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Ich habe auf dich gewartet
Schon von Weitem sah ich ihn auch heute wieder auf dem menschenleeren Parkplatz stehen, über den ich jeden Morgen ging, um zum Bahnhof zu gelangen. Schmal, dunkel, sowie mit dem geschnäbelten Haupt gen Erde gerichtet, verbarg er sich nur halb im Schatten eines Autos und schien zu warten. Vor ein paar Wochen war er mir zum ersten Mal aufgefallen, doch dachte ich nie daran ihm Beachtung zu schenken oder ihn gar anzusprechen. Vielleicht waren es seine gänzlich schwarzen Hüllen oder aber sein nahezu perfektes Verschmelzen mit den Schatten, welche lediglich durch die spärliche Beleuchtung der wenigen Straßenlaternen erzeugt wurden, aber etwas an ihm verhieß Unheil für mich, lies mich meinen Blick starr geradeaus richten sobald ich seine Anwesenheit spürte. Auch heute -die Sonne war, wie immer, noch lange nicht aufgegangen- erfüllte mich dieses ungute Gefühl der Schwere auf meinen Schultern, je näher ich seiner Gestalt kam, doch etwas war diesmal anders, als die vorherigen Tage und Wochen. Trotz der scheinbaren Belastung, welche seine Existenz schon aus der Entfernung auf mich auszuüben schien, hatte ich den Willen dieses Wesen zu betrachten, nicht nur aus der Ferne und ausschließlich für wenige Augenblicke, sondern aus nächster Nähe, um auch jedes kleinste Detail, jede Einzelheit erkennen zu können, insofern etwas derartiges vorhanden war. Ob mich Neugierde oder Wahnsinn zu ihm hin trieben, abwenden konnte ich es nun, da ich diesen Weg -dem Anschein nach völlig freiwillig- gewählt hatte, nicht mehr. Von meinem eigentlichen Ziel abweichend, verringerte ich die Distanz zwischen uns, wie ich es noch nie zuvor gewagt hatte, spürte dabei jedoch die Kälte, welche sich mit jedem Schritt, langsam und wie ein eiserner Dorn, in mein Herz zu bohren schien. Mittlerweile wurde ich von dieser Gestalt, die mich noch immer nicht zu fokussieren beabsichtigte, so sehr angezogen, dass es mir auch mit starker Willenskraft unmöglich gewesen wäre, ihr zu entkommen. Auf den letzten Metern entzog sich die gerade erst eingezogene Kälte meinem nun kaum noch erwärmten Herzen wieder und hinterließ es gefühllos, fast vollends taub, in meiner Brust. Auch das Gewicht, welches auf mir lastete, schon seit ich das Wesen zum ersten Mal sah, war nun nahezu unerträglich schwer und ich hatte Mühe mich auf meinen Beinen zu halten. Ohne große Anstrengungen zu leisten empfand ich auf einmal unendliche Kraftlosigkeit und jeder Schritt kostete mich alles an mobilisierbarer Energie, doch schließlich hatte ich es geschafft. Aus der Nähe betrachtet konnte ich erkennen, wie viele filigrane Feinheiten seinen Körper prägten und dass er eine gesteigerte Komplexität aufwies. Er schien nicht aus Masse zu bestehen, sondern viel mehr aus einer sich ständig wandelnden und doch immer gleich wirkenden Materie. Zu sehen war diese stetige Veränderung nicht, aber ich konnte sie deutlich spüren. Sie durchströmte meinen gesamten Körper und vermochte das Einzige zu sein, was ich noch in der Lage war zu fühlen, doch es war kein positives, sondern ein gänzlich beklemmendes Gefühl, welches mich nun einnahm. Nachdem das Wesen mit dem Schnabelkopf mir bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Aufmerksamkeit entgegengebracht hatte, hob es schließlich, langsam und bedacht auf jede seiner Bewegungen, den Blick vom Boden, wandte ihn mit entgegen. Es hatte keine Augen, so konnte ich anfangs nur erahnen, dass es mich betrachtete, doch drang sein Blick sobald auch in mein tiefstes Inneres vor und ließ mich wissen, dass ich richtig lag. Keinem Wort war es möglich meinen Körper zu verlassen, wenngleich mir eine Frage auf der Zunge brannte, seit ich in des Wesens Bann geraten war. Jedoch brauchte ich mich nicht zu überwinden, sondern bekam alsbald schon, was ich zu erhoffen vermochte. Ohne Mund und ohne Stimme sprach es nun zu mir und sagte: „Ich habe nur auf dich gewartet und jetzt, da du mich aufsuchtest, werde ich von deiner Seite nimmer mehr weichen. Auf das dein Glück und deines Herzens Reinheit unter meiner Macht ausdörren und du auf ewig in meinem Schatten wandelst, bis die Last des Lebens dich erdrückt“.