit Vorschlägen.(Also Ausreden wie: "Dir fällt ja auch nichts ein!" Zählen jetzt nicht um mein Genöle abzuschmettern:D)
Also, nochmal der Schlingel im Zitat:

Zerfressen schlich er in Messen und wieder hinaus, rastlos.
und Vorschläge gegen den Reim.;)
Synonyme für Zerfressen:
  1. Zernagt,
  2. Zerrüttet,
  3. Aufgelöst?,
  4. Zersetzt,
  5. Zerstört,...
Messe:
  1. Andacht,
  2. Exposition des Glaubens,
  3. Gottesdienst,
Ich würde das erste böse Reimwort ersetzen um den Reim zu erlegen, wobei ich meine Neuschöpfung, Punkt 2, zur Messe natürlich auch ganz toll finde(es klingt jedoch... wie ein Verdauungsprodukt), aber es gibt einfach keine guten Synonyme die das Wort Messe sowohl in seiner Bedeutung ersetzen als auch in den Gesamtklang der Geschichte passen würden... ich hab auf jedenfall noch keins gefunden.

les' dich
Nice

 

>Es ist Verzweiflung, die dich treibt. Ich bin nicht für dich, alter Mann. Du kannst nichts pflanzen außer Zweifel.<

Entschuldige,

Paranova,

dassmir diese einseitige Geschichte nach meiner halbjährigen Auszeit durchgegangen ist. Keine bange, "einseitig" ist die Geschichte "nur", insofern sie mit einer Seite Manuskript auskommt. Nun hab ich aber eine Vorstellung von dem, was Du bei den verniedlicheten Säuen (Säule) gemeint hast und ich werd das Gefühl nicht los, dass sich da zwo Genossen eines Geistes gefunden haben könnten, dem eigentlich auch noch das abhandengekommene ralfchen zugehörte. Gleichzeitig find ichs interessant, dass Gisanne auf meinen "Ikarus" hinwies. So haben wir nun zwo unterschiedliche neuere Darstellungen zum uralten mythologischen Ikaros, der eine mit Daedalos als Randfigur, der andere gänzlich ohne Vaterfigur, dafür mit einem gewonnen Korb ...

Sehr poetisch fängt Deine Geschichte an >Der Tag versiechte, wundgelegen, und öffnete sein Herz der Nacht.< Das beschreibt knapp und präzise das Siechtum des Tageslichts zur Nacht hin, wobei der Ausdruck "versiechen" durchaus Mhd ist, wie dann auch später das >Geminne<.

Und endlich jemand, der den Konjunktiv irrealis nicht mit einer unsäglichen würde-Konstruktion, die der deutschen Sprache gelegentlich durch der englischen Grammatik unterwerfen will: >Ich bräuchte Federn, dachte er, Federn. Wenn der Mensch Federn hätte, er bräuchte diese Feiern nicht.<

Doch warum fault im folgenden ellipsoid-anmutenden Satz nur ein Apfel?, während Stern und Stein von unbestimmter Vielzahl aufgeführt werden.

Gelungen die Wortschöpfung "taschen", was wenigstens zwo Deutungen zulässt: ist dieses Verb vom auf/angenähten Teil an der Kleidung oder dem flachen, tragbaren Behältnis mit Henkel(n) abgeleitet. Zum ersten wird die Hand in die Tasche (mit Ausnahme von Brust/Innentasche) gesteckt, bei der Variante wird etwas in der/den Hand/Händen gehalten/getragen.

>Was folgt schon Erfolg?< Wenn nichts erfolgreicher ist als der Erfolg, dann folgt ihm der größere Erfolg, alles kleinere/geringere wäre auf dem Weg zum Misserfolg (in kapitalistischer Gesellschaft: Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.).

Richtig ist die Entscheidung, den Reim "fressen/messen" beizubehalten.

Mir gefällt der kleine Text, der Appetit auf Mehr macht!

Gruß & was man sonst noch Gründonnerstags so sagt

Friedel

 

Hallo Paranova,

Hab' ich gern gelesen, wenn auch beim ersten Anlauf ziemlich verwirrt.

Lass mich mal (nach zweimaligem Lesen) versuchen, die Handlung nachzuvollziehen:

Ikarus sitzt vor einer Kneipe und denkt nach. Ihm wird zu kalt und er geht rein. Er findet die Menschen langweilig und oberflächlich. Mit seinen Flugversuchen ist er ja nicht weit gekommen, also macht er sich planlos auf die Suche nach neuen Zielen. Erfolglos und müde lässt er sich an einem Ort nieder, wo er sich, um die Leere zu füllen, verliebt, wird aber abrupt abgelehnt. In der Religion findet er auch keinen Trost, wird schliesslich krank und stirbt nach einer Episode fieberhafter Visionen.

Entschuldige, wenn ich auf diese brutale Weise deinen Text zerpflücke, aber ich musste mir erst mal klarmachen, was die Handlug ist. Ist sie das? Es ist nicht einfach, sie aus Deinem Text herauszulesen, aber ich bin ja nicht die erste, die Dir das sagt. Was ich hier so lieblos zusammengefasst habe, ist für mich durchaus genug Inhalt, (gefallenes Genie auf der Suche), vielleicht könntest du es ja dem Leser doch etwas einfacher machen, und manche Aspekte seines Innenlebens tiefer ausschlachten.

Ich fand die Sprache schön und melodisch und sie beruft teilweise sehr schöne Bilder herauf.

entfernt starben Stimmfetzen dahin.

oder:

und wurzelte schließlich erschöpft in kargem Boden..

An anderen Stellen werden sie aber bei näherem Betrachten des wortwörtlichen Inhalts direkt witzig, was sie - nehme ich an - nicht sein sollten.

z.B.

ich fühle mich wie eingekocht und muss dies Glas verlassen...

..befleckte er mit Gesäfte.

Stell's Dir mal bildlich vor, und ich glaube, du wirst wissen, was ich meine.

Der Stil und der gehobene Ton der Erzählerstimme ist dir aber, meiner Meinung nach, sehr gut gelungen und passt auch zum Inhalt.

Weiterhin viel Erfolg

Elisabeth

 

Hallo Paranova!

Ich habe eine einfache Definition von "Gefallen", mir gefällt etwas dann, wenn es mich inspiriert, anspornt, herausfordert. Insofern gefällt mir der Text, oder ja, man darf es Geschichte nennen, sehr. Obwohl er mir Grenzen aufzeigt, als Schaffender (ich hätte nicht die Geduld, so lange zu feilen, denn genau das müsste ich) und auch als Lesender.

Jetzt ist es das Vorrecht des Lesers, einen fremden Text, wenn dieser nicht ausdrücklich eine Richtung vorgibt, in ein eigenes Raster zu interpretieren. So nannte ich den Ikarus in den ersten Absätzen um in Gatsby, genauer gesagt in den zwingenden Doppelnamen Ikarus-Gatsby, und es funktionierte fantatisch.
Deshalb war ich etwas missmutig, als dann das "doch am sechsten Tag sah er ein Weib" kam, es kommt mir ein wenig arg christlich-religiös daher, gib mir oder der Religion der Schuld, ich würde den sechsten Tag gern anders interpretieren, aber es fällt mir schwer. Und so geht dann der Text weiter, der Widerwille religiöser Symbolik, vor allem christlicher religiöser Symbolik, ist aber ein persönliches Problem. Zugegeben, wo Ikarus (und teils auch Gatsby) ist, ist die religiöse Erhabenheit nicht mehr weit. Ob man der Sonne entgegengeht, für Begierden alles erreichen will oder Gott spielt - alles das Gleiche. Das Scheitern inbegriffen.

Bleibt mir mindestens aber das Baden in deiner Sprache, und ich denke, ich hoffe, dieser Duft wird mir noch eine Weile anhängen können. Meinen herzlichen Dank für die Inspiration!

Pit

 

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