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Ich widme dies der Fliege

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04.12.2012
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Ich widme dies der Fliege

WUSCH! Und die Fliege war tot.
Erstarrt auf meiner Fensterbank, nicht mehr am bewegen oder fliegen.
Tot.
Eines der sechs Beine ausgestreckt, ein anderes fehlend.
Die Augen waren nicht geschlossen, wie hätte eine Fliege auch die Augen schließen können. Die Flügel lagen da, halb durchsichtig, so zerbrechlich, als könnten sie sich jeden Moment in Luft auflösen, oder einfach zu Staub zerbröseln. Warum auch nicht? Gebrauchen konnte die Fliege die Flügel ja nicht, sie war ja tot. Ein kleiner, schwarzer Fleck auf meiner Fensterbank, so klein, es hätte ein Klümpchen Dreck sein können.
Aber ich wusste es war mehr als nur Dreck. Es war etwas, was gelebt hatte. Geatmet, wie wir. Ein Leben gehabt, wie wir.
Wer weiß, vielleicht war die Fliege gerade auf dem Weg zu ihrem Tod gewesen, eine alte Fliege, die wusste, dass ihr Leben bald vorbei war.
Aber was, wenn nicht? Was, wenn die Fliege eine Mamafliege war, und hier in der warmen, nicht zu nassen, nicht zu trockenen Küche ein guten Platz für ihre Brut gefunden hatte? Vielleicht hatte die kleine Fliege gerade die Liebe ihres Lebens gefunden, hätte ein vollkommenes Leben begonnen... und ich habe sie gewaltsam ermordet? Vielleicht ist jetzt irgendwo in der Gegend hier eine einsame Fliege, ein einsames Fliegenkind, oder mehrere Kinder, die nicht wissen, dass hier, auf meiner Fensterbank, zwischen Staubkrümeln und normalem Küchendreck, die Fliege, auf die sie warten, liegt, tot, durch einem tollpatschigen Menschen erschlagen? Oh, welch Schandtat ich ergangen habe. Ich Familien-Vernichter, Lebensauslöscher, Kindheitstraumatiker.
Ich erinnere noch genau, was die Fliege in ihren letzten fünf Minuten getan hatte. Gesummt hatte sie, wie eine Irre, sie wollte wahrscheinlich hinaus. Womöglich zu ihren Kindern. Ich weiß noch, wie ich ihr bei ihren verzweifelten Versuchen zugesehen habe. Ich wollte ihr helfen. Ich wollte der kleinen Fliege helfen, verdammt noch mal, nicht verletzen, und schon gar nicht töten!
Wollte sie in meine Hände nehmen, ihr gute Worte zuflüstern und ihr sagen, dass ich sie nun hinaustragen werde. „Kleine Fliege“, wollte ich ihr zu flüstern. „Bald wirst du deine Familie wieder sehen. Bald bist du frei, entlassen aus diesem Haus.“
Aber natürlich ging es schief. Als ich versuchte sie zu greifen, wehrte sie sich. Wie hätte das kleine Ding, mit ihren tierischen Sinnen, auch wissen können, dass ich ihr helfen wollte. Sie versuchte aus meiner Hand freizukommen, und sie hätte es beinahe geschafft, hätte ich nicht besser zu gedrückt.
Das war der Fehler. Ich hatte sie in meinen Fingern eingequetscht, und als ich kein Kitzeln an meinen Fingern mehr spürte, öffnete ich meine Faust.
Die Fliege fiel auf die Fensterbank.
Sie war noch nicht ganz tot. Ich konnte noch immer ein Zucken in den Flügeln erkennen, ein Regen in den Beinen, ja, ich konnte sogar ein quälendes Stöhnen vernehmen! Ich konnte sie nicht mehr ansehen. Der Tod der Fliege war auf seinem Weg. Gerufen durch meine Hände, kroch er langsam in den hilflosen Klumpen und nahm ihm alle Kraft. Ob die Fliege überhaupt noch etwas mitbekam? Oder ob sie, wie man behauptet, ihr Leben noch einmal vor ihren Augen sah? Ihre Geburt, ihre vielen Geschwister, ihr erster Flug, ihr erster Brotkrumen, die Geburt ihrer vielen Kinderfliegen, deren erster Flug, deren erster Brotkrumen, deren letztes Mal zusammen, ihr letzter Flug, die kalte Hand, die sie erdrückte... Ich nahm eines der Morgenmagazine, die sich unter dem Tisch stapelten, und schlug zu.
WUSCH! Und die Fliege war tot.

 

Hi,

dem Text hier fehlt etwas, das man nicht ersetzen kann: Schaffenskraft. Kreativität. Ideen. Phantasie.
Nichts davon ist in dem Text.
Man kann hier natürlich anfangen mit Sprache und Grammatik-Schnitzer, Struktur einer Geschichte, Erzählstimme, usw., aber das ist erst Schritt zwei, Schritt eins ist: Weg vom Papier, wie sieht die Geschichte im Kopf des Autors aus. Wie hat er sich das ausgemalt, was passiert da, was geht da vor. Und wenn ich die Geschichte hier lese: Nix.

Ja, da kann man irgendwie Bedeutung reininterpretieren und Gedanken, das suchende Ich im Allmachtskomplex - ja, von mir aus. Aber die Frage: Wie sieht die Geschichte in der Vorstellungskraft des Autors aus, wo ist die Schaffenskraft? Ohne das lohnt es sich einfach nicht literarisch zu schreiben.

Ich finde der Text ist so wenig Text, dass er mich irgendwie traurig macht. Wusch, Fliege. Ja. Dieses ständige Bestreben in der Moderne Banalität mit Sinn zu erfüllen, ist erschöpfend in der tausendsten Variation.

Wenn du wirklich schreiben möchtest, beschäftige dich mit Literatur, lies viel, mach dir viele Gedanken, überleg, wie Dinge funktionieren,die dir gefallen, schreib dann und lies es laut. Wahrscheinlich bist du noch sehr jung, wenn dir das Schreiben Spaß macht, bleib dabei, es lohnt sich vielleicht irgendwann mal.

Gruß
Quinn

 

Das klingt wie eine anständige Kritik! Werd ich drann denken! Danke!
Im Grunde hatte ich keine tiefe Idee für den Text, mir war langweilig und eine Fliege getötet..und da dachte ich, wieso nicht über das kleinste Belangloseste einen Text schreiben, also hast du recht, dass da alles fehlt.
Gruß
Jendrik

 

Hi Jendrikkkk,
zu deinem Text hat Quinn ja schon das Wesentliche geschrieben.
Wir lernen ja über Beispiele, deshalb sei es mir hoffentlich gestattet, dir als Ergänzung zu Quinn eines zu zeigen, das, unabhängig davon, ob du es magst oder nicht, demonstriert, wie in wenigen Sätzen das Banale (die Fliege) Bedeutung bekommen kann, die das Private (Liebe, Vermissen des Partners) ins Allgemeine (fast jeder kann mit diesem Bild etwas anfangen) erhöht.

Thommie Bayer schrieb:
Ich wünschte, es wär endlich wieder Sommer oder Herbst, dann flöge eine Fliege um das Licht. Komm nach Haus, die Wohnung ist so leer ohne dich"
Die lästige Stubenfliege wird herbeigewünscht, weil sie die Einsamkeit und die Langeweile vertreibt.
Daraus entsteht Kunst sowohl in Dichtung, als auch in Darstellung stehender oder bewegter Bilder.

Liebe Grüße
sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Jendrikk schrieb:

Hullu! Ich bin neu hier und wollte das hier mal ausprobieren...da ich mir nicht sicher bin, wo genau diese Art von Kurzgeschichte hinkommt, kommt sie erstmal zu Sonstiges...ich wide dies der Fliege. Möge sie in Friede ruhen.

So was bitte immer in einen Extrabeitag stellen.


Hallo Jendrikk,

Ja … Also die Idee, man setzt sich hin, fühlt sich kreativ, ist inspiriert und jetzt schreib ich irgendwelche Gedanken auf, (so wirkt das auf mich) … also das taugt beim Schreiben meistens nicht so viel. Im Einzelfall, im Rahmen eines viel größeren Konstrukts, in irgendwas eingebettet, im Kontext, wenn du so was hättest und dann hinterher noch zehn Mal drüber gehst, dann …
Angenommen du fängst an auf einer Party wild über Fliegen zu philosophieren, und dann finden sich zwei, die dir zuhören und das lustig oder zeitweilig finden – liegt es wirklich daran, dass deine Gedanken so gut sind, dass die aufgeschrieben gehören? Oder ist es nicht viel eher die Musik und die Atmosphäre, oder die Tatsache, dass der eine dich noch noch von früher kennt und sich daran erinnert fühlt und jetzt lachen muss, oder vielleicht findet dich die eine süß und dann könntest ihr Gott weiß ich erzählen, und die würde trotzdem lachen … oder was spielt da noch alles eine Rolle? Was passiert da?
Das fehlt alles bei dem Text hier. Versuchs mal mit zwei Figuren. Einer, der sich Gedanken macht, und jemand, der zuhört, und dann darauf reagiert. Allein schon der Gedankengang … wie reagiert ein anderer auf so was? (Sollte man sich ab und zu fragen) Das liest sich gleich zehn Mal interessanter.


MfG,

JuJu

 

Danke für die Kritiken! Ihr habt recht, das war ein sehr übereifriger Beitrag, hoffe ihr verzeiht.

 

Moin Jendrik,

das Ende der Geschichte gefällt mir; genauer, der Wechsel zwischen dem zyklischen Aufzählen der Lebensabschnitte der Fliege und ihrer Kinder und dem Punkt, wo der Erzähler entscheidet, ihr mit einem Magazin den Rest zu geben. Meiner Meinung wäre es sogar noch besser, wenn du das

WUSCH! Und die Fliege war tot.
rausnimmst.

Auch der Rest der Geschichte hat auf jeden Fall Potential. Um sie zu etwas Besonderem zu machen, fehlt etwas Feinschliff ... Du könntest beispielsweise das "Ich" weiter ausbauen: Wer ist der Erzähler, was hat er für Probleme, weshalb beschäftigt ihn das Ende der Fliege so stark? Oder aber der Geschichte durch eine Recherche zum Thema Fliegen mehr Details hinzufügen (Wie heißen die Augen von Fliegen, welche Sorten gibt es, wie lange lebt eine Fliege, wie viele 'Kinder' bringt sie zur Welt, wie fliegt eine Fliege, wie hält sie sich an Wänden fest und und und ... - ich denke, je mehr Infos man über seine 'Charaktere' hat, umso besser kann man sie storytechnisch einsetzen). Du könntest auch mit einem Wechsel der Perspektive experimentieren, indem du z.B. die Geschichte aus der Sicht der Fliege erzählst (phantastisch oder realistisch) oder aus der Sicht eines Kindes, das von der Wohnzimmercouch aus heimlich beobachtet, wie der (sonst immer ruhige und tierfreundliche) Herr Papa oder die Frau Mama plötzlich 'Beef' mit der Fliege hat. Oder oder oder ...

Auf jeden Fall am Ball bleiben ;-)

Bis dennsen,

Duncan

 

Am Ball bleiben werde ich, danke! Jedoch nicht mit dieser Geschichte, wie andere schon erkannt haben, war sie mehr eine schnellhingeschriebene unnötige Idee...aber danke!

 

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