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Ich packe meinen Koffer und nehme mit
Erschöpft sitze ich auf meinem Koffer und starre die Wand an. Aufstehen möchte ich nicht. Zu schön ist das Gefühl, endlich alles verstaut zu haben. Ich habe meine Reisegarderobe von der Siebenachtelhose für abends bis zum farblich perfekt abgestimmten Strandoutfit für tagsüber von der Pike auf durchdacht. Leider muss ich feststellen, dass die im Handel angebotenen Koffer nicht annähernd über den benötigten Stauraum verfügen, der während einer normalen Reise entsteht.
„Den bekommst du so aber nicht zu“, spricht mein Mann im Vorbeigehen das aus, was ich längst vermute. Angestrengt überlege ich, auf was ich am ehesten verzichten kann. Ich rufe meine Freundin Gabi an und frage, ob wir uns einen Fön teilen. Gabi hat den Fön noch überhaupt nicht eingepackt und möchte wissen, ob ich auch eine Regenjacke für den Notfall mitnehme. Durch nur einen Anruf hat sich ein Gepäckstück in zwei verwandelt. Erschrocken lege ich das Handy möglichst weit weg.
„Mama, du kannst auch meinen Koffer nehmen. Der ist doch viel schöner als deiner.“ Meine Tochter steht mit ihrem rosafarbenen Prinzessin Lillifee Kinderkoffer in der Tür. Ich bin erschrocken, wie viel Naivität in so einem kleinen Menschen steckt. Als ob eine komplette Frauengarderobe in dieses Miniaturgepäckstück passen könnte. Woher sollen es die Schwächsten der Gesellschaft aber auch besser wissen, wird doch das Packen eines Koffers in dem Spiel Ich packe meinen Koffer völlig verharmlost. Würde man den ganzen Klimbim einpacken, den diese naiven Kinder für wichtig befinden, würde wohl keine Reise mehr ohne tonnenweise Übergepäck angetreten werden. Prinzessin Lillifee scheint völlig egal zu sein, dass absolut nichts in diesen kleinen Kasten passt. Sie fliegt fröhlich auf der Außenseite des Koffers herum, als wüsste sie von nichts.
Verzweifelt ziehe ich ein Halstuch aus dem Gepäckwulst heraus.
„Ich brauche ja immer nur eine Badehose und drei Unterhosen.“, verkündet mein Mann stolz. Ich stelle ihn mir vor, wie er abends in einer seiner drei Unterhosen am Buffet sitzt und sich darüber beschwert, dass alle seinen purpurroten Rücken anstarren – selbstverständlich nur weil ich nicht daran gedacht habe, ihm ein T-Shirt einzustecken. Oder Sonnencreme. Oder sonst irgendetwas Überlebenswichtiges.
„Mama, du kannst mich doch heimlich in den Koffer packen. Dann kann ich mitkommen.“ Aus Angst, auch noch ein Kleinkind mit einem sperrigen Lockenkopf verstauen zu müssen, versuche ich abzulenken und gebe meiner Tochter den Auftrag, ein Kuscheltier auszusuchen, das während dem Urlaub auf mich aufpassen soll.
Gedankenfetzen wirbeln durch meinen Kopf. Was passiert, wenn ich mich zwei mal im gleichen Strandkleid blicken lasse? Kann man schwarze Sandalen zu einem beigen Rock kombinieren? Wie reagiere ich, wenn es für ein T-Shirt zu kalt und für dreiviertel lange Ärmel zu warm ist?
Die Strategie, mich zu entscheiden, muss ich schließlich nach langem hin und her als gescheitert betrachten. Ich überlege, was ich wohl am Urlaubsort nachkaufen könnte. Gepäckstück um Gepäckstück wandert aus dem Koffer. Prima! Was ich nicht dabei habe, muss ich nachkaufen. Was heißt, ich bin zu ausgiebigen Shoppingtouren verpflichtet! Wenn doch nur jeder mit solch einer Raffinesse Probleme zu lösen in der Lage wäre. Die Welt wäre ein viel besserer Ort. Im selben Moment fällt mir auf, dass dieser völlig unflexible Koffer vermutlich nicht - im Gegensatz zum Wohlfühlbauch meines Mannes – während meiner zweiwöchigen Reise an Größe dazugewinnen wird. Enttäuscht knäeule ich schnell alles wieder an Ort und Stelle.
Meine Tochter, die die Sorgen der Mama wohl noch nicht so ganz verstanden hat, wedelt mit einem monströsen Teddy vor meinem Gesicht herum.
„Dann pack doch noch das ein oder andere ins Handgepäck.“ Was mein Mann nicht weiß, das Handgepäck befindet sich bereits vollgestopft im Nebenzimmer und es ist mehr als fraglich, ob es sich wirklich um Handgepäck und nicht viel mehr um Sperrgepäck handelt. Als erwachsene Frau, die vernünftige Entscheidungen treffen muss und auch eine gewisse Verantwortung gegenüber der Kleidungsstücke hat, die eventuell am Flughafen zurückbleiben müssen, beginne ich noch mal ganz von vorne. Jedes Stück wird zu einer Gewissensfrage. Nicht mal durch die Zwischenrufe meines Mannes, ich sähe nur in Unterwäsche doch sowieso am Besten aus und eine Hose könne man ruhig mal vier, fünf Tage tragen, lasse ich mich aus dem Konzept bringen. Am Ende donnere ich tatsächlich triumphierend die Schnallen des Koffers ineinander.
„Hast du den auch schon gewogen?“, höre ich eine Stimme aus dem Hintergrund und ich überlege, die Reise abzusagen und zu Hause bei meinem Kleiderschrank zu bleiben.