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Ich will schreiben!
"Was soll ich schreiben?" denke ich.
Bequem sitze ich auf meiner blauen Couch, die elektrische Schreibmaschine auf meinem Schoß und weiß nicht, was ich schreiben soll. Die alte Pendeluhr zerlegt die Zeit in kleine Stückchen und tickt dabei laut. Ich will schreiben!!
"Aber was soll ich denn nur schreiben!" denke ich und seufze in Gedanken laut auf.
"Warum willst Du denn schreiben" fragt ES in mir.
"Will ich? Oder muß ich?" lautet meine Gegenfrage.
"Willst Du schreiben damit Du berühmt wirst?" läßt ES nicht locker.
"Ich will schreiben, damit es gelesen wird." antworte ich mir selbst. "Es soll gelesen werden, weil es spannend ist und fesselt. Weil es die Leser weg bringt, fortträgt in eine andere Welt, herausreißt aus dem Alltag. Wissen will ich vermitteln in spannender, unterhaltender Form, gefangen nehmen will ich mit atemberaubender, schier unerträglicher Spannung. Das will ich!".
"Aber ich kann es nicht." stelle ich nüchtern fest.
"Wieso nicht?" fragt ES mich wieder.
"Weil ich keine Geschichten erzählen kann." knurre ich mir zu.
"Wieso nicht?". Ganz schön lästig, dieser Frager.
"Weil es langweilig ist was ich erzähle und weil mir nichts spannendes einfällt, weil meine Phantasie nicht ausreicht." frustriere ich mich selbst.
"Keine Phantasie?" wundert ES sich. "Wer hat denn als Kind in stundenlangen Tagträumen Abenteuer durchlebt, die Welt gerettet, ist durchs All geflogen? Warst nicht DU es?"
"Ach, das ist lange her" winke ich ab "und schon längst vergessen. Es gibt keine Geschichten mehr!"
"Wieso nicht?" höre ich erneut in mir. Scheinbar ist das seine Lieblingsfrage.
"Weil die Geschichten zugedeckt sind, verschüttet, verlorengegangen, verstehst Du?" antworte ich wütend. "Sie sind vorbei, der ganze Schrott aus Lehre, Studium und den Prüfungen liegt darauf. Der Müll aus der täglichen Arbeit, die Probleme, ach, und überhaupt! Hör doch endlich auf!!".
"Du hast angefangen." stellt es sachlich fest. "Du willst schreiben ... oder mußt."
"Ja.. " seufze ich, diesmal sogar laut und nicht nur in Gedanken. "Ja, es drängt mich. Die Geschichtsfetzen und Bruchteile wollen raus, dann muß ich schreiben, sonst vergesse ich sie wieder. Aber meist ist es doch nur blödes Zeug!".
"Meist? Also nicht immer?" läßt ES nicht locker.
"Ich weiß nicht" antworte ich. Ich weiß es halt wirklich nicht!
"Dann finde es heraus" fordert ES mich sanft auf.
"Ja wie denn?". Langsam wird sie wirklich lästig, diese Fragerei.
"Du weißt es" meint ES geheimnisvoll in mir. "Du weißt es ganz genau!".
"Was soll ich denn wissen?" stelle ich mich stur und dumm.
"Es gibt nur einen Weg herauszufinden ob Du schreiben kannst. Und Du weißt genau was ich meine." lautet die strenge Antwort.
Ja, ich weiß es, muß ich mir selbst eingestehen. Ich kenne den einzigen Weg um herauszufinden, ob ich schreiben kann oder nicht. Aber er ist mühsam und ich scheue mich ein wenig davor.
"Also! Was ist dieser Weg, nun sag schon!" fordert ES von mir, hartnäckig und unnachgiebig.
"Es ausprobieren" antworte ich kleinlaut. "Ausprobieren zu schreiben, versuchen Geschichten zu erzählen und dabei zu lernen. Von vorne anfangen, wie damals, in der ersten Klasse. Als ich das Schreiben zum erstenmal lernte."
Laut stöhne ich auf. Unangenehme Erinnerungen an viel Schweiß und Mühe werden wach. "Und damit soll ich jetzt wieder anfangen?" frage ich zweifelnd und voller Zauder. "Wieder anfangen Schreiben zu lernen, zum zweiten mal?"
"Ja!" antwortet ES in mir. "Nur so wirst Du erfahren, ob Du es kannst. Nur wenn Du es versuchst, wirst Du Antwort auf diese Frage finden!".
Ohje, denke ich, das kann ja heiter werden. Und mühsam! Aber deswegen schreibe ich. Oder versuche es zumindest.
Ich sitze noch ein wenig stumm da, denke ein bißchen nach und schalte dann die Schreibmaschine auf meinem Schoß wieder aus.