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Ich und ihr Pferd

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28.10.2003
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Ich und ihr Pferd

Ich und ihr Pferd


Es gibt Tage, da möchte man lieber sterben...

Eigentlich bin ich nicht fürs Sterben. Bin ja ein lebensfroher Mensch, habe einen gutbezahlten Job, der mir auch noch Spaß macht und eine liebe Freundin, Sara.
Sara ist ein Engel und ich bin ihr Held. Unsere Beziehung könnte schöner nicht sein...
Doch da ist noch Nero. Ihr Pferd.
Ich habe nichts gegen Pferde. Auf keinen Fall! Sie sind bestimmt ganz wunderbare Geschöpfe, solange sie mir nicht zu nahe kommen! Man kann nicht sagen, dass ich Angst vor ihnen hätte. Nein, wirklich nicht. Das ginge ja auch gar nicht, denn Männer haben grundsätzlich vor nichts Angst. Ich zumindest nicht und schon gar nicht vor Pferden. Lächerlich!
Bis zu diesem Tag...

Ich stehe mit Sara vor der Stalltür. Wie hat sie es nur geschafft mich bis hierher mitzuschleppen? Wochenlang bin ich durch geschickte Ausweichmanöver meinerseits einem Treffen mit Nero entronnen. Jetzt stehe ich da und weiß nicht was tun...
Sie öffnet die Stalltür und geht mir voran in den schummrig wirkenden Stallgang. Ich stehe noch immer am gleichen Fleck und rühre mich nicht. Zittern da etwa meine Knie? Nein, bestimmt nicht. Ich sollte ihr nachgehen; nicht, dass sie noch was merkt. Ich zwinge mir ein ungezwungenes Lächeln auf die Lippen. Sieht es wohl echt aus? Sara war schon immer gut im Analysieren von Körpersprache. Konzentrier dich! Es wird schon nichts passieren. Da drin sind nur Pferde. Ganz liebe Tiere und auch gar nicht groß! Ich trete in den Stall und lehne mich lässig an die Stallwand hinter mir. Vor mir sehe ich eine Reihe mit Rohren vergitterter Boxen. Die Gitter sollten mich beruhigen, doch die Geräusche, die dort herausdringen, sind mir gar nicht geheuer. Schemenhaft erkenne ich die großen Umrisse der dort eingesperrten Tiere. Ich kann mir den schadenfrohen Gedanken nicht verkneifen, dass sie bestimmt nicht ohne Grund dort drin festgehalten werden. Das Rascheln des Strohs und das gelegentliche Schnauben machen mich nervös. Meine Hände sind feucht. Unauffällig wische ich sie an meiner Jeans ab. Wo ist nur Sara hin?
Plötzlich öffnet sich die Boxentür vor mir. Hätte ich nicht schon an der Wand gelehnt, wäre ich vor Schreck nach hinten umgefallen. Ich sehe schon, wie ein großer schwarzer Hengst herausschnellt, auf mich zukommt, sich auf die Hinterbeine stellt und mit seinen Vorderhufen meinen verängstigten Körper niedertrampelt. (Fury konnte ich schon als Kind nicht ausstehen!)
Wieso sind meine Augen zu? Ich darf mir doch nichts anmerken lassen! Es passiert bestimmt nichts. Alles nur Einbildung. Nur ruhig bleiben. Sie darf dir nichts anmerken. Vorsichtig öffne ich meine Augen und sehe, wie ein kleines Mädchen mit einem Pferd an der Leine aus der Box herauskommt.
„Hallo“, ruft sie mir entgegen. „Bist du neu hier?“
„Hallo“, kommt es krächzend aus meinem Mund. Mist, bloß nicht verängstigt klingen! Mich unauffällig räuspernd antworte ich: „Ich begleite Sara. Hast du sie vielleicht gesehen?“
„Ja, die holt Nero von der Weide.“
Die Weide also? So, so. Na, da muss ich dann wohl warten. Ganz auf mich allein gestellt. Der Gedanke behagt mir nicht! Das Mädchen bindet ihr Pferd nun nicht weit von mir vor der Boxentür an. Unauffällig gehe ich einen Schritt zurück. Panik steigt in mir auf. Das Pferd ist festgebunden, rede ich mir ein. Das Mädchen weiß bestimmt was sie tut. Locker grinsend rufe ich ihr aus meiner Ecke zu: „Ein schönes Pferd hast du da. Ziemlich groß, oder?“
Lächelnd sieht sie mich über den Rücken des Pferdes hinweg an.
„Aber nein, das ist ein Pony. Ein Haflinger um genau zu sein.“
„Ach so“, murmle ich. Pony hin, Pony her. Dieses Tier ist groß und wie es mich immer ansieht! Sind Pferde in der Lage Angst beim Menschen zu riechen? Besser ich gehe noch ein wenig zurück. Aber halt, ich habe keine Angst. Ich sorge mich nur um meine Gesundheit. So große Tiere sind mir nun mal suspekt. Was, wenn bei denen eine Sicherung durchbrennt?
Das Mädchen holt mich aus meinen Gedankengängen wieder zurück.
„Kannst du mal eben auf ihn aufpassen? Ich muss das Putzzeug holen.“ Und weg war sie.
Verlass mich nicht, schießt es mir durch den Kopf.

Ich bin allein. Wieso sieht er mich so komisch an? Er hat so viele Haare. Sie verdecken fast vollständig seine großen braunen Augen und reichen den ganzen Hals entlang. Unbewusst fahre ich durch mein lichter werdendes Haar. Ich mag ihn nicht! Zu viele Haare...
Er ist unruhig. Hat er gemerkt, dass ich ihn nicht mag? Er dreht sich mit seinem Hinterteil mir entgegen. Das ist gefährlich, oder? Was hat Sara nur immer gesagt? Mir gefällt diese Situation nun gar nicht mehr. Ich spüre Schweißperlen auf meiner Stirn. Wo bleibt nur das Mädchen? Wieso scharrt er jetzt auch noch mit den Hufen? Plötzlich schlägt er mit seinem Vorderhuf gegen die Boxentür. Der Knall lässt mich zusammenzucken. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Nicht wegrennen, nur nicht wegrennen, schießt es mir durch den Kopf. Da höre ich Getrappel von draußen. Endlich! Das ist bestimmt Sara.
Ein großer schwarzer Kopf ist das Erste, was ich sehe. Das, was folgt, scheint zu groß um durch die Tür zu passen. In meiner Panik wäre ich beinahe gegen den kleinen Haflinger gerannt. Doch ich schaffe es gerade noch rechtzeitig mich zusammenzureißen. Und da folgt auch schon Sara. Sie führt das Ungetüm an einer - für mich viel zu dünnen - Leine an mir vorbei und bindet ihn neben dem Pony fest. Unter seinem Hals hindurch ruft sie mir zu:
„So, bin wieder da. Und das ist mein Kaltblut Nero.“ Sie tätschelt dabei seinen mächtigen Hals. „Ich muss ihn nur noch ein wenig fertig machen und dann darfst du ihn reiten.“
Wie erstarrt und von dem Schock noch völlig benommen, sehe ich sie an. Erstens ist Nero doppelt so groß, wie der Haflinger, zweitens werde ich niemals auf ein Pferd steigen und drittens bin ich spät dran.
„Ich muss weg“, rufe ich ihr zu, drehe mich um und haste davon. Dabei rede ich mir ein mannhaft gehandelt zu haben.

Wieso konnte mich Gott heute morgen nicht sterben lassen?

 

Hallo brianna

eine wirklich sehr nette Geschichte. So richtig was für den wohlverdienten Feierabend. Es muß nicht immer Mord und Totschlag sein. Nun war dieser Held am Ende ein wenig geschrumpf. Er wird wohl noch einige Zeit benötigen um sein Selbstvertrauen wiederzuerlangen.

Danke für die nette Unterhaltung

Morpheus

 

Hi!

Ja, ich fand die Geschichte wirklich gut! Echt was zum Schmunzeln. Männer... Erinnert mich ein bisserl an Knuffdipuff und seine Angst vor Hunden (wär vielleicht auch mal ne Story wert).

Vielleicht hättest du´s noch ein bisserl ausschmücken können, noch ein paar Angstphantasien hineinbringen können, oder so.

Aber ansonsten fand ich´s klasse!

;)

Allerliebste Grüße, "butchii"

 

Hi Brianna,
eine tolle Geschichte. Hat mir wunderbar gefallen.


Und zu...

Sind Pferde in der Lage Angst beim Menschen zu riechen?
Ich bin der festen Überzeugung, dass Tiere diese Form der hilflosen Angst spüren können.
Ich hab schon manchmal beobachtet, wie lammfromme Vierfüßler in der Gegenwart solcher Menschen plötzlich mit ultrafrechen, aber - Gott sei’s getrommelt – größtenteils harmlosen Schabernack aufgewartet haben.
Ich glaub, die finden das oft mächtig amüsant. :D


Viele Grüße
Sternensucher

 

Hi brianna,

warum sollte ich eigentlich eine Kritik schreiben? Ich habe nichts zu kritisieren, mir hat's gefallen! Ich sehe den "Helden" an der Stallwand immer kleiner werden...
Selbst eine gewisse Eifersucht auf das (auch noch männliche) Pferd halten ihn nicht von der Flucht ab.
Lieber tot als so blamiert...

Ich glaube auch, dass Tiere die Angst genau spüren. Vielleicht riechen sie es, oder aber es ist die Körpersprache.
Von Hunden z.B. sagt man auch, sie riechen die Angst. Und oft genug werden gerade hundeängstliche von Hunden angegriffen. Allerdings glaube ich, dass die Hunde auf die Körpersprache der Ängstlichen reagieren. Die Körpersprache eines Hundes, der droht oder angreifen will, ist der eines Menschen, der Angst hat, sehr ähnlich: Anstarren, stocksteif dastehen ...

Ja, ja, ich schweife ab, wir waren ja bei Pferden, Engeln und Helden...
Deine Geschichte ist wirklich schön geschrieben, ich habe mich amüsiert!

Liebe Grüße
HovaLiese

 

Hi Brianna,

nach der Kritik von eben habe ich mal schnell in deine Geschichtenliste geschaut - und wohl da: ist ja noch eine. Und schau an, dass ist ja sogar eine richtige Geschichte ;).

Hat mich sehr amüsiert die Geschichte. Obwohl, ich hab nichts von Pferden. Neeeein, ich habe keine Angst ( :D ), nur trifft mich ihre Magie, oder was ihnen sonst diese Faszination verleiht, herzlich wenig und ich habe auch nicht das Gefühl, was verpasst zu haben... egal.

Auf jeden Fall sehe ich mich in der Vermutung bestätigt, dass du schreiben kannst. Nein, das muss ich dir wohl auch gar nicht sagen, scheinst du doch alteingesessene zu sein :D.

Trotzdem ein paar Anmerkungen:

Es gibt Tage, da möchte man lieber sterben ... Wieso konnte mich Gott heute morgen nicht sterben lassen?
Ja, es mag Geschlechtsgenossen geben, die etwas viel Emotionalität abbekommen haben. Aber so dermaßen halte ich es strikt für übertrieben. Naja, mag sein, dass ich nur noch nicht viel erlebt hab :D.

Ich zwinge mir ein ungezwungenes Lächeln auf die Lippen.
Hehe, der kam gut.

Dabei rede ich mir ein<,> mannhaft gehandelt zu haben.

Viel Spaß noch,
FLoH.

 

Hat mir echt gut gefallen .. ich hab an dem abend mehrere sachen gelesen und diese Story blieb mir in Erinnerung...

"ich zwinge mir ein ungezwungenes Lächeln auf die Lippen" fand ich auch super.. hab echt gelacht...

hoffentlich find ich in den nächsten Tagen noch ein paar solcher Geschichten

mfg Januley

 

Hallo brianna,

eine gut aufgebaute, flüssig erzählte Geschichte. Schön ist der Kontrast zwischen der selbstverständlichen Art mit Tieren umzugehen und der unbegründeten Angst des Protagonisten.
Die viel zu „dünne Leine“ und das Kaltblut zum Abschluß passen gut in den Ablauf.
Trotzdem- unter `Humor´ erwarte ich schon etwas mehr Komik oder Wortwitz. (`Lösung eines Spannungszustands in Lachen´).

Tschüß… Woltochinon

 

hallo brianna,
ich darf mich der meinung anschliessen, dass mir deine geschichte gefallen hat. sie ist rund und in sich schlüssig - und ich meine auch, sie passt in humor. es ist nicht nur der inhalt, der zum schmunzeln verleitet, nein, es sind auch deine gut gewählten formulierungen.

schon erwähnt wurde das abgezwungene ungezwungene lächeln---- klasse gemacht.

wann kommt deine nächste story?
gruß
ernst

 

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