Ich hätte Astrophysik studieren sollen
Ich hätte Astro - Physik studieren sollen
Ich höre Led Zeppelin, die Musik kreischt, der Sänger ist ein hypostasierter deus ex machina aus dem Sägewerk, mein Bildschirm leuchtet grün als wäre mein Arbeitszimmer in UV - Licht getaucht und die Ordnung entspricht meinen Vorstellungen von einem molekular-medizinischen Labor in St. Petersburg am Morgen nach der russischen Revolution. - Nein, ich bin nicht unfähig Ordnung zu halten, jedenfalls trenne ich organisches Material (Küche) von anorganischen Objekten (Compact Disk im Arbeitszimmer). Ich sitze am Windows 3.11 Rechner in der Kammer für Aschenputtel. Ich bin dort wo der Staubsauger steht und Joscha feiert eine Party.
"Was hast du denn so vor?", fragte ich gestern, während ich unauffällig Wasserflaschen, Tempotaschentücher, Altpapier, Bleistiftspitzerreste, Kaugummipapier, Kaugummiklumpen, Schokoladentafelreste, Apfelgripsch, Zigarettenkippen, private Briefe, Telefonnummern auf kleinen Zetteln von Schulbüchern trennte.
"Lass das. Du bekommst schon Mama-Allüren."
"Ich bin nicht deine Mutter."
"Du räumst in meinem Zimmer die leeren Wasserflaschen weg, wenn ich nicht da bin. Ich merke das."
"Wir brauchen das Pfandgeld.", versuche ich mich zu rechtfertigen.
"Könntest du morgen ins Kino gehen?" sagt er und setzt nach, "Na ja, also ich finde es komisch, wenn du bei meinen Freunden sitzt. Und ich finde es komisch, wenn du allein im Wohnzimmer bist und schlafen kannst du nicht, weil die Musik zu laut ist und ich will kein schlechtes Gewissen haben."
"Na klar.", sage ich.
"Also, Bruno und Jo kommen um sieben aus Passau. Die kleine Anja hilft mir ab fünft beim Kochen. Um acht kommt die große Anja. Um sechs die Andi mit Franz. - Pause - nein, mit Corin. - Pause - wahrscheinlich. Und dann wollen Nadine, Florian, Anne und Ines später dazu stoßen. Oder sie sind schon beim Essen dabei."
"Aha."
"Es kann auch sein, dass Philipp und Annelie bei uns übernachten wollen."
"Ähm."
"Wir kochen uns was. Hast du eine Idee?", fragt er mich.
"Also, ..."
"Vegetarisch, weil ich mir nicht sicher bin ob Raffi kommt."
"Dann.."
"Geht schnell - gibt es da nicht eine Kategorie Geht schnell? Wenn die kommen, haben die bestimmt tierisch Hunger. Die sind zwei Stunden Zug gefahren. Völlig stressig."
"Dann..." - ich will etwas vorschlagen.
"Gelingt leicht und für Gäste" Dies scheint eine besonders wichtige Kategorie zu sein, denn er sagt es mit besonderem Nachdruck.
"Wie wäre es mit ..."
"Preisgünstig? Es darf nicht teuer sein..."
In diesem Moment wurde mir klar, warum ich Geronto-Wissenschaften nie - na gut, höchsten zwei Semester - in mein Curriculum aufgenommen hatte.
"Pizza vom Supermarkt? Ein paar zur Auswahl, dann ist für alle was dabei." schlage ich vor.
"Du, um elf sind wir weg. Wir wollen nach Nürnberg, - in die Stadt."
Ich konnte ja einfach von fünf bis halb zehn in die Uni und dann meine Freunde besuchen, welche sich als akademische Heloten im Kino verdingen.
Mein Mitbewohner - so der heutige Sprachgebrauch - wollte eine Fete feiern.
Um halb zwölf kam ich heim, und die Wohnung sah aus, als wäre der Urknall des Universums simuliert worden, - bevor die Bildung von Planeten einsetzte.
"Du, es ist so gemütlich hier, wir wollen doch nicht nach Nürnberg."
Ich kann keine Musik anmachen. Es hätte keinen Sinn. Aber ich habe noch eine Flasche Wein gefunden. Morgen werde ich das Seminar Physis und Psyche besuchen. Samstag halten das Institut Geschichte der Medizin und Institut für Wissenschaftsgeschichte und Philosophie gemeinsam eine Veranstaltung zum Thema Schmerz und Angst ab. Das Wochenende wird vorübergehen.