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Ich habe das Leben kennengelernt
Zunächst fing der Tag ganz entspannt mit einem türkischen Frühstück an. Danach sind wir mit der Bahn in die Innenstadt gefahren, um ein wenig einzukaufen, bzw. die Anderen waren zum Kaufen dabei und ich zum Bummeln. Das ganzen hat sich dann bis zum Abend gezogen, als wir uns dann entschlossen haben, etwas zu trinken. Auf dem Weg zur Wohnung wurde bereits Bier geholt, um in Stimmung zu kommen. In der Wohnung wurde das Bier dann durch Gin ersetzt und dieser hat sich auch schnell bemerkbar gemacht, da ich absolut nicht Trinkfest bin. Zum Glück hatten wir nicht genügend Zeit um uns abzuschießen, denn das wäre später eine fatale Folge gewesen.
Wir machten uns schließlich auf den Weg Richtung Technostrich, wo auch bereits eine Freundin von mir unterwegs war. Natürlich war es ein sehr unpassender Zeitpunkt, um in einen Club zu kommen. Es war ungefähr 2 Uhr und die Straßen waren voll mit Menschen. Schlangen an jedem Club und traurige Gesichter bei den Abgewiesenen. Sehr optimistisch haben wir uns zu viert in eine Schlange gestellt und wurde auch direkt vom Türsteher gefragt, ob wir Mädels dabei haben. Die hatten wir natürlich nicht. Freundlich hat uns der Türsteher in seinem Berliner Dialekt darauf hingewiesen, dass es die reinste Pimmelparty in diesem Club sei und wir uns lieber eine andere Lokalität aufsuchen sollten, falls wir Frauenkontakt haben möchten. Diesen Tipp haben wir natürlich ernst genommen und sind weiter gezogen. Kurz darauf schreib mir die Freundin, die ebenfalls unterwegs war, dass wir ins Chalet kommen sollen.
Wir machten uns daraufhin direkt auf dem Weg zum besagten Club und haben es tatsächlich geschafft gegen 4 Uhr diesen zu betreten. Normalerweise ist das der Zeitpunkt, an dem ich nach Hause gehe und alles anstrengend wird. Doch an diesem Tag war es anders. Die Stimmung im Club war perfekt und meine ebenso. Kurzerhand habe ich direkt die Freundin angesprochen und sie gefragt, ob sie uns etwas Koks besorgen kann. Doch als Antwort kam nicht das was ich erhofft habe. Es blieb uns die Wahl zwischen MDMA und XTC. Ich war an diesem Abend dafür offen Koks auszuprobieren und habe es leider nicht bekommen. Mein Durst nach einem unvergesslichen Erlebnis war aber zu groß, um wieder nur Alkohol zu trinken und sich am nächsten Tag zu denken: „ Joa, war toll gestern, aber auch nichts besonderes.“
Ich grübelte in meinem Kopf, ob ich MDMA ausprobieren sollte. Anders als bei anderen Drogen, habe ich über MDMA nur wenig gelesen. Aber naja, wer etwas erleben möchte, muss auch mal ein Risiko eingehen. Ich erzählte Niko, das ich kein Koks besorgen kann, dafür aber MDMA oder XTC. Ohne großartig darüber nachzudenken entschied er sich für MDMA, was meine Entscheidung wesentlich einfacher machte. Bei Pip und Paul war ich mir unsicher, ob sie dabei sind. Pip war erst skeptisch, aber am Ende doch dabei. Paul war bereits am tanzen und antwortete auf meine Frage:“Möchtest du auch MDMA?“, mit einem einfachen:“Nein!“ und tanzte weiter. Also gut, dann nur zu dritt. Ich bezahlte 15€ und bekam 3 Kapseln.
Das Chalet verfügt über einen schönen Innenhof, mit vielen kleinen Nischen, in dem wir dann die Kapseln genommen haben. Mein einziger Gedanke war: „nicht viel denken, einfach machen.“ Ich schmiss die Kapsel in den Mund und habe etwas Wasser, zum Runterschlucken, getrunken. Als ich mit meiner Zunge die Kapseln im Mund suchte, war sie nicht auffindbar. Habe ich sie daneben geschmissen? Sofort suchte ich den Boden ab, doch dort war sie nicht zu sehen. Also bin ich davon ausgegangen, die Kapsel geschluckt zu haben. Pip öffnete die Kapsel und studierte den Inhalt erstmal, lies einen Teil aus Versehen fallen, hob es wieder auf und schluckte es schließlich doch komplett. Niko war genau so schnell wie ich und machte kurzen Prozess. Kapsel in den Mund und Wasser hinterher.
Danach ging es wieder rein und wir fingen an zu Tanzen. Paul hatte sich bereits in der Zeit eine kleine, blonde Tanzpartnerin angelacht und wir gesellten uns einfach dazu. Mir ist direkt aufgefallen, dass auch sie auf irgendeiner Droge ist. Ständig hat Paul versucht ihr etwas zu sagen, doch sie war nicht wirklich aufnahmefähig und dazu kam noch, dass die Musik wirklich laut war. Nach mehreren Versuchen sich mitzuteilen, fasste die kleine Blondine Paul ins Gesicht. Dabei konnte ich ihr das erste Mal in die Augen sehen und ihre riesigen Pupillen erkennen. Nach circa einer halben Stunde bassdurchstörmten Tanzens, guckte Pip mich an und rief mir zu, dass sich die Musik so heftig anfühlt und die Lichtanlage sei überwältigend. Sofort war mir klar, dass das MDMA bei ihm wirkte und ich ärgerte mich, da ich möglicherweise die Kapsel fallen ließ.
Doch dieser Gedanke war nur von kurzer Dauer. Schlagartig nahm ich mein komplettes Umfeld anders wahr. Musik und Licht waren plötzlich nicht mehr das, was sie mal waren. Die Bässe durchdrungen mein Körper und ich war der festen Überzeugung, dass meine Gliedmaßen diese absorbierten und in eine tanzende Bewegung umwandelten. Ich bewegte mich zu der Musik, doch gesteuert habe ich es nicht. Dazu spürte ich die wohle Wärme der Lichtanlage, welche pulsierend zu der Musik aufleuchtete. Zu diesem Zeitpunkt fühlte es sich an, als wäre die Musik zum Leben erwacht und das pulsierende Licht sei ihr Herzschlag. Mein Körper nahm Kontakt zu der Musik auf, doch mein Kopf hat es erst viel später wahr genommen. Ich tanzte noch eine ganze Weile weiter und habe es sehr genossen, dabei mein Umfeld zu beobachten. Plötzlich erkannte man die Schönheit in vielen Dingen, die einem vorher egal waren.
Als ich die besagte Freundin zu sehen bekam, wollte ich ihr mitteilen wie gut ich mich fühlte. Dabei tauchte dann auch der Freund von ihr auf, der uns das MDMA verkauft hat. Er freute sich sehr für mich, dass es mir so gut geht, da es mein erster Trip war. Fürsorglich wies er mich darauf hin, genug zu trinken und erklärte mir noch, dass man etwas Hitzeschwankungen bekommen kann, dies aber was völlig normales sei und dass es sich lohnt jetzt vor die Tür zu gehen, da die Sonne gerade aufgeht. Lustigerweise lief in diesem Moment Niko an mir vorbei und sagte mir, dass es ihm zum warm sei und er vor die Tür geht. Schnell habe ich für uns drei noch drei neue Flaschen Wasser geholt und bin dann ebenfalls in den Innenhof gegangen.
Als ich die Tür öffnete und mir die Sonne ins Gesicht schien, war es überwältigend. Es war so schön. So etwas Schönes habe ich noch nie erlebt. Niko saß mit Pip direkt gegenüber der Tür . Der Anblick war etwas eigenartig, da Niko wie ein Gespenst auf mich wirkte. Seine Augen waren riesig, seine Haut war blass und seine Blicke erkundeten den wunderschönen Innenhof. Ich stellte mich zu den beiden und wir redeten darüber was wir auf einmal alles wahrnehmen können. Für Niko war es leider etwas zu viel, da er sich etwas überfordert fühlte. Es ging ihm nicht schlecht, aber er wollte trotzdem nach Hause. Für mich war das vollkommen okay zu gehen. Für mich war einfach alles okay. Ich bot ihm an, Paul zu holen und uns dann auf dem Weg zu machen. Doch Pip meinte, es sei auch okay wenn ich noch bleiben möchte und dass ich es genießen soll. Er würde mit Niko auch alleine fahren. Sofort stimmte Niko ihm zu und sagte mir, ich soll es genießen und das Beste daraus machen. Auf einmal wurde mir bewusst, dass Jeder für Jeden nur das Beste möchte und dass es für die anderen auch wichtig ist, dass ich das Beste daraus mache. „Wenn ihr möchtet dass ich hier bleibe und es genieße, dann mache ich das auch.“ antwortete ich und war davon überzeugt, genau das zu erreichen.
Paul kam nach ein paar Minuten ebenfalls in den Hof und guckte uns nur komisch an, da er dachte es wäre ein Scherz mit dem MDMA gewesen. „Wie seht ihr denn aus?“, fragte er uns. Unsere Augen sagten mehr als tausend Worte. Wir erzählten ihm das wir MDMA genommen haben und wie wundervoll sich einfach alles anfühlt. Lachend fragte Paul, wann wir es genommen haben und woher wir es bekommen haben. Nach kurzer Beantwortung erklärte Niko ihm, dass er und Pip jetzt fahren würden, da das alles für ihn gerade etwas zu viel ist, aber es geht ihm nicht schlecht und wir sollen noch hier belieben und weiter feiern. Das weitere Gespräch konnte ich leider nicht mehr so gut verfolgen, da mich die Schönheit der Natur überwältigt hatte. Ich starrte bloß wie ein Irrer mit meinen Riesigen Augen in der Gegend herum. Pip und Niko holten noch ihre Jacken und sind danach mit einem Taxi in Pauls Wohnung gefahren.
Paul und ich sind wieder hinein gegangen und haben weiter getanzt. Es war einfach wunderschön die Musik, das mit meinem Körper machen zu lassen, was er möchte. Ich war in diesem Moment befreit, befreit von Sorgen, befreit von Hemmungen, sogar befreit zu denken. Mich überkam ein Gefühl der Sorglosigkeit. Alle bestehenden Probleme, die mich die letzten Monate zermürbt haben, erschienen winzig und mit ein wenig Anstrengung lösbar. Dieses wohle Gefühl habe ich das letzte Mal im Kindesalter empfunden, als die Wundertüte für 50 Pfennig das tollste in der Woche war. Zum ersten Mal seit Jahren, konnte ich die schönen Dinge im Leben wahr nehmen und genießen. Mein Leben erschien mir wundervoll, mit all seinen Zügen. Plötzlich wurde mir klar, dass es keinen Grund dafür gab, meinen Kopf hängen zu lassen.
Eine Weile später machte ich mir Sorgen um Niko. Da Paul wieder mit seiner neuen Bekanntschaft zugange war, habe ich mich wieder auf den Weg zum Innenhof gemacht. In der hintersten Ecke rief ich Niko auf seinem Handy an. Ich kann es nicht erklären warum, aber ich habe mich sehr gefreut als er meinen Anruf annahm. Es ging ihm gut und er ärgerte sich, dass er schon gefahren ist, doch es sei okay. Denn es war einfach alles okay. Ausführlich erklärte ich ihm wie ich mich fühle. Nach ungefähr 10 Minuten fiel mir auf, dass hinter mir ein Pärchen saß, welches mir aufmerksam zuhörte. Komischerweise war es mir egal. Es war für mich okay, wie eigentlich alles an diesem Abend bzw. Morgen. Als unsere Blicken uns kreuzten, lächelten mich beide an und ich erwiderte es. Eigentlich konnte ich es nur erwidern, da ich mein Lächeln nicht aus dem Gesicht bekam. Lachend wies ich Niko darauf hin, dass mir jemand zuhört und erzählte trotzdem weiter. Einen kurzen Augenblick später kam Paul wieder in den Hof und riss mir das Handy aus der Hand, um mit Niko zu reden. Ich nutze den Augenblick und lief im Hof ein wenig herum um die Einflüsse der Umgebung auf mich wirken zu lassen. Obwohl es an diesem Morgen sehr kühl war, fühlte es sich sehr wohl an. Es war eine angenehme Kälte.
Paul beendete das Gespräch mit Niko und wandte sich mir wieder zu. Paul war voller Elan und dazu auch noch voll im Suff. Wir standen direkt nebeneinander, doch waren in zwei verschiedenen Welten. Den letzten Satz, des Telefonats, den ich mitbekommen habe war, „wir gehen jetzt ins Berghain.“ Dieser Satz löste eine Euphorie in mir aus. Ich freute mich so sehr, denn das bedeutete, dass der Tag noch lange nicht vorbei ist. Paul fragte mich noch eine Weile aus wie ich mich fühle und was diese Droge so bewirkt. Nach einiger Zeit viel mir auf, dass er mich dabei filmte. Doch wie alles andere auch, war es okay.
Danach sind wir noch etwas tanzen gegangen und wollten uns anschließend auf dem Weg zum Berghain machen. Voller Vorfreude tanzte ich wie ein Besessener. 10 Minuten später kam Paul auf mich zu und sagte mir, dass wir jetzt gehen. Als ich ihn fragte wohin wir gehen und er mir kurz und knapp antwortete „nach Hause“, brach eine Welt für mich zusammen. Von 100 auf 0, in unter einer Sekunde. Ihr werdet es nicht glauben, aber es war okay für mich. Natürlich wollte ich unbedingt in das Berghain, aber es war für mich auch okay in Pauls Wohnung zu fahren. Wir holten unsere Jacken, verließen den Club und machten uns zu den Taxiparkplätzen auf. Diese waren direkt auf einer Brücke.
Noch immer war die Sonne am aufgehen und Keine einzige Wolke war am Himmel zusehen. Paul stieg in ein Taxi ein und ich stand noch immer auf der Brücke und konnte gar nicht glauben wie schön dieser Anblick war. Als ich bemerkte, dass Paul schon eingestiegen war, bin ich dazu gestiegen. Die Taxifahrt war der absolute Hammer. Während Paul damit beschäftigt war nicht zu kotzen, war ich damit beschäftigt, die wundervoller Schönheit der aufgehenden Sonne im Zusammenspiel, mit dem Wasser der Spee und den Gebäuden, zu verarbeiten. Ich konnte es wirklich nicht glaube, was ich sehe und was ich dabei empfinde. Es kam mir so vor als würde ein bewusstseinserweitertes Ich, meinem normalem Ich die Welt neu erklären. Das kuriose dabei war, dass das bewusstseinserweitere Ich wirklich in allem Recht hatte. Meine inneren Konflikte, welche mir vor diesem Trip wirkliche Probleme bereitet haben, waren gelöst. Man könnte im Nachhinein sagen, dass diese Taxifahrt eine spirituelle Reise für mich war. Diese Erklärung klingt zwar jetzt etwas überzogen, aber während dieser Fahrt ist etwas mit mir passiert.
Endlich an Pauls Wohnung angekommen, wies Paul mich darauf hin, dass ihm vom Taxifahren immer schlecht wird. Kurz vor seiner Haustür drehte er dann doch noch mal um und übergab sich. Normalerweise würde ich bei solch einem Anblick direkt mitmachen, aber es war natürlich alles okay für mich.