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Ich möchte nicht, daß Du vor mir stirbst
Seine Hände umklammern ihre, er hält sie fest, drückt sie ganz kräftig. Er küsst ihre Stirn, zieht sie an sich heran, ihre Wangen berühren sich.
Seine Tränen rinnen über ihre Wangen, vermischen sich, sterben auf ihren Lippen.
Beide würden den Kampf verlieren, gegen Metastasen, die in ihren Körpern wuchern, sich nicht um Glück und Gerechtigkeit scheren.
„Ich möchte nicht, daß Du vor mir stirbst“ flüstert er.
Sie schluckt, stockt, weint aber nicht. Kann es nicht, ihr Körper ist ausgetrocknet.
„Ich liebe Dich so sehr, ich möchte Dich nicht sterben sehen!“
„Und wenn wir zusammen…?“ Weiter kommt sie nicht, unmöglich den Gedanken ganz auszusprechen.
Es gibt keine Hoffnung, kein Gedanke der trösten kann.
Beiden bleibt nur noch wenig Zeit, ihm noch Tage, ihr nur noch Stunden.
Der nahe Tod ist unausweichlich. Nichts, absolut Nichts, keine Freude, kein Glück, das sie noch zu erwarten hätten. Kein Gedanke in ihnen, der ein Leben am leben hält.
„Ich möchte nicht, daß Du vor mir stirbst!“
„Ich habe Angst! Was machen wir? Ich möchte nicht, daß es dunkel wird, wir wollten doch heiraten? Wir dürfen doch noch gar nicht sterben, wenn wir so jung sind,...dürfen wir es doch nicht,...geht doch gar nicht!“, flüstert sie.
Ihre Fingernägel verkrallen sich in seinen Handflächen.
Er spürt es nicht.
„Ich möchte keine Angst vor dem Sterben mehr haben, diese Angst, sie macht uns wahnsinnig!“, sagt er.
Er schaut in ihre Augen, die das Unbegreifbare verraten, reicht das Glas und gesteht stockend: „ Ich habe schon getrunken…..in zwei Stunden...ich will doch nicht, daß Du vor mir gehst!“
Sie weint, das erste Mal seit Tagen, daß sie weint und sie trinkt.
Ihre Körper umklammern sich, halten sich.
„Wir werden nur schlafen, hörst Du? Nur schlafen, keine Angst mehr haben und dann woanders aufwachen. Ich liebe Dich, wir werden nur schlafen, wir beide“
„Ja, nur schlafen, ich liebe Dich“, flüstert sie.