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Ich Frau, du Mary Jane, sie Emma, Er da.
Ich liege unter der kalten Decke, kalt von meinem Schweiß. Er lässt mir die Kleidung allmählich am Körper kleben, wie feuchtes Papier. Unter dem Stoff fühle ich mich wie in einer Vakuumpackung, zum Frischhalten gibt es aber schon länger nichts mehr. Kann mich nicht erinnern, wann ich mich angezogen habe und warum ich es tat. Ich bin ziemlich drauf, habe Lust zu diskutieren, das Pot macht mich aggressiv. Bin sonst immer gut drauf von dem Zeug, hab’s mir selbst verschrieben zwecks hysterischer Lachkrämpfe. Ich bin zu vernebelt, kann nicht mehr logisch argumentieren, bin wütend.
Er steht vor mir an der Bettkante und schaut mich an. Ist leicht von meinem Anblick angewidert, das Arschloch. Geilt ihn aber auch auf, ich kann es ihm anriechen. Er lächelt. Zieht sich die Jeans über den Unterleib, hält Shorts für unnötig und fuchtelt ewig am Gürtel herum.
Ich habe Lust mich an seine fertigen Eier zu krallen. Mich an ihnen zu verbeißen. Ich könnte ihn zerstören. Ich liebe ihn.
Mann, was ist heute nur mit Mary Jane los. Sie beschwört die Emma in mir herauf, die Petra und Brigitte. Männer sind schlecht, degradieren dich, Frau. Mich überkommt der Verdacht, dass Toni mal wieder Mist erzählt hat. Die Mische ist verdorben, da kann er sagen, was er will. Emma und all die anderen haben mich vorgewarnt, aber ich wollte nicht hören: Männer sind schlecht.
Mir ist kalt, so kalt. Ich habe Hunger wie nichts Gutes, aber essen fiele mir schwer und liegt mir noch zu fern. Also lass ich es, soll mir doch der Magen knurren.
Von der Hauptstraße dringen Vibrationen in das Zimmer, dringen in meinen Kopf hinein, dringen in meinen Unterleib. Mein Körper zittert, meine Stimme folgt ihm und wandelt sich von der sonstigen dunklen Klarheit in einen hilflosen Hauch.
Ich fürchte seinen Gang zur Tür, möchte standhaft blieben. Er ist voll da, ich bin voll drauf und ihm damit unterlegen. Kann mich nicht entscheiden, ob ich Stärke wenigstens vortäuschen will, oder ob mir seine Abrechnung egal ist. Zwischen dem Bett, in dem ich liege, und ihm liegt ein Kriegsmarsch, so kommt es mir vor.
Er geht. Ich spüre einen Schlag im Brustkorb, muss den Atem innehalten, um nicht zu flennen.
Weib, zügel dich, denke ich.
Als allernächstes bekommt Toni auf die Fresse. Schau, was du mit mir angerichtet hast, du Bastard.
Es hilft nichts, ich muss aufstehen. Sofort. Meine Blase ist seit Stunden voll, habe das Gefühl einfach vergessen. Ich schwöre mir, mich nie mehr bekifft hinzulegen. Wer braucht schon Männerhass, so bin ich nicht. Bin auf den Beinen stärker als ich dachte, muss mich nirgends festhalten. Schaffe den Gang zur Toilette, wasche mir die Hände, schaue in den Spiegel. Schaue lieber weg. Kaltes Wasser prallt auf meinem Gesicht, ich habe es nötig. Finde Gefallen am Gefühl, streife meine Kleidung ab, schiebe mich hinter den Vorhang.
Gütiger Himmel, eine Wiedergeburt. Meine Wut verflüchtigt sich, verfärbt sich in Trauer. Stehe lange unter dem Strahl, rühre mich nicht, lass Wasser und Gedanken laufen. Verlasse Emma und all die anderen, sie brachten mir kein Vergnügen. Gestehe mir ein: Ich liebe die Männer einfach, bin bereit ihre Anwesenheit mit Schmerz zu bezahlen.
Meine Haustür fällt ins Schloss. Dass ich mir nie angewöhnen kann, sie abzuschließen. Wenigstens die Tür im Bad. Herrgott. Ich bin plötzlich ganz wach.
Er steht im Türrahmen meines Badezimmers mit dem gleichen Lächeln, das er hatte, als er ging. Er hält eine weiße Tüte in der Hand und lässt sie vor meiner Nase pendeln. „Ein Hoch auf die Großstadt, was, Kleines?“ Er war bei diesem verrückten Chinesen, der seine Angestellten bis zum Exitus schaffen lässt und erst Feierabend macht, wenn die Nachfrage es so will. Er sagt mir, er habe heiße Suppe mitgebracht. Die Größe der Tüte lässt erahnen, dass sie noch mehr verhüllt.
Ich stehe noch unter dem Duschkopf, der längst nicht mehr läuft. Er stellt die Tüte auf dem Toilettendeckel ab, zieht mich an sich, der Badewannenrand ist zwischen uns.
Wassertropfen fallen von meinen Haaren auf seine Schultern, sein Kuss schmeckt nach der Kühle der Stadt. Ich bin schwach, habe mich entschlossen, dazu zu stehen. Lasse die Stimmen in meinem Kopf hinter mir.
Emma und all die anderen toben, ich höre sie aus weiter Entfernung, aber habe keinen Stinkefinger frei, um mich ihnen mitzuteilen. Schimpfe mit mir über den kurzen Moment der Untreue, begangen an mir selbst.
Er packt mich unter den Armen, hebt mich aus der Wanne, wie ein Kind. Setzt mich ab. Küsst meinen Bauch, dieser knurrt ihn an. Mit der weißen Tüte in der einen Hand und meiner Hand in der anderen, verlassen wir das Bad. Ich schaue ihn an, traue mich nicht, den Kopf zu heben, mein Blick trifft einzig seine Brust.