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Ich steige in die U-Bahn

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29.10.2003
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Ich steige in die U-Bahn

ich steige in die u-bahn

Ich steige in die U-Bahn, setze mich hin und bereue es sofort. Eine Frau setzt sich neben mich, ganz nah, es ist nicht viel Platz auf der Bank. Ich fühle mich durch die Enge bedrängt, aber ich versuche, dem Gefühl keine Beachtung zu schenken.
Die Frau beugt sich vor und wühlt schnaufend in ihrer Tasche. Sie stößt mich dabei mit ihrem Ellbogen, entschuldigend lächelt sie mich an – ich will das nicht. Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf meinen Atem. Etwas stört mich. Die Frau hat sich aufgerichtet, sitzt bewegungslos. Ich öffne die Augen, schaue sie an, dann blicke ich an mir herunter und bemerke, dass das Ende ihres Schals sich auf meine Schulter gelegt hat. Ich bewege meine Schulter, doch der Schal weigert sich, herunterzufallen. Erneut schließe ich die Augen und versuche meine Aufmerksamkeit allein auf mein Atmen zu lenken. Ein, Aus, Ein, Aus – er wird schwer; der Schal der fremden Frau wird mir schwer. Ein, Aus – Ich wische mir über die Stirn. Dabei schwitze ich nicht. Es hilft nicht. Der Schal drückt. Schon habe ich das Gefühl, unter dem Gewicht des Schals schief zu sitzen. Meine Schulter beginnt zu schmerzen, ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte.
Plötzlich bleibt die U-Bahn stehen, die Frau steht auf und steigt aus. Ich erschrecke ein wenig, atme tief ein und setze mich aufrecht. Die Stelle, auf der der Schal lag, pocht noch nach, bleibt kalt zurück. Als wir weiterfahren, stelle ich fest, dass ich meine Haltestelle längst verpasst habe.

 

Hallo Adora!
Das war witzig. Ich muss nämlich jeden lieben Tag die Bahn nach Hamburg nehmen und weiß, wie das ist, denn ich bin zu allem Überfluss klaustrophobisch. Es ist besonders schlimm, wenn Leute sich neben einen setzen, die einen starken Körpergeruch haben (um es euphemistisch auszudrücken). An der Station Reeperbahn ist es besonders schlimm :-).
Spaß beiseite, es war kurz, bündig und plastisch geschrieben.
Weiter so!
Liebe Grüße,
Magda

 

Hallo!

Danke für Eure Beiträge, freut mich, dass die 'Geschichte' Euch gefallen hat.

Die Idee dazu war schon lange da und auch gar nicht als Kurzgeschichte gedacht, deswegen habe ich als Titel auch einfach nur den ersten Satz genommen, es ist eigentlich mehr ein 'Fragment' oder eine Sequenz. Ich wollte eigentlich nur schauen, wie meine Schreibweise auf andere wirkt.

@arminius: Über Dein Lob habe ich mich besonders gefreut, ich habe schon einige Deiner Sachen gelesen und fand sie sehr gut.
Kennst Du das: Manchmal setzt sich jemand neben Dich und der Arm oder das Bein berührt Dich, und wenn dieser Mensch dann aufsteht bleibt die Stelle kalt. Deshalb kein "glühen".

 

hmmm.. erst schwitzt man - dann kommt die verdunstungskälte ??
klingt eigentlich logisch :D

 

Hallo Adora!

Herzlich willkommen auf kg.de! :)

Ich konnte das Gefühl Deiner Protagonistin (ich mach sie halt mal weiblich...) sehr gut nachvollziehen, was an Deiner guten Beschreibung liegt.
(Verstehen kann ich sie allerdings nicht, denn ich hätte den Schal einfach von meiner Schulter geschoben, statt vor mich hinzuleiden. ;))

Das Gefühl mit der Kälte kann ich mir so erklären, daß die Protagonistin an der Stelle leicht geschwitzt hat. Durch die Feuchtigkeit fühlt es sich dann kalt an. - Wäre zumindest eine Möglichkeit. :)

Liebe Grüße,
Susi :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Du hast gut beschrieben, wie eingeengt du dich gefühlt hast.
Ich weiß nicht, ob das beabsichtigt ist, aber mir kommt in diesem Text nicht die dicke Frau als Mensch unter vielen nervig vor, sondern die Protagonistin, der es selbst zu viel ist, wenn sich jemand neben sie setzt und ein fremder Schal sie ein wenig berührt. Ich höre solche Beschreibungen oft, meine Freundin erzählt mir oft, wie genervt sie von allem ist:“ Die S- Bahn kommt nicht pünktlich, wegen den Idioten kommt man noch zu spät zur Uni (warum bloß) und dann wenn die Bahn da ist, ist sie auch noch völlig überfüllt ( alles Idioten) und zu guter letzt setzt sich auch noch dieser hässliche Mensch in meine Nähe und berührt mich vielleicht noch. Warum ist der bloß so hässlich, das muss ein schlechter Mensch sein, warum schnauft der bloß so sehr, soll er doch draußen weiterschnaufen dieser hässliche Mensch.“
Ich würde mir diesen Stress nie machen von jedem und allen genervt zu sein. Da gibt es wesentlich wichtigere Dinge im Leben. Warum soll man eine Allergie gegen fremde Menschen entwickeln, man kennt diese Menschen in keinster Weise und stempelt sie zu nervenden nichtsnutzigen Mitbürgern ab. Mich nervt es eher, wenn ich in die U- Bahn steige und merke, wie alle voneinander genervt sind und allein sein und so schnell wie möglich ins heimische Reich flüchten wollen, wo sie allein oder unter ihren Liebsten sind.
Blicke sollten sich treffen und man sollte auch mal lächeln, auch wenn man einen Menschen nicht kennt. So würde die Zeit in der Bahn vielleicht auch schneller vergehen.
Ich weiß nicht, ob der Text dies als Intension hatte(eher nicht)!
Aber du siehst, ich rege mich über deinen Stoff sehr auf und ob es beabsichtigt ist oder nicht, der Text regt mein Gemüt an und das ist ja eigentlich das Wichtigste an einem Text.

Gruß

 

Hi adora,

ich kann deine(n) prot in seinen/ihren gedanken sehr gut nachvollziehen. es geht mir immer auf die nerven, wenn ich von fremden beruehrt werde - vielleicht eine neurose oder so? naja, meine freunde duerfen mich anfassen wenn sie wollen ;)

ich finde den text eigentlich ein bisschen zu kurz. die gedanken der prot (ich mache sie jetzt auch mal weiblich, weil maedchen in meinem alter keine eigene meinung haben) werden detailliert dargestellt, aber stellenweise fehlt mir ein bisschen die tiefe.
wenn ich die prot so gut nachvollziehen kann, blossinarr sich aber darueber aufregt, dann hast du in dem text nicht tief genug gegriffen. wenn erstmal so widerlich sympathisch-aufgeschlossene, gute-laune-gestrafte menschen ;) wie mein vorkritiker deine prot nachvollziehen koennen, ist der text perfekt.

fazit: mach ihn tiefer! ich hab zwar das gefuehl, dass ich das in der letzten woche unter etwa 100 geschichten geschrieben habe (woran das wohl liegen mag), aber es scheint zu stimmen ;)

 

Hallo!

Sorry, dass ich erst jetzt antworte, war eine Weile nicht mehr hier...

Freut mich sehr, dass sich noch einige auf mein Textlein eingelassen haben!

@Blossinar:
Ich verstehe was Du meinst und ich kenne solche Leute auch. Meine Figur ist allerdings nicht wirklich so eine, die alles um sich herum scheiße findet und hasst und verachtet, als viel mehr, sich aus einem, vielleicht Unsicherheitsgefühl bedrängt fühlt. Im Grunde geht es darum, dass sie mit ihrer Umwelt nicht ganz klar kommt und sich überfordert fühlt. Aber eine wirklich positive Haltung ist es tatsächlich nicht.

@Häferl
Dankeschön!
Nein, sie hätte nicht wirklich den Schal runternehmen können. Das hätte ja sozusagen eine Interaktion erfordert, das geht nicht. Ich glaube, genau diese Dinge sind ja das Problem dieser Figur.

@vita
wie gesagt, es war eigentlich gar nicht als kurzgeschichte gedacht. Ein bisschen mehr Tiefe? Hm, ich glaube, mehr wollte ich gar nicht ausdrücken, als dieses Gefühl, nicht mit der Umwelt klar zu kommen.

Vielen Dank noch einmal für's Lesen und kritisieren!
S.

 

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