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Ich hasse mich

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16.05.2003
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Ich hasse mich

Ich war bis jetzt der festen Überzeugung, dass ich ein netter Mensch bin. Einer, bei dem sich die Leute freuen, wenn sie ihm begegnen. Doch das ist heute morgen ganz anders. Heute hasse ich mich – abgrundtief, bodenlos. Ich stehe im Badezimmer und starre in den Spiegel. Ich hasse das Augenpaar, dass mich daraus anstarrt – meine Augen sind weder blau noch grau noch sonst etwas, das einzige was sie sind ist leer. Als „hässlich“ hat sie mal jemand bezeichnet und das stimmt wahrscheinlich auch.
Ich verlasse das Badezimmer, schleppe mich in die Küche und schaue aus dem Fenster. „Zum kotzen, einfach nur zum kotzen,“ denke ich. Draussen ist es grau, es regnet und Leute mit Regenschirmen in der Hand hetzen durch die Strassen. Normalerweise mag ich es, einfach nur am Fenster zu stehen und die Leute zu beobachten. Heute nicht. Ich hasse diesen Tag, ich hasse diese Woche, ich hasse mein ganzes Leben. Gedankenverloren nehme ich den Kaffeekocher vom Herd und fülle meine Tasse. Heiss, schwarz und stark, genau das was ich jetzt brauche, um in die Gänge zu kommen. Aber auch der Kaffe kann mir heute nicht helfen.
Während ich auf dem Weg ins Wohnzimmer erneut in den Spiegel starre, wird mir übel. Mir wird übel weil ich mich darin sehe. Wie kann man so was wie mich nur aushalten? Kann man das überhaupt? Sind alle meine Freunde scheinheilige Schleimer? „Sie müssen scheinheilige Schleimer sein!“ denke ich während ich mich auf der Couch niederlasse. Auch meine Katze will heute nichts von mir wissen. Angewidert sieht sie mich an, springt vom Sofa und verschwindet so schnell sie kann unter dem Bücherregal. Eigentlich sollte ich ja bei der Arbeit sein, aber ich will heute nicht dorthin. Ich will hier sitzen und mich einfach nur hassen.
Wieso? Wieso fühle ich mich heute so schlecht? Der gestrige Tag ging doch eigentlich ganz glatt über die Bühne, keine Probleme, kein Ärger mit dem Chef. Vorsichtshalber gehe ich in Gedanken nochmals den ganzen Tag durch, aber ich kann mich an keine negativen Ereignisse erinnern. Der Abend verlief auch ruhig und geträumt habe ich auch nichts, jedenfalls nichts, woran ich mich erinnern könnte. Es muss doch was geschehen sein, irgendetwas das für meine miese Stimmung verantwortlich ist. Moment mal, jetzt fällt es mir wieder ein: Ich habe gestern Abend mein Anti-Depressiva vergessen.

 

Hallo stones und willkommen auf Kurzgeschichten.de,

wenn dein Protagonist deine eigenen Gefühle als Autor im überspitzten Maße darstellen soll oder wenn dein Protagonist du bist, dann kann ich dich beruhigen, ich wäre kein Schleimer unter deinen Freunden, ich wäre ein echter Freund ;). Doch das möchte ich dir ausführlich begründen.

Dass dein Protagonist unter einen Depression leidet, sagst du ja selbst und auf das Leben mit einer solchen einzugehen, mißfällt mir, da ich und meine Mutter selbst darunter leiden und wir in psychologischer Behandlung sind. Über das Leben eines Menschen mit einer Depression kann ich mir nur effektiv Gedanken machenb, wenn ich glücklich bin, ansonsten wäre der ganze Tag für mich und meine Mitmenschen gelaufen. Eine Sache, die du sicherlich nachzeichnen kannst, wenn es dir ähnlich geht.

Ich habe jetzt auf kg.de viele Menschen kennen gelernt, die über Momentaufnahmen aus einem depressiven Sein schreiben und ich habe festgestellt, dass unter denen, bei denen man erkennt, dass sie das Gefühl kennen, keiner eine korrekte Kommasetzung beherrscht. Ich glaube, dass desto besser die Kommasetzung eines Menschen, der unter einer Depression leidet, wird, desto weiter schafft er es mit ihr zunächst zu leben und sie im Endeffekt am Hals zu packen, zu erwürgen, ausbluten zu lassen und mit spike besetzten Schuhen das Gesicht zu entstellen.

Wenn du selbst unter einer Depression leidest, dann möchte ich dir nur den Tipp geben, dass du die Hoffnung nicht verlieren darfst. Egal, was du hoffst, hoffe! Verliere nie den Glauben an die Welt und ihre Möglichkeiten, irgendwann kommt dann ein Schlüsselereignis, das etwas ändert und dir eine unbekannte neue Perspektive in den Kopf bringt, die du mit offenen Armen empfangen wirst. Hörst du auf zu Hoffen, wird dein Leben so trist, wie das meiner Mutter. *mit schlechtem Vergleich droh*

Soviel zur Ausführung deiner Intention, dein Stil ist regelmäßig und gut zu Lesen. Solch eine Geschichte kannst du effektiv gut rüberbringen, wenn du sie noch ein wenig mehr mit bildhaften Vergleichen austattest, finde ich ;).

Mach weiter und gib nicht auf,

mfg, ~tfa, der sich wünscht Hoffnung spenden zu können

 

Hallo tfa!

Vielen Dank für Deine tröstenden Worte, aber mein Prot hat eigentlich wenig mit mir zu tun. Ich habe die Geschichte geschrieben als ich mich nicht so gut fühlte, da hast du schon recht.

Ich habe absichtlich nicht bildlicher geschrieben, weil meiner Meinung nach die ganze Leere, die die Person empfindet verloren geht, wenn ich das ganze besser ausschmücke.

Die Absicht hinter der Geschichte war eigentlich zu beschreiben, dass die meisten Menschen, die solche Medikamente zu sich nehmen, damit nur die Wahrheit verdrängen anstatt ihr ins Gesicht zu sehen (ich will damit aber nicht behaupten, dass solche Medikamente manchmal nötig sind). Eigentlich sollte man genau das machen, was du beschrieben hast.

Liebe Grüsse, Stones

 

Ich muss da glaub’ ich mal was klar stellen: Ich wollte wirklich niemanden beleidigen, belehren oder kränken. Falls das geschehen sein sollte, möchte ich mich gerne bei euch entschuldigen. Meine Wortwahl war schlecht, das sehe ich ein. Was ich eigentlich sagen wollte, kam, wie ich aus euren Reaktionen schliessen konnte, überhaupt nicht so rüber wie ich es gemeint habe.

Ich muss dazu folgendes sagen: Ich lebe in der Schweiz und nicht in Deutschland. Wie eure Reaktionen gezeigt haben, funktioniert das Gesundheitswesen bei euch nicht so, wie es bei uns ist. In den letzten Jahren hat die Schweizerregierung die Schuldenbremse stark angezogen. Diese Kostensenkungen gingen auch am Gesundheitswesen nicht spurlos vorbei.

Ich habe in den letzten Jahren beobachtet, dass hier in der Schweiz vermehrt nur die Medikamente, nicht aber die dazugehörige Therapie verordnet werden (Keine Therapie = geringere Kosten). Es ist jedoch nicht so, dass man keine Therapie machen darf. Nur ist es so, dass man mehr oder weniger wählen kann, ob man „nur“ die Medikamente einnimmt oder ob man eine Therapie machen will (ich sage nicht, dass das immer so ist, aber die Tendenz besteht). Bei uns ist es also nicht zwingend, sich in therapeutische Behandlung zu begeben, um die Medikamente zu bekommen. Ich wollte auf diese Missstände hinweisen, war mir aber nicht im Klaren darüber, dass es in Deutschland anders sein könnte.

Ich hoffe, dass ich jetzt alle Missverständnisse aus dem Weg räumen konnte und ihr mir nicht allzu arg böse seid.


Liebe Grüsse, Stones

 

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