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Ich und meine Vitrine
Jeden morgen wartet sie auf mich. Meine Vitrine. Ich steige aus dem Bett von der weicher gepolsterten Matratze landen meine Füße auf den kalten knatternden Füßleisten eines Altbaus.
Meine Nägel sind schwarz gemalt von gestern Abend. Ich schaue auf die Uhr, sie zeigt 7. Ich gehe zu meiner Vitrine, das ist das Einzige was ich tagtäglich routiniert mache.
Nein, keiner weiß von mir und meiner Lebensgroßenvitrine.
Sie ist von einem rotholzlack poliert und lässt sich öffnen. Auf Zehenspitzen wird mein Körper gestreckt und meine Finger suchen ruhig nach dem Schlüssel zur Vitrine, so wie jeden morgen. Ich stecke den Schlüssel in das Loch der Vitrine und öffne sie. Sie geht vor mir wie eine Blume auf, dabei ziehe ich mein nightgown mit einer Bewegung aus und umgarne den Bügel, der auf der Stange der Vitrine seinen Platz hat. Das Stühlchen unter dem tisch der Vitrine schiebe ich heraus und setze mich hin. Mein Blick ist an der untersten Schublade geheftet. Wegen dir, geliebte unterste Schuhblade kann ich sitzen denke ich. Den Schlüssel stecke ich in das letzte Loch, ziehe den Henkel zu mir und schaue dieses scheinende Stück Diamant an. Ich hole den sauber geputzten Revolver heraus, drehe an den Seiten. Ich rutsche mit dem Stühlchen nach vorne um mich besser im Spiegel mit dem Revolver in meiner Rechten betrachten zu können. An dem Spiegel sind Bilder von mir geklebt, eins als Baby mit meiner älteren Schwester das daneben von mir als Teenager. Ich schaue meinen nackten Körper an.
Beginne wie so oft bei meinem Bauchnabel und Von den
Dehnungsstreifen an meiner Brust, auf meine schlaffen Nippel
dann bis hin zu meinen zwei herausstehenden Wurzeln um meinem Hals. Ich neige meinen Kopf langsam nach links und blicke meinen langen Hals an. Setze die Öffnung des Revolvers an meinen Hals und führe ihn langsam nach oben, er stolpert über meinen Unterkieferwinkel über meine weiche Wange bis zu meiner Schläfe.
Ich spreche den Satz, den ich jetzt immer zu meinem Spiegelbild spreche:
„Willst du heute leben? Oder willst du heute sterben?“ Ich stelle diese Frage ernsthaft und
verlange eine ernsthafte Antwort zurück. „Will ich heute leben oder will ich heute sterben?“
Wie jeden Tag, fange ich an nachzudenken. Was passiert, wenn ich das mache? Wenn diese Kugel sich von meiner Haut, in mein Auge in mein Gehirn durchbohrt? Mein erster Gedanke ist, was ich noch alles machen will bevor ich morgen sterbe! Den morgen stelle ich mir die Frage wieder genauso ernsthaft wie heute und beantworte sie, ernsthaft und ehrlich.
Denke ich daran, morgen nicht mehr zu sein, verdreht sich mir der Magen.
Ich will wieder aufwachen, ich will morgen wieder bei dir sein, liebster Revolver.
„Willst du heute lieben und glücklich sein, die beste Version von dir selbst sein und deine höchste Leistung erbringen? Willst du das Leben mehr als den Tod? Ich sage Ja, weil mein Revolver immer an meiner Seite sein wird. Er wird mich nie verlassen. Die Arbeit die heute ansteht ruft nach mir. Mein süßer Arbeitskollege braucht meine körperliche Anwesenheit heute, um seinen Augen Freude zu bereiten. Ich kann noch nicht gehen, ich habe nicht mein Ziel noch nicht ausgelebt. (....)
Ich wurde zur fleißigsten und freundlichsten Kollegin ausgewählt. War schon immer. Alle bewundern mich. Ich sei immer gut gelaunt, freundlich, konzetriert etc. etc. Sie fragen mich aber nicht wie ich das alles unte reinem Hut bekomme... Sie fragen nicht weil ich es nicht sage. Wie ich es schaffe jeden Tag zu leben als wäre es mein Letzter.