Ich weiß es doch auch nicht.
Ich weiß es doch auch nicht.
Mit diesen Worten beantwortet meine Freundin meistens die Frage, in welchem Lokal die allabendliche Suche nach Nahrung enden wird. Umso erstaunter war ich, daß die Antwort an diesem Abend anders ausfiel. Mit entschlossenem Tonfall sagte sie: „Wir könnten wohl mal wieder zu Chinesen gehen“. Hocherfreut, daß wir einmal nicht nach dem Ausschlußverfahren entscheiden ( „Zum Griechen will ich heute nicht/In die Kate habe ich keine Lust/Im Kochlöffel kriege ich keine Folienkartoffel“ ), stimme ich Ihrer Wahl zu, obwohl für meine Begriffe die Atmosphäre in diesem Restaurant eher ungemütlich ist.
19.20 Uhr
Wir betreten das Restaurant „Lotus“. Es sind nur noch wenige Tische frei, die Luft ist so verqualmt, daß sogar mir als starkem Raucher die Augen brennen. Im Eingangsbereich ist noch ein Tisch frei, eingeklemmt zwischen zwei anderen Tischen nimmt meine Freundin Platz mit dem Rücken zum Geschehen. In dieser Sitzposition wirkt jede Kommunikation unangenehm, da an den anderen Tischen ebenfalls kaum gesprochen wird. Da ich der einzige Raucher in diesem Vorraum zu sein scheine, entfällt auch das Verlegenheitsrauchen. Wir warten....
19.35 Uhr
An den Nachbartischen macht sich Unmut wegen der Wartezeiten breit. Meine Freundin schlägt vor, einfach wieder zu gehen. Da jedoch just in diesem Augenblick eine Kellnerin zusammen mit einer lustigen, dicken Motte hereinkommt, nehmen wir die Karten entgegen und bestellen unser Getränk, welches auch umgehend gebracht wird.
19.40 Uhr
Die Kellnerin kommt wieder. Da es im Gegensatz zu früher keinen Aperitif mehr zu geben scheint, bestelle ich einen Aquavit, meine Freundin schließt sich an. Während wir stumm warten, fliegt die Motte die Halogenstrahler an der Decke an.
19.45 Uhr
Ein Chinese erscheint mit fragendem Blick. Wir geben ihm zu verstehen, daß wir etwas bestellt hatten. Er stellt einen Aquavit auf den Tisch. Als wir ihm erklären, daß wir zwei bestellt hatten, nimmt er das Getränk wieder weg und geht. Alle Versuche, ihn aufzuhalten, scheitern.
19.50 Uhr
Eine Kellnerin erscheint, sieht uns an und fragt: „Bitte ?“. Wir bestellen wieder 2 Aquavit.
20.00 Uhr
Eine andere Kellnerin erscheint und schaut fragend in die Runde. Da auf Ihrem Tablett unsere Getränke stehen, winken wir sie heran. Meine Freundin bestellt Ente mit Ananas und Lauchzwiebeln. Dieses Gericht, N7, war mir ebenfalls schon in den Sinn gekommen. Um aber gegenseitig probieren zu können, bestelle ich T7, Ente süß-sauer als Menü mit Vorsuppe und Dessert.
20.20 Uhr
Nach nunmehr einer Stunde hungrigen Wartens trifft die Suppe ein. Schön, etwas so Köstliches vor sich zu haben. Nach drei Löffeln ist sie alle. Schade ! Um mich vom Hunger abzulenken, beobachte ich die Motte, die völlig desorientiert, aber dafür immer wieder gegen die Hinterköpfe der anderen Gäste fliegt. Anscheinend kann sie genauso wenig hinaus wie der Zigarettenqualm aus dem Saal, der sich hier sammelt und immer dichter wird.
20.40 Uhr
Ein Teller, halb Schweinefleisch, halb Ente wird auf den Tisch gestellt. Ich fange schon einmal an zu essen, während ich überlege, ob ich mich denn bei der Bestellung so dermaßen vertan haben kann. In diesem Moment wird ein anderer, sehr unangenehm riechender Teller auf den Tisch gestellt. Da es völlig ausgeschlossen ist, daß dieses liebevoll angerichtete Gemetzel je etwas mit einer Ente zu tun gehabt hat, seziert meine Freundin einen Teil davon und identifiziert es als Tintenfisch. Mir vergeht der Appetit. Meine Freundin geht zur Theke, um das Essen zu reklamieren. Dieses gelingt auch, allerdings wird sie gewarnt, daß das neue Gericht natürlich einige Zeit dauern wird. Daraufhin storniert sie ihr Essen, da wir nun schon fast 1,5 Stunden gewartet haben. Ich will nach Hause ! Wir teilen uns das Essen, da mein Hunger von penetrantem Fischgeruch verdrängt wurde. Während wir essen, beobachten mich die toten Tintenfische, die natürlich niemand weg genommen hat. Ich starre tapfer zurück und mir wird schlecht.
21.00 Uhr
Ich beobachte wieder die Motte, die immer noch verzweifelt einen Ausweg sucht. Als die Kellnerin vorbeikommt, bitte ich um die Rechnung in der heimtückischen Absicht, als sichtbares Zeichen meines Mißfallens den im Menü enthaltenen Nachtisch einfach stehen zu lassen.
21.10 Uhr
Die Kellnerin scheint etwas geahnt zu haben, denn ich bekomme erst gar keinen Nachtisch. Wir bekommen auch keine heißen Handtücher wie die Leute vor uns. Ich kann zwar mit dieser Sitte ohnehin nichts anfangen, aber es gehört ja irgendwie dazu. Sie legt mir die Rechnung vor, ohne zu fragen, ob wir zufrieden sind. Schlau gemacht, denn ich hätte ihr geantwortet. Ich gebe 1,50 DM Trinkgeld und schaue mir die Rechnung an, während ich auf meine Freundin warte, die sich eben die Hände wäscht. Dabei stelle ich fest, daß ich Hühnchen bezahlt habe und weder die Schweineente, die auf dem Tisch stand, noch die Ente süß-sauer, die ich ja eigentlich bestellt hatte. Aber egal, das, was angeblich die Ente war, war sowieso mehr Kruste als Fleisch. Im arithmetischen Mittel wird´s wohl irgendwie stimmen.
21.15 Uhr
Endlich draußen ! Der Fischgeruch ist weg, die Motte ist drin geblieben und mein Appetit kommt zurück. Nach fast zwei Stunden stehen wir nun also hungrig vor dem Restaurant, daß meine Freundin vorgeschlagen hatte. Ob wir da je wieder hingehen ? Ich weiß es doch auch nicht.